Titel:
Keine klageerweiternde Auslegung oder Umdeutung einer ausdrücklichen Versagungsgegenklage
Normenketten:
VwGO § 74 Abs. 1 S. 2
BayBO Art. 68 Abs. 1 S. 1, Art. 81 Abs. 1 Nr. 5
Leitsätze:
1. Eine Versagungsgegenklage kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass in ihr auch eine Anfechtungsklage gegen den gesamten Bescheid enthalten ist. (Rn. 20 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur hinreichenden Bestimmtheit einer örtlichen Einfriedungssatzung. (Rn. 29 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Erteilung einer Abweichung von den Regelungen einer Einfriedungssatzung ist das Vorliegen einer atypischen Situation erforderlich. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Keine klageerweiternde Auslegung oder Umdeutung einer ausdrücklichen Versagungsgegenklage, Wirksamkeit einer örtlichen Einfriedungssatzung, Bestimmtheit, atypischen Situation, Abweichung, Bestandsschutz
Fundstelle:
BeckRS 2021, 56109
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Baugenehmigung für eine nördliche Grenzmauer und wendet sich zusätzlich gegen eine zwangsgeldbewehrte Beseitigungsanordnung für alle auf ihrem Grundstück vorhandenen Einfriedungen.
2
Das Grundstück Fl.Nr. … (F. …*) liegt im Norden an der M. H. Straße und im Süden an St. S. H. Straße. Es liegt zu keiner Seite an der ebenfalls durch das Gemeindegebiet der Beigeladenen gehenden Staatsstraße 2080. Auf dem Vorhabensgrundstück ist ein Wohnhaus mit Garage errichtet worden. Nach Norden zur M. H. Straße wurde eine bis zu ca. 2,20 m hohe Betonmauer errichtet. An den drei anderen Grundstücksgrenzen wurden Einfriedungen aus senkrechten Kunststoff-Paneelen und Betonsäulen errichtet. Die Kunststoffeinfriedungen und Betonsäulen sind an mehreren Stellen ausgehend vom jeweiligen Nachbargrundstück über 2,00 m hoch. Das Vorhabensgrundstück liegt im Geltungsbereich der Satzung über Art, Gestaltung und Höhe von Einfriedungen (Einfriedungssatzung) der beigeladenen Gemeinde vom 21. März 2018. Diese regelt u.a.:
(…)

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Im Rahmen von Baukontrollen wurde die Grenzmauer nach Norden und die Einfriedungen nach Osten, Süden und Westen kontrolliert. Die Klägerin wurde danach vom Landratsamt aufgefordert einen Bauantrag mit Antrag auf Abweichung von der Einfriedungssatzung zu stellen.
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Am 1. November 2018 stellte die Klägerin einen Bauantrag für die Erhöhung der nördlichen Grenzmauer. Der beigefügten Baubeschreibung ist zu entnehmen, dass Antragsgegenstand die Erhöhung der Grenzmauer entlang der M. H. Straße sein soll (Bl. 9 d. BA Az.: B-2018-2789). In dem zunächst beigefügten Eingabeplan „Bauvorhaben Erhöhung einer Einfriedung“ ist nur diese Grenzmauer an der nördlichen Grundstückgrenze mit einer Abstandsfläche von einheitlich 1,98 m eingezeichnet. Nach dem enthaltenen Schnitt hat die Gartenmauer eine maximale Höhe von 2,23 m und eine mittlere Höhe von 2,08 m. Dieser Eingabeplan wurde von der Klägerin und dem Entwurfsverfasser unterschrieben. Mit Schreiben des Landratsamts vom 9. November 2018 wurde der Entwurfsverfasser zur Vorlage eines Antrags auf Abweichung von den Abstandsflächen, eines Antrages auf Abweichung von der Einfriedungssatzung und eines Abstandsflächenplans aufgefordert. Am 28. März 2019 ging daraufhin ein Antrag auf Zulassung einer Abweichung von den Abstandsflächen zu den Grundstücken Fl.Nr. …3, 152 und …12 (F. …*) ein (Bl. 41 ff. d. BA Az.: B-2018-2789). Für die nördliche Grenzmauer wurde ein Antrag auf Abweichung von der Einfriedungssatzung gestellt (Bl. 45 d. BA Az.: B-2018-2789). Beigefügt waren zudem nicht maßstabsgerechte Eingabepläne, in denen auch die anderen Einfriedungen eingezeichnet wurden. Lediglich der Eingabeplan in Form des Grundrisses ist dabei von der Klägerin unterschrieben, nicht aber vom