Titel:
Voraussetzung der Erbunwürdigkeit wegen Urkundenunterdrückung
Normenkette:
BGB § 2229 Abs. 4, § 2339 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2
Leitsätze:
1. Die pauschale Behauptung einer bestrittenen Demenz des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung ist nicht ausreichend, um in eine Beweisaufnahme über die Testierunfähigkeit einzutreten. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Urkundenunterdrückung iSd § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB liegt nur dann vor, wenn ein gültiges Testament vernichtet oder nicht dem Nachlassgericht vorgelegt wird. Nicht ausreichend ist es, wenn andere Schriftstücke außerhalb des Testaments vernichtet oder nicht vorgelegt werden. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erbunwürdigkeit, Urkundenunterdrückung, Testament, Vernichtung, Nichtvorlage, Demenz, pauschale Behauptung, Beweisaufnahme
Fundstelle:
BeckRS 2021, 55249
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 18.750,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Erbunwürdigkeit der Beklagten nach dem Tod der Mutter beider Parteien, Frau T. P. senior, geboren am ... 1920, verstorben am ... 2016.
2
Beim Amtsgericht Altötting - Nachlassgericht - wurden am 24.11.2016 das Schriftstück vom 20.11.2005, Testament vom 09.12.2009 und Testament vom 11.12.2012 eröffnet.
3
Die Beklagte war Betreuerin des gemeinsamen Bruders H. P., der über einen Zeitraum von nahezu 20 Jahren bis zu seinem Tod im Dezember 2020 in einem Seniorenheim in Tü. wohnte.
4
Die Klägerin trägt vor, die Erblasserin habe mit Verfügung vom 20.11.2005 die Guthaben der Bankverbindungen bei der Rb Em., Kto.-Nr. ... und ... an die Beklagte für den Umbau verschenkt. Das Konto mit der Nummer ... sei im Nachlassverzeichnis der Beklagten vom 17.02.2000 nicht mehr aufgeführt. Auf dieses Konto seien die Mieteinnahmen aus dem Vermietungsobjekt in der H1.straße 4 in Em. und Untertürken einbezahlt worden. Die jährlichen Mieteinnahmen hätten laut Steuerbescheid des Finanzamtes Bu. für die H1.straße 4 42.000 € und für Untertürken 6.000 € betragen. Die Mieteinnahmen der Erbengemeinschaft nach dem Vater der Klägerin, bestehend aus dem Bruder der Klägerin, der Klägerin und der Beklagten seien in der Zeit ab 01.11.1992 auf die Bankverbindung Kto.-Nr. ... einbezahlt worden. Es habe sich hier um das Hauskonto für das Vermietungsobjekt H1.straße 4 in 8... E. gehandelt. Wie bereits in den Schriftsätzen vom 03.09.2020 am 22.12.2020 im Verfahren 5 O 2252/17 zusammengefasst dargestellt veruntreute die Beklagte gegenüber der Erblasserin, dem Bruder der Klägerin und der Klägerin selbst ca. 700.000 €. Diese Berechnungen würden auf den Steuerbescheiden der Finanzämter Bu. und Tr. vom 31.01.2019 und 01.02.2019 beruhen. Bei der Erbauseinandersetzung nach dem Vater der Klägerin, Herrn P. senior, am 11.12.2012 seien die Guthaben auf den Bankverbindungen bei der Rb Em. mit den Kto.-Nr. ... und ... nicht auseinandergesetzt und nicht ausbezahlt worden. Diese beträchtlichen Mieteinnahmen seien dem Betreuungsgericht im Betreuungsverfahren des Bruders nicht bekannt gewesen und seien von der Beklagten bei der jährlichen Rechnungslegung nicht angegeben worden. Die Einzahlungen der Mieteinnahmen würden sich aus dem Fragment des Notariat habe, welche sich in der Zivilakte des Landgerichts Tr. mit dem Aktenzeichen 5 O 2252/17 befindet, ergeben. Die Mutter der Klägerin, die Erblasserin habe in der Verfügung vom 20.11.2005 aufgrund einer arglistigen Täuschung der Beklagten über deren Anteile an den Mieteinnahmen an der Erbengemeinschaft nach dem Vater, welche diese Einnahmen vorschriftsmäßig gegenüber dem Finanzamt in Bu. auch versteuert hätten, verfügt. Die Erblasserin habe gelegentliche Überweisungen von diesen Konten getätigt und sei der Meinung gewesen, bei dieser Verfügung handele es sich um ihr eigenes Vermögen. Rechtlich betrachtet habe die Erblasserin durch ihre Verfügung vom 20.11.2005 in Wirklichkeit einer Veruntreuung zum Nachteil der Kinder H2. P. junior und An. W. begangen. Mit Übertragung der Bankverbindung und des entsprechenden Guthabens am 28.12.2012 habe die Erblasserin erneut eine Veruntreuung zulasten der vorgenannten Kinder wegen argloser Täuschung der eigenen Tochter begangen. Daher sei die Beklagte erbunwürdig.
