Inhalt

VG München, Urteil v. 08.10.2021 – M 16 K 20.936
Titel:

Gerwerbeuntersagung wegen gewerbebezogener Straftaten

Normenketten:
GewO § 35 Abs. 1 S. 1, S. 2
GmbHG § 35 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird, wobei tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Unzuverlässigkeit bei einem Gewerbetreibenden mit erheblichen Steuerrückständen sowie Zahlungsrückständen bei den Trägern der Sozialversicherung oder bei Straftaten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung bestehen; Überschuldung und wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit begründen grundsätzlich die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Steht die Zuverlässigkeit einer juristischen Person in Rede, können Unzuverlässigkeitsgründe gerade in der juristischen Person liegen – wie etwa eine mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit (mit den Unterformen der Steuerschulden und der Verletzung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten) – oder auf einer Unzuverlässigkeit des vertretungsberechtigten Organs beruhen, das der juristischen Person zurechenbar ist, insbesondere Unzuverlässigkeitsgründe, die sich aus Pflichtverletzungen als Geschäftsführer der GmbH ergeben (vgl. § 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG), sind der Gesellschaft folglich zuzurechnen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Unzuverlässigkeitsgründe, die ausschließlich in der Person des Vertretungsberechtigten liegen, sind der juristischen Person nicht zuzurechnen; darunter wird insbesondere die mangelnde Leistungsfähigkeit des Vertretungsberechtigten selbst gefasst. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es ist nicht Sache der Behörde oder des Gerichts, sondern allein Sache der Klagepartei, Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zur Löschung zu bringen und nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für die Eintragungen nicht (mehr) vorliegen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
5. Ist ein Gewerbetreibender in Bezug auf andere – nicht ausgeübte – gewerbliche Betätigungen unzuverlässig und ist die Untersagung auch hinsichtlich dieser Betätigungen erforderlich, so ist eine Ermessensentscheidung, die von der Möglichkeit der erweiterten Gewerbeuntersagung Gebrauch macht, nicht rechtswidrig, wenn der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden kann, die anderweitige Gewerbeausübung sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken soll. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gewerbeuntersagung (erweitert), gewerberechtliche Unzuverlässigkeit, GmbH, Eintragungen im Schuldnerverzeichnis (Vollstreckungsportal), Nichtabgabe der Vermögensauskunft, Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen, gewerbebezogene Straftat (u.a. Insolvenzverschleppung), Gewerbeuntersagung, erweiterte, gewerbebezogene Straftat, juristische Person, Vertretungsberechtigter, Insolvenzverschleppung, Schuldnerverzeichnis, Vermögensauskunft, Verhältnismäßigkeit
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 26.07.2022 – 22 ZB 22.294
Fundstelle:
BeckRS 2021, 56047

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen die zum Teil zwangsmittelbewehrten Verfügungen aus dem Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2020, mit denen ihr die Ausübung des Gewerbes „Groß- und Einzelhandel mit, sowie Im- und Export von Wirtschaftsgütern (ausgenommen sind erlaubnispflichtige Güter)“ als selbstständiger Gewerbetreibender im stehenden Gewerbe (Nr. 1 des Bescheidstenors) sowie die Ausübung jeglicher gewerblichen Tätigkeit im stehenden Gewerbe (Nr. 2 des Bescheidstenors) untersagt wurde.
2
Durch Mitteilung der Staatsanwaltschaft München I vom 16. Januar 2018 (Nr. 39 der Anordnung über Mitteilung in Strafsachen - MiStra) wurde die Beklagte davon in Kenntnis gesetzt, dass der alleinige Geschäftsführer und Gesellschafter der Klägerin im Rahmen seiner Tätigkeit als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der … … … mbH strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Mit Strafbefehl vom 9. August 2017 (Az.: … … … … …*) wurde gegen ihn eine Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Verletzung der Buchführungspflicht in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Bankrott verhängt. Hinsichtlich Schuldspruch und Tagessatzanzahl ist die Entscheidung seit 12. September 2017 rechtskräftig, hinsichtlich der Tagessatzhöhe seit 28. November 2017 (vgl. Beschluss des Landgerichts München I vom 28. November 2017, Az.: … … …*).
3
Nach den weiteren aktenkundigen Ermittlungen der Beklagten war der Geschäftsführer der Klägerin am 23. Januar 2018 mit einem Eintrag wegen „Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen“ im Schuldnerverzeichnis erfasst (Eintrag vom 29.9.2017).
