Inhalt

FG Nürnberg, Urteil v. 07.12.2021 – 1 K 1625/19
Titel:

Luftverkehrsteuer als eine Komponente der Mobilitätsbesteuerung

Normenketten:
LuftVStG § 1 Abs. 1, § 2 Nr. 3-7, § 5 Nr. 7
FGO § 135 Abs. 1
Leitsatz:
Ein Ferryflug der die angestellten Piloten, Stewardessen, Sicherheitsbeauftragte und Techniker an den Flughafen bringt, an denen ihre Einsatzmaschine steht, ist nicht steuerbefreit, da die privilegierte Tätigkeit nicht ausgeübt wird. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausland, Bestimmung, Einspruchsentscheidung, Beförderungsvertrag, Fluggast, Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, Verhandlung, Luftverkehrsteuer, Weiterflüge, Luftverkehrsunternehmen,, Mobilitätsbesteuerung, Ferryflug, Steuerbefreiung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 55664

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Streitig ist, ob steuerfreie Weiterflüge nach Landungen vorliegen und ob F.-flüge für Angestellte steuerfrei sind.
2
Die Klägerin ist ein Luftverkehrsunternehmen, das individuelle gewerbliche Flüge, insb. Geschäfts- und Ambulanzflüge, durchführt. Sie ist am 23.10.2019 durch formwechselnde Umwandlung aus der Z GmbH & Co. KG mit Sitz in 1 hervorgegangen.
3
Die Klägerin meldete Luftverkehrsteuer (LuftVSt) für die Monate Januar bis Dezember 2011 beim beklagten Hauptzollamt (HZA) an. Im Rahmen einer Außenprüfung, die sich laut Prüfungsanordnung vom 05.02.2015 u.a. auf Luftverkehrsteuer der Streitzeiträume erstreckte, stellte die Außenprüferin fest, dass
- für jeden Fluggast nur ein Rechtsvorgang angemeldet wurde, obwohl im Rahmen des Charterauftrags mehrere Flugplätze im Steuergebiet nacheinander angeflogen wurden (Weiterflüge), die Fluggäste ihren Geschäftstermin wahrnahmen und alle oder ein Teil oder neue Fluggäste nach einigen Stunden einstiegen und weiterreisten,
- nur ein Rechtsvorgang angemeldet wurde, wenn ein Fluggast am selben Tag einen Hin- und Rückflug durchführte,
- die Abflüge der Flugbegleitung bei Leer- und Überführungsflügen (F.-flüge), die ohne Fluggäste durchgeführt wurden, nicht als Rechtsvorgang angemeldet wurden.
4
Das HZA folgte den Feststellungen der Außenprüfung und setzte die Luftverkehrsteuer am 21.02.2017 wie folgt fest:

Zeitraum

Anmeldung

Festsetzung

Änderung

Jan 11

Feb 11

Mrz 11

Apr 11

Mai 11

Jun 11

Jul 11

Aug 11

Sep 11

Okt 11

Nov 11

Dez 11

gesamt

5
Die Klägerin legte fristgerecht aber erfolglos Einspruch ein.
6
Gegen die Einspruchsentscheidung vom 14.11.2019 erhob die Klägerin form- und fristgerecht Klage.
7
Zur Begründung trägt sie vor, dass die sogenannten Weiterflüge keine neuen Abflüge seien, da der angeflogene Flugplatz nicht der Zielort sei (vgl. § 2 Nr. 4 i.V.m. § 2 Nr. 5 LuftVStG) und keine Zwischenlandungen vorlägen. Da der Zwischenhalt nicht mehr als 12 h bzw. 24 h gedauert habe, liege keine Zwischenlandung vor.
8
Nach dem selben Grundsatz könne auch bei einem inländischen Hin- und Rückflug nur von einem Rechtsvorgang ausgegangen werden, da erst bei Rückkunft die Reise beendet sei und keine Zwischenlandung mit mehr als 12 h bzw. 24 h vorgelegen habe.
9
Bei F.-flügen seien die Abflüge der Mitglieder der Kabinen-Flugbesatzung steuerfrei, da sie auch bei solchen Flügen in Teilen mit der technischen Überwachung des Flugzeugs, etwa dem ordnungsgemäßen Schließen der Kabinentüren, dem Cabin Door Crosscheck und den Kabinensystemen, befasst seien. Desweitern würden sie ausschließlich zum Zweck der Durchführung eines Passagierfluges zu einem Ort verbracht, so dass bei beiden Flügen von einem einheitlichen Vorgang auszugehen sei. Die Beförderung erfolge auch nicht aufgrund eines Beförderungsvertrags, sondern im Rahmen des Arbeitsverhältnisses.
10
Die Klägerin hat beantragt,
die Änderungsbescheide vom 21.02.2017 über die Festsetzung der Luftverkehrsteuer für die Monate Januar 2011 bis Dezember 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.11.2019 aufzuheben.
11
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
12
Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass die sogenannten Weiterflüge als neue Abflüge einzuordnen seien, da bei den in Rede stehenden Charterflügen, der Kunde die Abflug- und Ankunftszeit sowie den Abflugort und den Zielort bestimme. Es sei daher davon auszugehen, dass bei jeder Landung ein Zielort erreicht werde.
13
Auch bei einem inländischen Hin- und Rückflug würde jeweils ein Zielort erreicht.
14
Die Steuerbefreiung der Besatzungsmitglieder könne nur in Anspruch genommen werden, wenn die in § 2 Nr. 7 LuftVStG beschriebenen Tätigkeiten unmittelbar während dieses Fluges wahrgenommen würden. Ohne Fluggäste auf den F.-flügen könnten auch beispielsweise das Verstauen der Bordverpflegung nicht als Versorgung der Fluggäste eingeordnet werden.
15
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

