Titel:
Erfolglose Nachbarklage gegen Tankreinigungsanlage für Lastkraftwagen bei ungeklärten Verursachungsbeiträgen
Normenkette:
BImSchG § 17 Abs. 1, § 52
Leitsätze:
1. Für eine Verpflichtung der Behörde zu nachträglichen Anordnungen muss der Kläger geltend machen, dass der Pflichtenverstoß des Anlagenbetreibers für die entstehenden schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen zumindest mitursächlich ist. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Unbeschadet des insoweit bestehenden Verfahrensermessens der Behörde bezüglich Art und Umfang der Ermittlungen besteht ein Wechselseitigkeitsverhältnis zwischen den Aspekten der Konkretisierung der Nachbarbeschwerden einerseits und der Intensität der behördlichen Überprüfung und Überwachung andererseits. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Immissionsschutzrecht, erfolglose Nachbarklage gegen Tankreinigungsanlage für Lastkraftwagen, Geruchsbelastung in einem Gewerbegebiet, ungeklärte Verursachungsbeiträge, nachträgliche Anordnungen (verneint), Vollzugsdefizit (verneint), Tankreinigungsanlage, Geruchsbelastung, Gewerbegebiet, nachträgliche Anordnung, Immissionen, Vollzugsdefizit, Verursachungsbeiträge
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 12.07.2022 – 22 ZB 21.2498
Fundstelle:
BeckRS 2021, 55760
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. zu tragen. Die Beigeladene zu 1. trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks in einem Gewerbegebiet im Gebiet der Beigeladenen zu 2.. Er möchte erreichen, dass der Beklagte gegen die Ursache von Immissionen (insbesondere Luftverunreinigungen durch Geruchsstoffe) einschreitet, die die Nutzung seines Grundstücks erheblich beeinträchtigen würden. Die Beigeladene zu 1) betreibt im gleichen Gewerbegebiet, etwa 80 Meter vom Grundstück des Klägers entfernt, eine Anlage zur Innenreinigung von Straßenfahrzeugen (Tankreinigungsanlage für Lastkraftwagen).
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Diese Tankreinigungsanlage wurde erstmals am 19. Mai 2014 immissionsschutzrechtlich genehmigt. Mit Bescheid des Landratsamts A. vom 21. November 2017 wurde eine Änderung und Erweiterung der Stoffliste der zu reinigenden Stoffe, die in den Tankfahrzeugen als Reststoffe enthalten sind, und der entsprechende Betrieb der Tankreinigungsanlage immissionsschutzrechtlich genehmigt. Die Nebenbestimmungen dieses Bescheids enthalten (im Abschnitt B. IV.) zusammengefasst alle vom Betreiber aus Gründen des Umweltschutzes zu beachtenden behördlichen Vorgaben, insbesondere auch zur Luftreinhaltung (B. IV. 2.). Der Bescheid war Gegenstand einer weiteren Nachbarklage (M 28 K 18.1482), das Verfahren wurde nach Erteilung richterlicher Hinweise und nachfolgender Klagerücknahme mit Beschluss vom 30. März 2021 eingestellt.
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Mit Bescheid des Landratsamts A. vom 5. Juni 2014 wurde der Beigeladenen zu 1. eine befristete wasserrechtliche Genehmigung zum Einleiten von Abwasser aus der Tankreinigungsanlage in die öffentliche Abwasseranlage der Beigeladenen zu 2. erteilt. Mit Bescheid vom 8. Dezember 2017 wurde dieser Bescheid bezüglich der Stoffliste und des Abwasservolumenstroms geändert. Ein Klageverfahren gegen letzteren Bescheid wurde nach Klagerücknahme eingestellt (M 2 K 18.1473).
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In den vorliegenden Behörden- und Gerichtsakten sind (jedenfalls) im Zeitraum zwischen Ende des Jahres 2017 und Beginn des Jahres 2020 zahlreiche Beschwerden über Geruchsbelästigungen aus der Nachbarschaft des Betriebs der Beigeladenen zu 1. und die diesbezüglichen Reaktionen des Beklagten dokumentiert.
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Mit anwaltlichen Schreiben vom … Juli 2019 beantragte u.a. der Kläger beim Landratsamt A. (erneut) behördliches Einschreiten bezüglich der schädlichen Umwelteinwirkungen, die vom Betrieb der Beigeladenen zu 1. emittiert würden. Hierzu sei ein nachvollziehbarer, gutachterlicher Nachweis im Hinblick auf mögliche Beeinträchtigungen für Luft, Wasser, Boden und die Nachbarschaft zu erbringen. Der ordnungsgemäße Betrieb der Tankreinigungsanlage sei schnellstmöglich sicherzustellen. Trotz regelmäßiger früherer Informationen über beißend chemische Gerüche sei vor Ort keine Besserung bezüglich der mutmaßlich gesundheitsschädlichen Stoffe eingetreten. Die Häufigkeit und Intensität der Gerüche sei für die Nachbarschaft unzumutbar. Trotz Überschreitung von Grenzwerten sei bislang gegen die Beigeladene zu 1. nicht eingeschritten worden.
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Mit (nicht mit Rechtsbehelfsbelehrungversehenem) Schreiben des Landratsamts A. vom 5. August 2019 wurde hierauf nach einer Ortseinsicht vom 24. Juli 2019 im Wesentlichen geantwortet, dass ein behördliches Einschreiten derzeit nicht veranlasst sei. Es wurde u.a. dargelegt, dass die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen auf Grund der Ergebnisse der Genehmigungsverfahren hätten erteilt werden müssen. Die Beigeladene zu 1. werde regelmäßig insbesondere im Hinblick auf die wiederholten Beschwerden aus der Nachbarschaft behördlicherseits überwacht. Eine nicht ordnungsgemäße Betriebsweise habe dabei nicht festgestellt werden können.
