Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 14.12.2021 – B 1 K 21.926
Titel:

straßenverkehrsrechtliche Anordnung des Zusatzzeichens "Anlieger frei" zu einem Durchfahrtverbot mit dem bisherigen Zusatzzeichen "Land- und Forstwirtschaft frei" für einen öffentlichen Feld- und Waldweg - Verpflichtungsklage

Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4
VwGO § 42 Abs. 1, § 113 Abs. 5
StVO § 39 Abs. 3 S. 1, S. 3, § 45 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, Abs. 9 S. 1, S. 3
BayStrWG Art. 14 Abs. 1, Art. 17, Art. 19 Abs. 1, Art. 53 Nr. 1
BayVwVfG Art. 35 S. 2, Art. 37 Abs. 1
Leitsätze:
1. Zusatzzeichen sind Verkehrszeichen und mit einem anderen Verkehrszeichen, auf das sich das Zusatzzeichen bezieht, Teil einer Allgemeinverfügung, die teilbar ist, wenn der nicht angefochtene Teil unabhängig von dem angefochtenen Teil rechtlich Bestand haben kann und von der Behörde selbständig erlassen worden wäre oder von Rechts wegen hätte erlassen werden müssen (vgl. VGH München BeckRS 2019, 27485 Rn. 26 ff.). Zwar könnte ein Durchfahrtverbot auch ohne  Zusatzzeichen bestehen bleiben, Unteilbarkeit liegt aber vor, wenn die Behörde ersichtlich kein uneingeschränktes Durchfahrtverbot, sondern eine weitgehende Minimierung des Verkehrs auf den Personenkreis wollte, der auf die Benutzung angewiesen ist. Für die Teilanfechtung eines unteilbaren Verwaltungsakts ist die Verpflichtungsklage das richtige Instrument, da in diesem Fall die Durchsetzung eines anderen Verwaltungsakts begehrt wird. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zum eigentumsrechtlich geschützten Anliegergebrauch gehört die Zugänglichkeit des Grundstücks von und zu der Straße und die Anbindung dieses Straßenteils an das allgemeine Verkehrsnetz. Sofern nur die Straße als Verkehrsmittler erhalten bleibt, gewährt das Recht auf Anliegergebrauch keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße und schützt regelmäßig nicht vor Erschwernissen des Zugangs, die sich aus einer besonderen örtlichen Lage ergeben; dabei ist zu berücksichtigen, dass gemäß Art. 53 Nr. 1 BayStrWG öffentliche Feld- und Waldwege der Bewirtschaftung von Feld- und Waldgrundstücken dienen und die Anforderungen an die Erschließung eines Außenbereichsvorhabens geringer sind als die an ein Innenbereichsvorhaben. (Rn. 85 – 88) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Straßenverkehrsbehörde ist verpflichtet festzulegen, wo, wie viele und welche Verkehrszeichen aufgestellt werden sollen und ab wann die Anordnung gelten soll. Ihre verkehrsrechtliche Anordnung wird durch die Verkehrszeichen nach Außen verlautbart, weshalb die in ihr geregelte Lage mit den tatsächlich aufgestellten Verkehrszeichen übereinstimmen muss. Sie genügt diesem Bestimmtheitserfordernis nicht, wenn der Standort der Verkehrszeichen nicht eindeutig aus der verkehrsrechtlichen Anordnung hervorgeht und auch bei einer vernünftigen Auslegung nach ihrem objektiven Erklärungswert und Erklärungsinhalt noch berechtigter Anlass zu Zweifeln bleibt. (Rn. 106 – 109) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anspruch auf verkehrsregelndes Einschreiten, Anordnung eines Verkehrszeichens, Bestimmtheit der verkehrsrechtlichen Anordnung, Ermessensfehler, Teilbarkeit einer Allgemeinverfügung, Anliegergebrauch, Zufahrt zur Straße, Erschwernissen des Zugangs, besondere örtliche Lage, Außenbereichsvorhaben, Standort der Verkehrszeichen
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 22.06.2022 – 11 ZB 22.256
Fundstelle:
BeckRS 2021, 54724

Tenor

1.    Der Beklagte wird unter Aufhebung der Entscheidung im Schreiben vom 26. Juni 2019 an die Klägerin und der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 8. Januar 2007 in der Gestalt der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 9. Juli 2019 verpflichtet, über den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.     
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.    Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin erstrebt u.a. eine Regelung, die es ihr und anderen Anliegern erlaubt, ihr Wohngrundstück über einen öffentlichen Feld- und Waldweg anzufahren, der nach der gegenwärtigen Beschilderung für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (ausgenommen land- und forstwirtschaftlicher Verkehr) gesperrt ist.
