Titel:
Hausverbot durch den Bürgermeister anlässlich einer Bürgerversammlung
Normenketten:
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1, § 113 Abs. 1 S. 4
BayGO Art. 18, Art. 56 Abs. 2
Leitsätze:
1. Für die Frage, ob ein Hausverbot dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zuzuordnen ist, ist mangels eines öffentlich-rechtlichen Sonderrechts maßgeblich darauf abzustellen, welchen Zweck die hausrechtliche Maßnahme unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls verfolgt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zwar fehlt das besondere Feststellungsinteresse regelmäßig, wenn die Erledigung durch Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts seitens der Behörde wegen Rechtswidrigkeit eingetreten ist. Im Falle des Widerrufs eines (vermeintlich) rechtmäßigen Verwaltungsakts kann jedoch ein besonderes Feststellungsinteresse gegeben sein. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das öffentlich-rechtliche Hausverbot dient dazu, künftige und von außen kommende Störungen des Geschäftsgangs zu unterbinden und zu verhindern. Ob künftig eine Störung vorliegt, erfordert zum einen auf Tatsachen beruhende Feststellungen, dass der Adressat eines Hausverbots in der Vergangenheit insbesondere als Störer den Geschäftsgang oder Veranstaltungen der Gemeinde beeinträchtigt hat. Zum anderen müssen die festgestellten Störungen die Prognose rechtfertigen, dass auch in Zukunft mit solchen Störungen zu rechnen ist. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ortsfremde Personen haben zwar keinen Rechtsanspruch auf die Teilnahme an einer Bürgerversammlung, können jedoch im Einzelfall zu einer Bürgerversammlung zugelassen werden. Der Zutritt kann ihnen verwehrt werden, wenn die Einschränkung des Zugangs ermessensgerecht ist. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
öffentlich-rechtliches Hausverbot, Fortsetzungsfeststellungsklage, Rehabilitationsinteresse, Rechtswidrigkeit, Hausverbot, Feststellungsinteresse, Erledigung, Bürgerversammlung, Ortsfremde
Fundstelle:
BeckRS 2021, 56457
Tenor
Es wird festgestellt, dass das mit Schreiben vom 5.12.2020 erteilte Hausverbot in Gestalt der mit E-Mail vom 13.12.2020 erfolgten teilweisen Aufhebung rechtswidrig war.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass das gegen sie mit Schreiben vom 5. Dezember 2020 erlassene Hausverbot in Gestalt der mit E-Mail vom 13. Dezember 2020 erfolgten teilweisen Aufhebung rechtswidrig war.
2
Die Klägerin hat ihren Wohnsitz in … Sie war 19 Jahre lang für die Beklagte als Archivarin (teilweise ehrenamtlich) tätig. Mit Schreiben vom 5. August 2020 entband der erste Bürgermeister der Beklagten die Klägerin von dieser Tätigkeit. Die Klägerin war zudem Kuratorin der …-Ausstellung im „…“ in … Am … sollte in der ehemaligen Synagoge in … eine Bürgerversammlung im Sinne des Art. 18 der Bayerischen Gemeindeordnung (GO) stattfinden. Die Einladung hierzu wurde im Mitteilungsblatt der Verwaltungsgemeinschaft … Nr. … vom … veröffentlicht. Als Tagesordnungspunkte waren ein Bericht des Bürgermeisters und eine allgemeine Aussprache vorgesehen. Es wurde darauf hingewiesen, dass aufgrund der aktuellen Pandemieauflagen die Platzanzahl beschränkt sei. Die Klägerin wollte an der Bürgerversammlung teilnehmen und wurde vom ersten Bürgermeister der Beklagten zum Verlassen des Versammlungsorts aufgefordert, da sie keine Gemeindeangehörige ist. Auf Hinweis der Klägerin, dass sie im Auftrag ihrer Redakteurin Frau P. von der Zeitung „…“ an der Bürgerversammlung teilnehmen und darüber berichten solle, hat der erste Bürgermeister der Beklagten sie aufgefordert, einen Presseausweis vorzuzeigen. Einen E-Mail-Ausdruck mit dem Auftrag der Redakteurin stufte er vor Ort als Dokument ein, welches mittels eines Textverarbeitungsprogramms selbst hergestellt werden kann. Er erteilte der Klägerin daraufhin einen Platzverweis. Nachdem die Klägerin den Veranstaltungsort nicht freiwillig verließ, wurde die Polizei gerufen. Die Polizeibeamten sahen von der Anwendung von Zwangsmaßnahmen gegen die Klägerin ab. Daraufhin erstattete der erste Bürgermeister der Beklagten gegen die Klägerin Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch. Die Bürgerversammlung hat im Anschluss nicht stattgefunden.
3
Mit Schreiben vom 5. Dezember 2020 erteilte der erste Bürgermeister der Beklagten der Klägerin ein Hausverbot für alle gemeindlichen Anwesen. Dieses begründete er damit, dass die Klägerin sich am … geweigert habe, die Bürgerversammlung zu verlassen, sodass diese nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden konnte. Damit durch ein solches Verhalten künftige Veranstaltungen der Gemeinde nicht mehr gestört würden, werde das Hausverbot erteilt. Selbstverständlich sei zu den öffentlichen Veranstaltungen der Gemeinde die Presse zugelassen. Das Hausverbot richte sich nicht gegen die öffentliche Presse, sondern gegen die Klägerin persönlich nach ihrem uneinsichtigen Verhalten am … Er bedauere sehr, dass er durch das klägerische Verhalten zu dieser Maßnahme gezwungen sei. Ihm seien die in der Vergangenheit geleisteten Verdienste der Klägerin bewusst. Trotzdem halte er die getroffene Maßnahme zur Aufrechterhaltung der ordentlichen Geschäftsgänge des Gemeindewesens für unausweichlich. Das Schreiben wurde der Klägerin am 7. Dezember 2020 in den Briefkasten eingelegt.
