Titel:
Freispruch vom Vorwurf des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Normenkette:
StPO § 261, § 267 Abs. 5
Leitsatz:
Zur Beweiswürdigung bei fehlender Nachweisbarkeit – auch bei Verwertung von EncroChat-Daten – von Betäubungsmittelankäufen zum Zweck der gewinnbringenden Weiterveräußerung. (Rn. 19 – 275) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Freispruch, EncroChat
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 30.06.2022 – 1 StR 50/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 55550
Tenor
1. Der Angeklagte wird freigesprochen.
2. Der Angeklagte ist für die im vorliegenden Verfahren erlittene Untersuchungshaft vom 30.4.2021 bis zum 23.9.2021 und vom 12.10.2021 bis zum 13.10.2021 sowie die richterlichen Maßnahmen zur Außervollzugsetzung des Haftbefehls nach § 116 StPO vom 13.10.2021 bis zum 28.10.2021 sowie die Durchsuchung vom 30.4.2021 aus der Staatskasse zu entschädigen.
3. Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.
Entscheidungsgründe
1
Der Angeklagte wurde aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
2
Mit der - unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen - Anklageschrift vom 19.08.2021 legte die Staatsanwaltschaft München I dem Angeklagten folgenden Sachverhalt zur Last:
„Der Angeklagte betrieb jedenfalls im Mai 2020 einen schwunghaften Handel mit Kokain im dreistelligen Grammbereich in und um München, um sich hierdurch eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen.
1. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt am 02.05.2020 kaufte und übernahm der Angeklagte vom gesondert Verfolgten … im Bereich seiner Wohnanschrift in der … in Ottobrunn oder im Bereich der Wohnung des gesondert Verfolgten … in der … in Nürnberg 700 Gramm Kokain zum Preis von 28.000 Euro, um dies in der Folgezeit gewinnbringend in und um München zu verkaufen.
2. Am 30.05.2020 gegen 23.47 Uhr kaufte und übernahm der Angeklagte von einem bislang nicht näher bekannten Kurier der gesondert Verfolgten … und … UKA im Bereich seiner Wohnanschrift in der … in Ottobrunn 1 Kilogramm Kokain zum Preis von 40.000 Euro, um dies in der Folgezeit gewinnbringend in und um München zu verkaufen.
Das Kokain hatte jeweils einen Wirkstoffgehalt von mindestens 40 %.
Wie der Angeklagte wusste, verfügte er nicht über die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.“
Feststellungen aufgrund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung:
Zur Person des Angeklagten
3
Der Angeklagte lebt mit seiner Familie in Ottobrunn. Zusammen mit seiner Ehefrau und den zwei Kindern bewohnt er dort in einer Wohnung in der … ein Zimmer. In einem weiteren Zimmer dieser Wohnung lebt sein Bruder. Die Eltern des Angeklagten leben ebenfalls in dieser Wohnung.
4
Der Angeklagte ist strafrechtlich bisher in keiner Weise in Erscheinung getreten.
5
Der Angeklagte kennt jedenfalls den gesondert Verfolgten … dem er Geld schuldet. Der geschuldete Betrag war nicht feststellbar.
6
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte jedenfalls im Mai 2020 einen schwunghaften Handel mit Kokain im dreistelligen Grammbereich in und um München betrieb, um sich hierdurch eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen.
7
Vielmehr konnten keinerlei Drogenverkäufe des Angeklagten festgestellt werden, weder mit noch ohne Gewinnerzielungsabsicht.
8
1. Am 02.05.2020 kaufte und übernahm der gesondert Verfolgte … 1 Kilogramm Kokain, das er nach Abzug eines Eigenkonsumanteils von 5 % an verschiedene Personen gewinnbringend weiterveräußerte, zu einem Grammpreis zwischen 40 und 46 Euro.
9
Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte eine dieser Personen war, an die … Kokain aus dem vorgenannten, am 02.05.2020 erworbenen und übernommenen Kilogramm Kokain verkaufte.
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2. Am 30.05.2020 kaufte der gesondert Verfolgten … in den Niederlanden 3 Kilogramm Kokain für 84.000 Euro. Durch einen von Besnik UKA beauftragten Kurier wurde das Kokain zu einem Grenzübergang Nijmwegen und Kleve in die Bundesrepublik eingeführt. 1 Kilogramm des Kokains wurde sofort weiterveräußert.
11
Ein zumindest auch von … beauftragter Kurier transportierte zumindest das restliche Kokain für den anderweitigen Verkauf weiter.
12
Es konnte nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Angeklagte die Person war, an die das vorgenannte eine Kilogramm Kokain von … sofort weiterveräußert worden war.
13
Es konnte auch nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Angeklagte von … Kokain aus dem Rest der vorgenannten insgesamt 3 Kilogramm Kokain ankaufte, um dieses in der Folgezeit gewinnbringend in und um München zu verkaufen.
14
Der Angeklagte erklärte zu Beginn der Hauptverhandlung durch seinen Verteidiger, er bestreite jeden Betäubungsmittelhandel. Die Tatvorwürfe der Anklageschrift seien nicht zutreffend. Er habe Drogen weder gekauft noch verkauft. Diese Erklärung wurde vom Angeklagten als richtig bestätigt.
15
Darüber hinaus machte der Angeklagte keine Angaben zur Sache und zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen.
16
Die Feststellungen unter III. zur Wohnsituation des Angeklagten und seiner Angehörigen beruhen auf den glaubhaften Angaben des Zeugen KOK … der hiervon aufgrund seiner Teilnahme an der Durchsuchung dieser Wohnung am 30.04.2021 aus eigener Kenntnis berichten konnte.
17
Die Feststellung unter III., dass der Angeklagte strafrechtlich bisher in keiner Weise in Erscheinung getreten ist, beruht auf der verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 17.08.2021.
18
Die Feststellung, dass der Angeklagte jedenfalls den gesondert Verfolgten Besnik UKA kennt und diesem Geld schuldet, beruht auf der eigenen Einlassung des Angeklagten bei der Haftbefehlseröffnung am 30.04.2021, wie sie in dem ermittlungsrichterlichen Protokoll hierzu vom 30.04.2021 festgehalten wurde. Dieses ermittlungsrichterliche Protokoll wurde in der Hauptverhandlung mit Einverständnis sämtlicher Verfahrensbeteiligter verlesen.
19
Die Einlassung des Angeklagten zur Sache konnte durch die Beweisaufnahme nicht widerlegt werden.
20
Insbesondere konnten zwar die Feststellungen unter III. 1. und 2. zu den Kokaingeschäften des gesondert Verfolgten … getroffen werden, nicht aber mit einer für die Verurteilung erforderlichen Sicherheit die dem Angeklagten in diesem Zusammenhang zur Last gelegten Kokainankäufe von … zum Zweck der gewinnbringenden Weiterveräußerung.
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Die Feststellungen unter III. 1. und 2. zu den Kokaingeschäften des gesondert Verfolgten … beruhen insbesondere auf den glaubhaften Angaben der Zeugen KK … und den in der Hauptverhandlung übersetzten und in Augenschein genommenen EncroChats, bestehend aus Textnachrichten und Lichtbildern.
22
Die EncroChat-Erkenntnisse und darauf aufbauende Beweisergebnisse sind nach Überzeugung der Kammer verwertbar. Sie schließt sich der hierzu bisher ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung an und macht sich deren Begründung zu eigen (insbesondere OLG Hamburg, Beschluss vom 29.01.2021, 1 Ws 2/21; KG, Beschluss vom 30.08.2021, 2 Ws 79/21, 2 Ws 93/21, m.w.N. zur obergerichtlichen Rechtsprechung).
23
Die beglaubigte Übersetzung des Beschlusses des Berufungsgerichts Douai - Strafgericht Lille - vom 13.06.2020, …, Az. der Staatsanwaltschaft … mit welchem im Rahmen des Rechtshilfeersuchens der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main die Übermittlung der Informationen aus der digitalen Erfassung im Verfahren gegen EncroChat genehmigt und deren Verwendungsmöglichkeit in deutschen Ermittlungs- und Strafverfahren, insbesondere Gerichtsverfahren, ausgesprochen wurde, wurde im allseitigen Einverständnis verlesen.
24
Der Zeuge KK … berichtete als polizeilicher Sachbearbeiter für das hiesige Verfahren zunächst vom Gang und den Ergebnissen der polizeilichen Ermittlungen.
25
Wie er glaubhaft angab, begannen die Ermittlungen im vorliegenden Verfahren im Oktober 2020.
26
Vorausgegangen seien Ermittlungen französischer Behörden gegen die Betreiber von „EncroChat“ wegen des Verdachts der Geldwäsche und der Bildung einer kriminellen Vereinigung.
27
EncroChat habe verschlüsselte Nachrichten (SMS und Chats) und spezielle EncroChat-Handys (Krypoto-Handys) nur hierfür angeboten, bei denen bereits das erste Halbjahr nur des verschlüsselten Programms 1.500 € gekostet habe, die Folgehalbjahre jeweils 500 €. Es sei für verdeckte Kommunikation genutzt worden. Der Erwerb des Programms und der zugehörigen speziellen Handys sei nur über anonyme Accounts möglich gewesen. Es sei nach Erkenntnissen der französischen Polizei - die sich auch in Deutschland bestätigt hätten - vorwiegend von Kriminellen genutzt worden.
28
Aufgrund richterlicher Beschlüsse seien die Ermittlungsbehörden in Frankreich in das EncroChat-Netzwerk eingedrungen, was zu einer Vielzahl von Ermittlungsverfahren geführt habe.
29
Die aufgrund der richterlichen Beschlüsse in Frankreich aus den EncroChat-Mobiltelefonen abgefangenen Daten seien zur weitergehenden Ermittlung an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/Main abgegeben worden, soweit sich die Standortdaten der genutzten Mobiltelefone in Deutschland befunden hätten.
30
Nach Vorauswertung der Chatinhalte hätten sich konkrete Hinweise zum illegalen Handel mit und zur illegalen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch EncroChat-Nutzer ergeben.
31
Die weitergehenden Ermittlungen hierzu seien dann an das örtlich und sachlich zuständige KFD 4 Nürnberg, K 44, abgegeben worden.
32
Durch die Auswertung des EncroChats und weitere umfangreiche polizeiliche Ermittlungen sei der EncroChat-User „wavymarsh“ als … identifiziert worden, sein EncroChat-Partner „navytwig“ als sein Bruder …
33
Die EncroChat-Daten von … hätten noch für den Zeitraum von Anfang April bis Anfang Juni 2020 vorgelegen. Nach polizeilicher Einschätzung sei in dem Chat offen über den internationalen Handel mit Kokain und Marihuana in ganz erheblichen Mengen durch … und … kommuniziert worden, auch mit Fotos von Kokain sowie mit Preisabsprachen und Absprachen zu Transportmodalitäten.
34
Durch weitere operative Maßnahmen seien weitere Beschuldigte identifiziert und deren jeweilige Tatbeteiligung ermittelt worden.