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Am … November 2019 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München. Beantragt wurde zuletzt:
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„I. Der Bescheid des Landratsamts A. vom 5. August 2019 […] wird aufgehoben.
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II. Der Beklagte wird verpflichtet, aufsichtsrechtlich gegenüber dem Betrei ber der Tankreinigungsanlage auf dem Grundstück FlNr. …/19 der Gemarkung … tätig zu werden, um sicherzustellen, dass am Anwesen des Klägers, FlNr. …/9 der Gemarkung …, keine unzumutbaren Geruchsimmissionen ankommen.“
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Zur Begründung wurde zunächst im Kern ausgeführt, der Kläger habe einen Anspruch aus § 17 Abs. 1 Satz 2 BImSchG auf Sicherstellung, dass vom Betrieb der Beigeladenen zu 1. keine unzumutbaren Geruchsbelästigungen an seinem Anwesen ankommen würden. Der Kläger werde derzeit nicht ausreichend vor den schädlichen Umwelteinwirkungen, die von der Tankreinigungsanlage ausgingen, geschützt. Die Genehmigung des derzeitigen Betriebs erfülle die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG nicht. Es sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die chemisch beißenden Gerüche resultierend aus giftigen Stoffen Gesundheitsschäden hervorrufen würden. Jedenfalls handle es sich aber um erhebliche Belästigungen. Die Genehmigung sei auch zu unbestimmt. Dies betreffe u.a. die „kurzzeitige“ Öffnung zur Sichtkontrolle bei flüchtigen Produkten, die „nach Möglichkeit“ innerhalb der Halle vorzunehmen sei sowie, dass während des Reinigungsvorgangs die Sektionaltore „grundsätzlich“ geschlossen gehalten werden müssten.
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Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 27. Februar 2020,
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und führte im Wesentlichen aus: Bei dem Schreiben vom 5. August 2019 handle es sich nicht um einen Verwaltungsakt, das Landratsamt habe lediglich auf eine klägerische Beschwerde erwidert und die Rechtslage dargestellt. Abnahmemessungen im Rahmen der Genehmigungsverfahren hätten ergeben, dass die Beigeladene zu 1. die festgelegten Emissionsgrenzwerte einhalte. Es könne davon ausgegangen werden, dass die im bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage emittierten Stoffe durch den Einsatz der Abgasreinigungsanlage zu keinen erheblichen Geruchsbelästigungen für die Nachbarschaft führten. Beim Landratsamt seien in der Vergangenheit zahlreiche Nachbarbeschwerden bezüglich Geruchsbelästigungen eingegangen. Diese Beschwerden seien stets mit der dafür gebotenen Sorgfalt hinsichtlich der den Immissionsschutz betreffenden Belange geprüft, es seien Vororttermine durchgeführt und Tagesprotokolle der Beigeladenen zu 1. angefordert worden. Auflagenverstöße oder eine sonst nicht ordnungsgemäße Betriebsweise hätten dabei nicht festgestellt werden können, es seien aber, soweit aus Sicht des Landratsamts erforderlich, dem Betreiber Hinweise erteilt und beispielsweise an die Pflicht zur Schließung der Sektionaltore erinnert worden. Dem Landratsamt sei es nicht möglich gewesen, einen Zusammenhang zwischen den beschriebenen Gerüchen und den durchgeführten Reinigungen in der Tankreinigungsanlage herzustellen. Es sei jedoch möglich gewesen, die beschriebenen Gerüche der öffentlichen Kanalisation, für welche die Gemeinde zuständig sei, zuzuordnen. Die Gemeinde habe erkannt, dass hinsichtlich der von den öffentlichen Abwasseranlagen ausgehenden Gerüche Maßnahmen erforderlich seien. Regelmäßig bezögen sich Beschwerden aber auch darauf, dass es ausgehend von hauseigenen Sanitäranlagen in den Nachbaranwesen zu Gerüchen komme, was weder in der Verantwortung der Gemeinde noch des Landratsamts liege. Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2020 ergänzte die Beklagte, dass die Prüfung von aktuell eingegangenen Nachbarbeschwerden durch einen Vor-Ort-Termin eindeutig ergeben habe, dass die Gerüche nicht vom Betrieb der Beigeladenen zu 1. ausgingen.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 7. April 2020 wurde die Klägerseite im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass ihr bisheriger Vortrag in tatsächlicher Hinsicht nicht ausreichend sei, um den hauptsächlich geltend gemachten Anspruch auf nachträgliche immissionsschutzrechtliche Anordnungen schlüssig zu begründen.