Entwurfsverfasser (Bl. 47 ff. d. BA Az.: B-2018-2789). Nach einem Aktenvermerk wurde der Entwurfsverfasser am 28. Mai 2019 telefonisch informiert, dass die eingezeichneten Abstandsflächen der Einfriedungen nicht zutreffend seien, da diese keine Mindesttiefe von 3 m hätten. Außerdem fehlten die Unterschriften der Nachbarn und er als Planer und die Bauherrin müssten die Unterlagen unterschreiben. Der Entwurfsverfasser wollte sich darum kümmern (Bl. 61. d. BA Az.: B-2018-2789). Mit Schreiben vom 28. August 2019 wurde der Entwurfsverfasser an den ausstehenden Plan erinnert. Am 7. Oktober 2019 wurde dann ein neuer Eingabeplan, Bauvorhaben „Erhöhung der Grenzmauer“ bei der Gemeinde eingereicht. Dieser Eingabeplan ging ohne weitere Unterlagen am 6. November 2019 beim Landratsamt ein. Der Eingabeplan enthält keine Unterschriften; weder von der Klägerin noch vom Entwurfsverfasser. Mit Schreiben des Landratsamts wurde die Klägerin zur Ablehnung des Bauantrages für die Erhöhung einer Grenzmauer und zum Erlass einer Beseitigungsanordnung angehört. Die Grenzmauer stimme nicht mit den Anforderungen der Einfriedungssatzung überein und die Gemeinde habe ihr Einvernehmen in nicht zu beanstandender Weise nicht erteilt. Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2019 nahm die Prozessbevollmächtigte der Klägerin Stellung zum Anhörungsschreiben. Gegenstand des Verfahrens sei die „Erhöhung einer Grenzmauer“ an der nördlichen Grenze des Grundstücks. Diese genieße Bestandsschutz und es bestünden erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einfriedungssatzung. Nur der guten Ordnung halber weise sie ergänzend daraufhin, dass auch die weiteren Zaunanlagen vor Erlass der Einfriedungssatzung errichtet worden seien und im Zeitpunkt der Errichtung verfahrensfrei nach Art. 57 BayBO gewesen seien. Sie bitte kurzfristig um Erteilung der Baugenehmigung für die Einfriedungsmauer im nördlichen Bereich des Grundstücks (Bl. 87 ff. d. BA).
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Mit Schriftsatz vom 14. Januar 2020 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben, mit dem Antrag den Beklagten zu verpflichten, die beantragte Baugenehmigung zur nachträglichen Legalisierung einer Mauer auf dem Grundstück Fl.Nr. …4 zu erteilen.
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Mit Bescheid vom 5. März 2020, der Prozessbevollmächtigen gegen Empfangsbekenntnis zugestellt, wurde der Antrag auf Baugenehmigung vom 1. September 2018 „Erhöhung einer Grenzmauer“ abgelehnt (Ziffer I.), der Klägerin aufgegeben die bestehende Einfriedung auf dem Grundstück bis zum 31. August 2020 bzw. spätestens sechs Monate nach Bestandskraft des Bescheides vollständig zu beseitigen (Ziffer II.) und für die nicht vollständige oder nicht fristgerechte Erfüllung der Anordnung in Ziffer II. ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000 € angedroht (Ziffer III.). Die beantragte Baugenehmigung sei nicht zu erteilen, da die bereits bestehende Einfriedung der Einfriedungssatzung widerspreche. Die Gemeinde habe das nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO erforderliche Einvernehmen zu einer Abweichung verweigert. Das Landratsamt teile die Auffassung der Gemeinde, dass der Einfriedung der Zweck der Einfriedungssatzung, geschlossene Grundstückseinhausungen und massive Einfriedungen im öffentlichen Straßenraum zu unterbinden, entgegenstehe. Rechtsgrundlage für die Beseitigung sei Art. 76 Satz 1 BayBO. Eine nachträgliche Erteilung einer Baugenehmigung komme nicht in Betracht. Ein Bestandsschutz bestehe nicht. Das Ermessen sei pflichtgemäß ausgeübt worden. Das Interesse der Klägerin an der Beibehaltung stehe aufgrund der Bezugsfallwirkung zurück. Die Zwangsgeldandrohung stütze sich auf Art. 20 Nr. 1, 29, 30 Abs. 1 Satz 1, 31, 36 VwZVG. Die Höhe des Zwangsgeldes sei im Verhältnis zum bezweckten Erfolg angemessen.