5
Unter Einbeziehung des erstellten Verzeichnisses zum Nachlass der Erblasserin vom 17.02.2017 habe die Erblasserin in Vor- und Nacherbfolge über Modeschmuck und Sperrmüll befunden. Der zuständige Notar habe für die Abfassung des notariellen Verzeichnisses daneben Zähne und Hörgerät vorgelegt. Die Erblasserin habe das Testament vom 09.12.2009 am 27.08.2012 bestätigt, da an diesem Datum der Auftrag zur Fertigung eines Schätzgutachtens im Vorfeld der Erbenauseinandersetzung nach dem Vater der Klägerin, Herrn P. senior, bezüglich der H1.straße 4 in Em. an Herrn L1. L2. erteilt worden sei. In der Mailnachricht vom 04.07.2018 verweise die Freundin der Beklagten, Frau G. R., auf eine Schenkung der Erblasserin aus dem Jahre 1982 an die Beklagte und die Klägerin. Bei der Abfassung des Testaments vom 09.12.2009 sei diese Schenkung der Erblasserin selbst offensichtlich nicht mehr erinnerlich oder bekannt gewesen. Sämtliche Ausführungen in diesem Testament würden sich fast deckungsgleich in den Ausführungen der Beklagten gegenüber dem Zivilgericht am Landgericht Tr. vom 04.07.2018 im Verfahren 5 O 2252/17 befinden. In der Konsequenz würde das Testament vom 09.12.2009 bedeuten, die Erblasserin habe ihren eigenen innigsten geliebten Sohn, Herrn P. junior, enterbt, nachdem sie zuvor im Testament vom 20.11.2005 seine Mieteinnahmen durch arglistige Täuschung veruntreut habe. Und danach habe die Erblasserin noch mal durch arglistige Täuschung (Übertragung der Bankverbindung am 28.12.2012 auf die Beklagte) nochmals die Mieteinnahmen des Bruders veruntreut. Soweit die Beklagte im Verfahren vor dem Landgericht Tr. 5 O 2252/17 angebe, sie habe noch eine Ausstattung für ein Wohnzimmer erhalten, ist dies nur insoweit richtig, als die Beklagte einen Wohnzimmerumbau gemacht habe.
6
Im Testament vom 11.12.2012 seien keine vereinzelten vererbten Bankverbindungen mehr aufgeführt. Weshalb die Erblasserin nur gut 3 Monate nach der Bestätigung des Testaments vom 09.12.2009 ein weiteres Testament errichtet habe, liege darin begründet, dass die Erblasserin wohl bereits massiv unter einer fortschreitenden Demenz gelitten hätte. Das Datum des Testamentes stimme mit der Erbauseinandersetzung nach dem Vater der Erblasserin exakt überein. Da das Fragment am 27.03.2020 der Klägerin zugegangen sei, seien die entsprechenden Fristen eingehalten. Ein Verzeihen der Erblasserin sei nicht erfolgt, da die Erblasserin keine Kenntnis über die Anfechtungsgründe gehabt hätte. Die Erblasserin hätte ihrem innigst geliebten Sohn sicherlich kein Geld veruntreut und hätte diesen sicherlich nicht enterbt, wenn sie gewusst hätte, dass sie in ihrem Testament bzw. ihre Übertragungsverfügung vom 18.12.2012 die versteuerten Mieteinnahmen ihres Sohnes und der Klägerin veruntreut hätte. Die Klage auf Erbunwürdigkeit vom 24.03.2021 sei nachweislich am 26.03.2021 bei Gericht eingegangen. Eine Verfristung könne nicht nachvollzogen werden. Die Erbengemeinschaft nach dem Vater sei nicht vollständig auseinandergesetzt worden. Der Klägerin würden weiterhin durch die VR Bank in Em. die Einsicht in die entsprechenden Kontounterlagen zum Konto Nr. ... verweigert. Die Beklagte hätte ein Darlehen in Höhe von 135.000 DM zur Vermietbarmachung des Mietobjekts H1.straße 4 aufgenommen. Darlehensnehmer seien die Parteien und H. P. junior gewesen. Von der Darlehensaufnahme hätte die Klägerin keine Kenntnis gehabt. Schenkungen unter Anrechnung auf elterliche Pflichtteilsansprüche seien in den Entwürfen der Nachlassverzeichnisse nach der Mutter nicht zutreffend aufgeführt. Hierin liege eine Urkundenunterdrückung. Diese sei der Klägerin erst im Februar März 2021 bekannt geworden. Nach dem Erblasser H2. P. senior sei eine vollständige Auseinandersetzung nicht erfolgt, da die Mieteinnahmen tatsächlich nicht aufgeteilt worden sein. Auch hinsichtlich des Bruders liege eine Erbunwürdigkeit der Beklagten vor.