35
Der im Chat erwähnte „Cufa“ sei als … identifiziert worden. Er habe Fahrzeuge und deren Zulassung für die Brüder … organisiert. Zudem habe er nach den polizeilichen Erkenntnissen am 30.05.2020 Bargeld aus Deutschland in die Niederlande transportiert für den Ankauf von Kokain.
36
Der Beschuldigte … der im Chat als … oder … genannt werde, sei ein Drogenabnehmer von … und außerdem Kokainkurier von Deutschland in den Kosovo gewesen.
37
… und … seien am 26.03.2021 festgenommen worden, am 04.06.2021 auch … in Albanien aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Nürnberg.
38
Bei der Durchsuchung der Wohnung von … nach seiner Festnahme seien u.a. Schusswaffen und ca. 4 Kilogramm Kokain und außerdem noch ein gepanzertes Fahrzeug sichergestellt worden.
39
Aus den sodann in Augenschein genommenen - und vom Dolmetscher als Sprachsachverständigem übersetzten - EncroChats ergaben sich zur Überzeugung der Kammer die Feststellungen unter III. 1. und 2. wie folgt:
Die nachfolgend im Einzelnen dargestellten Chat-Nachrichten vom 01.05.2020 - 21:54:57, 21:55:41, 21:55:58, 21:56:30, 21:56:33, 21:56:34, 21:56:46, 21:56:48, 21:57:00, 21:57:18; 21:57:25, 21:57:38, 21:57:41, 21:57:47, 21:57:52, 21:58:03, 21:58:04, 21:58:15, 21:58:19, 21:58:32, 21:58:41, 21:58:56, 21:59:05, 21:59:21, 22:00:21, 22:00:41, 22:01:00, 22:04:00, 22:04:10, 22:04:22, 22:41:38, 22:41:54, 22:42:02, 22:42:10, 22:42:53, 22:50:36, 22:50:44, 22:52:44, 23:03:59, 23:05:23, 23:21:07, 23:17:17, 23:17:179, 23:21:16, 23:21:19, 23:21:29, 23:21:38, 23:21:49, 23:21:57, 23:22:18, 23:27:09 - und vom 02.05.2020 - 19:48:12, 19:48:12, 19:50:24, 19:55:28 - (Sonderband TEA I) sowie die Lichtbilder im Chat vom 02.05.2020 - 19:50:16, 19:55:24, 20:06:05 - (Sonderband TEA I) wurden sämtlich zwischen „wavymarsh“ und „navytwig“ gewechselt, d.h. nach den vom Zeugen … überzeugend berichteten polizeilichen Erkenntnissen zwischen den Brüdern … („wavymarsh“) und … („navytwig“).“
40
Bei zahlreichen Chats ergaben sich Abweichungen zwischen den in dem Sonderband TEA befindlichen Übersetzungen und der Übersetzung durch den Dolmetscher … als Sprachsachverständigen in der Hauptverhandlung, was aufgrund der Aussage des Zeugen KK … zum Teil wohl daher rührte, dass die beiden unabhängig voneinander tätigen Dolmetscherinnen der Polizei um eine in gewisser Weise erklärende, sprachlich geglättete und damit besser verständliche Übersetzung bemüht waren. Die Kammer geht jedoch von der wörtlichen Übersetzung der Ursprungstexte in der Hauptverhandlung aus.
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Der insoweit als Sprachsachverständiger fungierende gerichtliche Dolmetscher, ein albanischer Muttersprachler mit akzent- und fehlerfreiem Deutsch, führte zudem aus, dass die Texte viele Wörter enthalten, die kein richtiges Albanisch sind, wobei er naturgemäß nicht angeben konnte, ob es sich nur um sehr schlechte orthographische Fähigkeiten der Brüder … handelte oder um Nachlässigkeiten beim Eintippen der Nachrichten.
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In jedem Fall ergeben sich aber gewisse Unklarheiten in der Bedeutung der Texte, die nicht durch Interpretation zum Nachteil des Angeklagten bereinigt werden konnten.
43
Am 01.05.2020 um 21:54:57 Uhr schrieb … („navytwig“) an … („wavymarsh“): „Geh und hol das Auto beim Cufa morgen und bring es nach Nürnberg … kommt und holt es ab ein Kilo“
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… (Aussprache: …) kann dabei ein Name sein oder auch … bedeuten.
45
Am 01.05.2020 um 21:55:41 Uhr schrieb … („navytwig“) an … („wavymarsh“):
„Nimm von ihm die roten Kennzeichen oder wenn er sie hat der aus Albanien auf die Hand gib ihm 100 Stück mit 45“
46
Am 01.05.2020 um 21:55:58 Uhr schrieb, … („navytwig“) an … („wavymarsh“):
47
Die Antwort von … („wavymarsh“) an … („navytwig“) am 01.05.2020 um 21:56:30 Uhr lautete:
„Ja. Dort. Spo. Jet. ein. Kilo“
Gefolgt von: „Also“ (01.05.2020, 21:56:33 Uhr)
48
Am 01.05.2020 um 21:56:34 Uhr schrieb … („navytwig“) an … („wavymarsh“):
„Und fahr morgen früh/zeitig los damit du nicht zu spät bist und was hast du mit dem Gras gemacht wieviel Kilo sind es“
49
Am 01.05.2020 schrieb … („wavymarsh“) an … („navytwig“) daraufhin folgendes:
„5. Kilo“ (21:56:46 Uhr), „Sinds“ (21:56:48 Uhr), „Aber. Nr. 4. Weil. Gegeben. Weil. Es gibt nichts“ (21:57:00 Uhr).
50
Bei der Nachricht um 21:57:00 Uhr ist die Bedeutung „Aber unter 4 gibt er es nicht weil er es nicht hat“ nach den Ausführungen des Sprachsachverständigen … möglich, vorliegend aber nach Überzeugung der Kammer letztlich ohne Bedeutung, weil dem Angeklagten kein Erwerb von Marihuana zur Last gelegt wird.
51
… („wavymarsh“) schrieb am 01.05.2020 an … („navytwig“) weiter:
„Auch“ (21:57:18 Uhr), „Krise. Oo“ (21:57:25 Uhr), „Aber. Wo schön/gut haben sie es an A. gegeben. Jaa. Gegeben“ (21:57:38 Uhr), „700“ (21:57:41 Uhr), „Grem an ihn“ (21:57:47 Uhr) Zu „Grem an ihn“ (21:57:47 Uhr) erläuterte der Sprachsachverständige …, bei Vorliegen eines Schreibfehlers könne „grem“ auf Deutsch „Gramm“ heißen. Eine eigene Bedeutung habe „grem“ im Albanischen nicht.
52
… („wavymarsh“) schrieb am 01.05.2020 an … („navytwig“) weiter:
„En. Munchen“ (21:57:52 Uhr), „300“ (21:58:03 Uhr)
53
Zu „En“ (21:57:52 Uhr) erläuterte der Sprachsachverständige …, das Wort habe auf Albanisch keine Bedeutung. Es bedeute jedenfalls nicht „an“ auf Deutsch. Diese Übersetzung im Sonderband TEA „Und an München“ sei definitiv nicht zutreffend.
54
Am 01.05.2020 um 21:58:04 Uhr schrieb … („navytwig“) daraufhin an … („wavymarsh“):
„Wenn er jetzt kommt sage ich ihm ich habe dir das notiert was er geschrieben hat dass es nicht angekommen ist“
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Am 01.05.2020 schrieb … („wavymarsh“) an … („navytwig“) daraufhin folgendes:
„Ich nehme es weg/ab“ (21:58:15 Uhr), „Unre. Hier“ (21:58:19 Uhr), „Die anderen“ (21:58:32 Uhr), „Sag es ihm“ (21:58:41 Uhr), „Wann kommt er. 300 grem. Behält er“ (21:58:56 Uhr), „Ich hier“ (21:59:05 Uhr), „700. Ja. Hat er ihm gegeben“ (21:59:21 Uhr)
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Zu „700. Ja. Hat er ihm gegeben“ (21:59:21 Uhr) erläuterte der Sprachsachverständige …, die hierzu im Sonderband TEA vermerkte Übersetzung (700 gebe ich ihm) sei zweifelsfrei falsch. Für diese Übersetzung hätte im Chat ein anderes Wort verwendet werden müssen; ein Rechtschreibfehler rechtfertige diese Übersetzung nicht.
57
Am 01.05.2020 um 22:00:21 Uhr schrieb … („navytwig“) daraufhin an … („wavymarsh“):
„Er kommt jetzt schon und wird dir sagen was zu machen ist“
58
Am 01.05.2020 schrieb … („wavymarsh“) an … („navytwig“) daraufhin folgendes:
„Ok“ (22:00:41 Uhr), „Weil ich gehe raus zum Organisieren einige Sachen für morgen“ (22:01:00 Uhr), „Aber wie sollen wir es machen“ (22:04:00 Uhr), „Frag ihn das Auto wo sollen wir es hinstellen“ (22:04:10 Uhr), „Ohne Kennzeichen werden sie es noch wegnehmen“ (22:04:22 Uhr)
59
Ebenfalls am 01.05.2020 schrieb … („wavymarsh“) an … („navytwig“) folgendes:
„Sag dem Fisit 10 Kilo roter Tee. Folis. Edgee. Shiringut“ (22:41:38 Uhr)
60
Nach den Ausführungen des Sprachsachverständigen ist Shiringut ein Name, Folis möglicherweise auch, und Edgee ein Wort ohne definierte Bedeutung.
61
… („wavymarsh“) schrieb am 01.05.2020 an … („navytwig“) weiter:
„18000. Unberührt/Unangetastet“ (22:41:54 Uhr), „Von der können wir 3 machen“ (22:42:02 Uhr), „Hat ein Freund von mir“ (22:42:10 Uhr), „Er hat gesagt er macht 5. Aber ich sage ihm 3“ (22:42:53 Uhr)
62
Am 01.05.2020 schrieb … („navytwig“) daraufhin an … („wavymarsh“):
„Plan das ein gegen 12/um 12 loszufahren von Cufa“ (22:50:36 Uhr), „700 gib ihm, 300 behältst du“ (22:50:44 Uhr)
… („wavymarsh“) erwidert „Am Tag“ (22:52:44 Uhr), … („navytwig“) antwortet mit „tagsüber“ (23:03:59 Uhr).
… („navytwig“) schrieb am 01.05.2020 weiter an … („wavymarsh“):
„Verkauf das Gras tu‘s weg“ (23:05:23 Uhr)
… („wavymarsh“) schrieb am 01.05.2020 an … („navytwig“):
„Hast du ihm gesagt dass er kommen soll/herzukommen dieses abzuholen“ (23:17:17 Uhr) … („navytwig“) antwortete … („wavymarsh“) am 01.05.2020:
„Ok das Auto soll niemand in Nürnberg sehen“ (23:17:19 Uhr)
… („navytwig“) schrieb am 01.05.2020 an … („wavymarsh“):
„Nimm die Ware morgen und fahr gegen 12 Uhr los von Cufa nimm 300 auf die Seite lass keine Ware in der Wohnung lass das Auto nicht beim Cufa solange bis du ihm die Ware gegeben hast damit der Münchener es nicht in der Wohnung hat“ (23:21:07 Uhr)
63
Hierzu erläuterte der Sprachsachverständige … dass bei dem - auch im albanischen Original - ohne Satzzeichen geschriebenen Text unklar sei, wer „es“ nicht in der Wohnung habe.