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Mit Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 3. April 2020 teilte diese mit, dass sie die anhängige Untätigkeitsklage gegen den nunmehr erlassenen Ablehnungsbescheid vom 5. März 2020 als Versagungsgegenklage fortführe. Eine weitere Klagebegründung erfolge in Kürze. Ein Klageantrag wurde im Rahmen des Schriftsatzes nicht formuliert (Bl. 29 d. GA). Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 6. Oktober 2021 erklärt, dass sie den Antrag aus dem Schriftsatz vom 3. April 2020 stelle und zusätzlich die Aufhebung des Bescheides vom 5. März 2020 beantrage. Nach Auslegung beantragt die Klägerin deswegen zuletzt:
I. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung zur nachträglichen Legalisierung einer Mauer auf dem Grundstück Fl. Nr. …4 der Gemarkung F. … (St.-S. H. Straße 11, F. …*) zu erteilen.
II. Der Bescheid vom 5. März 2020 wird aufgehoben.
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Die Klage habe seit der Änderung in eine Versagungsgegenklage mit Schriftsatz vom 3. April 2020 auch eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 5. März 2020 enthalten. Eine Versagungsgegenklage enthalte immer die Aufhebung des Ablehnungsbescheides. Die Anfechtungsklage gegen die Beseitigungsanordnung sei deswegen nicht verfristet. Der Ablehnungsbescheid sei rechtswidrig. Die Klägerin habe einen Anspruch auf die beantragte Baugenehmigung. Die Einfriedungssatzung sei rechtswidrig, da der Satzungsgeber keine Rücksicht auf die Besonderheiten der näheren Umgebung genommen habe. Eine Auseinandersetzung mit vorhandenen Gewerbegebieten oder dem Vorliegen einer Zubringerstraße sei nicht erfolgt. Nur die Staatsstraße 2080 als Sonderfall zu berücksichtigen, werde dem Umfang des Gemeindegebiets von 12,26 km2 nicht gerecht. Die Satzung sei des Weiteren unbestimmt. § 2 Abs. 3 der Einfriedungssatzung nehme Bezug auf die vordere Kante des Hauptgebäudes. Ein Gebäude könne aber keine Kante umfassen, da eine Kante die durch zwei aneinanderstoßende Ebenen oder Flächen gebildete Linie sei. An der Frontseite eines Gebäudes würden keine zwei Flächen aufeinanderstoßen. § 2 Abs. 4 der Einfriedungssatzung sei auch unbestimmt. Die natürliche Geländeoberfläche sei kein tauglicher Bezugspunkt für bauliche Anlagen. Diese könne verändert werden. Des Weiteren sei die Regelung grammatikalisch nicht vollständig, sodass bereits unklar sei, was mit dem unteren Bezugspunkt gemeint sei. Zuletzt sei unklar, was „grellbunte“ Farben i.S.d. § 3 Abs. 6 der Einfriedungssatzung seien. In der S. Hellip-Straße 15 und 17 gebe es vergleichbare Einfriedungen, sodass sich das Vorhaben einfüge. Die maßgebliche Mindestabstandstiefe von 3 m werde zur Mitte der Straße eingehalten. Außerdem bestehe Bestandsschutz. Es seien bloße Renovierungs- und Instandhaltungsarbeiten durchgeführt worden. Die Klägerin habe aber jedenfalls einen Anspruch auf Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO, da die M. H. Straße mit der Staatsstraße 2080 vergleichbar sei. Die Einfriedung stelle einen wesentlichen Beitrag gegen eine Schallübertragung dar. Die Klägerin habe mehrmals Zuspruch aus der Nachbarschaft erhalten. In der Folge sei auch die Beseitigungsanordnung rechtswidrig und aufzuheben. Die Einfriedungen nach Osten und Westen hielten die Abstandsflächen ein, da maßgeblich die Höhe vom Baugrundstück aus sei.
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Der Beklagte beantragt,
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Die ursprüngliche Untätigkeitsklage sei unzulässig gewesen, da mangels vollständigen Bauantrages es gar nicht möglich gewesen sei über den Antrag zu entscheiden.
11
Eine Stellungnahme zur Versagungsgegenklage und zur der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Klageänderung ist nicht erfolgt.
12
Die Beigeladene beantragt,
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Die Differenzierung zwischen Einfriedungen an der St 2080 und Einfriedungen an den übrigen Straßen im Gemeindegebiet, sei aufgrund der durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke (DTV) erfolgt. Bei der St 2080 liege die DTV bei 10.000 bis 12.000 Fahrzeugen. Die M. H. Straße habe dagegen nur eine DTV von ca. 2.700 Fahrzeugen.
14
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einnahme eines Augenscheins. Zu den Feststellungen wird auf die Niederschrift vom 6. Oktober 2021 Bezug genommen.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und beigezogenen Behördenakten sowie auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 6. Oktober 2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg, da sie teilweise bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet ist.