4
Auf dieser Grundlage hörte die Beklagte sowohl die Klägerin als auch deren Geschäftsführer mit Schreiben vom 7. Februar 2018 zur jeweils beabsichtigten (erweiterten) Gewerbeuntersagung an.
5
Der Geschäftsführer der Klägerin äußerte sich auf die Anhörungsschreiben, welche ihm am 13. bzw. 15. Februar 2018 zugestellt wurden, im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten. Er erklärte dabei mündlich sowie schriftlich, dass die der Eintragung im Schuldnerverzeichnis zugrundeliegende Forderung bereits vollständig bezahlt sei und er sich um eine Löschung der Eintragung bemühen werde.
6
Das Gewerbeuntersagungsverfahren wurde daraufhin von der Beklagten bis 27. März 2018 ausgesetzt und der Geschäftsführer der Klägerin zur Vorlage eines Nachweises über die Begleichung der Forderung aufgefordert. Vorsorglich wurde zugleich darauf hingewiesen, dass das Verfahren ohne weitere Anhörung fortgesetzt werde, wenn der Aufforderung nicht nachgekommen oder weitere Unzuverlässigkeitstatbestände bekannt würden. Mit Schreiben vom 20. April 2018 teilte der Geschäftsführer der Klägerin mit, dass er einen Antrag auf vorzeitige Löschung aus dem Schuldnerverzeichnis gestellt habe und nach Erhalt einer Rückmeldung diese umgehend der Beklagten vorlegen werde.
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Die Industrie- und Handelskammer, die ebenfalls mit Schreiben vom 7. Februar 2018 angehört wurde, erhob keine Einwände. Laut Schreiben vom 21. Februar 2018 bestünden Beitragsrückstände der Klägerin aus den Jahren 2015, 2016 und 2017 in Höhe von 450 Euro.
8
Aktenkundige Ermittlungen der Beklagten im Jahr 2020 ergaben, dass der Geschäftsführer der Klägerin am 22. Januar 2020 noch immer mit dem Eintrag wegen „Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen“ im Schuldnerverzeichnis erfasst war (Eintrag vom 29.9.2017) und nunmehr auch die Klägerin selbst im Schuldnerverzeichnis eingetragen war (Eintrag vom 18. April 2018 wegen „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“). Laut Mitteilung der Industrie- und Handelskammer vom 22. Januar 2020 bestünden weiterhin Beitragsrückstände aus den Jahren 2015 bis einschließlich 2019 in Höhe von zwischenzeitlich 775 Euro.
9
Am 22. Januar 2020 erließ die Beklagte den angefochtenen Bescheid, der der Klägerin am 29. Januar 2020 zugestellt wurde.
10
Zur Begründung beruft sich die Beklagte im Wesentlichen auf die Eintragung der Klägerin im Schuldnerverzeichnis und darauf, dass sich die Klägerin eines unzuverlässigen Geschäftsführers bedient.
11
Mit Schreiben vom … Februar 2020, bei Gericht eingegangen am 29. Februar 2020, ließ die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage erheben und beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2020 aufzuheben.
12
Zur Begründung führte der Klägerbevollmächtigte im Wesentlichen aus, dass eine Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht mehr bestehe, da die Verbindlichkeit nicht mehr bestehe. Auch die dem Eintrag „Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen“ zugrundeliegende Forderung bestehe nicht. Von der Beklagten würden auch keine konkreten Forderungen benannt. Ein etwaiger Beitragsrückstand bei der Industrie- und Handelskammer würde unverzüglich beglichen werden. Die angebliche Leistungsunfähigkeit der Klägerin sei bloße Spekulation. Seit der mehr als vier Jahre zurückliegenden Verurteilung wegen eines mehr als fünf Jahre zurückliegenden Vergehens sei der Geschäftsführer der Klägerin offensichtlich nicht mehr als unzuverlässig in Erscheinung getreten.
13
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
14
Auf die Stellungnahme der Beklagten im gerichtlichen Verfahren vom 30. April 2020 wird Bezug genommen.
15
Mit Beschluss vom 1. September 2021 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
16
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im gegenständlichen Verfahren sowie im Verfahren des Geschäftsführers der Klägerin (Az. M 16 K 20.931), den Inhalt der Behördenakte sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
18
Der Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin damit nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Die Beklagte hat der Klägerin zu Recht die weitere Ausübung des Gewerbes „Groß- und Einzelhandel mit, sowie Im- und Export von Wirtschaftsgütern (ausgenommen sind erlaubnispflichtige Güter)“ im stehenden Gewerbe nach § 35 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO) untersagt.