64
… („navytwig“) schrieb am 01.05.2020 weiter an … („wavymarsh“):
„Du schickst mir eine Straße eine höher als unsere dort“ (23:21:16 Uhr), „Damit man es ihm gibt“ (23:21:19 Uhr), „Nicht die Straße wo wir wohnhaft sind“ (23:21:29 Uhr), „Sondern eine höher die dort ist und schau dir eine Nummer an“ (23:21:38 Uhr), „Gib ihm nicht die Ware das macht der … oder jemand“ (23:21:49 Uhr), „oder letztendlich geh zum … (23:21:57 Uhr) „Und kommt und holt es bei … da wo er das Gras geholt hat“, (23:22:18 Uhr)
65
… („wavymarsh“) schrieb am 01.05.2020 an … („navytwig“):
„O. Auf dem Weg. So. Nur Ärger. Gib mir Bescheid wenn er kommt. Ob du es ihm gegeben hast. Eine Adresse und Ware. Hör mir zu. Man muss es reintun in den Keller Wohnung. Und die Schilder braucht der Cufa. Die kann ich nicht länger behalten die Kennzeichen“ (23:27:09 Uhr)
66
Am 02.05.2020 schriebt … („navytwig“) an … („wavymarsh“):
„Sohn der … hat gesagt montiere es mit Handschuhen“ (19:48:12 Uhr), „Gib Bescheid wenn du die Arbeit erledigt hast/mit der Arbeit fertig bist“ (19:48:12 Uhr)
67
Das hierzu - auch nach Aussage des Zeugen: KK … - in den ausgelesenen Chatprotokollen enthaltene Foto, das … („wavymarsh“) am 02.05.2020 um 19:50:16 Uhr an … („navytwig“) übersandte, wurde in Bl. 353 d.A. und erneut im Sonderband TEA I in Augenschein genommen.
68
Es zeigt eine - nach Größe und Behaarung des Handgelenks zu urteilen - männliche Hand mit einem Einmalhandschuh, die ein in Folie verpacktes Paket mit einer weißen Substanz öffnet. Daneben ist auf Bl. 353 d.A. eine Plastiktüte mit Brocken augenscheinlich derselben Substanz auf einer Waage zu sehen, die 706 Gramm anzeigt.
69
Der Zeuge KK … erläuterte hierzu, dass die Bilder aus dem EncroChat-Mobiltelefon von „Wavymarsh“ ausgelesen wurden. Nach den Standortdaten habe sich das Mobiltelefon im Stadtgebiet Nürnberg befunden.
70
Die - ebenfalls in Augenschein genommenen - Lichtbilder Bl. 355 d.A. zeigten große Brocken einer weißen Substanz mit vergleichbarer Körnung, davon einmal auf einer Waage mit der Anzeige 311 Gramm.
71
Die Lichtbilder stammten nach Aussage des Zeugen KK … aus Bilddateien, die auf einem Mobiltelefon von … sichergestellt wurden.
72
Unmittelbar nach dem Lichtbild schrieb … („wavymarsh“) am 02.05.2020 an … („navytwig“):
„Die sind auf dem Weg um es zu holen“ (19:50:24 Uhr)
73
Sodann übersandte … („wavymarsh“) an … („navytwig“) am 02.05.2020 um 19.55:24 Uhr ein weiteres Lichtbild, das ebenfalls in Augenschein genommen wurde.
74
Es zeigt die nunmehr ausgepackte weiße Substanz, die einen festen, etwas unregelmäßigen Block mit einer Körnung bildet.
75
Das gesamt äußere Erscheinungsbild der weißen Substanz lässt darauf schließen, dass es sich um einen Kokainziegel handelt.
76
Danach schrieb … („wavymarsh“) am 02.05.2020 um 19:55:28 Uhr an … („navytwig“):
77
Am 02.05.2020 um 20:06:05 Uhr übersandte … („wavymarsh“) an … („navytwig“) ein Lichtbild, das in Augenschein genommen wurde.
78
Es wurde festgestellt, dass es mit dem bereits auf Bl. 353 d.A. in Augenschein genommenen Lichtbild identisch ist und größere Brocken der weißen Substanz in einer transparenten Plastiktüte auf einer Waage mit der Anzeige „706“ zeigt.
79
Aus den vorstehend aufgeführten und in Augenschein genommenen Chats der Brüder … und den in Augenschein genommenen Lichtbildern ergibt sich zwar zur Überzeugung der Kammer, dass die gesondert Verfolgten … und … mit Betäubungsmitteln in nicht geringen Mengen Handel trieben, insbesondere mit Marihuana und (augenscheinlich) Kokain.
80
Ferner ergibt sich hieraus mit hinreichender Sicherheit, dass am 02.05.2020 gegen 20 Uhr der gesondert Verfolgte … in seiner Wohnung in der … in Nürnberg 700 Gramm Kokain für den Weiterverkauf verpackte.
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Die Richtigkeit der Feststellung unter III. 1. zu diesem Kokaingeschäft des gesondert Verfolgten … wird ferner - zumindest indiziell - bestätigt durch die im allseitigen Einverständnis verlesene Erklärung von dessen Verteidiger Rechtsanwalt … vom 25.10.2021 im Strafverfahren gegen … u.a. wegen BtMG beim Landgericht Nürnberg, Az. 7 KLs … Js … die in der dortigen Hauptverhandlung für den dortigen Angeklagten … abgegeben wurde, und die der Kammer durch die Staatsanwaltschaft vorgelegt wurde (Anlage 11 zum Hauptverhandlungsprotokoll).
82
In dieser wurde vom Verteidiger (unter 2. der Erklärung) für den dortigen Angeklagten … erklärt, dass … am 02.05.2020 1 Kilogramm Kokain kaufte und übernahm, das er nach Abzug eines Eigenkonsumanteils von 5 % an verschiedene Personen gewinnbringend weiterveräußerte, zu einem Grammpreis zwischen 40 und 46 Euro.
83
Der Verlesung dieser Verteidigererklärung stand nach Überzeugung der Kammer vorliegend nicht entgegen, dass die Staatsanwaltschaft vorrangig die Einvernahme des anderweitig Verfolgten … und hilfsweise der Richterin am Landgericht Nürnberg … (als beisitzende Richterin in der Hauptverhandlung vom 25.10.2021 gegen …, Az. 7 KLs … Js …) als Zeugen beantragte (Anlage 9 zum Hauptverhandlungsprotokoll).
84
Der Verteidiger des anderweitig Verfolgten …, Rechtsanwalt … hatte dem Vorsitzenden der Kammer - nach Rücksprache mit seinem Mandanten … - mit Fax vom 27.10.2021 mitgeteilt, dass der Zeuge … sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht berufe und in der hiesigen Hauptverhandlung keine Angaben machen werde (Anlage 10 zum Hauptverhandlungsprotokoll). Die Zeugin … hatte dem Vorsitzenden am 27.10.2021 auf telefonische Rücksprache hin mitgeteilt, dass sie über den Inhalt der verlesenen Erklärung für … hinaus keine Angaben machen könne. Der dortige Angeklagte … habe in der gegen ihn beim Landgericht Nürnberg geführten Hauptverhandlung über die von seinem Verteidiger Rechtsanwalt … verlesene Erklärung hinaus lediglich erklärt, dass er über keine Erlaubnis nach dem Betäubungsmittelgesetz verfügt habe. Weitere Angaben zur Sache habe der Angeklagte … nicht gemacht.
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Weder durch die vorgenannten Chats selbst, noch durch die gebotene Gesamtwürdigung der nachfolgend noch dargelegten Beweisergebnisse konnte zur Überzeugung der Kammer ein auch nur annähernd für eine Verurteilung ausreichender Tatnachweis zum Anklagevorwurf II. 1. gegen den Angeklagten geführt werden.
86
Dass der Angeklagte - entsprechend seiner protokollierten Einlassung bei der Haftbefehlseröffnung beim Ermittlungsrichter - den gesondert Verfolgten … kennt und zudem auch Kontakt zu ihm hatte, wurde durch die Beweisaufnahme bestätigt.
87
In diesem Zusammenhang bestätigte die Beweisaufnahme auch, dass der gesondert Verfolgte … über die telefonischen Kontaktdaten des Angeklagten verfügte.
88
Der Zeuge … berichtete hierzu, am 23.03.2021 seien aufgrund richterlicher Durchsuchungsbeschlüsse zahlreiche Objekte in Nürnberg durchsucht worden, u.a. die Wohnung, des … in der … in Nürnberg und dessen Pkw Mercedes, S-Klasse, amtliches Kennzeichen … Im Pkw sei ein Mobiltelefon Samsung sichergestellt und anschließend ausgelesen worden. Dabei sei bei „Viber“ der gespeicherte Telefonkontakt „Munchen“ mit der Telefonnummer +49 … und zusammen mit einem Foto des Angeklagten festgestellt worden.
89
Dieses, in der Hauptverhandlung vom Zeugen KK … erläuterte und in Augenschein genommene Lichtbild, Bl. 356 d.A., zeigt zweifelsfrei den Angeklagten.
90
Der Zeuge … berichtete weiter, dass bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am 30.04.2021 u.a. Handys sichergestellt wurden, an deren Auswertung auch er beteiligt gewesen sei.
91
Eines dieser Handys habe der Mutter des Angeklagten gehört. Dort sei die Telefonnummer … unter „Bilbil“ gespeichert gewesen.
92
Auf dem ebenfalls sichergestellten iPhone 12 des Angeklagten seien Profilbilder aus Chatprogrammen von … und … festgestellt worden. Außerdem habe sich dort das Foto des Angeklagten befunden, das als Profilbild zu „Munchen“ im Mobiltelefon Samsung von … gespeichert gewesen sei.
93
Aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen KK … steht jedoch auch fest, dass keinerlei Kommunikation zwischen dem Angeklagten und … sichergestellt werden konnte, die irgendeinen Bezug zur Anbahnung und/oder Durchführung eines Kokaingeschäfts am 02.05.2020 haben könnte.
94
Wie der Zeuge KK … weiter angab, konnte beim Angeklagten auch kein Krypto-Telefon von EncroChat aufgefunden werden.
95
In den bei den Brüdern … und … sichergestellten EncroChats fand sich nach der Aussage des Zeugen KK … kein Nachrichtenaustausch mit dem Angeklagten.
96
In dem vorstehend dargelegten Chatverlauf finden sich lediglich zwei mögliche Bezüge zum Angeklagten. Keiner ist jedoch für einen konkreten Tatnachweis geeignet.