4
Der erste Bürgermeister der Beklagten hob mit der an die Klägerin am 13. Dezember 2021 versandten E-Mail das Hausverbot teilweise auf, soweit es den Zugang zum Archiv betraf.
5
Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2020, Eingang beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag per Fax, erhob die Klägerin Klage und beantragte,
die Aufhebung des Hausverbots vom 5. Dezember 2020.
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Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass sie aufgrund des erfolgten Hausverbots an einer Gemeinderatssitzung am 9. Dezember 2020 nicht teilnehmen habe können und dadurch einen Verdienstausfall mangels Berichterstattung für den „…“ und die „…“ erlitten habe. Sie finde das Verhalten des Bürgermeisters bei der Bürgerversammlung befremdlich, da sie Kuratorin der …-Ausstellung im … und damit des Veranstaltungsorts sei. Zudem habe sie als Pressevertreterin daran teilnehmen wollen. Derzeit sei ihr aufgrund des Hausverbots unter anderem auch die Teilnahme an einer Beerdigung im Gemeindegebiet nicht möglich.
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Unter dem 11. Januar 2021 übermittelte die Beklagtenseite dem Gericht unter anderem eine E-Mail des ersten Bürgermeisters an die Klägerin vom 31. Dezember 2020, in welcher dieser das erteilte Hausverbot auch bezüglich der übrigen gemeindlichen Anwesen aufhob.
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Nach erfolgtem gerichtlichen Hinweis zur Erledigung des streitgegenständlichen Hausverbots beantragte die Klägerin mit Schriftsatz vom 17. Januar 2021, zu prüfen, ob die Erteilung des Hausverbots rechtmäßig war.
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Sie sei trotz Weisung ihres Auftraggebers als freie Mitarbeiterin einer Regionalzeitung durch den ersten Bürgermeister daran gehindert worden, von der Bürgerversammlung am … und der Gemeinderatssitzung am 9. Dezember 2020 zu berichten. Zeitungsartikel über die Bürgerversammlung mit den negativen Äußerungen des ersten Bürgermeisters gegen ihre Person seien für sie, die nebenberuflich eine Agentur für kulturhistorische Recherche betreibe, bei der Stadt … als Archivarin und Museumsleiterin angestellt sei und vom Landratsamt … als ehrenamtliche Kreisarchivpflegerin berufen sei, äußerst rufschädigend. Würde gegen das Hausverbot kein Urteil ergehen, bestehe die Gefahr, dass jederzeit ein weiteres derartiges Hausverbot gegen sie erlassen werde. Dies zeige sich dadurch, dass der erste Bürgermeister bei einer Abstimmung im Gemeinderat am 9. Dezember 2020 gegen die Bitte des Gemeinderats, das Hausverbot und die Strafanzeige zurückzunehmen, gestimmt habe. In seiner E-Mail vom 31. Dezember 2020, in welcher der erste Bürgermeister das Hausverbot aufgehoben habe, sei keine Reue oder ein Schuldeingeständnis erkennbar.
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Mit Schriftsatz ihres ersten Bürgermeisters vom 5. Februar 2021 beantragte die Beklagte,
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Es wurde ausgeführt, dass von 2001 bis 2018 eine gute Zusammenarbeit der Beklagten mit der Klägerin bezüglich der Archivarbeit stattgefunden habe. Seit 2018 bestünden Spannungen, da die Verwaltungsgemeinschaft … eine Archivarin eingesetzt habe, deren Fähigkeiten die Klägerin in Zweifel ziehe. Ferner habe es seitdem Streit darüber gegeben, welche Unterlagen bei der Verwaltungsgemeinschaft … verbleiben dürften und welche ins Archiv der Beklagten überführt werden müssten. Am 28. Juli 2020 habe die Klägerin in der Verwaltungsgemeinschaft … die Herausgabe von Unterlagen für das Archiv gefordert. Als ihr dies verweigert worden sei, habe sie Mitarbeiter beleidigt und sich Zugang zu den Büros verschafft sowie Bilder vom Inhalt von Schränken angefertigt. Daraufhin habe der erste Bürgermeister der Beklagten mit Schreiben vom 5. August 2020 die Zusammenarbeit mit der Klägerin im Bereich der Archivpflege beendet. Das Verhältnis der Klägerin zur Beklagten habe sich darüber hinaus durch die daraufhin erfolgte journalistische Tätigkeit der Klägerin verschlechtert. Sie habe u. a. über Gemeinderatssitzungen berichtet und dabei die Beklagte und insbesondere den ersten Bürgermeister in ein immer schlechteres Licht gerückt. Die Berichterstattung sei teilweise völlig verzerrt und falsch gewesen. Die Klägerin sei nicht objektiv bei der Berichterstattung gewesen. Am … habe die Klägerin erstmals an einer Bürgerversammlung teilnehmen wollen. Bei Bürgerversammlungen werde Bezug auf örtliche Angelegenheiten genommen, sodass der Zugang hierzu grundsätzlich auf Gemeindebürger beschränkt sei. Die Klägerin wohne nicht im Gemeindegebiet und habe daher keine Teilnahmeberechtigung gehabt. Dies habe erst Recht gegolten, da aufgrund der Corona-Pandemie und der notwendigen Hygieneabstände weniger Plätze zur Verfügung gestanden hätten und diese für Gemeindebürger vorgesehen gewesen seien. Einige Gemeinderatsmitglieder hätten nachträglich weitere Stühle aufgestellt, jedoch schien die Wahrung der Abstände zwischen den Gemeinderatsmitgliedern dadurch zweifelhaft. Beim Eintreffen der Klägerin sei diese aus den genannten Gründen