7
Die Klägerin beantragt zu erkennen:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte in der Nachlassangelegenheit nach Frau T. P. senior, geboren am ... 1920, verstorben am ... 2016 (Amtsgericht Altötting, GZ VI 1192/16) erbunwürdig ist.
8
Die Beklagte beantragt zu erkennen
9
Die Beklagte trägt vor, die Ansprüche der Klägerin seien gemäß § 2340 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 2082 BGB verjährt. Der Tod der gemeinsamen Mutter der Parteien am 05.11.2016 liege fast viereinhalb Jahre zurück. Alle Umstände, die in unkoordinierter Weise von der Klägerin vorgetragen würden, seien dieser seit Jahren bekannt und seien in verschiedenen Vorfahren breitgetreten worden. Eine arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung zulasten der Mutter sei nicht gegeben. Zudem sei die Klage nicht alsbald zugestellt worden. Die Klage datierte vom 24.03.2021 und sei am 22.07.2021 zugestellt worden. Zudem hätte die Klägerin mit Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses am 27.03.2020 Kenntnis von allen Umständen gehabt, die zur Anfechtung berechtigen könnten. Tatsächlich habe der Kenntnisstand jedoch bereits wesentlich früher vorgelegen. Die Klägerin habe bereits ab dem Tod der gemeinsamen Mutter der Parteien, jedenfalls in den Jahren 2017 - 2020 bereits die entsprechenden Behauptungen aufgestellt. Die Klägerin habe gegenüber der Beklagten eine Unterlassungserklärung hinsichtlich des Untreuevorwurfs in einer Größenordnung von mehreren 100.000 € abgegeben. Die Klägerin trage nicht vor, dass die Erblasserin eine Verfügung von Todes wegen unter dem Gesichtspunkt der arglistigen Täuschung oder Drohung errichtet hätte. Die vermögensrechtlichen Behauptungen würden nicht den Tatbestand der Erbunwürdigkeit begründen, da es schon an der Kausalität bezüglich des Errichtungswillens der Erblasserin fehle. Zudem hätten die Fragen der Pflichtteilergänzung keinen Belang für die Frage der Erbunwürdigkeit. Die Erblasserin sei bis zu ihrem Tode über einem Zeitraum von 30 Jahren gesundheitlich, insbesondere in ihrer Mobilität beeinträchtigt gewesen. Sie habe vollkommen integriert im Haushalt der Beklagten gelebt. Sie sei bis zu ihrem Tod nur körperlich, keineswegs geistig beeinträchtigt gewesen. Demenz habe nicht vorgelegen. Die Erblasserin hätte großes Interesse für die umfangreichen Arbeiten, insbesondere die Sanierungsmaßnahmen bezüglich der verschiedenen Immobilien gehabt. Die Immobilien seien nach dem Tod des von der Erblasserin geschiedenen H. P. senior 1992 sämtliche in einem schlechten Zustand gewesen. Die Familie P.hätte mehrere 100.000 € Darlehen aufnehmen müssen, um die notwendigen Sanierungsmaßnahmen durchführen zu können. Die Immobilien seien zunächst nicht vermietbar gewesen. Erst nach den umfangreichen baulichen Maßnahmen hätte nach und nach eine Vermietbarkeit hergestellt werden können. Mit diesen Mieteinnahmen sei dann über die Jahre und Jahrzehnte ein Fundament dafür geschaffen worden, dass zum einen die Schulden abgetragen hätten werden können und zum anderen schuldenfreie Immobilienwerte entstanden seien. Die Beklagte hätte ihren Beruf vorzeitig beendet mit einem niedrigen Renteneinkommen, um sich um ihre Mutter und die familiären Aufgaben insbesondere im Substanzbereich der Immobilien kümmern zu können. Die Betreuungsberichte und jährlichen Abrechnungen der Beklagten im Zusammenhang mit der Betreuung ihres Bruders seien vom Amtsgericht Altötting geprüft und niemals beanstandet worden. Herr