Inhalt

VG München, Urteil v. 18.03.2021 – M 30 K 19.1486
Titel:

Beschwerde einer islamische Religionsgemeinschaft

Normenketten:
GG Art. 17
BayBV Art. 115
Leitsatz:
Dem Kläger steht gemäß Art. 17 GG und Art. 115 Abs. 1 BV nur ein Anspruch auf Befassung und Entscheidung seiner Petition zu, weshalb im Petitionsbescheid für den Petenten erkennbar sein muss, dass über sein Anliegen entschieden wurde und in welcher Weise seine Petition behandelt worden ist (BVerfG, B.v. 15.5.1992 - 1 BvR 1553/90) (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Petition, kein Anspruch auf bestimmte Form und Inhalt der Antwort, Behandlung, Beschwerde, Erledigung, Forderung, Hinterlegung, Kostenentscheidung, Religionsgemeinschaft, Sicherheitsleistung, Vollstreckung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 54919

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin, eine islamische Religionsgemeinschaft, wendet sich über ihren Präsidenten an das Verwaltungsgericht München und rügt die aus ihrer Sicht unzureichende Behandlung einer Beschwerde gegen den Bayerischen Verfassungsgerichtshof durch dessen Präsidenten.
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Ausgangspunkt des Rechtsstreits ist eine Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 14. März 2019, Az: Vf.3-VII-18, über eine Popularklage auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Art. 11 des Bayerischen Richter- und Staatsanwaltsgesetzes (BayRiStAG) vom 22. März 2018. Danach dürfen Richter und Richterinnen, Staatsanwälte und Staatsanwältinnen sowie Landesanwälte und Landesanwältinnen in Verhandlungen sowie bei allen Amtshandlungen mit Außenkontakt keine sichtbaren religiös oder weltanschaulich geprägten Symbole oder Kleidungsstücke tragen, die Zweifel an ihrer Unabhängigkeit, Neutralität oder ausschließlichen Bindung an Recht und Gesetz hervorrufen können. Die Klägerin, die diese Popularklage angestrengt hatte, unterlag in diesem Verfahren, da der Bayerische Verfassungsgerichtshof die Popularklage am 14. März 2019 abgewiesen hatte. Hierauf nimmt eine Presseerklärung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 18. März 2019 Bezug, die sich mit der Entscheidung in anonymisierter Form befasst.
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Mit Schreiben vom 20. März 2019 an den Präsidenten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs beschwerte sich der Präsident der Klägerin über diese Presseerklärung und behauptete, er und seine Person seien willkürlich diskriminiert und in der Presseerklärung weder seine Person noch seine Gemeinschaft ausreichend bezeichnet worden. Der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs habe geschrieben, dass es sich dabei um eine islamische Religionsgemeinschaft und deren Präsidenten handele. Damit habe er das Ziel verfolgt, dass sowohl die Presse als auch die Öffentlichkeit keine Kenntnis bekomme, von wem die Klage stamme. Er wolle dieses Schreiben als Beschwerde im Sinne von Art. 17 GG verstanden wissen.
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Auf dieses Schreiben erhielt der Vertreter der Klägerin ein Schreiben des Präsidenten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 25. März 2019, wonach ein Fehlverhalten des Verfassungsgerichtshofs im Hinblick auf die von ihm beanstandete Presseerklärung nicht erkennbar sei. Seine Vorwürfe entbehrten jeder Grundlage. Eine Diskriminierung im vorliegenden Fall sei weder beabsichtigt noch ersichtlich.
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Daraufhin erhob der Präsident der Klägerin mit Schriftsatz vom 27. März 2019 Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag,
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den Beklagten zu verurteilen, seine Beschwerde vom 20. März 2019 nach Vorgaben des Art. 17 GG zur Kenntnis zu nehmen, sachlich zu prüfen und einen Bescheid zu erteilen. In dem Antwortschreiben vom 25. März 2019 seien seine Argumente ignoriert worden.
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Mit Schriftsatz vom 29. April 2019 nahm der Beklagte hierzu Stellung. In der mündlichen Verhandlung beantragte der Vertreter des Beklagten,
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die Klage abzuweisen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten und den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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I. Die Klage bleibt ohne Erfolg. Sie ist bereits unzulässig.