2
Die Klägerin ist seit circa 15 - 20 Jahren Eigentümerin des Wohngrundstücks Fl.Nr. … (…) sowie eines weiteren, bisher nicht bezifferten Grundstücks (wohl Fl.Nr. …) der Gemarkung …, die beide im Außenbereich am Rand der Gemeinde an einem öffentlichen Feld- und Waldweg (Fl.Nr. …) anliegen.
3
Der Großvater der Klägerin erwarb das Anwesen in den 1950er Jahren. Der Beklagte bildet mit den Gemeinden .., .. und .. die Verwaltungsgemeinschaft ..
4
Von Nordwesten über … kommend führt der im Rahmen eines Flurbereinigungsplans im Jahre 1991 gewidmete öffentliche Feld- und Waldweg über die im Eigentum des Beklagten stehenden Fl.Nrn. … und … Der Beklagte führt kein Bestandsverzeichnis für Feld- und Waldwege.
5
Von Südosten kann das Grundstück über als O.straße gewidmete Flächen (Fl.Nrn. …, …, …, ….) erreicht werden, wobei die Straße von … aus über den Ortsteil … über den Fluss „…“ bis kurz vor das Anwesen der Klägerin führt und von Fl.Nr. … aus anschließend in den oben genannten Feldweg auf Fl.Nr. … übergeht. Die Brücke über den Fluss „…“ ist sanierungsbedürftig und seit circa 2015 für Fahrzeuge mit einem Gewicht von über 3,5 t gesperrt.
6
Der Feldweg quert oberhalb des Grundstücks der Klägerin die Bahnstrecke …- … (Fl.Nr. ….). Diese Bahnstrecke war bis zum Jahr 2007 außer Betrieb. Von 1993 bis 2007 war der Bahnübergang für den allgemeinen Verkehr geöffnet. Seit 1970 bis zu diesem Zeitpunkt sind an dieser Stelle keine Unfälle bekannt. Nach Wiederinbetriebnahme ereignete sich ein Unfall mit einem landwirtschaftlichen Kraftfahrzeug, als der Zug aus Richtung … kommend übersehen worden sei. Am 14. Januar 2020 gab es einen weiteren Unfall am Bahnübergang, wobei ein Arbeiter den Zug aus Richtung … kommend übersehen habe.
7
Am 9. August 2006 fand im Vorfeld der Wiederinbetriebnahme der Bahnstrecke am Bahnübergang ein Ortstermin zwischen Vertretern der Deutschen Regionaleisenbahn GmbH (DRE), der Verwaltungsgemeinschaft .., der Bahnaufsicht und des Landratsamtes … statt. Ausweislich eines Aktenvermerks vom 30. November 2006 seien die vorhandenen und neu anzuordnenden Beschilderungen vom Landratsamt … und der PI … geprüft und mit dem Planungsbüro abgestimmt worden. Die vorhandene Beschilderung sei komplett erneuert worden.
8
Mit verkehrsrechtlicher Anordnung vom 8. Januar 2007 ordnete die Verwaltungsgemeinschaft … im Auftrag des Beklagten aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs eine Beschilderung gemäß der Darstellung im der Anordnung beiliegenden Beschilderungsplan, welcher Bestandteil der Anordnung sei, an (Ziffer 1). Begründet wurde dies in der Anordnung damit, dass die Sicherheit an den Bahnübergängen durch entsprechende Beschilderung sicherzustellen sei. Der öffentliche Feld- und Waldweg auf Fl.Nr. … und fortlaufend Fl.Nr. … werde im Bereich des Bahnüberganges mit den Zeichen 274-51 bzw. 274-52 sowie Zeichen 151 und 201-50 beschildert. Da am Bahnübergang die vorgeschriebenen Sichtflächen aus Richtung … aufgrund der Geländeverhältnisse nicht eingehalten werden könnten und nach Beobachtungen ein untypisch erhöhter Fahrzeugverkehr auf dem öffentlichen Feld- und Waldweg festzustellen sei, erfolge eine Beschränkung mit Zeichen 250 (Anm.: Durchfahrt verboten; Verbot für Fahrzeuge aller Art) und Zusatztafel 1026- 38 (Land- und Forstwirtschaft frei) aus beiden Richtungen (Ziffer 2).
