Inhalt

AG Nürnberg, Endurteil v. 22.10.2021 – 22 C 3728/21
Titel:

Kein Direktanspruch des Krankenhausträgers gegen den privaten Krankenversicherer trotz Erstattungszusage

Normenkette:
VVG § 192 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 5, Abs. 7
Leitsätze:
1. Eine Erstattungszusage, die ein privater Krankenversicherer gegenüber einem Vergütungsgläubiger (hier: Krankenhausträger) abgibt, begründet keinen Direktanspruch des Vergütungsgläubigers gegen den Versicherer. (Rn. 23 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Direktabrechnungsabrede begründet keinen Leistungsanspruch des Vergütungsgläubigers gegen den Krankenversicherer. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
private Krankenversicherung, Krankenhauskosten, Erstattungszusage, Vergütungsgläubiger, Direktanspruch, Direktabrechnungsabrede, Schuldanerkenntnis, Klinik-Card-Vertragsverfahren
Fundstelle:
BeckRS 2021, 54745

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.168,89 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Erstattung der Kosten einer vollstationären Krankenhaus-Behandlung.
2
Zwischen dem 18.12.2017 und dem 20.12.2017 befand sich Herr …, geboren am …, wohnhaft in der …, in stationärer Behandlung im Klinikum der Klägerin. Der Patient ist bei der Beklagten privat krankenversichert unter der Versicherungsschein-Nummer … Diese Versicherung beinhaltet unter anderem den Tarif STM 100, welcher eine Erstattung entstandener Aufwendungen für stationäre Heilbehandlungen in voller Höhe vorsieht. Dem Versicherungsverhältnis liegen weiter die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten und die Krankenhaustagegeld-Versicherung nach MB/KK und TB/KK zugrunde. Bei der Klägerin handelt es sich um eine reine Privatklinik. Sie unterliegt nicht den Abrechnungsvorgaben der Bundespflegesatz-Verordnung, sie rechnet aber dennoch nach dem DRG-System (Abrechnung nach diagnosebezogenen Fallpauschalen) ab. Die Klägerin nimmt nicht am sogenannten Klinik-Card-Vertragsverfahren teil. Bei Aufnahme in die Klinik schloss der Patient mit dieser einen Behandlungsvertrag und eine Wahlleistungs-Vereinbarung. Die stationäre Aufnahme erfolgte zur Durchführung einer laparoskopischen Cholezystektomie, also einer operativen Entfernung der Gallenblase.
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Mit Telefax vom 20.12.2017 übermittelte die Klägerin der Beklagten eine Aufnahme-Anzeige und einen Kostenübernahme-Antrag. Hinsichtlich des Inhaltes dieses Schreibens wird auf die Anlage B1 auf Bl. 39 ff. d.A. vollumfänglich Bezug genommen. Mit Rechnung vom 22.12.2017 (Anlage K2, Bl. 12. d.A.) stellte die Klägerin der … (Hervorhebung durch Unterzeichner) unter der Rechnungsnummer … eine Rechnung über 3.387,07 €. Die Rechnung ging am 27.12.2017 bei der Beklagten ein. Mit Schreiben vom gleichen Tage teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie ihr für die medizinisch notwendige stationäre Behandlung des Patienten im Rahmen des Versicherungsvertrages eine Erstattungszusage zu hundert Prozent für allgemeine Krankenhausleistungen sowie für Unterkunftskosten in einem Ein-/Zweibett-Zimmer gebe. Überschrieben war dieses Schreiben mit dem Begriff „Erstattungszusage“. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K3 auf Bl. 14 d. A. Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 22.03.2018 teilte die Beklagte mit, dass die o.g. Abrechnung teilweise unzutreffend sei und die Rechnung deswegen teilweise nicht beglichen werden könne. Eine Entlassung sei bereits am 19.12.2017 möglich gewesen. Die Beklagte zahlte am 05.01.2018 einen Betrag von 2.218,18 € an die Klägerin. Mit Schreiben vom gleichen Tag erläuterte sie gegenüber ihrem Versicherungsnehmer die Leistungsabrechnung. Diesbezüglich wird vollumfänglich auf die Anlage B4, Bl. 45 d. A. Bezug genommen. Mit Schreiben vom 23.01.2018 forderte die Beklagte bei der Klägerin weitere Unterlagen an (Anlage B6, Bl. 49 d. A.). Mit Schreiben vom 22.03.2018 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die von der Klägerin angesetzte Verweildauer des Patienten in der Klinik nicht in allen Punkten nachvollziehbar sei. Die angesetzte DRG könne daher nicht vollständig anerkannt werden. Hinsichtlich der weiteren Ausführungen wird vollumfänglich auf die Anlage B7, Bl. 53 ff. d. A. Bezug genommen. Weitere Zahlungen erfolgten bis dato nicht.