97
Soweit … („navytwig“) am 01.05.2020 um 23:21:07 Uhr an … („wavymarsh“) schrieb: „Nimm die Ware morgen und fahr gegen 12 Uhr los von Cufa nimm 300 auf die Seite lass keine Ware in der Wohnung lass das Auto nicht beim Cufa solange bis du ihm die Ware gegeben hast damit der Münchener es nicht in der Wohnung hat“ erschließt sich bereits nicht, warum der in Ottobrunn wohnhafte Angeklagte der dort gemeinte Münchener gewesen sein könnte, zumal der Chatverlauf auch auf eine Übergabe in Nürnberg in der Nähe der Wohnung von … hindeutet.
98
Hinzu kommt, dass nach den Ausführungen des Sprachsachverständigen … bei dem - auch im albanischen Original - ohne Satzzeichen geschriebenen Text unklar ist, wer „es“ nicht in der Wohnung habe oder nicht haben soll.
99
Die vorangegangenen Chats zwischen … („wavymarsh“) und … („navytwig“) am 01.05.2020 zwischen 21:57:18 Uhr und 21:57:47 Uhr lassen bereits keinen konkreten Empfänger der „700“ erkennen und beziehen sich zudem eindeutig auf einen bereits zurückliegenden Vorgang („Auch“ (21:57:18), „Krise. Oo“ (21:57:25), „Aber. Wo schön/gut haben sie es an A. gegeben. Jaa. Gegeben“ (21:57:38), „700“ (21:57:41), „Grem an ihn“ (21:57:47))
100
Soweit … („wavymarsh“) am 01.05.2020 um 21:57:52 Uhr an … („navytwig“) anschließend schrieb: „En. Munchen“, und weiter: „300“ (21:58:03) stünde dies („300“) im Widerspruch zum Anklagevorwurf, von … 700 Gramm Kokain gekauft zu haben.
101
Zu „En“ (21:57:52) erläuterte der Sprachsachverständige … außerdem, das Wort habe auf Albanisch keine Bedeutung. Es bedeute jedenfalls nicht „an“ auf Deutsch. Die Übersetzung im Sonderband TEA „Und an München“ sei definitiv nicht zutreffend.
102
Auch die weiteren, vom Dolmetscher als Sprachsachverständiger übersetzten und in Augenschein genommenen Nachrichten vom 17.05.2020 zwischen … („navytwig“) und … („wavymarsh“) sind allenfalls ein sehr schwaches Indiz für den Ankauf von 700 Gramm Kokain durch den Angeklagten von … am 02.05.2020.
103
… („navytwig“) schrieb am 17.05.2020 an … („wavymarsh“):
„Wieviel Lek/Geld hast du komplett/insgesamt bekommen“ (22:29:35 Uhr), „Von München“ (22:29:42 Uhr), „28 musst du insgesamt bekommen“ (22:29:49 Uhr)
104
Zur Nachricht von 22:29:42 Uhr führte der Sprachsächverständige … aus, die im Sonderband TEA I aufgeführte Übersetzung „Von dem Münchener“ sei nicht richtig. Die korrekte Übersetzung des albanischen Originaltextes laute „Von München“.
105
… („wavymarsh“) antwortete … („navytwig“) daraufhin am 17.05.2020:
„9500“ (22:35:38 Uhr), „Habe ich genommen. Und 10400“ (22:35:50 Uhr), „Habe ich genommen“ (22:35:55 Uhr), „Vor dieses Mal“ (22:36:13 Uhr)
106
… („navytwig“) schrieb sodann am 17.05.2020 an … („wavymarsh“):
„Ok rechne“ (22:37:54 Uhr), „Wieviel du komplett bekommen hast“ (22:38:02 Uhr), „Das heißt du wirst alles bekommen“ (22:38:07 Uhr), „28 Tausend“ (22:38:11 Uhr)
107
… („wavymarsh“) antwortete … („navytwig“) am 17.05.2020:
108
Die vom Zeugen KK … berichtete Interpretation der Polizei, dieser Chat beziehe sich auf die Bezahlung der am 02.05.2020 von … verkauften 700 Gramm Kokain ist durchaus möglich.
109
Sie ist auch rechnerisch mit dem in der - durch Rechtsanwalt … für … in dessen Hauptverhandlung verlesenen - Verteidigererklärung genannten Verkaufspreis zwischen 40 und 46 Euro pro Gramm vereinbar.
110
Wie der Zeuge KK … weiter ausführte, konnte in den sichergestellten Chatverläufen jedoch keinerlei Kommunikation mit dem Angeklagten in EncroChat gefunden werden, somit auch nicht zum Verkauf der 700 Gramm Kokain am 02.05.2020 durch ….
111
Da aufgrund der vorgenannten Ausführungen des Sprachsachverständigen … die im Chat besprochenen 28.000 nicht „Von dem Münchener“, sondern „Von München“ geschuldet worden sein sollen, fehlt jeder hinreichend konkrete Bezug zum Angeklagten.
112
Auch in den nachfolgend im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung zu III. 2. dargestellten und gewürdigten Chats zwischen … („wavymarsh“) und … („navytwig“) am 31.05.2020 zwischen 22:20:03 Uhr und 22:22:32 Uhr und am 01.06.2020 zwischen 22:21:32 Uhr und 22:26:13 Uhr fehlt nach Überzeugung der Kammer der erforderliche konkrete Bezug zum Angeklagten. Auf die nachfolgenden Ausführungen hierzu wird im Übrigen verwiesen.
113
Das auf Antrag der Staatsanwaltschaft aus dem Sonderband TKÜ/Obs. - Staatsanwaltschaft Nürnberg verlesene Kommunikationsereignis vom 09.03.2021 (Seite 67/68), bei welchem der gesondert Verfolgte … seine Befürchtung äußert, der „Bylbyl“ (phonetisch) habe alles erzählt, ist nicht einmal als schwaches Indiz geeignet. Der gesondert Verfolgte … äußert zum einen lediglich Vermutungen. Zum anderen bedeutet bylbyl/bilbil auf Albanisch auch „Vogel“, wie der Dolmetscher … erläuterte und im Übrigen auch im Kommunikationsereignis vom 09.03.2021 vermerkt ist. Im Zusammenhang mit den von … anschließend ausführlich geäußerten Besorgnissen, … habe alles gesagt, ist nicht einmal auszuschließen, dass mit bylbyl/bilbil der „Singende“ … gemeint sein sollte.
114
In jedem Fall können die Vermutungen des … keine Verurteilung des Angeklagten stützen.
115
Die Gesamtwürdigung der vorgenannten Umstände musste nach Überzeugung der Kammer zum Freispruch des Angeklagten vom Anklagevorwurf II. 1. aus tatsächlichen Gründen führen.
116
Zu der unter III. 2. festgestellten Tat war nach Aussage des Zeugen KK … umfangreiche Kommunikation sichergestellt worden, auch auf dem Mobiltelefon von … („Cufa“).
117
Deren Auswertung habe aus Sicht der Polizei ergeben, dass … (unter Mitwirkung von … in den Niederlanden 3 Kilogramm Kokain gekauft, nach Deutschland eingeführt und dann per Kurier zum Weiterverkauf weitertransportiert habe. Im Chat hätten die Brüder … besprochen, dass und wie „Cufa“ einen hohen Bargeldbetrag in die Niederlande bringen könne.
118
… habe als Beschuldigter bei einer polizeilichen Nachvernehmung am 12.10.2021 durch das KFD 4 in Nürnberg eingeräumt, dass er am 30.05.2020 mit 83.000 Euro in die Niederlande gefahren sei. Das Geld habe er von den Brüdern … bekommen. … habe keine Angaben zum hiesigen Angeklagten gemacht, den er wohl auch tatsächlich nicht kenne.
119
Der Chat-Teilnehmer „roughpalm“ konnte nach Aussage des Zeugen KK … bisher nicht identifiziert werden.
120
Es handele sich wohl um einen niederländischen Hintermann, der auch Kuriere befehlige.
121
Die Kammer hat die zu der unter III. 2. festgestellten Tat sichergestellten - und vom Dolmetscher … als Sprachsachverständigem übersetzten - EncroChats in Augenschein genommenen, woraus sich zur Überzeugung der Kammer die Feststellungen unter III. 2. ergaben.
122
Am 29.05.2020 schrieb … („navytwig“) an … („wavymarsh“):
„Wann kommst du an“ (15:06:33 Uhr), „Gib ihm das Geld“ (15:06:37 Uhr)
„Plus …. nach München“ (15:07:10 Uhr)
„Hat er gesagt dass man ihm das Geld geben muss“ (15:09:06 Uhr)
„Bevor er/wir losgefahren sind“ (15:09:08 Uhr)
123
Der Sprachsachverständige … erläuterte hierzu, dass die in TEA I befindliche Übersetzung der Chat-Nachricht um 15:07:10 Uhr (Dazu wird er noch nach München gehen) dem dort ebenfalls widergegebenen Originaltext nicht entspricht. Auch unter Berücksichtigung der zahlreichen orthographischen Fehler in den albanischen Originalchats, die nicht selten an „Schreiben nach Gehör“ erinnerten, könne dort nur „Plus …. nach München“ übersetzt werden. Die weiteren Buchstabengruppen ergäben auf Albanisch keinen Sinn.
124
Bei der Nachricht um 15:09:08 Uhr bleibe unklar, ob „er“ oder „wir“ losgefahren sind.
125
… („wavymarsh“) antwortete … („navytwig“):
„Nein“ (29.05.2020, 16:00:14 Uhr), „Braq. Du. Zwei Personen“ (29.05.2020, 16:00:18 Uhr)
126
… („navytwig“) antwortete … („wavymarsh“):
„Nein ko“ (29.05.2020, 16:00:24 Uhr)
127
… („wavymarsh“) schrieb an … („navytwig“):
„Damit ich das weiß“ (29.05.2020, 16;00:29 Uhr)
128
… („navytwig“) schrieb weiter an … („wavymarsh“):
„Leky wann bist du mit der Arbeit fertig“ (29.05.2020, 16:00:31 Uhr)
129
Der Sprachsachverständige … erläuterte hierzu, dass Leky mit Geld übersetzt werden könne, aber auch ein Name sein könne.