16
Die Klage ist unbegründet.
17
1. Nach § 1 Abs. 1 LuftVStG unterliegt ein Rechtsvorgang, der zum Abflug eines Fluggastes von einem inländischen Startort mit einem Flugzeug oder Drehflügler durch ein Luftverkehrsunternehmen zu einem Zielort berechtigt, der Luftverkehrsteuer.
18
a) Rechtsvorgang ist beispielsweise ein entgeltlicher Beförderungsvertrag (BT-Drs. 17/3030 S. 36).
19
b) Als Abflug definiert ist das Abheben eines Flugzeugs oder Drehflüglers von einem inländischen oder ausländischen Startort, mit dem die Flugreise auf Grund des Rechtsvorgangs beginnt (§ 2 Nr. 3 LuftVStG).
20
c) Zielort ist der inländische oder ausländische Ort, auf dem gemäß dem Rechtsvorgang die Flugreise des Fluggastes planmäßig enden soll (§ 2 Nr. 4 LuftVStG). Zur Bestimmung des Zielortes ist auf die Absicht des Fluggastes abzustellen. Er unternimmt i.d.R. die Flugreise, um am Zielort eine geschäftliche oder private Angelegenheit zu erledigen. Zwischenstopps auf dem Weg zum Zielort führen nicht zu einem eigenständigen Rechtsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 LuftVStG, wenn kein anderer Rechtsvorgang zu Grunde liegt und die Flugunterbrechung am Zwischenstopp die Zeitspannen des § 2 Nr. 5 LuftVStG nicht überschreiten und somit nicht als Zwischenlandungen einzuordnen sind. Transit- und Transferflüge werden deshalb nicht besteuert, wenn sie aufgrund eines einheitlichen Beförderungsvertrages mit einem Luftverkehrsunternehmen für alle gebuchten Flüge erfolgen, da das Transitziel nicht der Zielort ist (vgl. BT-Drs. 17/3030 S. 37).
21
2. Nach diesen Grundsätzen sind die Weiterflüge und die Hin- und Rückflüge jeweils eigene steuerpflichtige Rechtsvorgänge.
22
a) Die Weiterflüge, also der erneute Start der Fluggäste nachdem sie einen Zielort er-reicht haben, ist erneut steuerpflichtig.
23
Soweit Privat- oder Geschäftsleute das Flugzeug und seine Besatzung mieten, um innerhalb weniger Tage mehrere Flughäfen im In- oder Ausland anzusteuern, ist davon auszugehen, dass mit jedem - nicht technischen - Zwischenstopp ein Zielort erreicht wird. Die Fluggäste haben mit ihrer Reiseplanung die Zielorte festgelegt, an denen sie ihren Angelegenheiten nachgehen möchten. Anders könnte dies nur zu beurteilen sein, wenn alle oder ein Teil der Fluggäste den Zwischenstopp nicht nutzen möchten, sondern dort nur Wartezeiten verbringen müssen. Anhaltspunkte für solche Konstellationen sind jedoch nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen.
24
Die Ansicht des Klägervertreters, dass Zwischenstopps von weniger als 12 Stunden keine Zwischenlandungen seien und bereits deshalb der erneute Start keinen eigenen Steuertatbestand erfülle, greift zu kurz. Zwischenlandungen setzen voraus, dass der Zielort nicht erreicht wurde. Dies ist bei den „Rundreisen“ der Geschäftsleute gerade nicht der Fall, da jedem Zwischenstopp ein geschäftlicher Anlass zugrunde liegt.
25
b) Inländische Hin- und Rückflüge stellen ebenfalls zwei Besteuerungstatbestände dar.
26