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Mit Schriftsatz vom 29.12.2020, eingegangen beim Amtsgericht Borna am gleichen Tage, erhob die Klägerin Klage gegen die Beklagte. Mit Verfügung vom 07.01.2021 forderte die Geschäftsstelle des Amtsgerichts Borna beim Klägervertreter den Gebührenvorschuss an. Dieser ging am 26.01.2021 bei der Landesjustizkasse Chemnitz ein.
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Mit Beschluss vom 11.07.2021 erklärte sich das Amtsgericht Borna für örtlich unzuständig und verwies das Streitverfahren auf Antrag der Klägerin an das Amtsgericht Nürnberg.
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Die Klägerin behauptet, dass eine stationäre Behandlung im Krankenhaus bis zum 20.12.2017 erforderlich gewesen sei. Wegen unerklärlicher erhöhter Leberwerte sei neben der Cholezystektomie am Aufnahmetag bereits eine gleichzeitig Biopsie der Leber indiziert gewesen und durchgeführt worden. Eine Entlassung bereits 24 Stunden nach Biopsie und Sektomie sei medizinisch nicht vertretbar gewesen. Der Patient habe einen weiteren Tag überwacht werden müssen. Weiterhin ist die Klägerin der Ansicht, dass sich aus der Erstattungszusage ein Direktanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ergebe und diese deshalb aktivlegitimiert sei.
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Die Klägerin beantragt deshalb:
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.168,89 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 06.01.2018 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers gegen die Beklagte als Versicherungsgeberin nicht auf die Klägerin übergegangen sei. Weder eine Abtretung noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis sei gegeben. Ferner seien die Ansprüche der Klägerin verjährt. Sie bezweifelt weiterhin, dass die Zustellung der Klage an die Beklagte noch „demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO erfolgt sei. Ferner sei die Rechnung vom 22.12.2017 an eine Aktiengesellschaft und damit an eine tatsächlich nicht existente Gesellschaft gerichtet. Zudem hätte die Rechnung an den Versicherungsnehmer adressiert werden müssen. Weiterhin meint die Beklagte, dass eine Verweildauer im Krankenhaus von nur einem Tag erforderlich und deshalb auf Grund der kurzen Verweildauer ein Abschlag von 1.025,89 € auf die DRG H08B vorzunehmen gewesen sei.
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Hinsichtlich des weiteren Vortrages wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze und die eingereichten Anlagen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
14
Ein Direktanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist nicht ersichtlich.
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Ein solcher Direktanspruch ist vom Versicherungsvertrags-Gesetz (VVG) grundsätzlich nicht vorgesehen. Ein Vertragsverhältnis mit wechselseitigen Rechten und Pflichten wird durch einen privaten Krankenversicherungsvertrag grundsätzlich ausschließlich zwischen Krankenversicherung und Versicherungsnehmer begründet. Ein gesetzlicher Direktanspruch Dritter entsprechend § 115 VVG ist im Bereich der privaten Krankenversicherung vom Gesetz nicht postuliert.
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Ebenso begründet der Behandlungsvertrag zwischen Patient und Klinikum nach § 630a ff. BGB ausschließlich Rechte und Pflichten zwischen diesen Vertragsparteien.
17
Wie sich aus § 192 Abs. 1 VVG zwanglos ergibt, besteht eine Erstattungspflicht ausschließlich zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer. Wie sich weiter aus § 192 Abs. 3 Nr. 5 VVG ergibt, kann als zusätzliche Dienstleistung im Rahmen des privaten Versicherungsvertrages unter anderem eine unmittelbare Abrechnung mit dem Leistungserbringer vereinbart werden. § 197 Abs. 7 VVG stellt noch einmal klar, dass gesetzliche Direktansprüche lediglich im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 192 Abs. 7 VVG vorgesehen sind.
18
Ein Anspruchsübergang auf Grund allgemeiner vertraglicher Regelungen zwischen der Klägerin und der Beklagten ist vorliegend ebenfalls nicht ersichtlich. Die Klägerin nimmt nicht am sogenannten Klinik-Card-Vertrag teil. Teilnehmer an diesem Vertragsverfahren treten bereits vorab Forderungen des Patienten gegen seinen Krankenversicherer an den Krankenhausträger ab (vgl. insoweit OLG München, Urteil vom 18.10.2005, Az. 25 U 4903/04).
19
Für ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Denn grundsätzlich bestand keinerlei schuldrechtliche Beziehung zwischen Klägerin und Beklagter, welche hätte bestätigt werden können.