130
… („wavymarsh“) antwortete … („navytwig“):
„Ok“ (29.05.2020, 16:00:42 Uhr)
131
… („navytwig“) schrieb sodann an … („wavymarsh“):
„Und schick es direkt nach München“ (29.05.2020, 16:00:47 Uhr), „Ihm“ (29.05.2020, 16:00:48 Uhr)
132
… („wavymarsh“) antwortete … („navytwig“):
„Zu wieviel oder wie“ (29.05.2020, 16:00:49 Uhr)
133
… („navytwig“) schrieb sodann an … („wavymarsh“):
„Und eins“ (29.05.2020, 16:00:50 Uhr), „Zu 40“ (29.05.2020, 16:00:57 Uhr)
134
… („wavymarsh“) antwortete … („navytwig“):
„Ich habe noch nicht zu dem Preis gesprochen“ (29.05.2020, 16:01:02 Uhr), „Mit dem Fahrer“ (29.05.2020, 16:01:08 Uhr)
135
… („navytwig“) schrieb daraufhin an … („wavymarsh“):
„Zu 1,5“ (29.05.2020, 16:01:19 Uhr), „Garantiert“ (29.05.2020, 16:01:24 Uhr)
136
… („navytwig“) schrieb weiter an … („wavymarsh“):
„Wieviel schuldet der Münchener noch“ (29.05.2020, 16:02:48 Uhr)
„Ihm schickst du zu 40“ (29.05.2020, 16:02:54 Uhr)
„Kilo“ (29.05.2020, 16:02:56 Uhr)
„Der Fahrer zu 1.500“ (29.05.2020, 16:03:01 Uhr)
137
… („wavymarsh“) antwortete … („navytwig“):
„Und 8“ (29.05.2020, 16:09:14 Uhr), „Hat er von der anderen“ (29.05.2020, 16:09:20 Uhr), „Ok“ (29.05.2020, 16:10:00 Uhr)
138
… („navytwig“) antwortete … („wavymarsh“):
„Gut. Vielleicht nehmen wir es“ (29.05.2020, 16:10:03 Uhr)
139
Die zu den vorgenannten Chats vom Zeugen KK … berichtete polizeiliche Interpretation, dass … und … hier darüber schrieben, 1 Kilogramm für 40.000 Euro nach München zu schicken, wobei der Kurierfahrer 1.500 Euro erhalten solle, erscheint auch der Kammer schlüssig und hinreichend überzeugend.
140
Ein Kilogrammpreis von 40.000 Euro ist auch mit dem Verkauf von Kokain in großen Mengen vereinbar.
141
Diese polizeiliche Interpretation wird zudem bestätigt durch die nachfolgenden, vom Sprachsachverständigen … übersetzten und in Augenschein genommenen Chats.
„roughpalm“ schrieb an … („wavymarsh“):
„Wieviel Stück“ (12.05.2020, 23:33:16 Uhr)
„Will er“ (12.05.2020, 23:33:21 Uhr)
142
… („wavymarsh“) antwortet „roughpalm“:
„5“ (12.05.2020, 00:02:15 Uhr)
„Stück“ (12.05.2020, 00:02:18 Uhr)
„5 columbian“ (12.05.2020, 00:04:28 Uhr)
143
… („wavymarsh“) schrieb an „roughpalm“:
„Welcher Preis“ (26.05.2020, 20:37:43 Uhr)
„Bruder dieses“ (26.05.2020, 20:37:47 Uhr)
„roughpalm“ schrieb an … („wavymarsh“):
„28“ (26.05.2020, 21:02:43 Uhr)
„Wieviel Stück“ (26.05.2020, 22:20:29 Uhr)
144
… („wavymarsh“) antwortet „roughpalm“:
„Bruder 5 Stück“ (26.05.2020, 22:22:14 Uhr)
„roughpalm“ schrieb an … („wavymarsh“):
„Erst mal 3 wenn er kommt“ (26.05.2020, 22:22:24 Uhr)
„Zwei“ (26.05.2020, 22:22:26 Uhr)
145
… („wavymarsh“) schrieb an „roughpalm“:
„Wann ist der Fahrer fertig Bruder“ (27.05.2020, 12:36:27 Uhr)
„roughpalm“ schrieb an … („wavymarsh“):
„Habe mit ihm gesprochen hat gesagt am Wochenende“ (27.05.2020, 12:51:17 Uhr)
146
… („wavymarsh“) schrieb an „roughpalm“:
„Bruder ich hab das Geld für 5 fertig. 3 nehme ich morgen. Dann 2 oder 3“ (30.05.2020, 01:29:20 Uhr)
147
Die tatsächliche Durchführung des Betäubungsmittelgeschäfts durch (jedenfalls) … ergibt sich zur Überzeugung der Kammer insbesondere aus den nachfolgenden, vom Sprachsachverständigen … übersetzten und in Augenschein genommenen Chats.
148
Am 30.05.2020 schrieb … („wavymarsh“) an … („navytwig“):
„Am Fahren/Gehen“ (30.05.2020, 12:44:23 Uhr)
149
… („navytwig“) antwortete … („wavymarsh“):
„Hat er dir die Ware gebracht“ (30.05.2020, 12:44:34 Uhr)
150
… („wavymarsh“) schrieb an … („navytwig“):
„Der Geruch ist nicht unbedingt“ (30.05.2020, 12:50:48 Uhr)
„Gut“ (30.05.2020, 12:50:50 Uhr)
151
… („wavymarsh“) schrieb an … („navytwig“):
„Ja. Es ist top“ (30.05.2020, 12:54:25 Uhr)
152
… („navytwig“) antwortete … („wavymarsh“):
„Ein bisschen wie Vanille“ (30.05.2020, 12:54:27 Uhr)
153
… („wavymarsh“) schrieb an … („navytwig“):
„Es hat keinen Geruch“ (30.05.2020, 12:54:29 Uhr)
154
… („navytwig“) schrieb an … („wavymarsh“):
„Diese mit dem Geruch mach ein Zeichen drauf“ (30.05.2020, 12:58:08 Uhr) „Das ohne Geruch schick nach München“ (30.05.2020, 12:58:13 Uhr)
155
Der Weitertransport von durch … in den Niederlanden gekauftem Kokain durch einen Kurier ergab sich zur Überzeugung der Kammer insbesondere aus den nachfolgend dargestellten - vom Dolmetscher … als Sprachsachverständigem übersetzten und in Augenschein genommenen - EncroChats vom 30.05.2020.
156
Wie der Zeuge KK … angab, konnte der EncroChat-Nutzer „roughpalm“ bisher nicht identifiziert werden. Es gebe viele mit „roughpalm“ geführte EncroChats. Bei „roughpalm“ handele es sich vermutlich um einen niederländischen Hintermann, der auch Kuriere befehlige.
157
… („navytwig“) schrieb an … („wavymarsh“):
„Hast du ihm gesagt wo er anhalten soll und dass er nach München muss“ (30.05.2020, 15:01:53 Uhr)
158
… („wavymarsh“) antwortete: „Ja“ (30.05.2020, 15:03:10 Uhr)
159
… („wavymarsh“) schrieb an „roughpalm“:
„Dieses ist für Nürnberg“ (30.05.2020, 15:03:51 Uhr)
„Jetzt für München“ (30.05.2020, 15:04:06 Uhr)
… München“ (30.05.2020, 15:07:11 Uhr)
„Und München o. für München sag’s ihm“ (30.05.2020, 15:18:18 Uhr)
160
Die in Augenschein genommenen Lichtbilder Blatt 9, 10, 11 (Sonderband TEA II) und die hierzu vom Sprachsachverständigen … übersetzten und in Augenschein genommen EncroChats bestätigen den weiteren Verlauf der Kurierfahrt.
161
Sie beinhalten zudem die ersten wirklich aussagekräftigen Hinweise darauf, dass der Angeklagte möglicherweise die ihm zur Last gelegte Tat vom 30.05.2020 (Anklagevorwurf 2.) begangen hat.
162
Die beiden in Augenschein genommenen Lichtbilder Blatt 9 (Sonderband TEA II) wurden am 30.05.2020 um 17:15:23 Uhr und 17:50:11 Uhr von „roughpalm“ an Besnik UKA („wavymarsh“) versandt. Wie bei dem Augenschein ferner festgestellt wurde, sind sie abgesehen vom Schärfegrad identisch. Sie zeigen auf einem offenbar zur Navigation eingesetzten Mobiltelefon die Adresse …, Germany“ und ferner die Anzeigen „856 km“ und „Directions 7h 42 m drive).
„roughpalm“ schrieb nach dem ersten Lichtbild an … („wavymarsh“):
„Schreib mir die Adresse von München“ (30.05.2020, 17:49:23 Uhr)
„roughpalm“ schrieb nach dem zweiten Lichtbild an … („wavymarsh“):
„Bruder das ist es nicht von München“ (30.05.2020, 17:50:29 Uhr)
163
Das in Augenschein genommene Lichtbilder Blatt 10 (Sonderband TEA II) wurde am 30.05.2020 um 17:56:56 Uhr von „roughpalm“ an … („wavymarsh“) versandt und ist mit den Lichtbildern auf Blatt 9 (Sonderband TEA II) im Wesentlichen identisch. Insbesondere zeigt es dieselbe Adresse.
„roughpalm“ schrieb nach diesem Lichtbild an … („wavymarsh“):
„Schau gut hin das ist es“ (30.05.2020, 17:57:04 Uhr)
164
Das erste der beiden in Augenschein genommenen Lichtbilder Blatt 11 (Sonderband TEA II) wurde am 30.05.2020 um 17:59:18 Uhr von … („wavymarsh“) an „roughpalm“ versandt.
165
Es zeigt eine Adresse, nämlich ….
166
Das zweite der beiden in Augenschein genommenen Lichtbilder Blatt 11 (Sonderband TEA II) wurde am 30.05.2020 um 18:00:46 Uhr von „roughpalm“ an … („wavymarsh“) versandt.
167
Es zeigt augenscheinlich das gleiche zur Navigation eingesetzten Mobiltelefon, diesmal jedoch mit der Adresse …, Germany“ und ferner die Anzeigen „853 km“ und „Directions 7h 40 m drive).
„roughpalm“ schrieb nach diesem Lichtbild an … („wavymarsh“):
„Jetzt ist es richtig“ (30.05.2020, 18:00:53 Uhr)
168
… („wavymarsh“) antwortete mit „Ja“ (30.05.2020, 18:05:46 Uhr).
„roughpalm“ erwiderte „Ok“ (30.05.2020, 18:06:36 Uhr)
169
Nachdem der Angeklagte in der … wohnt, steht auch zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Zieladresse für „roughpalm“ sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Wohnhauses des Angeklagten befand.
170
Der Zeuge KK … erläuterte hierzu ferner, dass der Eingang zu dem Mehrfamilienhaus …, in dem der Angeklagte auch schon im Jahr 2020 wohnte, etwas nach hinten liegt und von der Straße aus nicht so gut zu erkennen und so leicht zu finden ist. Das Anwesen … sei dagegen sei dagegen von der Straße aus einfach zu sehen,
„roughpalm“ schrieb ferner an … („wavymarsh“):
„Nürnberg ist fix um 21:30“ (30.05.2020, 18:55:40 Uhr)
„Lass sie nicht dort warten auf dich“ (30.05.2020, 18:55:58 Uhr)
171
Die auf Antrag der Staatsanwaltschaft außerdem noch vom Sprachsachverständigen … übersetzten und in Augenschein genommenen EncroChats - wie nachfolgend dargestellt - bestätigen ebenfalls die tatsächliche Durchführung einer Kurierfahrt am 30.05.2020, nicht jedoch die vereinbarte und auch tatsächlich erfolgte Übergabe von 1 Kilogramm Kokain an den Angeklagten.