gebeten worden, nicht an der Bürgerversammlung teilzunehmen. Sie habe daraufhin behauptet, als Pressevertreterin ein Anwesenheitsrecht zu haben. Allerdings habe sie weder einen Presseausweis gehabt, noch auf andere verifizierbare Weise ihre Pressetätigkeit nachweisen können. Sie habe sich auf den Ausdruck einer E-Mail berufen, in der sie von Frau P. angeblich mit der Berichterstattung über die Bürgerversammlung beauftragt worden sei. Der erste Bürgermeister habe sich daraufhin vage daran erinnert, dass er einige Wochen vorher eine elektronische Anfrage einer Frau P. zu einem anderen Thema erhalten zu haben, die sich als Fälschung erwiesen habe, da Frau P. zur Gemeinderatssitzung über das angefragte Thema nicht erschienen sei. In der Bürgerversammlung habe er festgestellt, dass das von der Klägerin vorgelegte Druckwerk von Jedermann unschwer hergestellt werden könnte. Eine Pressevertretung habe sich daraus nicht ergeben. Auch die angebliche Kontaktjournalistin sei zu diesem Zeitpunkt nicht erreichbar gewesen. Er habe daher der Einlassung der Klägerin keinen Glauben geschenkt. Da sie nicht freiwillig den Veranstaltungsort verlassen habe, habe er von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht und die Polizei gerufen. Die beiden anwesenden Polizisten hätten nach Rücksprache mit ihrem Dienststellenleiter wegen der angeblichen Pressetätigkeit der Klägerin keinen unmittelbaren Zwang gegen die Klägerin eingesetzt. Konsequenz dessen sei gewesen, dass die Bürgerversammlung wegen des uneinsichtigen Verhaltens der Klägerin nicht habe stattfinden können. Aufgrund der Nichteinhaltung des Hygienekonzepts habe die Veranstaltung zudem stark eingeschränkt werden müssen. Aufgrund der Sabotage der Bürgerversammlung durch die Klägerin habe er befürchtet, dass sie ähnlich destruktives Verhalten bei anderen Anlässen, beispielsweise während Gemeinderatssitzungen zeigen könnte. Er habe sich zur Sicherung des ordnungsgemäßen Gemeindelebens dazu verpflichtet gesehen, das Hausverbot gegen die Klägerin als Störerin zu erlassen. Das Hausverbot sei notwendig gewesen, um die sichere Erfüllung der gemeindlichen Aufgaben zu gewährleisten. Das Hausverbot sei bezüglich des Archivgebäudes (gesondertes Gebäude) am 13. Dezember 2020 aufgehoben worden, da eine unmittelbare Störung gemeindlicher Abläufe nicht zu befürchten gewesen sei. Über die Weihnachtsfeiertage habe der erste Bürgermeister den Abwägungsprozess zum Hausverbot fortsetzen können und die Forschungs- und Publikationsarbeit der Klägerin einem möglichen Sabotageakt gegenübergestellt. Er habe im Rahmen dieser Abwägung entschieden, das Hausverbot wieder zurückzunehmen.
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In der Replik vom 5. März 2021 führte die Klägerin aus, dass sich aus einer als Anlage beigefügten Stellungnahme des Landratsamts … ergebe, dass das Hausverbot rechtswidrig ergangen sei. Der erste Bürgermeister der Beklagten habe zwar am 13. Dezember 2020 das Hausverbot hinsichtlich des Archivdepots aufgehoben, nicht jedoch bezüglich des Zugangs zu öffentlichen Toiletten, was eine Demütigung für die Klägerin dargestellt habe. Die in der Klageerwiderung getätigten Aussagen seien teilweise unwahr. So habe der erste Bürgermeister die Klägerin damit beauftragt, am 28. Juli 2020 Archivmaterial von der Verwaltungsgemeinschaft … abzuholen. Dass er die Herausgabe des Archivguts später widerrufen habe, sei ihr erst vor Ort mitgeteilt worden. Ihre Entschuldigung wegen den erfolgten Beleidigungen der Mitarbeiter sei von diesen mit einem Kopfnicken angenommen worden. Es stimme ferner nicht, dass die Klägerin bis zum Dezember 2020 an keiner Bürgerversammlung teilgenommen habe. Vielmehr habe sie bei drei früheren Bürgerversammlungen sogar Vorträge gehalten. Das Hausverbot sei gerade nicht notwendig gewesen, um die sichere Erfüllung der gemeindlichen Aufgaben zu gewährleisten. Der erste Bürgermeister verkenne weiterhin, dass die Klägerin als Journalistin bei der Bürgerversammlung anwesend gewesen sei. Der erste Bürgermeister habe sich bisher keine Kenntnis davon verschafft, dass die Klägerin tatsächlich in Pressefunktion anwesend gewesen sei. Als nebenberufliche Journalistin habe die Klägerin im Übrigen keinen Anspruch auf einen Presseausweis. Die Angabe, dass aufgrund der Corona-Lage kein Platz mehr bei der Bürgerversammlung frei gewesen sei, stimme ebenfalls nicht. Leere Stühle seien vorhanden gewesen. Die herbeigerufenen Polizisten hätten die Versammlung auch aufgelöst, wenn gegen die Abstandsregelungen verstoßen worden wäre. Der Vorwurf der falschen Presseberichterstattung sei ebenfalls nicht haltbar. Die Klägerin sei seit dem Jahr 2018 für die Berichterstattung um die Beklagte zuständig. Sie habe keine falschen Berichte geschrieben. Über die Endfassung der Berichte entscheide der Redakteur. Die E-Mail von Frau P. an den ersten Bürgermeister wegen eines anderen Themas habe es tatsächlich gegeben. Die vom ersten Bürgermeister in der Klageerwiderung getätigten Aussagen ließen darauf schließen, dass sein bisheriges Verhalten gegen die Klägerin persönlich gerichtet sei. Das gegen sie erlassene Hausverbot sei willkürlich gewesen.