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Mit Schreiben vom … Juli 2020 führte der Kläger zur weiteren Begründung der Klage u.a. aus: Zur Behauptung des Beklagten, es bestehe ein Zusammenhang der Gerüche mit dem Kanal, könne nicht nachvollzogen werden, wie der Zusammenhang hergestellt worden sei und ob dieser tatsächlich bestehe. Soweit dem Kläger bekannt, beabsichtige die Gemeinde derzeit keine Verbesserung des kommunalen Entwässerungssystems, obwohl durch den streitgegenständlichen Betrieb Abwasser mit erhöhten CSBWerten tatsächlich in den Kanal eingeleitet werde. Das geruchsauslösende Abwasser stamme vom Betrieb der Beigeladenen zu 1. Es werde nicht bestritten, dass die Gerüche teilweise auch aus dem Kanal stammen könnten, überwiegend stammten sie jedoch aus der Tankreinigung, wie zahlreiche Zeugen bestätigen könnten. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen in der TA Luft, auf deren Einhaltung sich der Beklagte berufe, gerade nicht geregelt sei. Der Ansatz des Beklagten, nach einer Überschreitung von Grenzwerten zu suchen, sei nicht ausreichend. Vielmehr seien die Gerüche fachgerecht, etwa durch die Beauftragung von Geruchsbegehungen, zu erheben. Die stechenden, übelriechenden Gerüche würden die Erheblichkeitsschwelle überschreiten und hätten im Jahr 2016 bereits einmal gesundheitliche Schäden hervorgerufen. Entgegen der Auffassung des Beklagten seien auch häufig die Tore während des Reinigungsvorgangs geöffnet. Außerdem verfüge die Reinigungshalle über zu öffnende Oberlichte, für die im Bescheid keine Auflagen aufgenommen worden seien. Die Geruchsausbreitung, die durch das Schließen der Tore vermieden werden solle, verbreite sich über das Dach der Halle, wenn mit geöffneten Oberlichten gearbeitet werde. Im Ergebnis seien die Versuche des Beklagten, gegen die Geruchsbelästigung einzuschreiten, erfolglos geblieben.
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Der Beklagte erwiderte hierauf mit Schreiben vom 24. August 2020. Ausgeführt wurde u.a., dass es zweckmäßig erscheine, wohl geplante Untersuchungen der Gemeinde bezüglich des Abwassersystems abzuwarten. Im Übrigen wurde zu aktuellen Beschwerden des Klägers und anderer Nachbarn ausgeführt. Ihnen könne auch nach Durchführung einer Ortseinsicht kein hinreichender Beleg für einen Genehmigungsverstoß oder sonst nicht ordnungsgemäßen Betriebsweise der Beigeladenen zu 1. entnommen werden.
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Die (mit Beschluss vom 21. November 2019 beteiligte) Beigeladene zu 1. äußerte sich schriftsätzlich nicht zum Verfahren.
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Die (mit Beschluss vom 31. August 2020 beteiligte) Beigeladene zu 2. beantragte am 18. September 2020
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und führte im Wesentlichen aus: Der maßgebliche Bebauungsplan setze für das Grundstück des Klägers ein Gewerbegebiet fest, die Gebäude seien baurechtlich zuletzt als Gewerbehalle mit Blumenladen und Betriebsleiterwohnhaus genehmigt worden. Dies sei bezüglich des Schutzniveaus zu beachten. Die Klage sei unbegründet, denn weder sei geklärt, ob die Beigeladene zu 1. maßgebliche Verursacherin der behaupteten Geruchsbelästigungen sei, noch sei dargetan, dass die maßgeblichen Zumutbarkeitsschwellen überschritten werden würden. Soweit die Gemeinde Betreiberin der öffentlichen Kanalleitung sei, sei nicht ersichtlich, wie durch Gerüche, die allenfalls durch bestimmte Einleitungen entstehen könnten, eine Verantwortlichkeit der Gemeinde angenommen werden könne. Im Zusammenhang mit den behaupteten Geruchsbelästigungen habe die Gemeinde bislang zwei Maßnahmen ergriffen: Installation einer Hochpunktentlüftung und Einbau von zwei Geruchsfiltern in Kontrollschächten des Abwasserkanals. Mit weiterem Schriftsatz vom 17. Februar 2021 teilte die Beigeladene zu 2. mit, sie habe keine belegbaren Erkenntnisse, dass die Geruchsproblematik im genannten Umfang und in der Intensität bestehe und dass diese Gerüche zweifelsfrei der Beigeladenen zu 1. zugeordnet werden könnten. Seitens der Gemeinde gebe es aus immissionsschutzrechtlicher Sicht keinen weiteren Handlungsbedarf. Aus wasserrechtlichen Aspekten werde die Gemeinde demnächst weitere Untersuchungen durchführen lassen.
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Mit Schriftsatz vom … Mai 2021 ergänzte der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Mitgeteilt wurde u.a., dass ausweislich der Stellungnahme eines von der Beigeladenen zu 2. beauftragten Ingenieurbüros im Abwassersystem der Gemeinde eine zu hohe Frachtausleitung in die Vorflut bestehe und dass erhebliche Geruchsbelästigungen im Pumpwerk im Gewerbegebiet bestünden. Bis 30. Juni 2020 habe danach ein Konzept erarbeitet werden sollen und bis 31. Dezember 2021 müssten Maßnahmen im Abwassersystem durchgeführt werden.
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In einer mündlichen Verhandlung am 16. Juni 2021 wurde die Sach- und Rechtslage ausführlich mit den Beteiligten erörtert. Das Gericht wies u.a. darauf hin, dass der Klageantrag seitens der Kammer dahingehend verstanden werde, dass ein immissionsschutzrechtliches Tätigwerden vom Beklagten, nicht aber ein wasserrechtliches Einschreiten gefordert werde. Die Klägerseite stellte im Übrigen für den Fall der Klageabweisung den Antrag, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis zu erheben darüber, dass es am Anwesen des Klägers zu unzumutbaren Geruchsbeeinträchtigungen durch den Betrieb der Beigeladenen zu 1. kommt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die (in den Verfahren M 28 K 19.5791 und M 28 K 18.1482) vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
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Der Kläger hat im Rahmen des von ihm konkret zur Entscheidung gestellten Streitgegenstands (nachfolgend I.) keinen Anspruch darauf, den Beklagten zu verpflichten, gegenüber der Beigeladenen zu 1. dahingehend einzuschreiten, dass am Anwesen des Klägers keine unzumutbaren Geruchsimmissionen ankommen (nachfolgend II.). Dem Hilfsbeweisantrag war nicht nachzukommen (nachfolgend III.) und auch eine Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 5. August 2019 kommt nicht in Betracht (nachfolgend IV.).