172
… („wavymarsh“) schrieb an … („navytwig“):
„“Ist losgefahren nach München“ (30.05.2020, 21:54:16 Uhr)
173
… („navytwig“) schrieb an … („wavymarsh“):
„Hast du ihm gesagt welches“ (30.05.2020; 21:54:19 Uhr)
174
… („wavymarsh“) schrieb an … („navytwig“):
„Ja“ (30.05.2020, 21:54:22 Uhr)
175
… („navytwig“) schrieb an … („wavymarsh“):
„Nach München“ (30.05.2020 um 21:54:24 Uhr)
176
… („wavymarsh“) schrieb an … („navytwig“):
„Ja“ (30.05.2020, 21:54:28 Uhr)
177
… („wavymarsh“) schrieb an … („navytwig“):
„Operation erfolgreich“ (30.05.2020, 23.52:42 Uhr)
178
Die weiteren zur Kurierfahrt am 30.05.2020 im Raum München vom Sprachsachverständigen … übersetzten und in Augenschein genommenen EncroChats waren wenig ergiebig, zeugten großteils von Warten und Langeweile und trugen nichts Relevantes zur Überzeugungsbildung der Kammer bei. Insbesondere ging aus ihnen nicht hervor, ob der Kurier den Angeklagten oder eine andere Person traf.
179
Es handelte sich dabei um folgende Chats:
„roughpalm“ schrieb an … („wavymarsh“):
„Frage ihn ob er ihn getroffen hat oder nicht“ (30.05.2020, 21:56:36 Uhr)
180
… („wavymarsh“) antwortete „roughpalm“:
„Gut“ (30.05.2020, 21:56:39 Uhr)
„Aj. En. München oo“ (30.05.2020, 21:56:57 Uhr; „München“ war hier nach den Ausführungen des Sprachsachverständigen … das einzige sinnhafte, übersetzbare Wort) „Bin am Warten“ (30.05.2020, 21:57:03 Uhr)
„roughpalm“ schrieb an … („wavymarsh“):
„Sag mir wann du ankommst“ (30.05.2020, 21:57:12 Uhr)
181
… („wavymarsh“) schrieb an „roughpalm“:
„Und gib ihm das Geld“ (30.05.2020, 21:57:13 Uhr)
„roughpalm“ schrieb an … („wavymarsh“):
„23:30 an der Adresse in München“ (30.05.2020, 22:14:00 Uhr)
182
… („wavymarsh“) schrieb an „roughpalm“:
„Bin am Warten“ (30.05.2020, 23:23:03 Uhr)
„roughpalm“ schrieb an … („wavymarsh“):
„Es handelt sich um Minuten“ (30.05.2020, 23:23:43 Uhr)
„Geht“ (30.05.2020, 23:23:47 Uhr)
„In 5 Minuten ist er da“ (30.05.2020, 23:35:28 Uhr)
„Bruder wer kommt da raus“ (30.05.2020, 23:38:53 Uhr)
„EQgAEQAAAAAAAAAAGQAAAAAAAAAA“ (30.05.2020, 23:40:00 Uhr), gefolgt von „Was hat der Mensch an“ (30.05.2020, 23:43:49 Uhr)
„Schreib ein bisschen“ (30.05.2020, 23:47:42 Uhr)
183
… („wavymarsh“) antwortete „roughpalm“:
„Ok“ (30.05.2020, 23:52:01 Uhr), „Bruder“ (30.05.2020, 23:52:04 Uhr), „Schau für diese“ (30.05.2020, 23:52:11 Uhr)
„roughpalm“ schrieb an … („wavymarsh“):
„Geh“ (30.05.2020, 23:53:26 Uhr), „Ok“ (30.05.2020, 23:53:28 Uhr)
184
Die nachfolgenden, vom Sprachsachverständigen … übersetzten und in Augenschein genommenen EncroChats zwischen … und … vom 31.05.2020 aus dem Sonderband TEA I, Bl. 107 und 108 betrafen bereits bezahlte und/oder möglicherweise noch zu zahlende Beträge, jedoch ohne dass sich zur Überzeugung der Kammer ein eindeutiger Schluss auf die Person des Angeklagten ergeben hätte.
185
… („navytwig“) schrieb an … („wavymarsh“):
„Wieviel hat dir der in München gegeben“ (31.05.2020, 22:20:03 Uhr)
186
… („wavymarsh“) schrieb an … („navytwig“):
„Weil ich weiß wieviel Geld“ (31.05.2020, 22:20:08 Uhr)
187
… („navytwig“) schrieb an … („wavymarsh“):
„Rechne noch die 4500“ (31.05.2020, 22:20:11 Uhr)
188
… („wavymarsh“) schrieb an … („navytwig“):
„Habe ich dem Cufa geschickt“ (31.05.2020, 22:20:13 Uhr)
189
… („navytwig“) schrieb an … („wavymarsh“):
„Weil er den Fahrer bezahlt hat“ (31.05.2020, 22:20:26 Uhr)
190
… („wavymarsh“) schrieb an … („navytwig“):
„Der Münchner hätte geben müssen für das letzte Mal. 28/10400. Hat er mir gegeben einmal.
191
Und einmal 9500.“ (31.05.2020, 22:21:36 Uhr)
„Jetzt minus 4500“ (31.05.2020, 22:21:43 Uhr)
„Und 3600“ (31.05.2020, 22:22:15 Uhr)
„Er hat das für die Vergangenheit und“ (31.05.2020, 22:22:23 Uhr)
„das was er bekommen hat komplett“ (31.05.2020, 22:22:29 Uhr)
„Hat er“ (31.05.2020, 22:22:32 Uhr)
192
Die vom Zeugen KK … hierzu berichtete Interpretation der Polizei, die vorstehenden Nachrichten beträfen die Abrechnung von Zahlungen für 700 Gramm Kokain zum Grammpreis von 40 Euro, an den Angeklagten geliefert am 02.05.2020, ist lediglich rechnerisch ohne Zweifel zutreffend.
193
Auch in diesem Chat wird jedoch nicht der bei … als „Munchen“ gespeicherte Angeklagte so bezeichnet, sondern es ist die Rede von „der in München“ und „Der Münchener“.
194
Dass es in München im Jahr 2020 nur einen einzigen albanischen Drogenhändler gegeben hätte, ist nach Überzeugung der Kammer aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung in Betäubungsmittelsachen als ausgeschlossen zu betrachten.
195
… („navytwig“) antwortete … („wavymarsh“):
„Ok“ (31.05.2020, 22:22:33 Uhr)
„40“ (31.05.2020, 22:23:04 Uhr)
„Hat er“ (31.05.2020, 22:23:07 Uhr)
196
Die weitere, vom Zeugen KK … hierzu berichtete Interpretation der Polizei, mit „40“ seien jetzt geschuldete 40.000 Euro für die Lieferung von 1 Kilogramm Kokain gemeint, ist nachvollziehbar, beweist aber nichts für eine Täterschaft des Angeklagten.
197
Die nachfolgenden, vom Sprachsachverständigen … übersetzten und in Augenschein genommenen EncroChats vom 01.06.2020 aus dem Sonderband TEA I, Bl. 118 und 119 zwischen … und … betrafen erneut bereits bezahlte und/oder möglicherweise noch zu zahlende Beträge, jedoch ohne dass sich hieraus weitergehende Erkenntnisse ergeben hätten, insbesondere auch kein eindeutiger Schluss auf die Person des Angeklagten.
198
… („navytwig“) schrieb an … („wavymarsh“):
„Hör zu berechne es dem für den Münchener“ (01.06:2020, 22:21:32 Uhr)
„Wieviel er dir komplett gegeben hat und was er die schuldet“ (01.06.2020, 22:21:39 Uhr)
„28 geschuldet plus das was er dir gegeben hat“ (01.06.2020, 22:22:12 Uhr)
„Das heißt er hat auch noch den Transport bezahlt“ (01.06.2020, 22:22:18 Uhr)
„4500“ (01.06.2020, 22:22:19 Uhr)
„Berechne es und mach dir Notizen wieviel er dir noch schuldet“ (01.06.2020, 22:22:33 Uhr)
199
… („wavymarsh“) schrieb an … („navytwig“):
„Er gab mir 6000“ (01.06.2020, 22:25:02 Uhr)
„Das heißt 2400“ (01.06.2020, 22:25:14 Uhr)
„Hat er bezahlt“ (01.06.2020, 22:25:21 Uhr)
„Von dem““ (01.06.2020, 22:25:31 Uhr)
200
… („navytwig“) schrieb an … („wavymarsh“):
„Und von dem was übrig geblieben ist“ (01.06.2020, 22:25:34 Uhr)
„Von den 40“ (01.06.2020, 22:25:37 Uhr)
201
… („wavymarsh“) schrieb an … („navytwig“):
„Hat er genommen“ (01.06.2020, 22:25:44 Uhr)
202
… („navytwig“) schrieb an … („wavymarsh“):
„Ok“ (01.06.2020, 22:25:47 Uhr)
203
… („wavymarsh“) schrieb an … („navytwig“):
„Noch 37600“ (01.06.2020, 22:26:10 Uhr)
204
… („navytwig“) schrieb an … („wavymarsh“):
„Ok“ (01.06.2020, 22:26:13 Uhr)
205
Die Richtigkeit der Feststellungen unter III. 2. zu diesem Kokaingeschäft des gesondert Verfolgten … wird ferner - zumindest indiziell - bestätigt durch die im allseitigen Einverständnis verlesene Erklärung von dessen Verteidiger Rechtsanwalt … vom 25.10.2021 im Strafverfahren gegen … u.a. wegen BtMG beim Landgericht Nürnberg, Az. 7 KLs …, die in der dortigen Hauptverhandlung für den dortigen Angeklagten … abgegeben wurde, und die der Kammer durch die Staatsanwaltschaft vorgelegt wurde (Anlage 11 zum Hauptverhandlungsprotokoll).
206
In dieser wurde vom Verteidiger (unter 4. der Erklärung) für den dortigen Angeklagten … erklärt, dass … am 30.05.2020 in den Niederlanden 3 Kilogramm Kokain für 84.000 Euro kaufte. Durch einen von ihm beauftragten Kurier sei das Kokain an einem Grenzübergang Nijmwegen und Kleve in die Bundesrepublik eingeführt worden. 1 Kilogramm des Kokains sei sofort weiterveräußert worden.
207
Mit einem weiteren Kilogramm Kokain sei dann von … dafür gesorgt worden, dass das Kokain, insgesamt 3 Kilo, zum Weiterverkauf nach Albanien transportiert worden sei.
