Titel:
Anspruch aus einem Garantieversprechen
Normenketten:
ZPO § 522
BGB § 495
Leitsatz:
Wenn schon der Schuldbeitritt Verbraucherschutz im Rahmen eines Vertragsabschlusses unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln nicht durch ein Widerrufsrecht gewährt, muss dies erst recht für die Garantie gelten. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Darlehensvertrag, Leistung, Berufung, Widerruf, Widerrufsrecht, Schuldbeitritt, Haftung, Garantie, Bürgschaft, Fernkommunikationsmittel
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 03.03.2021 – 3 O 7237/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 26.07.2022 – XI ZR 483/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 56220
Tenor
1. Die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 03.03.2021, Aktenzeichen 3 O 7237/20, wird zurückgewiesen.
2. Die beklagte Partei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 1.100.000,00 festgesetzt.
Gründe
1
Die Parteien streiten um Zahlungspflichten des Beklagten aus Garantieversprechen vom 09.11.2017 (Ziffer 2.1 der Anlage K 1), abgeändert und erweitert mit Garantieversprechen vom 22.12.2017 (Ziffer 3.2 der Anlage K 5).
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Hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO auf das den Beklagten zur Zahlung von € 1.100.000,00 nebst Zinsen verurteilende Endurteil des LG München I vom 03.03.2021 (Bl. 117/129 d. A.), hinsichtlich des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und bezüglich der Berufungsanträge auf den Schriftsatz des Beklagten vom 04.05.2021 (Bl. 142 d. A.) verwiesen.
3
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 03.03.2021, Aktenzeichen 3 O 7237/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 522 Abs. 2 ZPO hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
4
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats im Beschluss vom 28.05.2021 (Bl. 158/160 d. A.) Bezug genommen.
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Der Schriftsatz des Beklagten vom 23.07.2021 gibt zu folgenden Anmerkungen Anlass:
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1. Die Frage des Vorliegens eines Widerrufsrechts aufgrund eines Vertrages, der unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande kommt, muss strikt getrennt werden von dem (seitens des Beklagten) behaupteten Widerrufsrecht hinsichtlich eines Garantievertrages (unabhängig von der Frage des konkreten Zustandekommens).
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a) Bürgschaft, Garantie(versprechen oder -vertrag) und Schuldbeitritt sind im hier relevanten Zusammenhang Sicherungsmittel für die Ausreichung eines Kredits. Die Bürgschaft ist lediglich akzessorisch zur Hauptverbindlichkeit, der Schuldbeitritt bedeutet, wie der Name schon sagt, das Eintreten in den Darlehensvertrag als Vertragspartei. Die Garantie steht dazwischen.
8
b) Wenn schon der Schuldbeitritt Verbraucherschutz im Rahmen eines Vertragsabschlusses unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln nicht durch ein Widerrufsrecht gewährt, muss dies erst recht für die Garantie gelten.
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c) Bei der Garantie erbringt der Garantiegeber die vertragscharakteristischen Leistungen des Darlehensvertrages nicht (er zahlt keine Darlehensraten bzw. tilgt auch sonst die Verbindlichkeit nicht), während dies beim Schuldbeitretenden sehr wohl zumindest indirekt der Fall ist (auf sein Geheiß zahlt der eigentliche Darlehensnehmer auch für ihn). Er erhält auch die vertragscharakteristische Gegenleistung des Darlehensgebers nicht.
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Der Garantiegeber tritt im Regelfall erst für sein Versprechen ein, wenn der Kredit notleidend wird. Vorher ist er von den vertraglichen Leistungspflichten der Darlehensvertragsparteien nicht (unmittelbar) betroffen.
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d) Daraus ergibt sich, dass dem Beklagten im Hinblick auf § 495 Abs. 1 BGB kein Widerrufsrecht zusteht. Dies kommt nämlich nur dem Darlehensnehmer zugute.
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e) Die Entscheidungen des BGH vom 05.06.1996 (VIII ZR 151/95, NJW 1996, 2156), vom 10.07.1996 (VIII ZR 213/95, NJW 1996, 2865) und vom 12.11.1996 (XI ZR 202/95, NJW 1997, 654) betreffen Fälle des Schuldbeitritts und tragen daher nichts zum Erkenntnisgewinn bei.
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f) Die Argumentation mit der Schutzlücke (und der nach Ansicht des Beklagten damit verbundenen analogen Anwendung des § 495 Abs. 1 BGB auf den Garantievertrag im Zusammenhang mit einem [unternehmerischen!] Darlehensvertrag) hilft ebenfalls nicht weiter, denn eine solche Schutzlücke bestünde dann letztlich auch bei der Bürgschaft, bei der aber, wie unter Ziffer 5 a der Gründe im Senatsbeschluss vom 28.05.2021 ausgeführt, ein Widerrufsrecht gerade nicht besteht.