9
Diese Anordnung werde mit der Aufstellung/Entfernung der Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sowie mit der Auftragung und Entfernung der Fahrbahnmarkierungen wirksam (Ziffer 3). Zuwiderhandlungen gegen diese Anordnung seien nach § 49 StVO Ordnungswidrigkeiten im Sinne des § 24 StVG und würden mit Geldbuße geahndet (Ziffer 4).
10
Der beiliegende Plan zeigt einen Ausschnitt der streitgegenständlichen Grundstücke mit jeweiligen Fl.Nrn. Der Ausschnitt „durchschneidet“ am linken unteren Rand die Fl.Nr. … (das Wohngrundstück der Klägerin). Ein bei dem mit „Abdruck“ beschrifteten Exemplar der verkehrsrechtlichen Anordnung handschriftlich angefügter Pfeil von den abgebildeten Verkehrszeichen 250 mit Zusatzzeichen 1026-38 wegführend zeigt auf eine Stelle, die auf dem Feld- und Waldweg hinter der markierten Gemeindegrenze Richtung … liegt. Der andere handschriftlich angefügte Pfeil von den Verkehrszeichen 250 mit Zusatzzeichen 1026-38 wegführend am unteren Teil des Ausschnittes zeigt außerhalb des mit den Flurnummern beschrifteten Bereichs und enthält die Anmerkung: „Nähe Haus am besten in Richtung …! oder kurz davor!“.
11
Aktuell befinden sich vor dem Bahnübergang aus Richtung … kommend sowie nach der Brücke über die „…“ vor dem Anwesen der Klägerin jeweils die Verkehrszeichen 260 (Anm: Verbot für Kraftfahrzeuge) und Zusatzzeichen 1026-38.
12
Mit Schreiben vom 20. Februar 2019 überreichte die Klägerin im Anschluss an ein persönliches Gespräch beim Ordnungsamt des Beklagten eine Anliegerliste mit Kfz-Kennzeichen, auf der Familienangehörige und Freunde sowie einige, unter anderem u. g. Firmen genannt waren, die regelmäßig zur Klägerin und ihrer Familie fahren und für die eine Überquerung der Bahnlinie daher notwendig sei.
13
Der Beklagte erteilte am 26. Februar 2019 den Firmen F. H. GmbH, K. S., … B. H. vom 26. Februar 2019 bis 25. Februar 2020 Ausnahmegenehmigungen für die „Gemeindestraße - beschränkt öffentlicher Feld- und Waldweg“ von den angeordneten Verkehrsbeschränkungen Zeichen 250 und Zusatzzeichen 1026-38, deren Fahrzeuge alle ein zulässiges Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t aufwiesen. Hierfür erhob der Beklagte eine Gebühr von jeweils 50 EUR. Den Firmen V. U. S1. GmbH & Co. KG und K. D. … wurden die Ausnahmegenehmigungen bis 25. Februar 2021 für jeweils 100 EUR erteilt.
14
Begründet wurde dies damit, dass der Verkehr über den technisch nicht gesicherten Bahnübergang aus haftungsrechtlichen Gründen auf ein Mindestmaß zu reduzieren und auf den Verkehr zu begrenzen sei, der derzeit bzw. in der unmittelbaren Bauzeit der Brücke aus tonnagebedingten Gründen keine alternative Route zur Verfügung hat.
15
Mit Schreiben vom 16. April 2019 wendete sich die Klägerin an die Bayerische Staatskanzlei, z. Hd. Dr. … und bat um Unterstützung, um die Zufahrtssituation zu ändern, welche von beiden Seiten eingeschränkt sei. Es bedürfe einer schlüssigen Verkehrsregelung, die zumindest wieder den Anliegerverkehr zulässt, unabhängig von der Brückensanierung. Kommunale Pflichtaufgaben wie die Ver- und Entsorgung ihres Anwesens seien nicht mehr gesichert, insbesondere würde die Müllabfuhr seit 21. Januar 2019 wiederholt ausbleiben. Die Brückensanierung würde die Probleme der Klägerin und ihrer Familie nicht wirklich lösen.