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Mit Schriftsatz des ersten Bürgermeisters der Beklagten vom 29. März 2021 erwiderte diese, dass weder die Beendigung der Kooperation mit der Klägerin im Sommer 2018 noch die Archivarbeit der Klägerin für das Hausverbot relevant seien, da das Hausverbot keine Sanktion sei, sondern den ordnungsgemäßen Ablauf der Verwaltung und Gremien der Gemeinde gewährleisten solle. Die Klage sei unbegründet, da das Hausverbot bei Klageerhebung bereits in vollem Umfang aufgehoben gewesen sei. Ferner sei das Hausverbot notwendig gewesen, um künftige Störungen der Klägerin wie die bei der Bürgerversammlung am … und der Verwaltungsgemeinschaft … am 28. Juli 2020 zu vermeiden. Die Klägerin habe gerade kein Recht gehabt, an der Bürgerversammlung am … teilzunehmen, da sie sich nicht als Journalistin habe ausweisen können. Die die Klägerin angeblich beauftragte Zeitung „…“ habe über die Bürgerversammlung, anders als andere Zeitungen, im Nachhinein nicht berichtet, was dafür spreche, dass die Klägerin aus Eigeninteresse eine angebliche Beauftragung vorgespielt habe, um sich Zugang zur Bürgerversammlung zu erschleichen.
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Hierzu erklärte die Klägerin mit Schriftsatz vom 15. März 2021, der erste Bürgermeister der Beklagten habe ihr ihr Recht auf Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG)) verwehrt. Mit dem Argument des sturen Verhaltens könne kein Hausverbot gerechtfertigt werden. Die Klageerhebung sei am 30. Dezember 2020 erfolgt. Die Klage sei der Gemeinde am selben Tag durch Fax übermittelt worden. Die Aufhebung des Hausverbots sei erst am Nachmittag des 31. Dezember 2020 erfolgt. Die Äußerungen des ersten Bürgermeisters in der Klageerwiderung vom 5. Februar 2021, insbesondere der Vorwurf der Sabotage seien für die Klägerin rufschädigend. Zudem sei die Erteilung eines weiteren Hausverbots zu erwarten, da der erste Bürgermeister weiterhin davon ausgehe, dass sie sich unautorisiert bei der Bürgerversammlung aufgehalten habe. Er erkenne nicht an, dass sie als Pressevertreterin dort gewesen sei. Die Klägerin habe den damals anwesenden Polizisten auf ihrem Handy die E-Mail gezeigt, was der erste Bürgermeister auch mitbekommen habe. Da eine Bürgerversammlung nicht stattgefunden habe, habe es keine Berichterstattung in der „…“ darüber geben können. Der „…“ und die „…“ hätten die Klägerin am 3. Dezember 2020 per E-Mail dazu aufgefordert, über die Gemeinderatssitzung am 9. Dezember 2020 zu berichten. Dem ersten Bürgermeister sei die Beauftragung zur Kenntnisnahme übermittelt worden. Als Folge dessen habe er wohl das Hausverbot am 5. Dezember 2020 erteilt. Es werde drüber hinaus angemerkt, dass sich das Hausverbot auf alle gemeindlichen Gebäude bezogen habe und nicht nur auf den Zutritt zu bestimmten Orten.
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Unter dem 13. Dezember 2021 ergänzte die Beklagte ihr Vorbringen dahingehend, dass weder ein Rechtsschutzbedürfnis noch ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe, da die Klägerin selbst die angeblich negative Presseberichterstattung veranlasst habe. Zudem stimme es nicht, dass die Klägerin keinen Presseausweis bekommen könne.
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Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2021 vertiefte die Klägerin ihren Vortrag. Auf den Inhalt des Schriftsatzes wird Bezug genommen.
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Zuletzt beantragte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2021,
festzustellen, dass das mit Schreiben vom 5. Dezember 2020 erteilte Hausverbot in Gestalt der mit E-Mail vom 13. Dezember 2020 erfolgten teilweisen Aufhebung rechtswidrig war.
18
Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 16. Dezember 2021 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die Gerichtsakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)).
Entscheidungsgründe
19
Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, die Klage ist zulässig und begründet.
20
I. Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Für die Frage, ob ein Hausverbot dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht zuzuordnen ist, ist mangels eines öffentlich-rechtlichen Sonderrechts maßgeblich darauf abzustellen, welchen Zweck die hausrechtliche Maßnahme unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls verfolgt (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1970 - 7 C 80.67 - juris Rn. 36; OVG LSA, B.v. 29.8.2017 - 3 O 161/17 - juris Rn. 8). Vorliegend erließ der erste Bürgermeister der Beklagten das streitgegenständliche Hausverbot um künftige Störungen von Veranstaltungen durch die Klägerin zu vermeiden und den ordentlichen Geschäftsgang des Gemeindewesens aufrechtzuerhalten. Das erteilte Hausverbot hat daher offensichtlich eine öffentlich-rechtliche Zielsetzung.
