Inhalt

AG Bad Neustadt, Beschluss v. 02.11.2021 – 1 C 355/20
Titel:

keine Besorgnis der Befangenheit bei abweichender Rechtsauffassung

Normenkette:
ZPO § 42 Abs. 1, § 44
Leitsatz:
Der Umstand, dass der Richter eine andere Rechtsauffassung als die Partei vertritt, begründet keine Besorgnis der Befangenheit. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ablehnung, Besorgnis der Befangenheit, Richter, andere Rechtsauffassung
Rechtsmittelinstanzen:
LG Schweinfurt, Beschluss vom 14.02.2022 – 11 T 6/22
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 23.06.2022 – IX ZB 16/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 55563

Tenor

Das Ablehnungsgesuch des Beklagten vom 30.09.2021 betreffend die Richterin am Amtsgericht W. wird für unbegründet erklärt.

Gründe

I.
1
Die nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige Richterin am Amtsgericht W. erließ am 27.09.2021 gegen den Beklagten unter „P. H., Inhaber V. G. H.“ ein Versäumnisurteil. Mit Schreiben vom 30.09.2021 lehnte der Beklagte Richterin W. wegen seiner Besorgnis der Befangenheit ab und erhob (u.a.) „Widerspruch“ gegen das ergangene Versäumnisurteil. Im Wesentlichen führt er dazu aus, dass das Versäumnisurteil rechtswidrig und willkürlich sei. Er sei unter „P. H.“ nicht wirksam zu laden gewesen. Die abgelehnte Richterin am Amtsgericht W. hat unter dem 06.10.2021 eine ausführliche dienstliche Stellungnahme abgegeben. Auf diese wird verwiesen. V. G. H. und „P. H.“ hält seinen Ablehnungsantrag aufrecht. Zur Begründung wird auf sein Schreiben vom 25.10.2021 verwiesen.
II.
2
Das Gesuch ist zwar gemäß § 44 ZPO formgerecht angebracht. Es ist jedoch unbegründet. Nach § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, was voraussetzt, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Nach einhelliger Auffassung braucht der Richter objektiv nicht befangen zu sein; es genügen Gründe, die vom Standpunkt einer noch vernünftigen Partei solchen Schluss nahelegen.
3
Solche Gründe liegen hier aber nicht vor. Die Tatsache, dass die abgelehnte Richterin eine andere Rechtsauffassung als der Beklagte vertrat, rechtfertigt keine Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit. In ihrer ausführlichen Stellungnahme hat die Richterin ausführlich dargelegt, weshalb die Ladung des Beklagten unter dem Firmennamen „P. H.“ wirksam erfolgte, § 17 Abs. 2 HGB. Der Beklagte ist schlicht anderer Auffassung.
4
Die Gerichte sind aber gerade dazu aufgerufen, sich mit unterschiedlichen Rechtsmeinungen auseinanderzusetzen und zu entscheiden. Gegen die ergehenden Entscheidungen sind dann die nach der Prozessordnung vorgesehenen Rechtsbehelfe und Rechtsmittel gegeben. Aus einer für eine Partei nachteiligen Entscheidung als solcher kann, soweit sie sachlich begründet ist wie hier, keine Besorgnis der Befangenheit abgeleitet werden. Dies ist nicht Sinn und Zweck des Ablehnungsrechts.