16
Mit anwaltlichem Schreiben vom 29. April 2019 beantragte die Klägerin in der Folge des Schreibens des Beklagten vom 26. Februar 2019 das Verkehrszeichen 260 mit dem Zusatzschild „Land- und forstwirtschaftlicher Verkehr frei“ zu ersetzen durch das Verkehrszeichen 260 mit dem Zusatzschild „Anlieger frei“, hilfsweise „Anwohner frei“. Der Anliegergebrauch sei durch die rückläufige Erschließung erheblich eingeschränkt. Wegen der sanierungsbedürftigen Brücke sei momentan nicht einmal mehr die genehmigungsfreie Zufahrt für Kfz über 3,5 t möglich. Es bestehe bei dem Beklagten eine Meldepflicht im Hinblick auf die benötigten Firmen sowie die Namen und Adressen aller Kfz, die zur Klägerin gelangen wollen bzw. müssen, was einen Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung bedeute. Durch die Bearbeitung bei dem Beklagten entstünden Verzögerungen und (nicht unerhebliche) Kosten für die Ausnahmegenehmigungen. Die private Lebensführung sei erheblich eingeschränkt. Die aufgrund von Sicherheitsaspekten angeführte Begründung des Beklagten für die Sperrung der Zufahrt über den Bahnübergang stehe im Widerspruch dazu, dass der Durchgangsverkehr für die Land- und Forstwirtschaft erlaubt bleibe und sowohl der landwirtschaftliche als auch der Berufsverkehr den Bahnübergang als Umfahrung nutzt, obwohl eine Verkehrsreduzierung durch eine Beschränkung auf den Anliegerverkehr eher nachvollziehbar wäre. Auch sei der ungesicherte Bahnübergang für die schweren großen landwirtschaftlichen Fahrzeuge nicht weniger gefährlich als für Pkw von Anliegern. Die Alternativroute über … sei wiederholt für forstwirtschaftliche Arbeiten gesperrt gewesen, insbesondere sei sie einspurig. Auch sei sie umständlich, sodass sie sogar vom alltäglichen Berufsverkehr gemieden werde. Sie sei unzureichend beschildert und für Navigationsgeräte schwer erkennbar, sodass sich Ortsunkundige verfahren würden. Die Straßeneinmündung in die S2. straße sei lebensgefährlich und es würden dort häufiger Unfälle passieren als beim Bahnübergang.
17
Im Protokoll über die Sitzung des Marktgemeinderates des Beklagten vom 6. Mai 2019 ist unter TOP 23 Bekanntgaben „b) Verkehrszeichen …, … vermerkt: Klage gegen verkehrsrechtliche Anordnung, Ausnahmegenehmigung, Folge: Verfahren abwarten, dann Brücke“.
18
Mit E-Mail vom 15. Mai 2019 ergänzte die Klägerin ihr Schreiben an den …, indem sie auf einen schweren Unfall mit Verletzten am 10. Mai 2019 bei der unübersichtlichen Straßeneinmündung von … in die S2. straße … … (St. ….) sowie den vorherigen letzten schweren Unfall an derselben Stelle im März 2017 verwies.
19
Nach Mitteilung des Landratsamtes … an die Verwaltungsgemeinschaft … am 20. Mai 2019 hätten sich laut Polizei in viereinhalb Jahren an der Zufahrt nach … vier „Vorfahrtsunfälle“ ereignet.
20
Die Regierung von … fragte infolge der Eingabe an den … beim Landratsamt … unter anderem an, weshalb landwirtschaftlicher Verkehr als ungefährlicher im Vergleich zu Pkw eingestuft werde und ob eine ausschließlich auf die Anlieger des Anwesens … beschränkte „Anlieger frei“-Regelung möglich sei.
21
Der Beklagte äußerte sich auf die weitergeleitete Anfrage gegenüber dem Landratsamt dahingehend, dass die verkehrsrechtliche Beschilderung bei der Streckenabnahme festgelegt worden sei, nachdem die Abnahme durch den LfB (Landesbevollmächtigten für Bahnaufsicht) verweigert worden sei, weil extrem viel Transitverkehr festgestellt worden sei, die Sichtflächen baulich nicht realisiert werden könnten und eine technische Sicherung weder vorhanden noch eingeplant gewesen sei oder geplant werde.
22
Eine Unterscheidung zwischen Pkw und Lkw sei unerheblich. Die Vorgabe der beteiligten Behörden sei gewesen, die Anzahl der querenden Fahrzeuge so gering wie möglich zu halten.
23
Hinsichtlich der Anlieger-Regelung sei eine Stellungnahme der Bahnaufsichtsbehörde und der DRE zwingend nötig, da nach wie vor die Sicherheit am Bahnübergang nicht durch die notwendigen Sichtflächen, sondern ausschließlich durch die angeordnete verkehrsrechtliche Beschilderung hergestellt werden könne. Bahnbetriebliche Sicherheitsvorschriften stünden daher entgegen. Der Verkehr nehme durch die Beschilderung „Anlieger frei“ erfahrungsgemäß zu. Die derzeitige Beschilderung gewähre ein Mindestmaß an Sicherheit.