Es werden zwei Zielorte angesteuert. Zum einen der Ort der geschäftlichen Angelegenheit; zu anderen der Ort der Rückkunft. Diese Konstellation wird ausdrücklich in der Gesetzesbegründung erwähnt (BT-Drs. 17/3030 S. 37). Die Argumentation des Klägervertreters, dass es nur auf die Dauer des Zwischenstopps ankäme, greift auch hier nicht, da jeweils zwei Zielorte angesteuert werden.
27
3. Die F.-flüge sind steuerpflichtige Rechtsvorgänge.
28
Zwar spricht der Wortlaut des § 1 LuftVStG in diesem Fall gegen einen Steuergegenstand. Die dort verwendete Bezeichnung „Fluggast“ dürfte im eigentlichen Wortsinn nicht für Angestellte des Luftfahrtunternehmens verwendet werden, außer sie unternehmen eine Flugreise aus privaten Gründen. Dieser engen Auslegung des Steuergegenstandes steht jedoch § 5 Nr. 7 LuftVStG entgegen, in dem Abflüge von Flugbesatzungen steuerfrei gestellt werden. Diese Regelung wäre überflüssig, wenn bereits keine Steuerbarkeit gegeben wäre.
29
Die Definition der Flugbesatzung in § 2 Nr. 7 LuftVStG ergibt, dass davon nur Bedienstete erfasst werden, die auf diesem Flug mit der angesprochenen Tätigkeit unmittelbar befasst sind. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut, der die Tätigkeit in Präsens formuliert und nicht auf die Aufgabe abstellt, die möglicherweise aktuell nicht erfüllt werden muss. Ein Ferryflug der die angestellten Piloten, Stewardessen, Sicherheitsbeauftragte und Techniker an den Flughafen bringt, an denen ihre Einsatzmaschine steht, ist nicht steuerbefreit, da die privilegierte Tätigkeit nicht ausgeübt wird. Soweit auf den F.-flügen die Flugbesatzungen beiläufig ihre spätere Tätigkeit vorbereiten, indem sie die Bordverpflegung verstauen oder beim Start die Kabinentür ordnungsgemäß verschließen, führt dies zu keiner abweichenden Tätigkeitsbeurteilung, so lange diese Vorbereitung von untergeordneter Dauer bleibt. Anhaltspunkte für eine umfassende Beschäftigung mit der Vorbereitung sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen.
30
Beide Flüge, also der Ferryflug und der Einsatzflug, bilden auch keine untrennbare Einheit, schließlich könnten die Angestellten auch mit anderen Linienmaschinen an den Einsatzort gebracht werden. Die Luftverkehrsteuer soll eine Komponente der Mobilitätsbesteuerung sein, um Anreize für umweltgerechteres Verhalten zu setzen (BT-Drs. 17/3030, S. 23). Die Einbeziehung von F.-flügen in die Besteuerung entspricht dieser Zielsetzung.
31
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Rechtsgrund und damit die Berechtigung für den Flug nicht in einem Beförderungsvertrag begründet ist, sondern sich aus dem Dienstvertrag ergibt. Dies ist für den Gesetzgeber kein Unterscheidungskriterium, da die Rechtsvorgänge vielfältiger Natur sein können (BT-Drs. 3030/17, S. 36).
32
4. Das Hauptzollamt hat die strittigen Tatbestände somit zu Recht der Luftverkehrsteuer unterworfen. Die Berechnungen der Steuerbeträge selbst, geben keinen Anlass zu Beanstandung.
33
5. Die Revision wird zugelassen, da bisher - soweit ersichtlich - keine höchstrichterliche Rechtsprechung jenseits unions- und verfassungsrechtlicher Aspekte, zu den angesprochenen Zweifelsfragen vorliegt.
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6. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen (§ 135 Abs. 1 FGO).