17
1. Die Anfechtungsklage gegen die Beseitigungsanordnung und die Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 5. März 2020 ist unzulässig, da die Klagefrist nicht eingehalten wurde.
18
Durch die Änderung des Klageantrages in der mündlichen Verhandlung wurde erstmalig auch die Aufhebung der Beseitigungsanordnung und der Zwangsgeldandrohung beantragt. Diese Klageänderung ist nach § 91 Abs. 1 Alt. 1, Abs. 2 VwGO zulässig, da sich der Beklagte ohne zu widersprechen in der mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat. Die Anfechtungsklagen sind aber wegen Ablauf der Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO unzulässig.
19
Von der Auslegung oder Umdeutung des Antrags mit dem Ziel der Bestimmung der richtigen Klageart ist die inhaltliche Veränderung des Klagebegehrens zu unterscheiden, die ebenfalls mit einer Änderung der Klageart einhergehen kann. Die inhaltliche Änderung des Begehrens verändert den Streitgegenstand und stellt eine Klageänderung dar, die nach § 91 VwGO davon abhängt, dass die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält (Schoch/Schneider VwGO, VwGO vor § 42 Abs. 1 Rn. 30 Rn. 30, beck-online).
20
Die in der mündlichen Verhandlung von der Bevollmächtigten Klägerin vertretene Auffassung, dass in der Versagungsgegenklage auch eine Anfechtungsklage gegen den gesamten Bescheid vom 5. März 2020 enthalten ist und deswegen die Beseitigungsanordnung und die Zwangsgeldandrohung bereits seit ihrem Schriftsatz vom 3. April 2020 fristgerecht angefochten sind, ist unzutreffend.
21
Die Versagungsgegenklage ist auf den Erlass eines beantragten, aber abgelehnten Verwaltungsakts oder eines abtrennbaren Teils eines abgelehnten Verwaltungsakts gerichtet und schließt zugleich lediglich eine Klage auf deklaratorische Aufhebung der Ablehnungsentscheidung ein bzw. bewirkt die Verpflichtung, dass die ablehnende Entscheidung gegenstandslos wird. Die Ablehnungsentscheidung erfolgte vorliegend in Ziffer I. des Bescheides vom 5. März 2020. Der Bescheid vom 5. März 2020 enthielt neben der Ablehnungsentscheidung aber noch die Beseitigungsanordnung für die gesamte Einfriedung auf dem Grundstück und eine dazugehörige Zwangsgeldandrohung, insoweit handelt es sich um noch zwei weitere separate Verwaltungsakte. Diese wurden lediglich in einem Bescheid zusammengefasst. Auf diese beiden Verwaltungsakte wurde die Klage mit dem Schriftsatz vom 3. April 2020 auch nach Auslegung nicht im Rahmen der Klageänderung nach § 91 VwGO erweitert.
22
Eine Auslegung oder Umdeutung der explizit als Versagungsgegenklage bezeichneten Klage in zusätzliche Anfechtungsklagen gegen die Beseitigungsanordnung und Zwangsgeldandrohung (vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 VwZVG) kommt vorliegend nicht in Betracht. Die Prozessbevollmächtige hat ausdrücklich nur eine Klageänderung in eine Versagungsgegenklage erklärt.
23
Ist ein Kläger bei Prozesshandlungen anwaltlich vertreten worden, kommt der Formulierung gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu. In diesen Fällen darf die Auslegung vom Wortlaut abweichen, wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht (BVerwG, B.v. 13. 1.2012 - 9 B 56/11 - juris Rn. 8). Vorliegend war im Zeitpunkt der Klageänderung mit Schriftsatz vom 3. April 2019 aber nicht eindeutig erkennbar, dass das wirkliche Klageziel auch die Anfechtung der gesamten Beseitigungsanordnung und der Zwangsgeldandrohungen mit Bescheid vom 5. März 2020 umfasste. Mangels beigefügter Klagebegründung konnte sich das Rechtsschutzbegehren nicht aus einer Begründung innerhalb der Klagefrist ergeben. Eine Klagebegründung erfolgte erst einen Tag vor der mündlichen Verhandlung. Anhaltspunkt für dieses letztlich erst endgültig in der mündlichen Verhandlung am 6. Oktober 2020 erkennbare Rechtschutzziel wäre allenfalls die verwendete Begrifflichkeit „Ablehnungsbescheid vom 5. März 2020“ - der vom Beklagten dem Gericht bereits vorgelegt worden war und deswegen bekannt war - anstatt Ablehnungsentscheidung. Im Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes lag es aber deutlich näher insoweit von einer unsauberen Verwendung des Begriffs des „Bescheides“ auszugehen, als dass der Fachterminus der „Versagungsgegenklage“ falsch verwendet wurde. Gegen ein eindeutig erkennbares anderes Rechtschutzbegehren als eine Versagungsgegenklage sprach im Zeitpunkt der Prozesserklärung zudem, dass hiermit die Rechtmäßigkeit der Einfriedungen nach Osten, Süden und Westen für das Verfahren erstmals Bedeutung erlangt hätte. Es war keinesfalls auszuschließen, dass diese Einfriedungen aus bestimmten, dem Gericht unbekannten Gründen, nicht Teil des gerichtlichen Verfahrens werden sollten. Fehlende ausreichende Anhaltspunkte für das falsche Verständnis der Prozessbevollmächtigen vom Klagegegenstand der Versagungsgegenklage und das Fehlen einer Identität der baulichen Anlage führen im Ergebnis dazu, dass die bloße Klageänderung der Untätigkeitsklage in eine Versagungsgegenklage mit Schriftsatz vom 3. April 2020 weder nach Auslegung noch Umdeutung eine gleichzeitige und fristgerechte Klageerweiterung enthält.