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2. Das vom Beklagten herangezogene Urteil des BGH vom 23.03.1988 (VIII ZR 58/87) zur Frage der Inhaltskontrolle der Garantiepflicht ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar:
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a) Die erste Klausel des dortigen Sachverhalts ist kontrollfähig, weil sie bezüglich des Beginns der Garantiefrist eine eigenständige Nebenabrede enthält (also insoweit gerade keine Hauptleistungspflicht darstellt).
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b) Alle weiteren dortigen Klauseln beinhalten ebenfalls solche Nebenabreden, die möglicherweise die Hauptleistungspflicht einschränken (und deshalb gegebenenfalls unwirksam sind), die Hauptleistungspflicht (die Garantie für das gekaufte Produkt) als solche jedoch unberührt lassen.
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c) Im vorliegenden Fall mögen die Beschränkungen der Haftung der „Deutsche Ökostrom II B.V.“ als jeweilige Garantienehmerin auch im Regressverhältnis zum Beklagten unwirksam sein (zweifellos handelt es sich insoweit um Nebenabreden), dies kann offen bleiben, die Hauptleistungspflicht des Beklagten als solche (die Garantie) bleibt hiervon jedoch unberührt und wird dadurch keineswegs überprüfbar bzw. kontrollfähig.
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3. Die weiteren Ausführungen des Beklagten zur Frage der Widerrufbarkeit wegen ausschließlich bei Vertragsabschluss verwendeter Fernkommunikatonsmittel irritieren:
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a) Nicht verständlich ist die Behauptung, im dort entschiedenen Fall des BGH im Urteil vom 12.11.2015 (vgl. Ziffer 4 der Gründe im Senatsbeschluss vom 28.05.2021) habe der Unternehmer keine vertragscharakteristische Leistung erbracht: Die Klägerin hatte grundsätzlich Courtage zu leisten und die V. GmbH Versicherungs- und Bausparverträge zu vermitteln. Um die Rückzahlung eines negativen Kapitalkontos und gewährte Vorschüsse wurde prozessiert und der Schuldbeitretende in Anspruch genommen, der den Schuldbeitritt als Gesellschafter der V. GmbH und (wichtig!) als Vertreter unterzeichnet hatte, in die Geschäftsbemühungen der V. GmbH also offensichtlich involviert und damit zumindest der V. GmbH gegenüber leistungspflichtig war.
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b) Wieso das Urteil des BGH vom 07.05.2015 (III ZR 304/14, VersR 2016, 475) zu einem Fall der Divergenz zu dem hier vorliegenden Sachverhalt im Fall der Zurückweisung der hiesigen Berufung führen sollte, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Auch dort ging es um einen Schuldbeitritt, noch dazu aufgrund sozialhilferechtlicher Vorschriften und damit im Hinblick auf gesetzliche Grundlagen.
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c) Welchen Sinn das Zitat Palandt-Sprau (wohl [?] 78. Auflage, Randziffer 15 vor § 765) in diesem Zusammenhang haben soll, ist für den Seat nicht ersichtlich.
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4. Die Auslegung des Beklagten, tatsächlich einen Schuldbeitritt und keine Garantie vereinbart zu haben, teilt der Senat nicht:
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a) Gegen einen Schuldbeitritt spricht das Verhältnis von gewährtem bzw. zugesagtem Darlehen zur Höhe der Garantiesumme: Für den Garantievertrag vom 09.11.2017 beträgt das Verhältnis € 25 Mio. zu € 0,5 Mio., (Anlage K 1), für den Garantievertrag vom 22.12.2017 beträgt das Verhältnis € 31 Mio. zu € 1,1 Mio. (Anlage K 5).
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b) Weiter war es im Interesse des Beklagten, nicht für die gesamten Verbindlichkeiten der Darlehensnehmerin von der Klägerin in Haftung genommen zu werden.
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c) Andererseits war damit das Risiko für die Klägerin hinsichtlich eines möglichen Ausfalls wesentlich größer, sodass einerseits ein Interesse der Klägerin bestand, dass der Beklagte als tatsächlicher wirtschaftlicher Eigentümer (lit D der Vorbemerkungen der Anlage K 1, lit E der Vorbemerkungen der Anlage K 5; insoweit ist der Vortrag des Beklagten, selbst keine Vorteile aus der Finanzierung gezogen zu haben, unverständlich) wenigstens teilweise mithaftete, andererseits aber im Fall der herannahenden Insolvenz der Darlehensnehmerin kein „Windhundrennen“ zwischen den Parteien gegebenenfalls um die verbliebenen Reserven der Garantienehmerin entstünde.
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d) Deshalb entfielen Bürgschaft (wegen der Akzessorietät zur Hauptforderung und der Regressbefugnis des Beklagten) und Schuldbeitritt als Sicherungsmittel.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils und dieses Beschlusses erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 708 Nr. 10 analog, § 711 ZPO (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 13.11.2014, NJW 2015, 77, 78, Randziffer 16).
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der § 63 Abs. 2 Satz 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG; § 4 Abs. 1 ZPO bestimmt.