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Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit u.a. des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Diese Voraussetzungen lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des angefochtenen Bescheids vor (Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG).
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1.1 Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Unzuverlässigkeit bestehen bei einem Gewerbetreibenden mit erheblichen Steuerrückständen sowie Zahlungsrückständen bei den Trägern der Sozialversicherung oder bei Straftaten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung. Überschuldung und wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit begründen grundsätzlich die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden. Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs muss von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Dieser Grund entfällt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet. Für die Beurteilung der Zuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden und der Rechtmäßigkeit einer Gewerbeuntersagung kommt es dabei nicht darauf an, wie sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Abschluss des behördlichen Untersagungsverfahrens weiterentwickelt haben. Haben sich die tatsächlichen Umstände geändert, muss vielmehr die Initiative zur Wiederzulassung nach § 35 Abs. 6 GewO vom Gewerbetreibenden ausgehen (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6.14 - juris Rn. 13 ff. m.w.N.). Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen (vgl. BVerwG, B.v. 26.2.1997 - 1 B 34.97 - juris Rn. 8).
22
Steht wie hier die Zuverlässigkeit einer juristischen Person in Rede, können Unzuverlässigkeitsgründe gerade in der juristischen Person liegen - wie etwa eine mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit (mit den Unterformen der Steuerschulden und der Verletzung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten) - oder auf einer Unzuverlässigkeit des vertretungsberechtigten Organs beruhen, das der juristischen Person zurechenbar ist. Insbesondere Unzuverlässigkeitsgründe, die sich aus Pflichtverletzungen als Geschäftsführer der GmbH ergeben (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG), sind der Gesellschaft folglich zuzurechnen. Davon zu unterscheiden sind Unzuverlässigkeitsgründe, die ausschließlich in der Person des Vertretungsberechtigten liegen und der juristischen Person nicht zuzurechnen sind; darunter wird insbesondere die mangelnde Leistungsfähigkeit des Vertretungsberechtigten selbst gefasst (vgl. zu alldem BayVGH, B.v. 7.6.2018 - 22 ZB 18.807 - juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 17.1.2012 - 22 CS 11.1972 - juris Rn. 10; OVG NRW, B.v. 28.8.2017 - 4 A 2233/15 - juris Rn. 8).
23
Daran gemessen war die Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des angefochtenen Bescheids gewerberechtlich unzuverlässig und die Prognose der Beklagten gerechtfertigt, dass die Klägerin ihr Gewerbe auch künftig nicht ordnungsgemäß ausüben wird.
24
Nach den Feststellungen der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid, denen die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten ist, war die Klägerin einmal wegen „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ im Schuldnerverzeichnis erfasst, was für eine mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin spricht.
25
Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit der Klägerin hat die Beklagte zu recht auch wegen der persönlichen Unzuverlässigkeit des Geschäftsführers der Klägerin angenommen.
26
Die genannte Eintragung im Schuldnerverzeichnis belegt hinreichend, dass der Geschäftsführer der Klägerin vollstreckbare Forderungen der Klägerin nicht wie geschuldet sofort bezahlte und zeigen darüber hinaus, dass er zur Erfüllung der ihm im Vollstreckungsverfahren obliegenden Pflichten, den Gläubigern der Klägerin den notwendigen Überblick über die jeweiligen Vermögensverhältnisse zu verschaffen, freiwillig nicht bereit ist und daher auch leistungsunwillig war (vgl. BayVGH, B.v. 28.8.2013 - 22 ZB 13.1419 - juris Rn. 19 m.w.N.). Zu der Eintragung wegen „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ wäre es nicht gekommen, wenn im Vollstreckungsverfahren innerhalb der vom Gerichtsvollzieher gesetzten Frist von zwei Wochen die maßgebliche vollstreckbare Forderung beglichen und die Vermögensauskunft pflichtgemäß abgegeben worden wäre (§§ 802c, 802f Abs. 1 ZPO). Erschwerend kommt des Weiteren hinzu, dass die Eintragung wegen „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ kurz nach der Anhörung im Gewerbeuntersagungsverfahren erfolgte. Im Übrigen ist es nicht Sache der Behörde oder des Gerichts, sondern allein Sache der Klagepartei, Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zur Löschung zu bringen und nachzuweisen, dass die Voraussetzungen für die Eintragungen nicht (mehr) vorliegen (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 21.9.2018 - 22 ZB 18.1043 - juris Rn. 11 f.; BayVGH, B.v. 28.8.2013 - 22 ZB 13.1419 - juris Rn. 19 jeweils m.w.N.). Die Einlassung der Klagepartei im Rahmen der Anhörung und im gerichtlichen Verfahren genügen hierfür nicht, vielmehr sprechen die vorgelegten Unterlagen dafür, dass weitere Vollstreckungsverfahren im Zusammenhang mit der jeweiligen Tätigkeit des Geschäftsführers der Klägerin eingeleitet wurden (siehe hierzu auch nachfolgend).