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I. Zum Klagebegehren des Klägers ist zunächst klarstellend auszuführen:
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Ausweislich der expliziten Antragstellung stellt der Kläger vorliegend lediglich eine Verpflichtung des Beklagten zum Einschreiten gegenüber der Beigeladenen zu 1. zur Entscheidung. Kein Gegenstand des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens ist deshalb die Frage, ob der Kläger einen Anspruch gegen den Beklagten darauf haben könnte, dass dieser bezüglich der behaupteten unzumutbaren Geruchsimmissionen gegen die Beigeladene zu 2. einschreitet (etwa dahingehend, Maßnahmen im gemeindlichen Abwassersystem zu veranlassen).
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Ebenfalls nicht Gegenstand des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens ist auf Grund des ausdrücklichen - und unwidersprochen gebliebenen - Hinweises des Gerichts in der mündlichen Verhandlung die Frage, ob der Kläger einen Anspruch gegen den Beklagten darauf haben könnte, dass dieser bezüglich der behaupteten unzumutbaren Geruchsimmissionen auf wasserrechtlicher Grundlage gegen die Beigeladene zu 1. einschreitet (etwa dahingehend, die Einhaltung der wasserrechtlichen Genehmigungen vom 5. Juni 2014 und/oder 8. Dezember 2017 bezüglich der Einleitungen der Beigeladenen zu 1. in das gemeindliche Abwassersystem zu überwachen und/oder in deren Vollzug oder im Vollzug allgemeiner wasserrechtlicher Vorschriften ggf. ergänzende Anordnungen gegenüber der Beigeladenen zu 1. zu treffen).
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Streitgegenstand ist deshalb im Kern nur die Frage, ob der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch darauf hat, dass dieser in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht gegenüber der Beigeladenen zu 1. mit dem Ziel einschreitet, dass am Anwesen des Klägers keine unzumutbaren Geruchsimmissionen ankommen. Dieses Klagebegehren kann dabei sowohl dahingehend verstanden werden, gegenüber der Beigeladenen zu 1. eine nachträgliche Anordnung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BImSchG zu treffen, weil sich nach Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen für die Tankreinigungsanlage herausgestellt hätte, dass die Genehmigungen vom 19. Mai 2014 und/oder vom 21. November 2017 keinen ausreichenden Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen gewährleistet (Genehmigungsdefizit, nachfolgend II. 2.). Ebenso kann dieses Klagebegehren dahingehend verstanden werden, dass der Beklagte zum Einschreiten verpflichtet werden soll, weil die - hinsichtlich des Nachbarschutzes ggf. ausreichende - Genehmigungslage von der Beigeladenen zu 1. nicht ausreichend beachtet werden würde; insoweit ist auch ein mögliches Defizit bei der Überwachung (§ 52 Abs. 1 BImSchG) des rechts- und genehmigungskonformen Betriebs der Tankreinigungsanlage zu prüfen (Vollzugsdefizit, nachfolgend II. 3.).
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II. Gemessen hieran hat der Kläger keinen Anspruch darauf, den Beklagten zu ver pflichten, gegenüber der Beigeladenen zu 1. dahingehend einzuschreiten, dass am Anwesen des Klägers keine unzumutbaren Geruchsimmissionen ankommen.
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1. Vorab ist festzustellen, dass durch das vorliegende Gerichtsverfahren weder ein deutig noch zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit aufgeklärt werden konnte, wodurch es im Gewerbegebiet der Beigeladenen zu 2. zu der seitens des Klägers (und mehrerer weiterer Nachbarn) behaupteten Geruchsbelastung kommt. Dass es im Gewerbegebiet tatsächlich immer wieder zu einer Geruchsbelastung kommt, erscheint dem Gericht angesichts der Dauer und der Vielzahl der von unterschiedlichen Personen geschilderten Nachbarbeschwerden sowie der Erkenntnisse des Beklagten, der Beigeladenen zu 2. und des von ihr selbst beauftragten Ingenieurbüros plausibel. Bereits hinsichtlich Geruchsqualität, Geruchsintensität und Geruchshäufigkeit ergab sich für das Gericht im vorliegenden Verfahren keine auch nur einigermaßen verlässlich bewertbare Tatsachengrundlage mehr. Erst recht gilt dies hinsichtlich der Frage nach der Ursache oder den Mitursachen der Geruchsbelastung.
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Theoretisch erscheinen dabei folgende Verursachungsbeiträge denkbar:
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a) Die üblichen Betriebsvorgänge im Betrieb der Beigeladenen zu 1.: Dass schon die üblichen Betriebsvorgänge im Betrieb der Beigeladenen zu 1. (einschließlich des ordnungsgemäßen Betriebs und der sorgfältigen Wartung und Instandhaltung der technischen Einrichtungen zur Luftreinhaltung) bei nicht ordnungsgemäßer Beachtung der Rechts- und Genehmigungsvorgaben einschließlich der hierzu ergangenen innerbetrieblichen Betriebsanweisungen durch sorgfältig agierende sowie ausreichend geschulte und überwachte Beschäftigte zu einer Geruchsbelastung der Nachbarschaft führen kann, liegt angesichts der Charakteristik der Betriebsvorgänge in der Tankreinigungsanlage auf der Hand. Im Übrigen kann hierzu ggf. auch ein nicht ausreichend überwachtes und/oder ggf. nicht zurechenbares Verhalten der Kunden (Lkw-Fahrer) der Beigeladenen zu 1. im Vorfeld des Reinigungsvorgangs, etwa während Wartezeiten, beitragen.