20
Im Schreiben vom 27.12.2017 kann auch kein konsitiutives Schuldanerkenntnis gesehen werden. Ein solches konstitutives Schuldanerkenntnis im Sinne von § 781 BGB wäre nur dann anzunehmen, wenn im Wege der Auslegung davon ausgegangen werden könnte, dass die Parteien eine weitere völlig selbständige Verpflichtung der Beklagten begründen wollten.
21
Voraussetzung des abstrakten Schuldversprechens ist ein Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner mit dem Inhalt, dass der Schuldner unabhängig von einem Schuldgrund eine Leistung verspricht oder eine Schuld anerkennt. Ob der Parteiwille sich auf eine derartige Verpflichtung richtet, ist durch Auslegung unter Berücksichtigung insbesondere des Anlasses und des Zwecks des Vertragsschlusses zu ermitteln. Kein selbstständiges Schuldversprechen liegt vor, wenn die Vereinbarung erkennbar lediglich bezweckt, dem Gläubiger durch ein Beweismittel die Durchsetzung seines Anspruchs zu erleichtern. Für eine selbstständige Verpflichtung spricht, wenn jede wirtschaftliche oder rechtliche Bezugnahme auf das Grundgeschäft in der Urkunde fehlt. Ist der Verpflichtungsgrund genannt, kann sich aus den weiteren Umständen ergeben, dass ein selbstständiges Schuldversprechen gewollt ist. Je bestimmter und präziser sich der Bezug auf das zugrunde liegende Geschäft darstellt, desto höher sind jedoch die Anforderungen an das Vorliegen besonderer Umstände zu stellen, um ein abstraktes Schuldversprechen anzunehmen (Staudinger in HK-BGB, 10. Aufl. 2019, BGB § 781 Rn. 2)
22
Für eine solche freiwillige Selbstverpflichtung der Beklagten fehlen hier jegliche Anhaltspunkte.
23
Die vorab pauschal erklärte Erstattungszusage betrifft ganz konkret die noch entstehenden und der Beklagten im einzelnen noch nicht bekannten Behandlungskosten. Beweisschwierigkeiten sollen offenkundig nicht beseitigt werden. Die Erstattungszusage ähnelt vielmehr der im Immobiliengeschäft üblichen Finanzierungszusage, also der Mitteilung an den Gläubiger, dass die Solvenz des Schuldners gesichert ist.
24
Nach dem Wortlaut des Schreibens vom 27.12.2017 handelt es sich um eine „Erstattungszusage“. Sicherlich nicht unbeabsichtigt wird hier die Begrifflichkeit aus § 192 Abs. 1 VVG übernommen. Dort wird der Begriff der Erstattung im Zusammenhang mit der innervertraglichen Abwicklung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer in Verbindung gebracht. Eine nach außen gerichtete „Kostenübernahmeerklärung“ wurde vom Wortlaut her gerade nicht abgegeben. Naheliegend ist vielmehr, dass die Beklagte im Rahmen der zusätzlichen Dienstleistungen nach § 192 Abs. 3 Nr. 5 VVG der Klägerin signalisieren wollte, dass eine unmittelbare Abrechnung mit ihr möglich ist und dass sie gegenüber ihrem Versicherungsnehmer eine vollumfängliche Erstattungszusage abgegeben hat. Sinn dieses Vorgehens ist es in erster Linie, den Versicherungsnehmer als zusätzliche Serviceleistung von bürokratischem Aufwand aber auch von seiner Vorschusspflicht gegenüber der Klägerin zu befreien. Die Erstattungszusage kommt einer Deckungszusage im Sinne von § 53 VVG nahe.
25
Nach allgemeiner Meinung in Literatur und Rechtsprechung ändert die Abrede der Direktabrechnung an der Person des Vergütungsschuldners nichts. Es wird lediglich der Abrechnungsweg verkürzt und der Versicherte von der Vorfinanzierung und deren Kosten entlastet. Bei Deckungslücken bleibt der Vertragspartner, in der Regel der Versicherte, zur Zahlung der Vergütung verpflichtet. Die Direktabrechnungsabrede begründet auch keinen Leistungsanspruch des Vergütungsgläubigers gegen den Versicherer (vgl. auch Prölss/ Martin, Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, 31. Auflage 2021, § 192 Rn. 165 mwN.).
26
Eine Abtretung der Erstattungsforderung des Patienten gegenüber der Beklagten zu Gunsten der Klägerin wurde weder behauptet noch ergibt sich eine solche Abtretung aus den vorgelegten Unterlagen. Zudem bestünde nach § 6 Abs. 6 MB/KK ein Abtretungsverbot.
27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.