Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 20.10.2021 – B 5 E 21.1032
Titel:

Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens, Neuzuschnitt einer Stelle, Beschlussfassung im Umlaufverfahren

Normenketten:
VwGO § 123 Abs. 1
GG Art. 33 Abs. 2
Grundordnung der Universität Bayreuth § 42 Abs. 5
BayVwVfG Art. 46
Schlagworte:
Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens, Neuzuschnitt einer Stelle, Beschlussfassung im Umlaufverfahren
Fundstelle:
BeckRS 2021, 56444

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 5.000,00 Euro.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt die Fortsetzung eines abgebrochenen Stellenbesetzungsverfahrens.
2
Der Antragsteller bewarb sich auf die Stelle „Juniorprofessur (W1) für Didaktik der Biologie mit Tenure-Track auf W3“ an der Universität Bayreuth. Nachdem seine Konkurrentin, Frau …, das Auswahlverfahren gewonnen hatte, suchte der Antragsteller um Eilrechtsschutz nach (VG Bayreuth, B.v. 16.7.2021, B 5 E 21.423 - rechtskräftig) und obsiegte. Die Hochschulleitung nahm den Ausgang dieses Verfahrens zum Anlass, die besoldungsmäßige Einordnung und das fachliche Profil der zu besetzenden Professur zu überdenken, um in einem späteren Verfahren eine „W3-Professur“ auszuschreiben und zu besetzen. Im Rahmen eines Umlaufverfahrens vom 11. bis 17.08.2021 wurde am 17.08.2021 mehrheitlich der Abbruch des Berufungsverfahrens beschlossen. Über dieses Ergebnis wurde der Antragsteller mit Schreiben vom 19.08.2021 informiert.
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Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller über seinen Bevollmächtigten am 20.09.2021 einen Eilantrag eingelegt. Er ist der Auffassung, dass die Begründung des Abbruchs unzureichend sei, da sich der Antragsgegner in Verhandlungen mit der Konkurrentin befand. Den Antragsgegner treffe eine erhöhte Begründungs- und Dokumentationspflicht, da der Antragsteller im o.g. Konkurrentenstreit vor dem Verwaltungsgericht gewonnen habe. Es fehle eine ordnungsgemäße Interessenabwägung. Es bestehe der Anschein einer Zweckargumentation. Die Beschlussfassung im Umlaufverfahren sei rechtswidrig gewesen. Dem Antragsteller stehe eine anwartschaftsähnliche Position zu, da er es auf die Berufungsliste geschafft habe. Es sei fraglich, ob das Auswahlverfahren auch abgebrochen worden wäre, wenn die Konkurrentin ihre Bewerbung zurückgenommen hätte, oder ob nicht der Antragsteller um eine „Rufübernahme“ angefragt worden wäre.
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Der Antragsteller hat beantragt,
der Antragsgegnerin vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzugeben, die zur Besetzung an der Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften ausgeschriebene Juniorprofessur (W1) für Didaktik der Biologie (mit Tenure Track auf W3) fortzuführen.
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Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
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Er ist der Auffassung, dass er den ihm zukommenden Organisations- und Verwaltungsermessensspielraum nicht missbraucht habe. Das Umlaufverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der streitgegenständlichen und beigezogenen Gerichtsakte (Az. B 5 E 21.423) sowie der beigezogenen behördlichen Verfahrensakte verwiesen.
II.
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Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
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Auf Antrag kann das Gericht, nach § 123 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei sind der Anordnungsgrund, die Eilbedürftigkeit der begehrten Entscheidung, und der Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO).
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1. Ein Anordnungsgrund liegt vor. Effektiver Rechtsschutz für das Begehren des Antragstellers, das auf zeitnahe Fortführung des begonnenen Auswahlverfahrens mit dem bestehenden Bewerberkreis zielt, wäre allein mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erreichen (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.2014 - 2 A 3.13 Rn. 14, 16 und 22 ff.).