208
Der Verlesung auch dieses Teils der Verteidigererklärung stand nach Überzeugung der Kammer vorliegend nicht entgegen, dass die Staatsanwaltschaft vorrangig die Einvernahme des anderweitig Verfolgten … und hilfsweise der Richterin am Landgericht Nürnberg … (als beisitzende Richterin in der Hauptverhandlung vom 25.10.2021 gegen … Az. 7 KLs … als Zeugen beantragte (Anlage 9 zum Hauptverhandlungsprotokoll).
209
Der Verteidiger des anderweitig Verfolgten … Rechtsanwalt …, hatte dem Vorsitzenden der Kammer - nach Rücksprache mit seinem Mandanten … - mit Fax vom 27.10.2021 mitgeteilt, dass der Zeuge … sich auf sein Auskunftsverweigerungsrecht berufe und in der hiesigen Hauptverhandlung keine Angaben machen werde (Anlage 10 zum Hauptverhandlungsprotokoll). Die Zeugin … hatte dem Vorsitzenden am 27.10.2021 auf telefonische Rücksprache hin mitgeteilt, dass sie über den Inhalt der verlesenen Erklärung für … hinaus keine Angaben machen könne. Der dortige Angeklagte … habe in der gegen ihn beim Landgericht Nürnberg geführten Hauptverhandlung über die von seinem Verteidiger Rechtsanwalt … verlesene Erklärung hinaus lediglich erklärt, dass er über keine Erlaubnis nach dem Betäubungsmittelgesetz verfügt habe. Weitere Angaben zur Sache habe der Angeklagte … nicht gemacht.
210
Die Beweisaufnahme hat auch hier nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit zur Überzeugung der Kammer ergeben, dass der Angeklagte mit dem gesondert verfolgten … das ihm unter 2. der Anklageschrift (oben unter II. 2.) zur Last gelegte Betäubungsmittelgeschäft durchgeführt hat.
211
Wie bereits bei der obigen Beweiswürdigung zur unter III. 1. festgestellten Tat dargelegt wurde, ergab die Beweisaufnahme zwar zweifelsfrei, dass der gesondert Verfolgte … über die telefonischen Kontaktdaten des Angeklagten verfügte, die er in seinem Mobiltelefon Samsung bei „Viber“ als Telefonkontakt „Munchen“ mit der Telefonnummer +49 … und zusammen mit einem Foto des Angeklagten gespeichert hatte.
212
Aus den in Augenschein genommenen und vom Dolmetscher … als Sprachsachverständigem übersetzten EncroChat-Protokollen (Sonderband Anlagen zum Haftbefehlsantrag, TEA I) ergab sich auch eine Reihe von möglichen Anhaltspunkten dafür, dass … 1 Kilogramm des von ihm am 30.05.2020 in den Niederlanden angekauften Kokains nach München oder in den Raum München weiterverkaufte.
213
Am 26.05.2020 schrieb … („navytwig“) an … („wavymarsh“):
„Hej, ist Geld für 5 Stück“ (26.05.2020, 20:00:46 Uhr)
„Schick erst mal 3 los“ (26.05.2020, 20:00:55 Uhr)
„Erst 2“ (26.05.2020, 20:00:57 Uhr)
„Mach nicht umsonst komplett Weg, sondern schick ihm direkt eins“ (26.05.2020, 20:01:08 Uhr; „Weg“ ist nach den Ausführungen des Sprachsachverständigen … die Übersetzung, wenn im albanischen Originaltext nur ein Schreibfehler vorliegt)
„Ihm“ (26.05.2020, 20:01:13 Uhr)
„München“ (26.05.2020, 20:01:15 Uhr; nach den Ausführungen des Sprachsachverständigen … ist die Übersetzung von „Munhen“ im albanischen Originaltext mit „in München“ in TEA I nicht zutreffend)
214
Die Interpretation hierzu, dass … seinen Bruder … aufforderte, 1 Kilogramm Kokain zu „ihm“, „München“ zu schicken ist zwar möglich, aber bereits nicht zwingend, zumal nach den vom Zeugen KK … berichteten polizeilichen Erkenntnissen die … auch mit Marihuana im Kilogrammbereich handelten.
215
Dass der als. „Munchen“ bei … gespeicherte Angeklagte der Empfänger („München“ bzw. „Munhen“) sein sollte, ist dagegen nach Überzeugung der Kammer im Rahmen des Chats vom 26.05.2020 eine reine Vermutung, zumal nach Aussage des Zeugen KK … die EncroChat-Daten von … nur für den Zeitraum von Anfang April bis Anfang Juni 2020 existierten. Es konnte bereits deshalb überhaupt nicht festgestellt werden, ob die Brüder … nicht bereits vor dieser Zeit zu anderen Betäubungsmittelabnehmern in und/oder um München Kontakte geknüpft hatten.
216
Ebenfalls am 26.05.2020 schrieb … („wavymarsh“) an … („navytwig“):
„Ich hab‘s ihm wegen dem Preis gesagt“ (26.05.2020, 20:38:18 Uhr)
217
… („navytwig“) schrieb an … („wavymarsh“):
„Was hat er gesagt“ (26.05.2020, 21:02:08 Uhr)
218
… („wavymarsh“) antwortete … („navytwig“):
„28“ (26.05.2020, 21:09:26 Uhr)
„Hat es mir gerade gesagt“ (26.05.2020, 21:09:31 Uhr)
219
Wie der Sprachsachverständige … darlegte, ist die Übersetzung des albanischen Originaltexts mit „Pro Tüte hat er mir gesagt“ im Sonderband nicht richtig. Das albanische Wort für.„Tüte“ sei im Originaltext nicht vorhanden.
220
… („navytwig“) schrieb etwas später noch an … („wavymarsh“):
„Er soll erst mal 3 losschicken“ (26.05.2020, 21:10:08 Uhr)
221
Auch in der Zusammenschau mit den weiteren in Augenscheingenommenen Chats ergibt sich nach Überzeugung der Kammer aus den vorstehend dargelegten fünf Chatprotokollen weder ein Bezug zu München, noch irgendein Bezug zum Angeklagten. Die Chats bestätigen lediglich die Aktivitäten der Brüder … beim Ankauf von Betäubungsmitteln.
222
Gleiches gilt nach Überzeugung der Kammer für die nachfolgend dargestellten acht Chats vom 27.05.2020.
223
… („navytwig“) schrieb an … („wavymarsh“):
„Wie bist du mit deqen verblieben“ (27.05.2020, 11:32:58 Uhr
„Red mit dem dewen wann er den Fahrer losschicken kann“ (27.05.2020, 11:56:56 Uhr)
224
… („wavymarsh“) schrieb an … („navytwig“):
„Habe geschrieben“ (27.05.2020, 12:03:36 Uhr)
„Damals“ (27.05.202, 12:03:42 Uhr)
„Er sagte am Wochenende“ (27.05.2020, 12:55:27 Uhr)
„Der Fahrer“ (27.05.2020, 12:55:34 Uhr; weiteres Wort (bahet) nach den Ausführungen des Sprachsachverständigen … nicht Albanisch)
„Braqq“ (27.05.2020, 12:55:41 Uhr; ergibt nach den nach den Ausführungen des Sprachsachverständigen … auf Albanisch keinen Sinn)
„Ich hab‘s ihm gesagt. Ok. Sprich mit ihm. 5 soll er uns auf die Seite legen“ (27.05.2020, 13:12:43 Uhr)
225
In den vorstehend bereits dargestellten Chats zwischen … und … am 30.05.2020 zwischen 12:44 23 Uhr und 12:58:13 Uhr über den Geruch der „gebrachten Ware“ schrieb … („navytwig“) zwar an … („wavymarsh“):
„Diese mit dem Geruch mach ein Zeichen drauf“ (30.05.2020, 12:58:08 Uhr)
„Das ohne Geruch schick nach München“ (30.05.2020, 12:58:13 Uhr)
226
Auch hier fehlt es nach Überzeugung der Kammer jedoch an jedem konkreten Bezug zum Angeklagten, der im Übrigen nicht in München, sondern in Ottobrunn wohnt.
227
Wie bereits dargelegt, ergibt sich der klarste Hinweis auf den Angeklagten aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern Blatt 9, 10, 11 (Sonderband TEA II) und die hierzu vom Sprachsachverständigen … übersetzten und in Augenschein genommen EncroChats vom 30.05.2020, 17:49:23 Uhr bis 18:06:36 Uhr, mit denen … („wavymarsh“) schließlich „roughpalm“ die Zieladresse für die Kurierfahrt am 30.05.2020 mit … mitteilte.
228
Der Zeuge KK … gab zudem an, dass der Angeklagte selbst in einem WhatsApp-Chat seines am 30.04.2021 sichergestellten Mobiltelefons Apple iPhone 12 mit der Telefonnummer +49 … einer (bisher nicht identifizierten) Person die … als Treffanschrift genannt hatte.
229
Dies wurde bestätigt durch die glaubhafte Aussage des Zeugen KOK …, der die beim Angeklagten sichergestellten Mobiltelefone ausgewertet und in dessen Apple iPhone 12 den nachfolgend dargestellten Chat gefunden hatte.
230
Die Verlesung der WhatsApp-Chats Nr. 6 bis 10 aus dem Sonderband TEA Auswertung Mobiltelefone ergab folgendes.
231
Der Angeklagte schrieb darin am 29.04.2021 um 18:01:08 Uhr an den Chat-Partner: „kommst …“
232
Der Chat-Partner antwortete um 18:01:59 Uhr: „adresse brate“
233
Der Angeklagte erwiderte um 18:02:33 Uhr: „ste…“, was der Chat-Partner um 18:03:00 Uhr mit … bestätigte und hierauf nochmals vom Angeklagten um 18:06:42 Uhr die Bestätigung „ja“ erhielt.
234
Die Kammer verkennt nicht, dass insbesondere die Bekanntschaft des Angeklagten mit …, die Speioherung in dessen Handy mit Profilbild, der Wohnort des Angeklagten in der … und die Zieladresse … in … für den Kurier am 30.05.2020 Indizien sind, die - im Sinne des Anklagevorwurfes II. 2. - gegen den Angeklagten sprechen.
235
Der Schluss von Polizei und Staatsanwaltschaft, dass der Angeklagte die als 2. angeklagte Tat begangen hat, ist auch aus Sicht der Kammer eine mögliche Beurteilung, jedoch keineswegs die einzig mögliche Beurteilung.
236
Die Kammer ist vielmehr insbesondere aufgrund durch die Beweisaufnahme nicht aufklärbarer Lücken des Tatgeschehens und zu Gunsten des Angeklagten bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigender Umstände nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat vom 30.05.2020 tatsächlich begangen hat.
237
Durch die in der Hauptverhandlung durchgeführte Beweisaufnahme konnte - wie vorstehend bereits wiederholt dargelegt - nicht geklärt werden, an wen der Kurier am 30.05.2020 an der genannten Zieladresse … das von … gelieferte Kokain übergab.
238
Die eindeutig nachgewiesene Verwendung der Adresse … durch den Angeklagten selbst erfolgte erst lange nach dem 30.05.2020, nämlich am 29.04.2021.