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b) Außergewöhnliche Betriebsvorgänge im Betrieb der Beigeladenen zu 1.: Störungen oder Defekte in den technischen Einrichtungen der Beigeladenen zu 1., wie sie beispielsweise wohl im Juli 2020 aufgetreten sind, können zur Geruchsbelastung beitragen.
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c) Gemeindliches Kanalnetz: Im Zuge des gerichtlichen Verfahrens haben sich aus Sicht der Kammer mehrfach evidente Hinweise darauf ergeben, dass (auch) das gemeindliche Kanalnetz zu der Geruchsbelastung beiträgt oder sie verursacht. Dies entspricht im Übrigen auch nicht nur der Auffassung des Beklagten, sondern auch der Auffassung des Sachbeistands des Klägers selbst, eines insoweit fachkundigen Meisters für Rohr-, Kanal- und Industrieservice. Insoweit erscheinen auch hier unterschiedliche Verursachungsbeiträge denkbar: Neben nicht genehmigungskonformen Einleitungen durch die üblichen oder durch außergewöhnliche Betriebsvorgänge im Betrieb der Beigeladenen zu 1. ist auch an Planungs- oder Ausführungsmängel bezüglich des Kanalnetzes (vgl. die bestehenden Hinweise auf eine relativ lange Verweildauer der Abwässer im Kanalnetz sowie die Ausführungen des Sachbeistands des Klägers zu einer „Verstopselung“ des Kanals) oder auch hier an außergewöhnliche Ereignisse (wie z.B. einen Defekt auf Grund von Feststoffen - möglicherweise: Granulate - im Kanalnetz im Sommer 2020) zu denken.
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Vor diesem Hintergrund weist die Kammer - wie bereits in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem allein anwesenden Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 2. erfolgt - nochmals darauf hin, dass sich das Gericht im vorliegenden Verfahren eine aktivere und konstruktivere Rolle der Beigeladenen zu 2. bei der Suche nach Ursachen und möglichen Lösungen für die aufgeworfene Problematik erhofft hätte und dass es die Kammer erstaunte, dass beispielsweise Informationen zu möglicherweise beabsichtigten oder schon eingeleiteten Maßnahmen am Kanalnetz - zu deren Umsetzungsstand in der mündlichen Verhandlung seitens des Bevollmächtigten der Beigeladenen zu 2. nicht im Einzelnen Stellung genommen werden konnte - von der Klägerseite und nicht von der Beigeladenen zu 2. in das Verfahren eingebracht wurden (vgl. z.B. Anlage K 36 zum klägerischen Schriftsatz vom 27. Mai 2021).
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d) Defizite in den Sanitärinstallationen im klägerischen Anwesen: Im Zuge des ge richtlichen Verfahrens waren auch Anhaltspunkte dafür feststellbar, dass möglicherweise eigene Defizite in den Sanitärinstallationen im klägerischen Anwesen Anlass zu Beschwerden der Klägerseite gaben oder insoweit möglicherweise eigene Abhilfemöglichkeiten bestehen (vgl. z.B. die Feststellungen, wonach bei einer Ortseinsicht lediglich im Badezimmer der Klagepartei, nicht aber in der Umgebung eine Geruchsbelastung festgestellt werden konnte, Bl. 231 der Behördenakte; vgl. ferner die Ausführungen des Sachbeistands des Klägers in der mündlichen Verhandlung, wonach er im Bereich seines eigenen Anwesens im Gewerbegebiet durch die Installation einer „Tauchung“ im Entwässerungssystem eine Geruchsausbreitung über den Kanal verhindere).
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e) Hohe Empfindsamkeit der Beschwerdeführer: Die Vertreter des Beklagten weisen nicht zu Unrecht darauf hin, dass jedenfalls einzelne der Beschwerden aus der Nachbarschaft im Gewerbegebiet nach ihrem Inhalt und dem Ergebnis der jeweiligen Überprüfung auch auf eine überzogene Empfindsamkeit der Beschwerdeführer und/oder auf eine falsche Einschätzung bezüglich ihres Schutzanspruches in einem Gewerbegebiet hindeuten könnten.
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f) Einflüsse Dritter/sonstige Umwelteinflüsse: Die Umgebung des streitigen Gebiets wird auch intensiv landwirtschaftlich genutzt, eine Biogasanlage mit Fahrsilo liegt ca. 500 Meter nördlich.
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2. Vor diesem Hintergrund kommt die Verpflichtung der Beklagten zu einer nachträg lichen Anordnung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BImSchG gegenüber der Beigeladenen zu 1. nicht in Betracht.