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2. Der Antragsteller hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
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Ein Anordnungsanspruch kann im Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers gesehen werden, vgl. Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) und Art. 94 Abs. 2 Bayerische Verfassung (BV). Im Grunde hat jeder Bewerber einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die in Einklang mit Art. 33 Abs. 2 GG stehen (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.2014 - 2 A 3.13 Rn. 15). Das Bewerbungsverfahren kann durch einen wirksamen Abbruch beendet werden, wenn der Dienstherr die Stelle zwar weiterhin vergeben will, hierfür aber ein neues Auswahlverfahren für erforderlich hält. Die dem Dienstherrn vorbehaltene Organisationsgewalt über die Schaffung von Ämtern oder dem Zuschnitt der Dienstposten wird nicht durch subjektive Rechtspositionen der Beamten eingeschränkt (BVerwG, U.v. 3.12.2014 - 2 A 3.13 Rn. 17; U.v. 13.12.2012 - 2 C 11.11 Rn. 20 m.w.N.). Eine Entscheidung, das in Gang gesetzte Auswahlverfahren abzubrechen und die Stelle erneut auszuschreiben, bezieht sich nicht auf Zuschnitt und Gestaltung des Amtes, sondern auf dessen Vergabe. Mit der Maßnahme werden organisatorische Fragen des Auswahlverfahrens bestimmt (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.2014 - 2 A 3.13 Rn. 17). Der Abbruch eines Auswahlverfahrens bedarf daher eines sachlichen Grundes, der den Vorgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG genügt (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.2014 - 2 A 3.13 Rn. 18 m.w.N.). Genügt die Abbruchentscheidung diesen Vorgaben nicht, ist sie unwirksam und das Auswahlverfahren fortzusetzen; eine Neuausschreibung darf dann nicht erfolgen (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.2014 - 2 A 3.13 Rn. 19 m.w.N.). Die Bewerber müssen über den Abbruch rechtzeitig und in geeigneter Form Kenntnis erlangen und der wesentliche Abbruchgrund muss schriftlich dokumentiert werden (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.2014 - 2 A 3.13 Rn. 20).
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Gemessen daran genügt die Entscheidung des Antragsgegners den rechtlichen Anforderungen an den Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens und war rechtmäßig. Auf die Rechtmäßigkeit der Beschlussfassung kam es nicht an (unter aa)). Der Neuzuschnitt der zu besetzenden Stelle stellt einen Abbruchgrund dar, der die Rechte des Antragstellers nicht verletzt (unter bb)).
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aa) Der Einwand des Antragstellers, dass die Abbruchentscheidung mangels ordnungsgemäßer Beschlussfassung der Hochschulleitung unwirksam sei, verfängt nach summarischer Prüfung nicht.
§ 42 Abs. 5 der Grundordnung der Universität Bayreuth regelt, dass unaufschiebbare und eilige Entscheidung in allen Gremien der Universität Bayreuth im Umlaufverfahren beschlossen werden können. Ob diese Vorschrift mit höherrangigem Recht vereinbar ist oder die Entscheidung unaufschiebbar und eilig war, konnte dahinstehen.
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Denn Art. 46 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) regelt, dass die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach Art. 44 BayVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden kann, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es sich bei der Abbruchmitteilung nicht um einen Verwaltungsakt handelt, so wäre diese Regelung erst recht auf die vorliegende Fallgestaltung anwendbar, weil mit der hier möglicherweise verletzten Verfahrensvorschrift keine besondere Schutzfunktion für den Antragsteller oder die Allgemeinheit verbunden wäre (vgl. hierzu Ramsauer in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, Rn. 9 zu § 46).
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Die Abbruchmitteilung ist nicht nichtig, da der Beschluss des Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass der Abbruchentscheidung erforderlich war, nachträglich gefasst werden kann, vgl. Art. 45 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 sowie Art. 44 Abs. 3 Nr. 3 BayVwVfG. Zum anderen ist vor dem Hintergrund der Stimmabgabe und interner Beratung offensichtlich, dass die Hochschulleitung die Abbruchentscheidung und -mitteilung in jedem Fall so getroffen hätte, wie sie sie getroffen hat. Denn sechs der sieben Mitglieder der Hochschulleitung haben dem Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens zugestimmt, ein Mitglied der Hochschulleitung hat kein Votum abgegeben.
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bb) Die Abbruchentscheidung wird nach summarischer Prüfung von einem hinreichend dokumentierten und erläuterten sachlichen Grund getragen.
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Subjektive Rechte des Antragstellers gegen den neuen Zuschnitt eines Dienstpostens bestehen nicht. Die Schaffung und Bewirtschaftung von Planstellen und der Zuschnitt von Dienstposten dienen allein dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der Dienstherr eine entsprechende Entscheidung erst nach der Eröffnung eines Auswahlverfahrens trifft und diesem damit die Grundlage entzieht. Ein Vertrauensschutz, der eine unwiderrufliche Bindung der ausgeübten Organisationsgewalt zur Folge hätte, ist mit der Ausschreibung nicht verbunden. Eine Rechtsschutzlücke entsteht hierdurch nicht, weil eine Stellenvergabe nicht erfolgt. Soll der neu zugeschnittene Dienstposten vergeben werden, wird ein hierauf bezogenes, neues Auswahlverfahren mit den dann bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten eröffnet (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.2014 - 2 A 3.13 Rn. 26).
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Die Möglichkeit, Rechtsschutz zu gewähren, besteht dann, wenn tatsächlich kein neuer Dienstposten geschaffen wird, sondern weiterhin der bisherige Dienstposten vergeben werden soll. Ob ein solcher Fall vorliegt, ist anhand eines Vergleichs der Funktionsbeschreibungen des ursprünglich ausgeschriebenen und des neuen Dienstpostens zu ermitteln. Abzustellen ist auf den objektiven Erklärungsinhalt der Funktionsbeschreibung (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.2014 - 2 A 3.13 Rn. 27).