27
Für die Unzuverlässigkeit des alleinigen Geschäftsführers und Gesellschafters der Klägerin spricht auch, dass gegen diesen ein (rechtskräftiger) Strafbefehl (Az.: … … … … …*) wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Verletzung der Buchführungspflicht in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Bankrott verhängt wurde (siehe hierzu auch Urteil vom 8. Oktober 2021, M 16 K 20.931).
28
Den Ausführungen im Strafbefehl zufolge hatte der Geschäftsführer der Klägerin als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der … … mbH Kenntnis davon, dass diese vom 24. Januar 2017 bis 31. Juli 2017 zahlungsunfähig war. Die Gesellschaft verfügte über keine Bankverbindungen oder sonstige Vermögensgegenstände. Trotzdem unterließ es der Geschäftsführer innerhalb der gesetzlichen Frist für die GmbH Insolvenzantrag zu stellen. Auch die Bilanz über das Vermögen der Gesellschaft erstellte er trotz der ihm bekannten Verpflichtung hierzu weder zum 31. Dezember 2014, noch zum 31. Dezember 2015 oder zum 31. Dezember 2016. Spätestens mit Abgabe der Vermögensauskunft für die Gesellschaft am 7. März 2017 stellte die GmbH auch ihre Zahlungen ein. Durch die Nichtbeachtung der Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH hat der Geschäftsführer der Klägerin gezeigt, dass er seine eigenen Belange bzw. diejenigen der von ihm vertretenen Gewerbetreibenden über die geltenden Vorschriften, die dem Schutz des Vermögens anderer dienen, stellt. Im Übrigen nahm der Geschäftsführer der Klägerin den seit 2017 rechtskräftigen Strafbefehl und das damit einhergehende Tätigkeitsverbot nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG (Verbot jeder Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH für die Dauer von fünf Jahren ab Rechtskraft der Entscheidung) auch nicht zum Anlass, einen neuen Geschäftsführer für Klägerin zu suchen bzw. einzusetzen. Trotz der eigentlich von Amts wegen vorzunehmenden Löschung der Eintragung ist er nach wie vor im Handelsregister als einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin eingetragen und in dieser Funktion offenbar auch faktisch noch tätig.
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Auch der Umstand, dass die Handlungen bzw. das Unterlassen, wegen derer der Ge schäftsführer der Klägerin strafrechtlich verurteilt wurde, teilweise bereits mehrere Jahre vor Erlass des angefochtenen Bescheids einen widerrechtlichen Zustand herbeigeführt haben, stellt die Aussagekraft vorliegend nicht in Frage. Jenseits des hier ersichtlich nicht vorliegenden Verwertungsverbots gemäß § 51 Abs. 1 BZRG wegen Tilgungsreife der Verurteilungen gemäß §§ 45, 46 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BZRG ist es eine Frage der Würdigung der Einzelfallumstände, ob längere Zeit zurückliegende Taten, die zu einer Verurteilung geführt haben, die Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen können (vgl. BVerwG, B.v. 23.5.1995 - 1 B 78.95 - juris Rn. 5 f.; BayVGH, B.v. 2.8.2021 - 22 ZB 21.1302 - juris Rn. 15). Die Straftaten beging der Geschäftsführer der Klägerin in einem Zeitraum zwischen Ende 2014 und Juli 2017. Seit der letzten Straftat bis zum Wirksamwerden des streitgegenständlichen Bescheids sind damit nicht einmal drei Jahre vergangen. 2018 erfolgte sodann die genannte Eintragung im Schuldnerverzeichnis wegen „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“. Ein innerer Einstellungswandel bzw. eine ausreichend lange Wohlverhaltensphase, die eine günstigere Prognose zulassen würden, sind in Anbetracht der wiederholten Straffälligkeit bzw. Pflichtverletzungen nicht erkennbar. Das Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin lässt vielmehr auf einen Charakter schließen, der die negative Zukunftsprognose, wie sie von der Beklagten angestellt wurde, trägt (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 8.5.2020 - 22 ZB 20.127 - juris Rn. 21 ff. m.w.N.; BayVGH, U.v. 14.8.2014 - 22 B 14.880 - juris Rn. 24).