21
II. Die ursprünglich erhobene Klage vom 30. Dezember 2021 war auf die Aufhebung des streitgegenständlichen Hausverbots gerichtet und wurde nach Eintritt der Rechtshängigkeit (§ 90 VwGO) mit Schriftsatz vom 17. Januar 2021 in eine Klage auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des zwischenzeitlich mit E-Mail vom 31. Dezember 2021 vollständig aufgehobenen Hausverbots umgestellt. Maßgeblich für die Entscheidung des Gerichts ist der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag (§ 103 Abs. 3 VwGO), sodass allein der dort formulierte Antrag auf Feststellung, dass das Hausverbot vom 5. Dezember 2021 in Gestalt der mit E-Mail vom 13. Dezember 2020 erfolgten teilweisen Aufhebung rechtswidrig war, streitgegenständlich ist. Die Änderung der ursprünglichen Anfechtungsklage hin zu einer Feststellungsklage nach Rechtshängigkeit der Klage ist nach § 173 Satz 1 VwGO i.V. m. § 264 Nr. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) keine Klageänderung (vgl. Rennert in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2019, § 91 VwGO Rn. 18 m.w.N.) und daher auch ohne die Voraussetzungen des § 91 VwGO zulässig. Im Übrigen würden die Voraussetzungen des § 91 Abs. 1 und 2 VwGO vorliegen, da die Beklagtenseite sich zum geänderten Klageantrag, ohne diesem zu widersprechen, schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung eingelassen hat.
22
III. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig und begründet.
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1. Die erhobene Klage ist zulässig, da nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft ist, weil sich der angegriffene Verwaltungsakt nach Klageerhebung erledigt und die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts hat.
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a. Die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist statthafte Klageart. Das streitgegenständliche Hausverbot vom 5. Dezember 2021 als Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) in Gestalt der mit E-Mail vom 13. Dezember 2020 erfolgten teilweisen Aufhebung wurde mit der E-Mail des ersten Bürgermeisters der Beklagten an die Klägerin vom 31. Dezember 2021 vollständig aufgehoben. Hierdurch verlor das Hausverbot seine Wirksamkeit und hat sich erledigt (vgl. Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG). Das erledigende Ereignis (Aufhebung des Hausverbots) erfolgte - entgegen der Ansicht der Beklagtenseite - nach der Klageerhebung am 30. Dezember 2021 (Eingang bei Gericht per Fax am selben Tag) und damit nach Rechtshängigkeit der Klage (§ 90 VwGO).
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b. Ein besonderes Fortsetzungsfeststellungsinteresse liegt vor.
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Als besonderes Feststellungsinteresse kommt ein berechtigtes Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten Maßnahme in Betracht. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Betroffenen in den genannten Bereichen zu verbessern (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.20213 - 8 C 14/12 - juris Rn. 20 m.w.N.). Das besondere Feststellungsinteresse wird insbesondere bejaht, wenn eine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr besteht, der Betroffene einen Amtshaftungs- bzw. Entschädigungsprozess vorbereitet, ein Genugtuungs- oder Rehabilitationsinteresse oder eine Fortdauer von Grundrechtsbeeinträchtigungen bestehen (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2019, § 113 VwGO Rn. 111). Zwar fehlt ein Rechtschutzbedürfnis regelmäßig, wenn die Erledigung durch Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts seitens der Behörde wegen Rechtswidrigkeit eingetreten ist (vgl. BVerwG, B.v. 5.9.1984 - 1 WB 131/82 - NVwZ 1958, 266). Hier geht die Beklagtenseite entsprechend ihrer Ausführungen im gerichtlichen Verfahren jedoch davon aus, dass das erlassene Hausverbot rechtmäßig gewesen ist. Im Falle des Widerrufs eines rechtmäßigen Verwaltungsakts kann jedoch ein besonderes Feststellungsinteresse gegeben sein (vgl. BVerwG, B.v. 17.12.2001 - 6 B 61/01 - NVwZ-RR 2002, 323; Schübel-Pfister in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2019, § 113 VwGO Rn. 109).
27
Vorliegend ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse in Form eines Rehabilitationsinteresses zu bejahen. Ein Rehabilitationsinteresse kann ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse rechtfertigen, wenn es nach der Sachlage als schutzwürdig anzuerkennen ist, was auch die Art des durch den erledigten Verwaltungsakt bewirkten Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich erfordern kann. Dies gilt namentlich in den Fällen, in denen der Verwaltungsakt in Freiheit und Ehre eines Betroffenen eingegriffen hat (vgl. BVerwG, B.v. 17.12.2001 - 6 B 61/01 - NVwZ-RR 2002, 324 m.w.N.). Die Klägerin wurde durch das erteilte Hausverbot sowohl in ihrer Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) als auch in ihrem privaten und beruflichen Ansehen (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) beeinträchtigt. Der Klägerin war es bis zur Aufhebung des streitgegenständlichen Hausverbots nicht möglich, ihrer Nebentätigkeit als freie Journalistin für Regionalzeitungen uneingeschränkt nachzugehen und über Sitzungen des Gemeinderats der Beklagten zu berichten. Darüber hinaus enthalten die Passagen in der Begründung des Hausverbots „durch Dein stures Verhalten“ und „nach Deinem uneinsichtigen Verhalten“ einen persönlichen Schulvorwurf gegen die Klägerin in Gestalt eines Tadels. Hierdurch wird der Klägerin unsachgemäßes Verhalten vorgeworfen, welches sich auf ihren Ruf und damit auch auf ihre sonstigen beruflichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten (Archivarin und Museumsleiterin der Stadt …, ehrenamtliche Kreisarchivpflegerin beim Landratsamt … und nebenberufliche Agentur für kulturhistorische Recherche) auswirken kann. Da über das streitgegenständliche Hausverbot medial berichtet wurde (beispielsweise unter https:/ …*), ist eine Rufschädigung, die das persönliche und berufliche Vorankommen der Klägerin beeinträchtigen kann, unabhängig davon, von wem die Berichterstattung initiiert wurde, nicht ausgeschlossen. Damit wird in die berufliche Freiheit und die Ehre der Klägerin eingegriffen. Sie hat daher trotz der Aufhebung des Verwaltungsakts ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Hausverbots.