24
Die Beseitigungsanordnung und die Zwangsgeldandrohung mit Bescheid vom 5. März 2020 wurden deswegen erst mit der Antragstellung in der mündlichen am 6. Oktober 2021 angefochten und damit nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO verfristet.
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2. Die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage auf Baugenehmigung für die nördliche Grenzmauer ist zulässig aber unbegründet. Der Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragte Baugenehmigung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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a) Ein Anspruch auf Baugenehmigung aus Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO scheitert schon daran, dass der eingereichte letzte und damit maßgebliche Eingabeplan vom 31. August 2018 weder von der Klägerin als Bauherrin noch vom Entwurfsverfasser unterschrieben ist. Nach Art. 64 Abs. 4 Satz 1 BayBO sind die Bauvorlagen vom Bauherr und vom Entwurfsverfasser zu unterschreiben. Die Abweichung von diesem Erfordernis nach § 8 Satz 4 der Verordnung über die digitale Einreichung bauaufsichtlicher Anträge und Anzeigen (Digitale Bauantragsverordnung - DBauV) vom 2. Februar 2021 gilt nur für die digitale Einreichung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 DBauV. § 1 Abs. 1 Satz 3 DBauV ordnet die entsprechende Anwendung für die Einreichung in Papierform nur für § 8 Satz 1 bis 3 DBauV (Einreichung bei der Bauaufsichtsbehörde) an. Ohne ordnungsgemäßen Bauantrag besteht kein Anspruch auf eine Baugenehmigung (VG München, U.v. 16.9.2020 - M 9 K 18.2511 - juris Rn. 36).
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b) Darüber hinaus hat die Klägerin auch deswegen keinen Anspruch auf eine Baugenehmigung aus Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO, da die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO zu prüfende nördliche Grenzmauer nicht mit den Regelungen der Einfriedungssatzung als örtlicher Bauvorschrift übereinstimmt (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO). Die nördlich Grenzmauer ist nicht verfahrensfrei nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a BayBO, da sie eine Höhe von mehr als 2 m hat. Voraussetzung für eine Verfahrensfreiheit wäre, dass die Mauer weder vom Baugrundstück noch vom Nachbargrundstück aus gemessen höher als 2 m ist (BayVGH, B.v. 14.1.2016 - 1 ZB 12.788 - juris Rn. 3). Die Einfriedungssatzung vom 21. März 2018 ist nicht unwirksam (aa), die Grenzmauer stimmt nicht mit den wirksamen Vorgaben der Einfriedungssatzung vom 21. März 2018 überein (bb) und die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Abweichung von der Einfriedungssatzung (cc).
28
aa) Die Satzung über Art, Gestaltung und Höhe von Einfriedungen (Einfriedungssatzung) der beigeladenen Gemeinde vom 21. März 2018 ist nicht unwirksam. Nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 5 BayBO können Gemeinden durch Satzung im eigenen Wirkungskreis eine örtliche Bauvorschrift über die Notwendigkeit, Art, Gestaltung und Höhe von Einfriedungen erlassen.
29
(1) Die entscheidungserheblichen Vorschriften der Einfriedungssatzung verstoßen nicht gegen das aus dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 BV) folgende Bestimmtheitsgebot.