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1.2 Die Gewerbeuntersagung ist auch nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine den gesetzlichen Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO entsprechende Gewerbeuntersagung allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen kann (BVerwG, B.v. 19.1.1994 - 1 B 5.94 - juris Rn. 8). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen extremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
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2. Auch die Erweiterung der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO auf die Ausübung jeglicher gewerblichen Tätigkeit im stehenden Gewerbe ist nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für den Erlass einer erweiterten Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO lagen im maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Untersagungsverfügung vor. Die Beklagte hat das ihr insoweit eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei (§ 114 Satz 1 VwGO) ausgeübt.
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2.1 Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO kann die Gewerbeuntersagung auf die vorgenannten Tätigkeiten erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist. Insoweit müssen Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf die „Ausweichtätigkeit“ dartun („gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit“).
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Diese sind bei ungeordneten Vermögensverhältnissen und der Beschäftigung eines unzuverlässigen Geschäftsführers - wie hier - aber regelmäßig gegeben. Es handelt sich um Zuverlässigkeitsvoraussetzungen, die für jeden Gewerbebetrieb gelten und sich nicht auf eine bestimmte gewerbliche Tätigkeit beschränken. Das rechtfertigt die Annahme der Beklagten, dass die Klägerin bzw. ihr Vertretungsberechtigter ein entsprechendes Verhalten auch bei Ausübung eines anderen Gewerbes an den Tag legen werden (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6.14 - juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 27.8.2018 - 22 ZB 18.1562 - juris Rn. 22, 26, jeweils m.w.N.).
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2.2 Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist auch erforderlich, weil eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für ein Ausweichen der Gewerbetreibenden vorliegt.
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Dabei folgt die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung schon daraus, dass der Gewerbetreibende trotz Unzuverlässigkeit an seiner gewerblichen Tätigkeit festgehalten hat, wodurch er seinen Willen bekundet hat, sich auf jeden Fall gewerblich zu betätigen. Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende das andere Gewerbe in Zukunft ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung nach Lage der Dinge also ausscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6.14 - juris Rn. 17 m.w.N.). Besondere Umstände im Einzelfall, die hier eine andere Bewertung hätten zulassen können, lagen nicht vor; dies hat die Beklagte zutreffend erkannt.
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2.3 Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, § 114 Abs. 1 VwGO.
37
Ist ein Gewerbetreibender in Bezug auf andere - nicht ausgeübte - gewerbliche Betätigungen unzuverlässig und ist die Untersagung auch hinsichtlich dieser Betätigungen erforderlich, so ist eine Ermessensentscheidung, die von der Möglichkeit der erweiterten Gewerbeuntersagung Gebrauch macht, nicht rechtswidrig, wenn der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden kann, die anderweitige Gewerbeausübung sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken soll (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 - 8 C 6.14 - juris Rn. 18 m.w.N.).
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Eine Ermessenserwägung dieser Art lässt sich der angefochtenen Untersagungsverfügung entnehmen.
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2.4 Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung ist auch nicht unverhältnismäßig.
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In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Ausschluss eines gewerbeübergreifend unzuverlässigen Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsverkehr auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in seiner Ausprägung durch Art. 12 Grundgesetz im Einklang steht. Sind die Voraussetzungen auch der erweiterten Gewerbeuntersagung erfüllt, kann die Untersagung grundsätzlich nicht hinsichtlich der Folgen unverhältnismäßig sein (BVerwG, B.v. 12.1.1993 - 1 B 1.93 - juris Rn. 5). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines extremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
41
3. Gegen die der Klägerin eingeräumte Abwicklungsfrist von zehn Tagen nach Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung (Nr. 3 des Bescheidstenors) bestehen ebenso wenig Bedenken wie - angesichts der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit der Klägerin - gegen die Androhung des unmittelbaren Zwangs (Nr. 4 des Bescheidstenors). Auch die behördliche Kostenentscheidung der Beklagten (Nr. 5 des Bescheidstenors) ist nicht zu beanstanden.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.