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2. Die Klage hat in der Sache Erfolg. Das der Klägerin erteilte Hausverbot war rechtswidrig und verletzte sie in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und 4 VwGO).
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Unabhängig davon, ob sich die Befugnis der Gemeinde zur Erteilung eines Hausverbots aus Art. 56 Abs. 2 GO und der sich daraus ergebenden Verpflichtung der Gemeinde, von außen kommende Störungen des Geschäftsgangs zu verhindern und zu unterbinden (vgl. Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung - Kommentar, 31. EL Februar 2021, Art. 56 GO Rn. 17) oder als notwendiger Annex zur Sachkompetenz der Gemeinde, ihre Verwaltungsaufgaben und Funktion ordnungsgemäß zu erfüllen (vgl. BayVGH, U.v. 23.2.1981 - 7 B 80 A.1522 - BayVBl 1981, 657), ergibt, lagen die Voraussetzungen für den Erlass des verfahrensgegenständlichen Hausverbots nicht vor.
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a. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass eines Hausverbots waren nicht gegeben.
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Das öffentlich-rechtliche Hausverbot dient dazu, künftige und von außen kommende Störungen des Geschäftsgangs zu unterbinden und zu verhindern. Ob künftig eine Störung vorliegt, erfordert zum einen auf Tatsachen beruhende Feststellungen, dass der Adressat eines Hausverbots in der Vergangenheit insbesondere als Störer den Geschäftsgang oder Veranstaltungen der Gemeinde beeinträchtigt hat. Zum anderen müssen die festgestellten Störungen die Prognose rechtfertigen, dass auch in Zukunft mit solchen Störungen zu rechnen ist (vgl. VG Augsburg, B.v. 10.2.2016 - Au 7 S 16.189 - juris Rn. 28). Weder war das Verhalten der Klägerin bei der Bürgerversammlung am … als Störung anzusehen, noch rechtfertigte es die Annahme, dass auch in Zukunft mit einer Störung des Geschäftsgangs oder von Veranstaltungen der Gemeinde durch sie zu rechnen ist.
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aa. Zwar ist die Klägerin dem ihr vom ersten Bürgermeister der Beklagten bei der Bürgerversammlung am … erteilten Platzverweis nicht nachgekommen, sodass sich der Beginn der Versammlung verzögerte und die Bürgerversammlung letztlich verschoben wurde. Jedoch stellt dieses Verhalten keine Störungshandlung dar, da die Klägerin auch als ortsfremde Person und Pressevertreterin an der Bürgerversammlung hätte teilnehmen dürfen und der Platzverweis daher rechtswidrig war.
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Nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 GO hat der erste Bürgermeister mindestens einmal jährlich, auf Verlangen des Gemeinderats auch öfter, eine Bürgerversammlung zur Erörterung gemeindlicher Angelegenheiten einzuberufen. Bei Bürgerversammlungen können grundsätzlich nur Gemeindeangehörige das Wort verlangen (Art. 18 Abs. 3 Satz 1 GO). Ausnahmen kann die Bürgerversammlung beschließen (Art. 18 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 GO). Gemäß Art. 18 Abs. 3 Satz 4 GO sind ausschließlich Gemeindebürger stimmberechtigt. Nach der Gesetzessystematik haben Gemeindeangehörige (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 GO) ein Teilnahmerecht an der Bürgerversammlung, im Rahmen dessen ihnen ein Rederecht und ein Mitberatungsrecht zusteht, wohingegen Gemeindebürgern (Art. 15 Abs. 2 GO) zusätzlich hierzu das Abstimmungsrecht vorbehalten ist. Ortsfremde haben hingegen keinen Rechtsanspruch auf die Teilnahme an einer Bürgerversammlung, jedoch können sie im Einzelfall zur Bürgerversammlung zugelassen werden. Dieser Zugang zur Bürgerversammlung in Form einer passiven Zuhörerschaft kann zurückgewiesen werden, wenn die Einschränkung des Zugangs ermessensgerecht ist. Hierbei kommt der Grundsatz zum Tragen, dass Gemeindeangehörige und Gemeindebürger grundsätzlich einen vorrangigen Zugang zur Bürgerversammlung, beispielsweise bei fehlenden Kapazitäten haben (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.1989 - 4 B 88.0761 - NVwZ-RR 1990, 211; Müller in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, 31. EL Februar 2021, Art. 18 GO Rn. 7; Wachsmuth in BeckOK Kommunalrecht Bayern, September 2018, Art. 18 GO Rn. 3; Dehner, Der Zutritt zur Bürgerversammlung, BayVBl 1991, 716; a. A. SächsOVG, U.v. 11.6.2019 - 4 A 469/18 - juris Rn. 29 ff.).