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1. Die Klägerin ist als Personenmehrheit nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig, da ihr ein Mindestmaß an Organisation zuzugestehen ist (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl., § 61 Rn. 8 ff. m.w.N.).
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2. Die Klage ist wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig. Einer allgemeinen Leistungsklage auf Beantwortung einer Petition mangelt es am Rechtsschutzbedürfnis, sofern bereits aufgrund des Vortrags der Beteiligten oder des Inhalts der vorgelegten Behördenakten erkennbar ist, dass der Petent eine (unmittelbare) Antwort auf seine Petition erhalten hat, jedoch mit dem Umfang oder der Entscheidung der Antwort nicht zufrieden ist (VG München, U.v. 20.05.2021 - M 30 K 20.195 - juris Rn. 12). In diesem Fall kann der Kläger seine Rechtsstellung auch nicht durch eine Klage verbessern, da offensichtlich ist, dass sein Anspruch aus Art. 17 GG bzw. Art. 115 BV erfüllt worden ist und sich in dieser Fallkonstellation dieser Umstand auf die Zulässigkeit der Klage durchschlägt. Dagegen stellt die Frage, ob der Petent überhaupt eine Antwort auf seine Petition erhalten hat, eine Frage der Begründetheit dar. Steht zwischen den Beteiligten im Streit, ob die streitgegenständliche Eingabe des Petenten eine einheitliche oder bereits eine andere Petition darstellt und lässt sich diese Frage nicht ohne genauere Prüfung beantworten, so ist das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers zu bejahen.
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Da der Kläger mit Schriftsatz vom 25. März 2019 eine Antwort des Präsidenten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs auf sein Schreiben vom 20. März 2019 hin erhalten hat, in dem zutreffend ausgeführt wurde, dass seine Vorwürfe gegen die Presseerklärung des Beklagten jeder Grundlage entbehren, ist bereits offenkundig, dass dem Anspruch der Klägerin aus Art. 17 GG genüge getan wurde. Hinzu kommt, dass der Präsident der Klägerin in seiner Beschwerdeschrift keinerlei fundierte Argumente vorbringt, sondern sich mit haltlosen Vorwürfen gegen den Präsidenten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs in einer nicht mehr akzeptablen Diktion (z. B. „schweinisch“) wendet.
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3. Im Übrigen wäre die Klage auch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere Beantwortung ihrer streitgegenständlichen Forderung. Dem Kläger steht gemäß Art. 17 GG und Art. 115 Abs. 1 BV nur ein Anspruch auf Befassung und Entscheidung seiner Petition zu, weshalb im Petitionsbescheid für den Petenten erkennbar sein muss, dass über sein Anliegen entschieden wurde und in welcher Weise seine Petition behandelt worden ist (BVerfG, B.v. 15.5.1992 - 1 BvR 1553/90 - juris Rn. 21). Petitionen sind in den Grundzügen in Art. 17 GG bzw. in Art. 115 Bayerische Verfassung (BV) geregelt. Das Petitionsrecht gewährleistet lediglich, dass der Adressat der Petition sich mit der vom Beschwerdeführer vorgetragenen Sache befasst und ihm eine Antwort gibt, aus der sich die Tatsache der Behandlung und die Art der Erledigung ergeben (vgl. BVerfG, B.v. 15.5.1992 - 1 BvR 1553/90 - juris Rn. 21; BayVerfGH, E.v. 22.2.1996 - Vf. 39-VI-95 - juris Rn. 6). Darüber hinaus kann verfassungsrechtlich weder eine bestimmte Begründung und damit eine schriftliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen verlangt werden, noch ein bestimmtes Tätigwerden in der Sache (BayVerfGH, E.v. 22.2.1996 - Vf. 39-VI-95 - juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 30.7.1993 - 5 C 08.1993 - juris Rn. 2; VG München, U.v. 29. September 2016 - M 10 K 15.3610 - juris Rn. 14).
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Es ist nicht Sinn des Petitionsrechtes, dem Petenten neben dem durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Rechtsweg zu den Gerichten ein Verfahren zu eröffnen, das hinsichtlich der Art und Weise sowie des Umfanges der Sachaufklärung und der Vorbereitung der Entscheidung dem Verfahren nach den Prozessordnungen gleichkommt (ständige Rechtsprechung, vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2008 - 5 C 08.1993 - juris Rn. 2; VG München, U.v. 5.12.2010 - M 18 K 10.4850 - juris Rn. 13).
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Ein Anspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten, erneut auf die klägerische Eingabe vom 31. Oktober 2019 zu antworten, bestand nicht. Der Beklagte hat sich mit der Petition des Klägers bereits hinreichend auseinandergesetzt.
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.