24
Das Landratsamt gab gegenüber der Regierung am 6. Juni 2019 die Angaben des Beklagten im Wesentlichen wieder. Ergänzend wurde ausgeführt, dass die Beschilderung dazu diene nur eine auf ein Mindestmaß begrenzte Teilnehmerzahl zur Überquerung des Bahnübergangs zuzulassen, welche die Eigentümer der angrenzenden land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke und der unmittelbar notwendige Versorgungsverkehr des Anwesens … seien.
25
Die Sichtverhältnisse seien tatsächlich derart unzureichend, dass eine Ausnahmegenehmigung nur für zwingend erforderliche Transporte erteilt werden könne. Die Anwendung der eisenbahnbetrieblichen Vorschriften und des Eisenbahnkreuzungsrechtes würden ausreichen, um eine Gefahr am Bahnübergang festzustellen.
26
Bei land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen sei im Gegensatz zu tieferliegenden Pkw aufgrund der erhöhten Sitzposition eine bessere Übersicht in Richtung … möglich. Auch habe der Anliegerverkehr eine Alternativroute über Straßen zur Verfügung, bei denen ein Begegnungsverkehr möglich sei, während es bei dem Feldweg zu Ausweichmanövern abseits befestigtem Straßengrund käme.
27
Die verkehrsrechtliche Entscheidung des Beklagten sei nicht zu beanstanden, da die Erschließung über die O. straße … und die erteilten Ausnahmegenehmigungen gesichert sei. Auch liege eine Unfallhäufungsstelle an der westlichen Einmündung der Gemeindeverbindungsstraße von … kommend in die S2. straße … nicht vor, da sich dort seit 2015 bis 17. Mai 2019 vier Unfälle ereigneten. Es sei geplant während der Brückenarbeiten eine Behelfsbrücke zu errichten, die auch von Baustellenfahrzeugen befahren werden würde.
28
Am 26. Juni 2019 fand eine Sonderbahnübergangsschau mit Ortstermin am Bahnübergang statt. Anwesend waren der Beklagte, Vertreter des Ordnungsamtes und des Landratsamtes, der Bahnaufsicht, der DRE und der PI … Dabei sei die Forderung der Klägerin nach einer „Anlieger frei“-Regelung besprochen worden. Festgehalten wurde, dass sich ein öffentlicher Verkehr am Bahnübergang eingestellt habe, der diesen teilweise legal, teilweise illegal frequentiere. Die beantragte Beschilderung würde das Verkehrsaufkommen weiter erhöhen. Das Ziel und die Vorgabe der bisherigen Beschilderung sei gewesen, nur den Eigentümern/Pächtern mit Flächen in unmittelbarer Nähe des Feldweges den Zugang über den Bahnübergang zu ermöglichen.
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Eine Ahndung der Verstöße gegen die Beschilderung habe sich als unmöglich herausgestellt, sodass zur Durchsetzung des rechtlichen Regelungsgehaltes der öffentliche Feld- und Waldweg an der Zufahrt von … kommend und nach dem Ortsschild … nach dem Anwesen … in Fahrtrichtung Bahnübergang eine Schranke errichtet werden solle. Diese erhalte einen Schließzylinder, wofür allein die Eigentümer der durch das abgesperrte Straßenstück betroffenen Flächen, die DRE und die FF … dauerhaft sowie die Firma V., D. bis zum Abschluss des Brückenbaus und die Firmen S., F. und H. bis zum Abschluss der Bauarbeiten am klägerischen Anwesen einen Schlüssel erhalten.
30
Mit Schreiben vom selben Tag (ohne Rechtsmittelbelehrung) lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Dies wurde - wie bisher - mit den dauerhaft nicht herstellbaren Sichtflächen und den Feststellungen im Protokoll begründet. Auch widerlege die Unfallstatistik, dass es sich um eine besonders gefährliche S2.straße handele. Während der Bauzeit der Brücke würden die Schranken geöffnet, falls keine andere Zufahrtsmöglichkeit für das klägerische Anwesen bestehe.
31
Am 9. Juli 2019 erließ die Verwaltungsgemeinschaft … für den Beklagten aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs eine vorübergehende verkehrsrechtliche Anordnung, wonach die Beschilderung lt. verkehrsrechtlicher Anordnung vom 8. Januar 2007 aus beiden Richtungen bestehen bleibe und der öffentliche Feld- und Waldweg an der Zufahrt von … (Stadtgrenze ….) kommend und nach dem Ortsschild … nach dem Anwesen … mit einer Verkehrseinrichtung in Form drehbarer Wegesperren (Schranken) abgesperrt werde. Die Absperrung habe nach dem Beschilderungsplan zu erfolgen, der Bestandteil der Anordnung sei (Ziffer 1). Auf diesem ist eine Schranke unterhalb des Bahnübergangs oberhalb des Anwesens der Klägerin eingezeichnet. Die andere Schranke solle oberhalb des Bahnübergangs auf dem Feld- und Waldweg aufgestellt werden.