30
Der Bestimmtheitsgrundsatz verpflichtet den Normgeber, seine Vorschriften so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Anforderungen der Klarheit und Justiziabilität entsprechen. Normen müssen so formuliert sein, dass die davon Betroffenen die Rechtslage zumindest ansatzweise eigenständig beurteilen und ihr Verhalten danach einrichten können und dass die Gerichte in der Lage sind, die Anwendung der betreffenden Vorschrift durch die Verwaltung zu kontrollieren. Gleichwohl darf das Gebot der Bestimmtheit nicht übersteigert werden, weil Rechtsnormen sonst zu starr und kasuistisch werden müssten und der Vielgestaltigkeit des Lebens oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden könnten. Der Normgeber ist nicht verpflichtet, jeden Tatbestand mit exakt erfassbaren Merkmalen bis ins Letzte zu umschreiben. Es bestehen jedenfalls dann keine Bedenken, wenn sich mithilfe der üblichen Auslegungsmethoden eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Vorschrift gewinnen lässt (st. Rspr. vgl. BayVerfGH, E.v. 23.1.2012 - Vf. 18-VII-09 - juris Rn. 97).
31
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die natürliche Geländeoberfläche zur Bestimmung der Höhe einer Einfriedung in § 2 Abs. 4 Satz 2 der Einfriedungssatzung nach diesen Maßstäben bestimmt genug und eine geeignete Regelung zur Bestimmung der maßgeblichen Höhe. Bei der natürlichen Geländeoberfläche bleiben nach allgemeiner Auffassung künstliche Änderungen der Oberfläche grundsätzlich außer Betracht. Ein Bauherr kann somit grundsätzlich nicht durch die Änderung der Oberfläche des Baugrundstücks die maßgebliche Höhe der Einfriedung verändern. Aufgrund der entsprechenden Überlegung ist bei der Bemessung der Abstandsflächen nach der BayBO ebenfalls von der natürlichen Geländeoberfläche auszugehen (vgl. BayVGH, B.v. 27.7.2021 - 1 CS 21.1294, BeckRS 2021, 22472 Rn. 9, beck-online). Die Gemeinde hat sich diesen Reglungsgedanken der BayBO zum unteren Bezugspunkts in § 2 Abs. 4 Satz 2 der Einfriedungssatzung zu eigen gemacht. Dagegen ist nichts zu erinnern. Die alternative Festlegung der Geländeoberfläche des anliegenden öffentlichen Gehweges oder des öffentlich wirkenden Raums als unteren Bezugspunkt in den Fällen des § 2 Abs. 4 Satz 1 der Einfriedungssatzung begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Die Bestimmung ist eindeutig. Die grammatikalischen Fehler in § 2 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 der Einfriedungssatzung sind unbeachtliche Redaktionsversehen, die im Rahmen der Rechtsanwendung zu korrigieren sind. Sie führen nicht dazu, dass dem Rechtsanwender unklar ist, welcher untere Bezugspunkt jeweils maßgeblich ist.
32
Auch die Verwendung des Begriffes der vorderen Kante des Hauptgebäudes in § 2 Abs. 3 Satz 2 der Einfriedungssatzung führt zu keiner Verletzung des Bestimmtheitsgebotes. Nach Auslegung ist damit die Schnittkante zwischen der vorderen (zur Straße orientierten) Hauptgebäudeaußenwand und der Geländeoberfläche gemeint. Die hierdurch bezweckte Definition des Vorgartenbereichs ist ohne Schwierigkeiten nachvollziehbar. Die Argumentation der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, weshalb dies nicht unter den Begriff der Kante subsumierbar sein sollte, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar.
33
Offenbleiben kann, ob § 3 Abs. 6 Satz 2 der Einfriedungssatzung aufgrund der Verwendung des Begriffs der „grellbunten“ Farben in diesem Punkt unbestimmt ist (für eine ausreichend bestimmte Vorgabe eines Farbspektrums vgl. BayVGH, U.v. 12.5.2005 - 26 B 03.2454 - juris Rn. 29). Die vorliegende Grenzmauer verletzt die farbliche Vorgabe der Einfriedungssatzung unstreitig nicht und eine Unbestimmtheit des Begriffes „grellbunt“ würde keinesfalls zur Gesamtunwirksamkeit der Einfriedungssatzung führen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nach dem Rechtsgedanken des § 139 BGB von der Gesamtunwirksamkeit einer Norm auszugehen, wenn der fehlerbehaftete Teil mit dem übrigen Normgefüge so verflochten ist, dass die Restbestimmung ohne den nichtigen Teil nicht sinnvoll bestehen bleiben kann. Das ist dann der Fall, wenn der verbleibende Teil der Rechtsordnung nicht entspricht, etwa eine unter Gleichheitsaspekten unzureichende Regelung darstellt oder den gesetzlichen Regelungsauftrag verfehlt. Dabei ist auf den (objektivierten) mutmaßlichen Willen des Normgebers abzustellen. Ein Fehler führt dann nicht zur Gesamtnichtigkeit des fraglichen Normgefüges, solange ein fehlerfreier Teil (objektiv) sinnvoll bleibt und (subjektiv) vom Normsetzungswillen des Normgebers getragen wird (BVerwG, U.v. 21.6.2018 - 7 C 19/16 - juris Rn. 16 m.w.N.). Die Regelung in § 3 Abs. 6 Satz 2 der Einfriedungssatzung dient vorliegend nur einer Konkretisierung des Verunstaltungsverbots nach Art. 8 BayBO („insbesondere“). Auch bei Streichung des § 3 Abs. 6 Satz 2 der Einfriedungssatzung bleibt deswegen eine rechtmäßige und ihren Regelungsauftrag erfüllende Einfriedungssatzung übrig. Anhaltspunkte dafür, dass die beigeladene Gemeinde nur mit einem wirksamen Ausschluss von „grellbunten“ Farben eine Einfriedungsatzung erlassen wollte, sind nicht ansatzweise erkennbar.