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a) Nach dieser Vorschrift soll die zuständige Behörde nachträgliche Anordnungen treffen, wenn nach Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung festgestellt wird, dass u.a. die Nachbarschaft nicht ausreichend vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen geschützt ist. Im Rahmen der Anwendung des § 17 Abs. 1 BImSchG bestimmt die Behörde auf Grund des Untersuchungsgrundsatzes nach pflichtgemäßem Ermessen Art und Umfang ihrer Ermittlungen, mit denen sie Nachbarbeschwerden nachgeht (sog. Verfahrensermessen). Ihr kommt dabei im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes bezüglich der Frage, wie sie sich eine hinreichende Überzeugung vom Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen und der für die behördliche Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte verschafft, ein Freiraum hinsichtlich der Sachverhaltsaufklärung und des betriebenen Ermittlungsaufwands zu. § 17 BImSchG vermittelt dem Nachbarn nicht Drittschutz in der Weise, dass der Behörde ein bestimmter Ermittlungsaufwand abverlangt werden könnte (vgl. insgesamt hierzu: Hansmann/Ohms in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Dezember 2020, § 17 BImSchG Rn. 230, 296; OVG Münster, U.v. 9.7.1987 - 21 A 1556/86 - NVwZ 1988, 173).
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Gemessen hieran ist zunächst festzustellen, dass der Kläger schon nicht ausreichend konkret geltend gemacht hat, welche nachträgliche Anordnung gegenüber der Beigeladenen zu 1. getroffen werden sollte, die geeignet und erforderlich wäre, die Geruchsbelastung im Gewerbegebiet zu verringern.
43
Vor allem aber fehlt es aus den oben II. 1. genannten Gründen an einer hinreichend konkreten Darlegung der Klägerseite, dass und warum gerade die durch eine nachträgliche Anordnung zu regelnden Betriebsvorgänge der Beigeladenen zu 1. - und nicht die anderen ebenso möglichen Verursachungsbeiträge - die Geruchsbelastung im Gewerbegebiet (zumindest auch) verursachen. Denn für eine Verpflichtung des Beklagten zu nachträglichen Anordnungen muss der Kläger auch geltend machen, dass der Pflichtenverstoß des Anlagenbetreibers für die entstehenden schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen zumindest mitursächlich ist (Hansmann/Ohms in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Dezember 2020, § 17 BImSchG Rn. 294).
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b) Auch die vom Kläger konkret beanstandeten Regelungen der immissionsschutz rechtlichen Genehmigungslage sowie die konkret zusätzlich begehrten Regelungen begründen den klägerischen Anspruch nicht.
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aa) Das Gericht teilt nicht die Auffassung des Klägers (vgl. Klageschrift vom 15. November 2019, Seite 10), die Nebenbestimmungen zur Luftreinhaltung in B. IV. 2.3, 2.4, 2.5, 2.10 und 2.11 des Bescheids vom 21. November 2017 seien zu unbestimmt und könnten deshalb nicht sicherstellen, dass durch den Betrieb der Tankreinigungsanlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG hervorgerufen werden können.
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So erscheint die Maßgabe, dass die Revisionsöffnungen der Tanks zur Sichtkontrolle auf vorhandene Restmengen im Rahmen der Eingangskontrolle, bei flüchtigen Produkten „nach Möglichkeit“ - also wenn keine wichtigen betrieblichen Gründe entgegenstehen - innerhalb der Halle, nur „kurzzeitig“ geöffnet werden dürfen, dahingehend hinreichend präzise, dass die Öffnung nur so lange erfolgen darf, wie es zur Sichtprüfung unerlässlich ist. Auch die Maßgabe, dass während des Reinigungsvorgangs „grundsätzlich“ alle Sektionaltore geschlossen zu halten sind, begegnet in der Zusammenschau mit der weiteren Bestimmung, die das Öffnen eines Tors der anderen Reinigungslinie zur Ein- bzw. Ausfahrt eines Tankfahrzeugs regelt, keinen durchgreifenden Bedenken. Gleiches gilt für die „Soll“- Vorgabe zum Vorspülen bei bestimmten Stoffen. Schließlich erscheinen die Vorgabe zur „regelmäßigen“ Überprüfung der ordnungsgemäßen Funktion der Absaugeinrichtungen, Abluftführung und Abluftreinigungsanlage in der Zusammenschau mit der Bezugnahme auf technische Regelwerke und die Bedienungs- und Wartungsvorgaben der jeweiligen Hersteller sowie das Reinigungsverbot für „geruchsrelevante“ Stoffe bei Defekt der Absaugeinrichtungen, Abluftführung und Abluftreinigungsanlage hinreichend konkret.
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Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Klagepartei (auch) bezüglich der vorgenannten Nebenbestimmungen nicht ausreichend dargelegt hat, dass und warum die behauptete Unbestimmtheit für die Geruchsbelastung im Gewerbegebiet (mit-)ursächlich sein könnte.
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bb) Soweit die Klägerseite insbesondere in der mündlichen Verhandlung den Betrieb der Beigeladenen zu 1. bei geöffneten und aus ihrer Sicht nicht genehmigten Oberlichten (vgl. Fotoaufnahmen z.B. in Anlage K 34) thematisierte, ergibt sich auch hieraus bislang aus Sicht der Kammer kein hinreichender Anhaltspunkt für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem - nach Einlassung der Beigeladenen zu 1. insbesondere bei bestimmten klimatischen Bedingungen unerlässlichen und nicht zur Disposition zu stellenden - Betrieb der Tankreinigungsanlage bei geöffneten Oberlichten und der Geruchsbelastung im Gewerbegebiet und damit keine Verpflichtung des Beklagten, diesbezüglich den Erlass einer nachträglichen Anordnung zu erwägen:
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Die Vertreter des Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, warum es aus immissionsschutzfachlicher Sicht nicht geboten erscheint, über die bereits angeordneten Maßgaben zu den Absaugeinrichtungen, der Abluftführung und Abluftreinigung (vgl. insbesondere B. IV. 2.6 bis 2.14 des Bescheids vom 21. November 2017) zur Vermeidung diffuser Emissionen aus der Halle eine Schließung der Dachluken (oder sonstige Regelung zu deren Öffnung/Schließung) anzuordnen. So hätten insbesondere bei allen Vor-Ort-Kontrollen des Landratsamts anlässlich konkreter Beschwerden die konkreten Reinigungsvorgänge auch bei geöffneten Oberlichten zeitlich und sachlich nicht mit der beanstandeten Geruchsbelastung im Gewerbegebiet in Korrelation gebracht werden können, was aber bei einer (Mit-)Ursächlichkeit der Oberlichte zu erwarten wäre. Im Übrigen wurde auf die Aussagen des Gutachters im Genehmigungsverfahren für die Genehmigung vom 21. November 2017 hingewiesen (TÜV … … … GmbH, Gutachten vom 13. Juli 2017, Seite 20 Mitte), wonach „diffuse Emissionen aus Hallentoren und Dachluken […] aus fachtechnischer Sicht nicht befürchtet zu werden [brauchen], wenn die bereits festgelegten Anforderungen zur Erfassung auftretender Abgase (Anschluss an die Absaugung) und Minderung der Emissionen (hier Abgasreinigung) eingehalten werden“. Dem wurden hinreichend substantiierte Einwände von Klägerseite nicht entgegengesetzt.