H2. P. junior hätte sich unabhängig von seiner Erkrankung selbst um seine Einkünfte bzw. Vermögenswerte gekümmert. Er habe bis zu seinem Tod, insbesondere durch die Auszahlung seiner Miteigentumsanteile, ein beträchtliches Vermögen angesammelt. Aufgrund des bestehenden Nießbrauchs hätte die Erblasserin ein Einkommen von 1800 € monatlich gehabt, mit dem sie ihren Lebensunterhalt gestaltet hätte. Sie habe mietfrei im Haus der Beklagten gewohnt, an dem sie eigentumsmäßig nicht beteiligt gewesen sei. Die Erblasserin hätte gehobene Kleidung getragen, für die wegen ihrer vorangegangenen Krebserkrankung (Brustamputation) ein spezielles Design erforderlich gewesen wäre. Sie hätte auch über teuere Hörgeräte, Spezialstühle mit elektrischem Antrieb, Spezialschuhe etc. verfügt. Sie habe sich regelmäßig die Haare schneiden und färben lassen. Ein Wechsel der Erblasserin in ein Alten-/Seniorenheim wäre nicht in ihrem Willen gewesen.
10
Mit Urkunde vom 11.12.2012 sei die Erbauseinandersetzung nach dem Vater der Parteien vollständig erfolgt. So laute Ziffer 2.3 der Urkunde „Die Erbengemeinschaft ist nach Angabe vollständig auseinandergesetzt“. An dem Anwesen Z., nicht Untertürken, sei die Klägerin bis 2012 Eigentümerin mit einer Quote von 66 % gewesen. Mit je 16 % hätten Eigentumsanteile für die Beklagte und dem Bruder H. P. bestanden. Bezüglich des Anwesens H1.straße 4 in Em. sei Frau T. P. junior mit 66 % Anteilseigentümerin gewesen, die Klägerin und der Bruder H. P. zu je 16 %. Das Anwesen Em. H1.straße 4a gehöre den Prozessparteien nach wie vor je zur Hälfte. Ein Teilungsversteigerungsverfahren sei anhängig. Dieses Anwesen liege unmittelbar neben dem Grundstück der Beklagten M. straße 16 in Em.. Durch die Auseinandersetzung am 11.12.2012 seien die Anwesen Z. und H1.straße 4 in Em. in das Alleineigentum der Beklagten übertragen worden. Die Auszahlungen an die Klägerin und den gemeinsamen Bruder seien erfolgt. Anfechtungen seien nicht erklärt worden. Die Erblasserin hätte bezüglich der Anwesen Z. und H1.straße 4 einen Nießbrauch je zur Hälfte gehabt. Die Mieteinnahmen seien auf das Konto bei der Rb. Kto.-Nr. ... eingegangen. Kontoinhaber seien bis 2012 alle 4 Beteiligten gewesen. Ab 2012 sei die Beklagte Alleineigentümerin dieses Kontos gewesen. Die wesentlichen Mieteinnahmen seien wieder in die Anwesen investiert worden. Die Erblasserin hätte einen 100 %en Nießbrauch für das Anwesen H1.straße 4a gehabt, der sie verpflichtet hätte, an Reparaturen und Investitionen anteilig mitzuwirken. Auf Anforderung der Klägerin sei nach dem Tod der Mutter am 05.11.2016 ein notarielles Nachlassverzeichnis errichtet worden. Zur Besprechung des notariellen Entwurfs des Nachlassverzeichnisses am 09.07.2019 erschien die Klägerin ohne Entschuldigung nicht. Sie sei auch nicht vertreten worden. Das Anwesen H1.straße 4a sei kein Nachlassgegenstand. Die Einkünfte der Erblasserin auf Grundlage des Nießbrauch seien steuerlich erfasst und die Steuerbescheide würden vorliegen. Bei ihrem Tode habe die Erblasserin nicht mehr über Immobilienvermögen verfügt.
11
Die Klage wurde der Beklagten am 22.07.2021 zugestellt, nachdem am 05.07.2021 der Kostenvorschuss durch die Klägerin eingezahlt wurde.
12
Gemäß Beschluss vom 13.10.2021 wird mit Zustimmung beider Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden. Als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, wurde der 10.11.2021 bestimmt.
Entscheidungsgründe
13
Die zulässige Klage ist unbegründet.