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(2) Die Einfriedungssatzung ist mit Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar. Die satzungsimmanente Ausnahme lediglich für Lärmschutzeinfriedungen an der Staatsstraße 2080 nach § 3 Abs. 4 Satz 2 der Einfriedungssatzung ist keine willkürliche Ungleichbehandlung. Sachlicher Grund ist die besonders starke Verkehrsbelastung an der Staatsstraße 2080 mit einer DTV zwischen 10.000 bis 12.000 Fahrzeugen. Eine Straße im Gemeindegebiet mit ähnlich starker Verkehrsbelastung liegt nach Aktenlage im Innenbereich nicht vor. Die M. H. Straße hatte bei der Verkehrszählung 2019 nur eine DTV von ca. 2.700 Fahrzeugen. Keinesfalls ist es notwendig, dass die Gemeinde für alle potentiell von der Satzung betroffenen Grundstücke vorab eine Einzelfalluntersuchung durchführt. Bei einer vergleichbaren Lärmbelästigung im Einzelfall ist es ausreichend, eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO von der Einfriedungssatzung zum Zweck des Lärmschutzes zu erteilen. Eine unverhältnismäßige Beschränkung von Art. 14 Abs. 1 GG stellt die Einfriedungssatzung ebenfalls nicht dar. Die Beschränkung der Baufreiheit ist durch den Zweck der Satzung, Schutz des Straßen- und Ortsbildes, gerechtfertigt. Dabei kann das Ziel eines aufgelockerten Bildes ohne massive geschlossene Einfriedungen zulässigerweise mit der Einfriedungssatzung verfolgt werden, selbst wenn ein derartiges einheitliches und gleichartiges Bild bei Erlass noch nicht vorliegen sollte (Decker in: Busse/Kraus, 143. EL Juli 2021, BayBO Art. 81 Rn. 193).
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bb) Die nördliche Grenzmauer stimmt nicht mit den Vorgaben der Einfriedungssatzung zur Gestaltung und Höhe überein. Insbesondere ist sie deutlich über 1,30 m hoch (§ 3 Abs. 2 Satz 1 der Einfriedungssatzung) und als Mauer ist sie eine nicht zulässige geschlossene Einfriedung (§ 3 Abs. 1 der Einfriedungssatzung).
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cc) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Abweichung von der Einfriedungssatzung. Nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von auf Grund der BayBO erlassener Vorschriften zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Satz 1 BayBO vereinbar sind.
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Da nach dem Gesetzeswortlaut eine Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung, von welcher abgewichen werden soll, notwendig ist, verlangt eine Abweichung einen von der Regel abweichenden Sonderfall und eine atypische Situation (VG München, U.v. 8.8.2012 - M 9 K 10.5497 - juris Rn. 32). Eine solche Atypik setzt einen Unterschied des zu entscheidenden Falles vom normativen Regelfall voraus (BayVGH, B.v. 5.12.2011 - 2 CS 11.1902 - juris). Die erforderliche Atypik lässt sich aus objektiven, sich aus der Grundstückssituation ergebenden Gründen ableiten. Solche sind beispielsweise Größe, Zuschnitt, Lage, Bodenbeschaffenheit eines Grundstücks oder Qualität bzw. Quantität der vorhandenen Bebauung (Weinmann in: BeckOK BauordnungsR Bayern, 18. Ed. 1.4.2021, BayBO Art. 63 Rn. 22.1).