32
Die Anordnung wurde insbesondere damit begründet, dass die Sichtflächen topographisch bedingt nicht eingehalten werden können und daher die verkehrsrechtliche Anordnung vom 8. Januar 2007 erlassen wurde, um den Verkehr auf ein Mindestmaß zu begrenzen. Im folgenden Zeitraum seien Verstöße gegen diese Anordnung festgestellt worden und ein Verkehrsunfall zu verzeichnen gewesen. Zur wirksamen Verhinderung eines illegal querenden Verkehrs komme einzig eine Absperrung mittels einer drehbaren Wegesperre, versehen mit einem Schließzylinder und Aushändigung nur an die Grundstücksangrenzer der landwirtschaftlichen Flächen infrage. Wohnanwesen könnten eine wie bisher bestehende Alternativzufahrt nutzen und seien nicht auf die Querung des Bahnverkehrs angewiesen. Eine Abwägung von Alternativlösungen als mildere Mittel habe stattgefunden, sicherheitsrelevanten Aspekten sei aber eine höhere Priorität eingeräumt worden. Die begehrte Beschilderung „Anwohner frei“ könne die geforderte Sicherheit und die Begrenzung des Verkehrs nicht bewirken und den Regelungsgehalt der bestehenden Beschilderung nicht durchsetzen (Ziffer 2). Diese Anordnung werde mit der Aufstellung/Entfernung der Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen sowie mit der Auftragung und Entfernung der Fahrbahnmarkierungen wirksam (Ziffer 3).
33
Seit Jahresbeginn 2019 bis 5. September 2019 ereigneten sich ausweislich eines Zeitungsartikels zwischen … und … bislang 30 Unfälle auf der S2. straße … 17 davon waren Wildunfälle.
34
Die Klägerin ließ durch am 2. August 2019 eingegangenen Schriftsatz ihres Bevollmächtigten Klage erheben und beantragte,
Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 26.06.2019 verpflichtet, das Verkehrszeichen 260 mit dem Zusatzschild „Land- und Forstwirtschaft frei“, das in beiden Fahrtrichtungen der Zufahrten zum Anwesen der Klägerin angebracht ist, durch das Zusatzschild 1020-30 VzKat (Anlieger frei; hilfsweise: Anwohner frei) zu ersetzen,
hilfsweise, über den Antrag der Klägerin vom 24.04.2019 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, wiederum hilfsweise:
Die Anordnung in dem Bescheid der Beklagten vom 26.06.2019, mit der der öffentliche Feld- und Waldweg an der Zufahrt (Stadtgrenze) von … kommend nach dem Ortsschild … in Fahrtrichtung Bahnübergang nach dem Anwesen … mit einer Schranke abgesperrt wird, wird aufgehoben, wiederum hilfsweise:
über die im Bescheid vom 26.06.2019 betroffen Anordnungen hinaus wird der Beklagte verurteilt, sechs Schlüssel für die Anwohner des Anwesens „…“ auf Dauer auszuhändigen.
35
Die Klägerin lässt vortragen, dass es sich bei dem Weg über den Bahnübergang bei Erwerb des Anwesens durch ihren Großvater um die Hauptzufahrt gehandelt habe. Sie sei vor Erlass der verkehrsrechtlichen Anordnungen von 2007 nicht angehört worden. Die im anwaltlichen Schreiben vom 29. April 2019 vorgebrachten Argumente werden im Wesentlichen wiederholt. Ergänzend wird ausgeführt, dass die Abzweigung nach … auf der S3. straße meist nicht genutzt werden könne, da sie wegen fehlender Abbiegespur und ohne Geschwindigkeitsbegrenzung zu gefährlich sei. Am 28. Juli 2019 habe sich erneut ein Unfall ereignet. Auch sei nicht geklärt worden, weshalb bei der Ausfahrt … der mit dem streitgegenständlichen vergleichbare Bahnübergang für den öffentlichen Verkehr freigegeben sei. Die Sicht- und Geschwindigkeitsverhältnisse bei der Einmündung … in die S2. straße seien deutlich schlechter als am Bahnübergang. Die Anfahrt für die Unternehmen und Pkw über … bleibe auch nach Wiedereröffnung der Brücke für schwere Fahrzeuge schwierig. Es gäbe außerdem die Möglichkeit, am Bahnübergang Spiegel oder Schranken oder eine Lichtzeichenanlage anzubringen, was nicht in Erwägung gezogen worden sei.
