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OLG München, Hinweisbeschluss v. 16.06.2021 – 9 U 3342/20 Bau
Titel:

Einzelfall, Honorar, Gestaltungsspielraum, Aufstockungsverlangen, Wirkung, Charakter, unmittelbare, konkludent, Gesetzgeber, Hinweise, treuwidrig, OLG, pauschal, unmittelbare Wirkung

Schlagworte:
Einzelfall, Honorar, Gestaltungsspielraum, Aufstockungsverlangen, Wirkung, Charakter, unmittelbare, konkludent, Gesetzgeber, Hinweise, treuwidrig, OLG, pauschal, unmittelbare Wirkung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 28.04.2020 – 5 O 13019/17
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 29.07.2021 – 9 U 3342/20 Bau
BGH Karlsruhe vom -- – VII ZR 830/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 55515

Tenor

1. Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.06.2021 wird aufgehoben.
2. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28.04.2020, Az. 5 O 13019/17, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis spätestens 13.07.2021.
4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 320.186,87 € festzusetzen.

Entscheidungsgründe

1
Der Senat weist darauf hin, dass das Aufstockungsverlangen der Klägerin von konkludent Ende 2014 pauschal vereinbarten 102.200 € netto auf 365.358,64 € netto jedenfalls im vorliegenden Einzelfall praeter legem treuwidrig sein dürfte, weil es sich auf irreparabel unionsrechtswidrige HOAI-Mindestsätze stützt (OLG München, Hinweise vom 07.07.2020, 9 U 2001/19 - juris). Ohne jeden Gestaltungsspielraum musste der nationale Gesetzgeber den zwingenden Charakter der HOAI-Mindestsätze beseitigen. Das spricht auch für die ausnahmsweise unmittelbare Wirkung der EU-Dienstleistungsrichtlinie (Deckers, ZfBR 2020, 605).
2
Da die Klägerin nicht Architektin ist, hätte sie die Beklagte zudem auf diesen Umstand hinweisen müssen einschließlich der Absicht, wegen Nichtzustandekommens des GÜ-Vertrags die dann allein beauftragten Architektenleistungen nach HOAI-Mindestsätzen abrechnen zu wollen (Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl. 2020, 11. Teil, Rdnr. 273; weitergehend OLG Köln, Urteil vom 10.12.1999, 19 U 19/99 - juris, gegen die Anwendbarkeit der HOAI, wenn statt einem vorgesehenen schlüsselfertigen Bau nur der Planungsteil erbracht wird). Aus dem unterlassenen Hinweis dürfte eine weitere Treuwidrigkeit der Klägerin folgen, zumal bei richtiger Aufklärung die Beklagte es in der Hand gehabt hätte, die HOAI-Mindestsätze durch Abschluss eines GÜ-Vertrags mit der Klägerin oder einem Dritten zu vermeiden (vgl. zum doloagit-Einwand BGH, Urteil vom 06.10.2016, VII ZR 185/13 - juris).
3
Daher dürfte es bei dem konkludent vereinbarten Honorar aus dem GÜ-Angebot der Klägerin bleiben.
4
Im Hinblick auf die Treuwidrigkeit des Aufstockungsverlangens dürfte im vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidend sein, ob und welche unmittelbaren Rechtswirkungen die EU-Dienstleistungsrichtlinie und das Urteil des EuGH vom 04.07.2019 (C-377/17) entfalten. Der Aussetzungsantrag dürfte daher keinen Erfolg haben und keine grundsätzliche Bedeutung der Sache vorliegen.