239
Der Zeuge KHK … konnte ferner aus eigener Anschauung die bauliche Situation in der … beschreiben. Er gab an, dass sich auf der rechten Seite Einfamilienhäuser mit größeren Gärten befänden, so auch das Haus Nr. 24. Links befänden sich Wohnblocks für jeweils mehrere Familien, wobei der Eingang zum Anwesen Nummer 23 etwas von der Straße entfernt und nicht so einfach zu erkennen sei wie das gegenüberliegende Anwesen Nummer 24.
240
Angesichts dieser Örtlichkeiten drängt sich der Schluss auf strafbares Handeln im Jahr 2020 bei Verwendung der leichter erkennbaren Hausnummer 24 als Treffadresse im Jahr 2021 durch den Angeklagten selbst keineswegs auf.
241
Die Beweisaufnahme ergab - jenseits der EncroChats Dritter - keinerlei konkrete Hinweise darauf, dass der Angeklagte mit Betäubungsmitteln handelte.
242
Wie der Zeuge KK … ferner angab, fanden sich bei der Telefonauswertung beim Angeklagten lediglich gewisse verklausulierte Hinweise, dass dieser mit Betäubungsmitteln handelte, ohne dass sich hieraus wirklich greifbare Erkenntnisse zu konkreten Taten ergeben hätten.
243
In diesem Zusammenhang hat die Kammer auch berücksichtigt, dass nach Aussage des Zeugen KOK … beim Angeklagten kein EncroChat-Kryptohandy sichergestellt wurde. Der Zeuge KOK … hatte ebenfalls die beim Angeklagten sichergestellten Mobiltelefone ausgewertet und bestätigte insoweit vollumfänglich die Angaben des Zeugen KK …
244
Wie der Zeuge KK … berichtete, war der, Angeklagte auch in keinem der EncroChats als Teilnehmer erschienen, was auch nur mit einem EncroChat-Kryptohandy möglich gewesen wäre.
245
Aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen KHK … steht fest, dass bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten in der … am Festnahmetag (30.04.2021) in dem vom Angeklagten mit Frau und zwei Kindern bewohnten Zimmer keine Betäubungsmittel, keine größeren Geldbeträge und auch keine Konsumutensilien gefunden wurden.
246
Im Zimmer des Bruders des Angeklagten, …, seien dagegen 10 Joints gefunden worden. Außerdem habe … der Polizei von sich aus ca. 30 Gramm Marihuana in einer Schuhschachtel unter dem Bett seiner Eltern gezeigt und erklärt, dieses gehöre auch ihm.
247
An einer in der Abstellkammer der Wohnung sichergestellten Feinwaage sei anschließend eine Untersuchung auf DNA-Spuren in Auftrag gegeben worden.
248
Aus dem im allseitigen Einverständnis verlesenen Gutachten des Instituts für Blutgruppenforschung vom 08.07.2021 (Bl. 297/298 d.A.) hierzu ergab sich zweifelsfrei, dass an dieser Feinwaage DNA von …, nicht aber vom Angeklagten festgestellt wurde.
249
Die toxikologische Sachverständige Prof. … konnte in ihrem Gutachten keine Aussagen zu einem etwaigen Drogenkonsum und/oder Drogenkontakt des Angeklagten im vorliegend relevanten Tatzeitraum treffen.
250
Die Sachverständige Prof. … führte aus, dem Angeklagten seien am 30.04.2021 im Institut für Rechtsmedizin Blut, Urin und Haare entnommen worden.
251
Bei der Urinuntersuchung seien zwei Kokain-Stoffwechselprodukte gefunden worden, während die Blutuntersuchung negativ auf Betäubungsmittel verlaufen sei. Hieraus könne man auf einen einige Tage zurückliegenden Kokainkonsum schließen.
252
Bei den untersuchten Haaren habe es sich um Beinhaare gehandelt, die einen Wachstumszyklus von ca. 6 Monaten aufwiesen. Die Haarprobe sei über die Gesamtlänge von 1,5 cm zur Untersuchung gelangt.
253
Es seien Cocain mit 0,22 ng/mg, Benzoylcgonin mit 0,021 ng/mg und THC mit 0,043 ng/mg nachgewiesen worden.
254
Im Vergleich zu bisher untersuchten Haarproben von Kokainkonsumenten handele es sich um niedrige Werte. Auch die Konzentration von THC liege im niedrigen Bereich.
255
Benzoylcgonin sei ein Stoffwechsel-, aber auch ein Hydrolyseprodukt von Cocain, so dass nicht auszuschließen sei, dass das Cocain vollständig oder zum Teil durch den Kontakt mit dem Betäubungsmittel in die Haare gelangt sei.
256
Mit der Haaruntersuchung werde der Zeitraum der vorliegend angeklagten Taten sicher nicht umfasst.
257
Der Angeklagte wurde auch bei keiner polizeilichen Observation bei Handlungen beobachtet, die auf Betäubungsmittelhandel schließen ließen.
258
Der Zeuge KK … als polizeilicher Sachbearbeiter berichtete glaubhaft, es habe im Zusammenhang mit dem Angeklagten … im Verlauf der Ermittlungen Erkenntnisse aus insgesamt 5 Observationen gegeben.
259
Ausgangspunkt seien Observationsmaßnahmen gegen … und … aufgrund von ermittlungsrichterlichen Beschlüssen des AG Nürnberg gewesen.
260
Am 02.02.2021 sei mittels technischer Hilfsmittel der Standort des Pkw Mercedes, S-Klasse, amtliches Kennzeichen … des … überwacht worden. Dabei sei festgestellt worden, dass … gegen 17:30 Uhr in Richtung München gefahren sei. In … bei München habe er sich von 19:02 Uhr bis 19:07 Uhr im Bereich … aufgehalten. Der … wo der Angeklagte wohne, verlaufe parallel zur … habe in der … von 19:02 Uhr bis 19:07 Uhr gehalten. Danach sei er noch in die Münchener Innenstadt gefahren und dort in der … von 19:31 Uhr bis 19:48 Uhr gehalten. Anschließend sei er wieder nach Nürnberg gefahren.
261
Bei einer Observation durch Beamte des K 45 Nürnberg sei am Nachmittag des 04.02.2021 festgestellt worden, dass … mit dem Pkw Golf (amtliches Kennzeichen …) von … der Lebensgefährtin von …, über die A 9 in Richtung München gefahren sei. Auf der Höhe der Ausfahrt Greding sei die Observation abgebrochen worden.
262
Ausweislich der TKÜ-Standorte sei … direkt nach … gefahren und habe sich dort kurz im Bereich … aufgehalten. Dieser Sendemast decke auch die … ab, wo der Angeklagte wohne.
263
Bei einer Observation am 16.02.2021 mit Unterstützung durch Beamte des K 82 München sei festgestellt worden, dass … mit seinem Pkw. Mercedes, S-Klasse, amtliches Kennzeichen … von Nürnberg Richtung München gefahren sei.
264
Der Zeuge KHK … hatte nach seiner glaubhaften Aussage an dieser Observation im Raum München teilgenommen. Er berichtete, ein schwarzer Pkw Mercedes, S-Klasse, amtliches Kennzeichen …, sei nach … in die … gefahren. Dort habe der Fahrer erst vor der Nummer 14 geparkt, sei ausgestiegen und habe wohl hinter einem Container gepinkelt. Dann habe er das Fahrzeug gewendet und vor der Nummer 21 gewartet. Der Angeklagte sei aus dem Anwesen … gekommen und ins wartende Fahrzeug gestiegen. Die beiden Männer seien dann über die … Richtung München zu einer Tankstelle gefahren und anschließend zu 2 Handy-Geschäften in München und … die beide schon geschlossen gewesen seien. Der Fahrer des Mercedes habe den Angeklagten dann zu seiner Wohnadresse zurückgebracht, wo er bei Nummer … auf sein Klingeln hin eingelassen worden sei. Der … Fahrer des Mercedes sei wieder nach München gefahren.
265
Eine Übergabe von Betäubungsmitteln oder möglichen Betäubungsmittelbehältnissen hatte der Zeuge KHK … nicht beobachtet.
266
Der Zeuge KK … gab ergänzend an, der Angeklagte sei bei dieser Observation durch seinen Wohnort und insbesondere einen Lichtbildabgleich eindeutig identifiziert worden.
267
Bei einer Observation am 27.02.2021 sei festgestellt worden, dass … am frühen Nachmittag mit dem Pkw Golf von … amtliches Kennzeichen … in Richtung München gefahren sei. Das Fahrzeug habe dabei beobachtet werden können, wie es in das Wohngebiet eingebogen sei, in dem sich die … befinde. Etwa 15 Minuten später sei das Fahrzeug beim Herausfahren beobachtet worden.
268
Das vermutete Treffen zwischen … und dem Angeklagten hätte durch Kräfte des ZEG München beobachtet werden sollen, was wegen der Örtlichkeiten jedoch nicht möglich gewesen sei.
269
Bei einer Observation am 10.03.2021 durch Beamte des K 82 München sei festgestellt worden, dass … mit seinem Pkw Mercedes, S-Klasse, amtliches Kennzeichen … - … von Nürnberg direkt nach Ottobrunn in die … gefahren sei.
270
Der Zeuge KHK …, der nach seiner glaubhaften Aussage Einsatzleiter dieser Observation war, gab an, die S-Klasse sei in Ottobrunn in der … aufgenommen worden, von wo sie nach Ottobrunn in die … gefahren sei. Um 15:16 Uhr sei der Angeklagte als Beifahrer ins Fahrzeug gestiegen, das dann nur zwei Querstraßen weiter gefahren sei. Der Angeklagte und der Fahrer - … - hätten sich bis 15:23 Uhr im Fahrzeug unterhalten. Dann sei der Pkw nur noch um den Block gefahren. Der Angeklagte sei ausgestiegen und in Richtung seines Wohnhauses gegangen, während der Mercedes-Fahrer zurück nach Nürnberg gefahren sei.
271
Der Angeklagte habe weder beim Einsteigen noch beim Aussteigen einen erkennbaren Gegenstand in der Hand gehabt.
272
Wie der Zeuge … zu den vorgenannten fünf Observationen weiter ausführte, wurden bei keiner dieser Maßnahmen irgendwelche Übergaben an den Angeklagten beobachtet. Der Inhalt der jeweiligen Gespräche mit dem Angeklagten sei nicht bekannt.
273
Weitere Observationen des Angeklagten habe es nicht gegeben. Der Angeklagte sei auch nie in Nürnberg bei Observationen aufgenommen oder anderweitig festgestellt worden.
274
Der Angeklagte ist schließlich auch in keiner Weise vorbestraft.
275
Nach Abwägung sämtlicher Beweisergebnisse war der Angeklagte insgesamt aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
276
Die Entscheidung über die Entschädigungspflicht der Staatskasse beruht auf § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, Nr. 4 StrEG.
277
Die Kostenentscheidung beruht auf § 267 Abs. 1 StPO.