36
Es sei auch von … aus vor dem Anwesen der Klägerin ein Verbotszeichen angebracht, sodass man allein mit Fahrzeugen der Land- und Forstwirtschaft das klägerische Anwesen anfahren dürfte, würde man die Schilder befolgen.
37
Im Schreiben vom 26. Juni 2019 würden die Notärzte bei der Vergabe der Schlüssel für die Schranken nicht erwähnt. Für die Erreichbarkeit des Grundstücks würden sich erhebliche Nachteile ergeben, welche durch die Schlüssel für die Schranke nicht ausgeräumt würden, da die Regelung nur vorübergehend gelte und eine freie Auswahl an Unternehmern ohne Anträge und Kosten nicht gewährleistet sei. Würden die Schlüssel lediglich auf Antrag ausgehändigt, hätte die Klägerin die gleichen Probleme wie aktuell bei den Ausnahmegenehmigungen. Die Schlüsselanzahl ergibt sich daraus, dass zwei Schlüssel für die Klägerin und ihre Mutter als Anwohnerinnen, zwei Schlüssel für die Geschwister der Klägerin und zwei Schlüssel für ausgewählte Unternehmen erforderlich seien.
38
Die Schranken würden dazu führen, dass Fahrzeuge, die bisher den Feldweg benutzt hätten, umkehren müssten und hierfür den Hof der Klägerin benutzen würden.
39
Der Bevollmächtigte der Klägerin vertritt die Rechtsauffassung, dass die Klägerin in ihren Anliegerrechten aus Art. 14 GG verletzt werde, da die eingeschränkten Zufahrtsmöglichkeiten nun durch die bestehenden und künftigen verkehrsrechtlichen Anordnungen zusätzlich verringert würden. Das Ermessen des Beklagten sei auf Null reduziert, sodass ein Anspruch auf verkehrsregelndes Einschreiten bestehe. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 45 Abs. 1 StVO umfasse auch den Schutz des Grundrechtes auf Eigentum vor unzumutbaren Beeinträchtigungen. Es würden sich für die Erreichbarkeit durch die Sperrung des Bahnübergangs erhebliche Nachteile ergeben. Die Straßenverkehrsbehörde sei verpflichtet, die Interessen der Anlieger mit den Interessen der Allgemeinheit und der anderen Verkehrsteilnehmer abzuwägen, was fehlerhaft erfolgt sei (VG Mainz, B.v. 28.8.2015 - 3 L 665/15 Mz). Ein sachlicher Grund weshalb zwischen den Anliegern der land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke und denen des klägerischen Grundstücks unterschieden werde, sei nicht gegeben. Die Gefahren seien die gleichen. Anstelle der Höhe der Sitzposition am Bahnübergang spiele bei der Gefahreinschätzung eher die Größe und Länge der Kfz einschließlich Anhänger eine Rolle: langsame, längere Kfz würden mehr Zeit benötigen. Auch wäre fraglich, ob die Fahrer der landwirtschaftlichen Fahrzeuge die Signaltöne genauso gut hören würden wie Pkw-Fahrer. Es werde entgegen der ursprünglichen Zielsetzung dem gesamten land- und forstwirtschaftlichen Verkehr der Durchgangsverkehr gestattet, der im Übrigen auch mit Pkw am Bahnübergang unterwegs sein könne. Die aktuelle Beschilderung beinhalte weder eine Begrenzung der Teilnehmerzahl auf die angrenzenden land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke noch verhindere sie den land- und forstwirtschaftlichen Durchgangsverkehr. Dass das Verkehrsaufkommen durch die Anlieger-Regelung steigen werde, werde nicht durch Fakten belegt. Anzahl und Häufigkeit des land- und forstwirtschaftlichen Durchgangsverkehrs würde im Vergleich zum Anliegerverkehr überwiegen. Das Argument der land- und forstwirtschaftliche Verkehr sei limitiert in Bezug auf die Tonnagebegrenzung der Brücke, greife lediglich bis zur Sanierung, im Übrigen werde der gängige Durchgangsverkehr dadurch zugegeben.
40
Sollte nicht von einer Ermessensreduktion auf Null ausgegangen werden, seien Ermessensfehler auch darin zu sehen, dass alternative Möglichkeiten (Spiegel, Schranke) am Bahnübergang nicht berücksichtigt worden seien.