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Die Klägerin wollte als ortsfremde Pressevertreterin an der Bürgerversammlung teilnehmen. Einen gesetzlichen Anspruch hierauf hatte sie nicht, jedoch einen solchen auf eine ermessenfehlerfreie Entscheidung über den Zugang zur Bürgerversammlung. Der erste Bürgermeister der Beklagten hat der Klägerin den Zutritt zur Bürgerversammlung am … in ermessensfehlerhafter Weise verweigert. Zum einen liegt ein Ermessensausfall vor. Der Klägerin wurde der Zugang zur Bürgerversammlung allein aus dem Grund verwehrt, weil sie als ortsfremde Person nicht daran teilnehmen dürfe. Dass durch ihre Teilnahme einem Gemeindebürger oder Gemeindeangehörigen der Zutritt zur Bürgerversammlung aus Kapazitätsgründen hätte verweigert werden müssen, wurde nicht vorgetragen. Eine vor Erlass des Platzverweises getroffene Feststellung des ersten Bürgermeisters dahingehend, dass es tatsächlich zu einem Kapazitätsproblem gekommen ist und deshalb zum Zeitpunkt des regulären Beginns der Bürgerversammlung ein Gemeindeangehöriger oder Gemeindebürger aufgrund des Zutritts der Klägerin keinen Platz mehr bekommen hat, wurde jedoch nicht getroffen. Erst, wenn es zu einer derartigen Situation gekommen wäre, hätte der Klägerin der Zutritt nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens verweigert werden dürfen und ein entsprechender Platzverweis erfolgen können. Der pauschale Verweis des Bürgermeisters, die Klägerin dürfe als Ortsfremde generell nicht an der Bürgerversammlung teilnehmen, zeigt daher, dass er nicht erkannt hat, dass er bei seiner Entscheidung Ermessen auszuüben hat. Darüber hinaus wäre auch ein Ermessenfehlgebrauch gegeben, da der erste Bürgermeister der Beklagten die unter Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Pressetätigkeit der Klägerin für die „…“ nicht hinreichend gewürdigt hat. Der Einwand, dass er davon ausgegangen sei, dass keine Beauftragung der Klägerin zur Berichterstattung von der Bürgerversammlung vorgelegen habe, greift nicht. Zwar mag es sein, dass die Klägerin keinen Presseausweis vorgelegt hat und ein E-Mail-Ausdruck leicht gefälscht werden könnte, jedoch war dem ersten Bürgermeister nach eigenen Angaben in der Klageerwiderung zum Zeitpunkt der Bürgerversammlung bekannt, dass die Klägerin bereits vermehrt über Veranstaltungen und Gemeinderatssitzungen der Beklagten für eine lokale Zeitung berichtete. Dass trotz dieses Wissens des ersten Bürgermeisters ein E-Mail-Ausdruck pauschal als Fälschung eingeschätzt wurde, ist für die Kammer daher nicht nachvollziehbar. Der Ausschluss der Klägerin von der Bürgerversammlung erwies sich somit als ermessensfehlerhaft, sodass gegen die Klägerin auch kein Platzverweis hätte ergehen dürfen. In der Weigerung der Klägerin, einer rechtswidrigen Maßnahme nachzukommen, liegt deshalb keine Störungshandlung.
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bb. Zum anderen ergibt sich allein aus der erst- und einmaligen Weigerung der Klägerin zum Verlassen der Bürgerversammlung entgegen des Willens der Beklagten noch keine Tatsache, die die Prognose künftiger Störungen rechtfertigt. So hätte der erste Bürgermeister den Vorfall am … vor Erlass des Hausverhalts ex-post betrachten müssen und nicht aus der ex-ante Perspektive, die im Rahmen der Gefahrenprognose zum Erlass eines Platzverweises herangezogen wird. Mögen dem ersten Bürgermeister der Beklagten die Maßnahmen gegen die Klägerin bei der Bürgerversammlung am … als rechtmäßig erschienen sein, da sich die Klägerin nach seiner Meinung nicht als Vertreterin der Presse ausweisen konnte, hätte er vor Erlass des streitgegenständlichen Sachverhalts durchaus im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes (Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG) weitere Informationen einholen können und müssen. Es wäre ihm vor Erlass des Hausverbots möglich gewesen, mittels einer Anfrage bei der „…“ zu verifizieren, ob die Klägerin über die Bürgerversammlung vom … berichten sollte. Dies hat er jedoch offenkundig nicht getan. Vielmehr stützte sich die Beklagte darauf, dass die fragliche Zeitung gerade nicht über die Bürgerversammlung berichtet hat, was im Hinblick darauf, dass die Versammlung letztlich nicht abgehalten wurde, nicht verwunderlich ist. Dass die Redakteurin Frau P. dem ersten Bürgermeister der Beklagte einmal eine elektronische Anfrage zu einer Gemeinderatssitzung gesendet hat, zu dieser dann jedoch nicht erschienen ist und nicht darüber berichtet wurde, genügt ebenfalls nicht aus, um das Engagement der Klägerin für die Zeitung „…“ am … in Zweifel zu ziehen. Die Klägerin hat als nebenberufliche freie Journalistin auch keinen Anspruch auf die Erteilung eines bundeseinheitlichen Presseausweises (vgl. https://www.djv.de/startseite/service/mitgliederservice/presseausweis). Bei Betrachtung der Geschehnisse vom … aus der ex-post Sicht im Rahmen der Störungsprognose hätte der erste Bürgermeister der Beklagten daher unschwer verifizieren können, dass die Klägerin als Pressevertreterin bei der Bürgerversammlung anwesend war. Da die Klägerin - woran für das Gericht entsprechend des klägerischen Vortrags keine Zweifel bestehen - als Pressevertreterin an der Bürgerversammlung vom … teilnehmen wollte und ihr dies untersagt wurde, ist ihre Haltung, sich nicht aus den Veranstaltungsräumen zu entfernen, durchaus plausibel und nicht als rechtswidriges Verhalten oder Sabotageakt zu bewerten. Dass sie einmalig entgegen des Willens der Beklagten gehandelt hat, ansonsten jedoch nie für Störungen des Geschäftsgangs der Beklagten oder ihrer Veranstaltungen gesorgt hat, rechtfertigt nicht die Annahme, dass es künftig zu Störungen durch die Klägerin kommen kann.