38
Vorliegend kommt alleine die Lage des Grundstücks an einer nach Vortrag der Klägerin viel befahrenen Straße und gegenüber von einem Gewerbebetrieb als Grund für eine Atypik näher in Betracht. Allerdings macht diese Lage nach dem Ergebnis des Augenscheins keine höhere und geschlossene Einfriedung zum Schutz vor Immissionen notwendig. Nach dem Ergebnis des Augenscheins liegt nördlich vom Grundstück der Klägerin und auf der anderen Straßenseite ein Bauunternehmen. Die Einfahrt zum Bauunternehmen erfolgt von Norden. Hierdurch findet auf dem südlich gelegenen klägerischen Grundstück keine wesentliche zusätzliche Lärmimmission statt. Das zunächst vorgetragene Speditionsunternehmen ist deutlich weiter entfernt. Der Straßenverkehrslärm beträgt bei 2.700 Fahrzeugen pro Tag, nach der Verkehrszählung von 2019, nur ca. 25% der Verkehrsbelastung der Staatstraße 2080. Zusätzlich besteht in diesem Abschnitt der M. H. Straße eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h. Die leichte Kurve der M. H. Straße führt nach Ansicht der Kammer nicht dazu, dass Fahrzeuge in der Nähe des klägerischen Grundstücks so stark abbremsen oder beschleunigen, als dass eine Einfriedung als Lärmschutz notwendig ist. Während des Augenscheins konnte ein starker Verkehr oder ein starkes Abbremsen bzw. Beschleunigen von Verkehrsteilnehmerin nicht festgestellt werden. Ein substantiierter anderer Vortrag der Klägerin ist nicht erfolgt. Insbesondere wurde auch kein Lärmgutachten vorgelegt, um den Eindruck des Gerichts vor Ort und die Abschätzung der Gemeinde ausgehend von der Verkehrsbelastung zu widerlegen. Der übliche Straßenverkehrslärm reicht nicht für die Annahme einer Atypik. Die Gemeinde hat im Rahmen ihrer Einfriedungssatzung mit der bloßen Ausnahme für die Staatsstraße 2080 gerade zulässigerweise ihr Ermessen beim Erlass der Einfriedungssatzung dahingehend ausgeübt, dass dem Ortsbild Vorrang vor dem Schutz der Grundstücke vor den unschädlichen Emissionen des üblichen Straßenverkehres eingeräumt wird.
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Da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Abweichung (hier fehlende Atypik) nicht vorliegen, kommt es auf eine fehlerfreie Ermessensausübung bereits nicht mehr an.
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dd) Allein aus Bestandsschutzgründen kann sich kein Anspruch auf eine Baugenehmigung für die Erhöhung der Grenzmauer ergeben. Da sich nach der Rechtsprechung des BVerfG direkt aus Art. 14 Abs. 1 GG als normgeprägten Grundrecht kein Anspruch ergeben kann, ist ein früher teilweise anerkannter Bestandsschutz, der wegen des Schutzes, den eine vorhandene bauliche Anlage genießt, auch die Möglichkeit von Modernisierungen oder Erweiterungen einräumt (sog. aktiver oder überwirkender Bestandsschutz) abzulehnen (vgl. Decker in: Busse/Kraus, 143. EL Juli 2021, BayBO Art. 76 Rn. 126). Ausgehend von den Bildern der ersten Ortseinsicht vom 25. Oktober 2017 (Bl. 17 d. BA - BÜ 2107 - 2638) sind mindestens vier Steinschichten neu gemauert worden. Bloße Instandhaltungsmaßnahmen, die zu keinem Wegfall des Bestandsschutzes führen würden, liegen damit nicht vor. Unter diesen Begriff sind Maßnahmen zu fassen, die dazu dienen, die Gebrauchsfähigkeit und den Wert von Anlagen und Einrichtungen unter Belassung von Konstruktion und äußerer Gestalt zu erhalten und die weder Errichtung noch Änderung sind (BayVGH, B.v. 16.11.2000 - 2 CS 00.2127 - juris Rn. 15). Die Erneuerung und Änderung von mindestens vier Steinschichten ändert die äußere Gestalt einer Mauer erheblich. Schon aufgrund der fehlenden Verfahrensfreiheit bei einer Höhe von mehr als 2 m war die Mauer in der jetzigen Gestalt zudem niemals formell und materiell rechtmäßig. Dies wäre aber zwingende Mindestvoraussetzung für einen dann ggf. vorliegenden passiven Bestandsschutz (vgl. Decker in: Busse/Kraus, 143. EL Juli 2021, BayBO Art. 76 Rn. 117).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 3, 161 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat Klageabweisung beantragt, sodass es aufgrund des insoweit bestehenden Kostenrisikos der Billigkeit entspricht ihre außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen.
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4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.