14
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der Erunwürdigkeit der Beklagten gemäß § 2339 BGB.
15
1. Eine Erbunwürdigerklärung kommt hinsichtlich der Verfügung vom 20.11.2005 nicht in Betracht, da es sich hierbei nicht um eine letztwillige Verfügung handelt. Gemäß der Legaldefinition in § 1937 BGB liegt eine letzwillige Verfügung bzw. ein Testament vor, wenn der Erblasser durch einseitige Verfügung von Todes wegen seine Erben bestimmt. Im Schriftstück vom 20.11.2005 trifft die Erblasserin keine Anordnung für den Fall ihres Todes, sondern überträgt nach dem Inhalt des Schriftstücks lediglich das Guthaben auf zwei Konten bei der Rb. Em. unter Lebenden. Aber auch wenn ein Testament in diesem Schriftstück gesehen wird, wäre eine Feststellung der Erbunwürdigkeit hinsichtlich dieses Testaments gemäß § 2339 Abs. 2 BGB nicht möglich, da es durch die nachfolgenden Testamente jedenfalls gemäß § 2258 BGB widerrufen worden wäre.
16
2. In Bezug auf das Testament vom 09.12.2009, bestätigt am 27.08.2012, ist eine Erbunwürdigkeitserklärung ebenfalls gemäß § 2339 Abs. 2 BGB nicht möglich, da dieses Testament durch das Testament vom 11.12.2012 gemäß § 2258 BGB widerrufen wurde. Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit der Erblasserin am 11.12.2012 liegen nicht vor. Allein die Behauptung einer Demenz, die nicht näher begründet wird und seitens der Beklagten bestritten wurde, reicht nicht aus, um eine Beweisaufnahme zu veranlassen. Soweit die Klägerin eine arglistige Täuschung der Erblasserin geltend macht und diese mit einer Veruntreuung begründet, sind diese Umstände der Klägerin schon weit vor dem März 2020 bekannt. So hat sie diese, wie sie selbst vorträgt, bereits im Verfahren 5 O 2252/17 geltend gemacht. Der Zugang eines Fragmentes eines notariellen Nachlassverzeichnisses nach Herrn H2. P. senior spielt hierfür keine Rolle. Somit ist jedenfalls die Frist gemäß § 2340 Abs. 3 BGB i.V.m. § 2082 BGB sowohl zum Zeitpunkt der Klageerhebung als auch zum Zeitpunkt der Klageeinreichung abgelaufen.
17
3. Hinsichtlich der letztwilligen Verfügung vom 11.12.2012 sind keine Anhaltspunkte für eine arglistige Täuschung der Erblasserin bei Errichtung des Testaments erkennbar und durch die Klägerin vorgetragen. Soweit die Klägerin behauptet, die Erblasserin hätte sie und ihren Bruder nicht enterben wollen, wenn sie Kenntnis von den Mieteinkünften gehabt hätte, ergibt sich daraus keine arglistige Täuschung in Hinblick auf die Errichtung des Testaments. Auch führt der Vorwurf der Veruntreuung der Mieteinnahmen durch die Erblasserin nicht zu einer Erbunwürdigkeit der Beklagten. Eine Kausalität der Unkenntnis der Erblasserin, dass es sich um Mieteinnahmen der Erbengemeinschaft handelt, und der Alleinerbeneinsetzung der Beklagten sind nicht ersichtlich. Vielmehr erscheint eine Enterbung der Klägerin und ihres Bruders noch nachvollziehbarer, wenn die Erblasserin gewusst hätte, dass die Mieteinnahmen der Erbengemeinschaft und damit auch der Klägerin und ihrem Bruder zustehen. In diesem Fall hätten diese einen Vermögenswert gehabt. Ein Nichtbedenken im Testament wäre damit eher verständlich.
18
Eine Erbunwürdigkeit nach § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB i.V.m. § 274 StGB kommt nicht in Betracht. Unter § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB fallen Urkundsdelikte, die der Erbe „in Ansehung einer Verfügung von Todes wegen“ begangen hat (Kroiß/Ann/Mayer, BGB, Erbrecht, BGB § 2339 Rn. 11). Damit liegt eine Urkundenunterdrückung im Sinne des § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB dann vor, wenn ein gültiges Testament vernichtet wird oder gerade nicht dem Nachlassgericht vorgelegt wird. Zur Erbunwürdigkeit führt nicht, wenn andere Urkunden oder Schriftstücke nicht vorgelegt werden. Dies ist aber die Behauptung der Klägerin.
19
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.