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Gemessen daran liegt ein neuer Zuschnitt des Dienstpostens als sachlicher Abbruchgrund vor, der den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers nicht verletzt.
21
Ursprünglich war die Stelle für das Amt als Juniorprofessur und damit als Beamter auf Zeit in der Besoldungsgruppe „W1“ ausgeschrieben, vgl. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Hochschulpersonalgesetzes (BayHSchPG). Nach ausreichender Bewährung bzw. Evaluation hätte der Antragsteller die Chance gehabt, eine Stelle als Lebzeitprofessor zu besetzen, vgl. auch § 13 Satz 1 der Bayreuth-Track-Satzung der Universität Bayreuth. Die Aufgaben der Juniorprofessorinnen und -professoren sind in Art. 16 BayHSchPG geregelt. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit besteht darin, sich für eine Professur zu qualifizieren. Im Übrigen haben Sie die Aufgaben eines Professors gem. Art. 9 BayHSchPG mit der Maßgabe, dass die Erstattung der in Art. 16 Satz 2 BayHSchPG benannten Gutachten nicht zu den hauptberuflichen Aufgaben gehört.
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Die geplante „W3-Professur“ stellt in der Regel eine Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit in einer anderen Besoldungsgruppe dar, vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayHSchPG. Dadurch unterscheidet sich bereits das zu vergebende Amt im statusrechtlichen Sinne. Das Aufgabenprofil und die Pflichten im Rahmen der „W3-Professur“ sind anders, insbesondere fällt die o.g. Qualifikation als Aufgabenschwerpunkt weg und die Aufgabe, Gutachten im Sinne des Art. 16 Satz 2 BayHSchPG zu erstatten, ist als hauptberufliche Aufgabe zu sehen.
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An dieser Aufgabenwahrnehmung ändert auch der Umstand nichts, dass die ursprüngliche Stelle im Rahmen des „Tenure-Track“ Programms von „W1“ auf „W3“ ausgeschrieben wurde (s.o.), da das Programm nichts am Amt des Juniorprofessors ändert (s.o.).
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Daraus folgt, dass es sich im Abbruchgrund um einen Neuzuschnitt des ehemals zu besetzenden Dienstpostens handelt, der die Organisationsgrundentscheidung des Dienstherrn betrifft. Diese kann den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers nicht verletzen.
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Insoweit verfängt auch der Einwand der fehlenden Interessenabwägung nicht. Wie bereits dargestellt, kommt dem Organisationsermessen des Dienstherrn der Vorrang vor den privaten Interessen des Antragstellers zu.
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Der Abbruchgrund wurde auch in der Verwaltungsakte hinreichend dokumentiert und erläutert (vgl. Verwaltungsakte B. 235 f.). Eine strengere Dokumentations- und Erläuterungspflicht, so wie es der Antragsteller verlangt, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Diese Pflicht bezweckt die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 GG. Der Antragsteller soll die Gründe für den Abbruch erfahren und anhand dieser entscheiden können, ob er dagegen vorgehen will. Dieser Zweck wurde durch die entsprechende Dokumentation in der Verwaltungsakte erreicht.
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Anhaltspunkte für die Annahme, der Neuzuschnitt des Dienstpostens sei eine Zweckargumentation, sind nicht erkennbar. Denn der Antragsgegner hat den Ausgang des ursprünglichen Verwaltungsstreitverfahrens (Az. B 5 E 21.423) zum Anlass genommen, die ursprünglich ausgeschriebene Stelle zu überdenken und neu zugeschnitten auszuschreiben (Verwaltungsakte Bl. 235 f.). Aus demselben Grund verfängt auch der Einwand nicht, dass der Antragsgegner mit der Konkurrentin des Antragstellers aus dem vorangegangenen Eilverfahren Berufungsverhandlungen durchgeführt hat. Das grundsätzliche Interesse an der Besetzung einer Stelle hindert den Antragsgegner nicht daran, seine Organisationsentscheidung aufgrund des Ausgangs eines Eilverfahrens neu zu treffen. Aus diesem Grund bedarf auch die Frage, ob der Antragsteller nachgerückt wäre, wenn seine Konkurrentin aus dem vorangegangenen Eilverfahren ihre Bewerbung zurückgenommen hätte, keiner Klärung.
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Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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3. Der Streitwert wird gem. § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) und Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57) auf 5.000 Euro festgesetzt, weil der Eilrechtsbehelf die Funktion des Rechtsschutzes in der Hauptsache übernimmt und diese vorwegnimmt (vgl. auch OVG NW, B.v. 3.8.2021 - 1 B 1165/21 - juris Rn. 30 ff.).