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cc. Der von Beklagtenseite geschilderte Vorfall in den Räumlichkeiten der Verwaltungsgemeinschaft … am 28. Juli 2020 lag dem erlassenen Hausverbot ausweislich dessen Begründung erkennbar nicht zu Grunde. Ein Nachschieben dieses Grundes als weitere Begründung des streitgegenständlichen Hausverbots ist nicht möglich. Maßgeblich für die gerichtliche Entscheidung im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungklage ist der Zeitpunkt der Erledigung des Verwaltungsakts und die zu diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und Rechtslage. Die (rückwirkende) Nachbesserung oder sogar materiell-rechtlich relevante Begründung sowie ein Nachschieben von Gründen nach dem Ende der äußeren und inneren Wirksamkeit des Verwaltungsakts wäre systemwidrig und ist daher nicht möglich (vgl. BayVGH, U.v. 10.7.2018 - 10 B 17.1996 - juris Rn. 34 m.w.N.). Das streitgegenständliche Hausverbot wurde am 31. Dezember 2021 aufgehoben und verlor dadurch seine Wirksamkeit. Erstmals mit Schriftsatz vom 5. Februar 2021 führte der erste Bürgermeister der Beklagten den Sachverhalt um das Verhalten der Klägerin am 28. Juli 2020 in den Räumlichkeiten der Gemeinde … in das verwaltungsgerichtliche Verfahren als weitere Begründung für die Störungsprognose in das Verfahren ein. Der nach der Erledigung des verfahrensgegenständlichen Hausverbots nachgeschobene Sachverhalt ist daher vom erkennenden Gericht bei der Feststellung der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Hausverbots nicht zu berücksichtigen.
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b. Das streitgegenständliche Hausverbot war darüber hinaus nicht erforderlich und somit unverhältnismäßig.
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Das Hausverbot in Gestalt der mit E-Mail vom 13.12.2020 erfolgten teilweisen Aufhebung war nicht das mildeste der Beklagten zur Verfügung stehende Mittel zur Vermeidung von künftigen Störungen des Geschäftsgangs der Beklagten und ihrer Veranstaltungen durch die Klägerin. Ein öffentlich-rechtliches Hausverbot ist grundsätzlich zu befristen, um nicht unverhältnismäßig in die Rechtsposition des Betroffenen einzugreifen (vgl. BayVGH, B.v. 23.6.2003 - 7 CE 03.1294 - juris Rn. 18; SächsLSG, U.v. 13.8.2015 - L 3 AS 708/15 - juris Rn. 85). Anhaltspunkte dafür, dass aufgrund des Verhaltens der Klägerin künftig mit einem derartigen Störungsverhalten zu rechnen wäre, welches ein unbefristetes Hausverbot rechtfertigen könnte, waren weder ersichtlich noch von Beklagtenseite vorgebracht. Darüber hinaus wäre im Fall der Klägerin als weiteres milderes Mittel eine Abmahnung in Betracht gekommen, um künftige Störungen zu verhindern. Zudem erließ der erste Bürgermeister der Beklagten ein Hausverbot für alle gemeindlichen Anwesen, welches später im Hinblick auf das Archiv aufgehoben wurde. Weiteres milderes Mittel wäre in Anbetracht dessen, dass das Hausverbot auf das Verhalten der Klägerin bei einer Bürgerversammlung gestützt wurde, ein beschränktes Hausverbot für bestimmte gemeindliche Einrichtungen bzw. Veranstaltungen, die erheblich für den ordnungsgemäßen Geschäftsgang der Beklagten sind, zu erlassen, da auch so das Ziel künftige Störungen der gemeindlichen Abläufe zu vermeiden, erreicht worden wäre.
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c. Zudem wurde das streitgegenständliche Hausverbot ermessensfehlerhaft erlassen.
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Nach Art. 40 BayVwVfG ist eine Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, sie hat ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Vorliegend war ein Ermessensausfall der Beklagten gegeben. Ein solcher ist bereits der Begründung des Hausverbots vom 5. Dezember 2020 zu entnehmen, da der erste Bürgermeister hierin ausführte, dass er sich durch das Verhalten der Klägerin bei der Bürgerversammlung zum Erlass des Hausverbots gezwungen sah und die getroffene Maßnahme für unausweichlich hielt. Der pauschale Verweis, dass dem ersten Bürgermeister die vergangenen Verdienste der Klägerin für die Beklagten bewusst seien, lässt nicht darauf schließen, dass maßgebliche Ermessenerwägungen vor Erlass des Hausverbots getätigt wurden. Dass der erste Bürgermeister im Rahmen der teilweisen Aufhebung des Hausverbots am 13. Dezember 2020 das Forschungs- und Dokumentationsinteresse der Klägerin würdigte und das Hausverbot deshalb hinsichtlich des Zugangs zum Gemeindearchiv aufhob, stellt die Ausübung pflichtgemäßem Ermessen im Rahmen der Art. 48 f. BayVwVfG dar, nicht jedoch bezüglich des Erlasses des Hausverbots. Dass ein Ermessenausfall vorlag, wird auch dadurch offensichtlich, dass der erste Bürgermeister der Beklagten in der Klageerwiderung vom 5. Februar 2021 ausführte, sich zum Erlass des Hausverbots verpflichtet gesehen zu haben und im Nachhinein eine Interessenabwägung vornahm, die zum Ergebnis führte, zunächst das Hausverbot teilweise und am 31. Dezember 2020 komplett aufzuheben (vgl. Schriftsatz vom 5. Februar 2021 S. 10 f.). Die eigenen Angaben der Beklagten dahingehen, den Abwägungsvorgang erst nach Erlass des Hausverbots bzw. nach dessen Teilaufhebung begonnen und fortgeführt zu haben, zeigen deutlich, dass ein Ermessenausfall vorlag. Da bei Erlass des streitgegenständlichen Hausverbots keinerlei Ermessenserwägungen getätigt wurden, können diese auch nicht im Sinne des § 114 Satz 2 VwGO ergänzt werden. Darüber hinaus ist ein Nachschieben von Ermessenserwägungen durch die Ausführungen im Schriftsatz vom 5. Februar 2021 aufgrund der vorherigen Erledigung des Hausverbots nicht mehr möglich gewesen.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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V. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.