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3. Der Beklagte ist auch nicht deshalb zum Einschreiten gegen die Beigeladene zu 1. zu verpflichten, weil die - hinsichtlich des Nachbarschutzes ggf. ausreichende - Genehmigungslage von der Beigeladenen zu 1. nicht ausreichend beachtet werden würde; dem Beklagten kann insoweit auch kein Defizit bei der Überwachung (vgl. § 52 Abs. 1 BImSchG) des rechts- und genehmigungskonformen Betriebs der Tankreinigungsanlage vorgeworfen werden.
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Vorliegend ergibt sich aus den schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben des Beklagten im Klageverfahren und der diesbezüglichen Dokumentation im Vorgang des Landratsamts, dass fachkundige Vertreter des Landratsamts in der Regel zeitnah und inhaltlich ausreichend, insbesondere auch durch Vor-Ort-Termine, den Beschwerden des Klägers (bzw. seiner Ehefrau) nachgegangen sind und kein direkter Zusammenhang zwischen dem Betrieb der Tankreinigungsanlage und den beanstandeten Gerüchen festgestellt werden konnte. Festzuhalten ist ferner, dass die Klägerseite im behördlichen wie auch im gerichtlichen Verfahren (auch unter Berücksichtigung der vorgelegten Fotoaufnahmen vom Betrieb der Beigeladenen zu 1.) keine hinreichend belastbaren und aussagekräftigen Anhaltspunkte dafür vorgelegt hat, dass eine unzureichende Beachtung der Genehmigungslage durch die Beigeladene zu 1. eine wesentliche Ursache für die Geruchsbelastung im Gewerbegebiet darstellen könnte. Eindeutige Verstöße der Beigeladenen zu 1. gegen nachbarschützende Bestimmungen werden dadurch nicht, jedenfalls nicht hinreichend erkennbar, dokumentiert (vgl. z.B. bezüglich der Fotoaufnahme mit einer Dampf- oder Rauchwolke an einem ausfahrenden Lkw in Anlage K 11 die plausiblen Ausführungen des Sachgebietsleiters Umwelttechnik des Landratsamts sowie der Beigeladenen zu 1., wonach es sich lediglich um Wasserdampf handle).
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Unbeschadet des insoweit bestehenden Verfahrensermessens des Beklagten bezüglich Art und Umfang der Ermittlungen besteht aus Sicht der Kammer insoweit auch ein Wechselseitigkeitsverhältnis zwischen den Aspekten der Konkretisierung der Nachbarbeschwerden einerseits und der Intensität der behördlichen Überprüfung und Überwachung andererseits. Angesichts der dargelegten Vielfalt möglicher Verursachungsbeiträge und Verantwortlichkeiten bezüglich der Geruchsbelastung im Gewerbegebiet sind mit mehrjährig fortschreitender, konsequenter, aber ergebnislos bleibender Ursachenforschung durch den Beklagten auch von der Klägerseite verstärkte Bemühungen zur konstruktiven Ursachenforschung zu erwarten, die über die - beispielhaft - bloße Mitteilung an das Landratsamt, dass an einem bestimmten Tag um eine bestimmte Uhrzeit extremer Gestank herrsche, hinausgehen. Insoweit ist zu betonen, dass für das Gericht auch nicht erkennbar wäre, dass vorliegend ein erhebliches „strukturelles“ Ungleichgewicht zwischen den Möglichkeiten für die Klägerseite sowie weitere Nachbarn einerseits, der Beigeladenen zu 2. andererseits sowie schließlich dem Beklagten bestünde, zur Ursachenforschung und Problemlösung beizutragen. Dies gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, dass mit dem Sachbeistand des Klägers aus der mündlichen Verhandlung, einem Meister für Rohr-, Kanal- und Industrieservice, in der unmittelbaren Nachbarschaft des Klägers eine fachkundige Person ebenfalls betroffen ist.
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Die Kammer ist deshalb - wie den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung leider vergeblich versucht wurde zu vermitteln - auch davon überzeugt, dass sich für alle Gewerbetreibenden einschließlich der Beigeladenen zu 1., Anwohner und Nutzer des Gewerbegebiets dauerhaft erträgliche Arbeits- und Lebensbedingungen nicht auf juristischem Weg erstreiten lassen werden, sondern nur dadurch zu erzielen sein werden, dass die Verfahrensbeteiligten unter maßgeblicher und federführender Beteiligung vor allem der Beigeladenen zu 2. vor Ort konstruktiv und nachhaltig dabei zusammenwirken, Ursachen und Lösungsmöglichkeiten für die Geruchsbelastung im Gewerbegebiet zu finden.
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III. Vor diesem Hintergrund war auch dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag (Beweis zu erheben darüber, dass es am Anwesen des Klägers zu unzumutbaren Geruchsbeeinträchtigungen durch den Betrieb der Beigeladenen zu 1. kommt) nicht nachzukommen. Der Hilfsbeweisantrag ist nicht ausreichend substantiiert; er enthält im Übrigen Elemente eines bloßen Beweisermittlungsantrags.
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Die hinreichend konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte, die von der Klägerseite für ein Einschreiten unter immissionsschutzrechtlichen Aspekten gegen die Beigeladene zu 1. vorgetragen wurden (wie die Geruchsverursachung durch die Lüftung über Oberlichte), wurden - wie dargelegt - in der mündlichen Verhandlung von Beklagtenseite nachvollziehbar ausgeräumt, im Übrigen fehlte es schon an einer hinreichend konkreten Darlegung der Klägerseite, dass und warum gerade immissionsschutzrechtlich zu würdigende Betriebsvorgänge der Beigeladenen zu 1. die Geruchsbelastung (zumindest auch) verursachen sollten. Insoweit stellt sich der Beweisantrag als nicht ausreichend substantiiert dar.
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In Bezug auf eine mögliche Verursachung der Geruchsbelastung durch die Beigeladene zu 1., welche unter wasserrechtlichen Aspekten relevant sein könnte, ist darauf hinzuweisen, dass - wie dargelegt - der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht die Frage umfasst, ob der Kläger einen Anspruch gegen den Beklagten darauf haben könnte, dass dieser bezüglich der behaupteten unzumutbaren Geruchsimmissionen auf wasserrechtlicher Grundlage gegen die Beigeladene zu 1. einschreitet, um die Einhaltung der bestehenden wasserrechtlichen Genehmigungen bezüglich der Einleitungen der Beigeladenen zu 1. in das gemeindliche Abwassersystem zu überwachen und/oder in deren Vollzug oder im Vollzug allgemeiner wasserrechtlicher Vorschriften ggf. ergänzende Anordnungen gegenüber der Beigeladenen zu 1. zu treffen. Wie ferner dargelegt stellen aber auch die von der Formulierung „durch den Betrieb der Beigeladenen zu 1.“ im Hilfsbeweisantrag umfassten Einleitungen der Beigeladenen zu 1. in das gemeindliche Kanalnetz - neben mehreren anderen - einen möglichen Verursachungsbeitrag für die Geruchsbelastung im Gewerbegebiet dar. Dies berücksichtigt der insoweit nicht differenzierende Hilfsbeweisantrag nicht ausreichend.
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Angesichts des Klagebegehrens, das auf Verursachungsbeiträge in der Verantwortlichkeit der Beigeladenen zu 1. beschränkt ist und eine mögliche Mitverantwortlichkeit der Beigeladenen zu 2. - für die evidente Anhaltspunkte bestehen - nicht erfasst, spricht im Übrigen viel dafür, dass der Hilfsbeweisantrag lediglich im Sinne einer Beweisermittlung auch darauf abzielt, Tatsachen zu Tage zu fördern, die erst in einem späteren Verfahren entscheidungserheblich werden könnten.
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Es kann deshalb dahinstehen, dass der Hilfsbeweisantrag auch nach § 87b Abs. 3 VwGO als präkludiert hätte zurückgewiesen werden können (vgl. gerichtliches Schreiben vom 4. Mai 2021).
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IV. Auch eine Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 5. August 2019 kommt nicht in Betracht.
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Das Schreiben des Landratsamts vom 5. August 2019 stellt entgegen der Auffassung des Beklagten offensichtlich einen (auf den konkreten Antrag vom 18. Juli 2019 hin ergangenen, ablehnenden) Verwaltungsakt i.S.v. Art. 35 BayVwVfG dar. Es kann offen bleiben, ob mit dem klägerischen Antrag (auch) eine isolierte Anfechtung dieses Bescheids bezweckt werden sollte, für die es wegen des rechtsschutzintensiveren Verpflichtungsbegehrens des Klägers kein Rechtsschutzinteresse gäbe. Im Übrigen hat der Kläger auch nach dem Antrag vom 18. Juli 2019 mehrfach mindestens konkludent weitere Anträge auf behördliches Einschreiten gestellt (bzw. müssten ihm insoweit die von seiner Ehefrau gestellten Anträge zugerechnet werden), denen unabhängig von der Ablehnung vom 5. August 2019 durch das Landratsamt auch weiterhin inhaltlich nachgegangen wurde, was die zwischenzeitliche faktische Bedeutungslosigkeit des Schreibens vom 5. August 2019 belegt. Als bloßes Element des Streitgegenstands der Verpflichtungsklage bewertet bleibt das Begehren mangels Verpflichtungsanspruch ohnehin erfolglos.
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Die Klage musste nach alledem erfolglos bleiben.
62
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit i.S.v. § 162 Abs. 3 VwGO, dass der Kläger auch die der Beigeladenen zu 2. entstandenen außergerichtlichen Kosten trägt, weil sich die Beigeladene zu 2. - anders als die Beigeladene zu 1. - durch einen eigenen Sachantrag dem aus § 154 Abs. 3 VwGO folgenden Kostenrisiko ausgesetzt hat.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
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Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).