41
Das Eigentum werde durch die befürchteten Wendevorgänge nach Installation der Schranken auf dem Grundstück der Klägerin mangels anderweitiger Wendemöglichkeit unzumutbar beeinträchtigt.
42
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten beantragte der Beklagte,
die Klage abzuweisen.
43
Zur Begründung lässt er vortragen, die Verkehrsschilder 250 mit Zusatzzeichen 1026-38 seien mit Anordnung vom 8. Januar 2007 angebracht worden und später durch das Zeichen 260 ersetzt worden. Mit der Sanierung der Brücke sei vor dem Jahr 2021 nicht zu rechnen, sie hänge von der Haushaltslage, der Leistungsfähigkeit des Beklagten und einer Förderung ab, die Herstellung sei aber weiterhin beabsichtigt und vorgesehen.
44
Infolge eines Ortstermins vor der Wiederinbetriebnahme der Bahnstrecke sei erörtert worden, dass die Reduzierung des Querungsverkehrs auf land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge ein geeignetes Mittel zur Gefahrenminimierung sei und gleichzeitig den Landwirten die Erreichbarkeit ihrer Felder ermöglicht werde. Die Sitzposition sei bei diesen Fahrzeugen im Regelfall erhöht und damit bessere Einsicht möglich. Auch habe ein Begegnungsverkehr aufgrund der sonst notwendigen Ausweichmanöver ins Gelände der Ausnahmefall bleiben müssen, was bei diesen Fahrzeugen aufgrund der niedrigen Verkehrsfrequenz anzunehmen gewesen sei.
45
Ein durch Verkehrszeichen angeordneter Radweg bestehe nicht, aber der Weg sei im überörtlichen Radwegenetz als Radwanderweg ausgewiesen. Eine Gefahr für Radfahrer werde aus Richtung … gesehen, allerdings hätten Radfahrer, die sich nicht in einer umschlossenen Hülle befinden, eine bessere Möglichkeit der akustischen Wahrnehmung, die die Gefahr reduziere und die Einsichtsmöglichkeiten eines langsam fahrenden Radfahrers seien im Vergleich zu einem Pkw-Fahrer erhöht.
46
Gegen die verkehrsrechtliche Anordnung vom 8. Januar 2007 seien keine Rechtsmittel eingelegt worden.
47
Beim Ortstermin am 26. Juni 2019 sei festgestellt worden, dass sich die ursprüngliche Einschätzung, durch die Beschilderung eine ausreichende Reduzierung des Gefahrenpotenzials zu erreichen, als falsch erwiesen habe und nun für ihre Durchsetzung Sorge zu tragen sei. Diejenigen, denen Schlüssel auf Dauer ausgehändigt werden würden, seien mit den örtlichen Verhältnissen vertraute Personen, die den Bahnübergang nach Öffnen der Schranke mit der gebotenen Sorgfalt überqueren. Die Belange der Anwohner seien in die Betrachtung einbezogen worden, aber die Sicherheitsinteressen vor dem Interesse an einer bequemen Zufahrt vorrangig bewertet worden.
48
Der Schutz des Einzelnen aus § 45 Abs. 1 StVO erfasse kein Recht auf uneingeschränkte Zugänglichkeit des Grundstücks mit Fahrzeugen, auch der Anliegergebrauch reiche nur soweit, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums eine Benutzung der Straße erfordere. Der Klägerin werde weit mehr gewährt, indem das Anwesen uneingeschränkt erreichbar sei; ein Anspruch auf eine zweite Zuwegung bestehe nicht, ebenso wenig auf die Erreichbarkeit mit Fahrzeugen über 3,5 t oder jeden Anliegerverkehr (BVerwG, 8.9.1993, BVerwGE 94, 136 ff.; 6.8.1982, DVBl. 1982, 1098, 13.5.1985, VG Augsburg, 22.3.2011 - Au 3 K 10.1870). Trotzdem sei die Möglichkeit der Vergabe von Schlüsseln für die Schranken eingeräumt worden. Das Ermessen sei nicht auf Null reduziert (VG Würzburg, U.v. 17.4.2019 - W 6 K 18.810 Rn. 27).
49
Auch habe der Beklagte berücksichtigt, dass Verkehrszeichen und -einrichtungen nur dort anzuordnen seien, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich sei. Im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO genüge die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass Schadensfälle zu befürchten seien (BVerwG, B.v. 12.9.1995 - 11 B 23.95, U.v. 5.4.2001 - 3 C 23.00, U.v. 23.9.2010 - 3 C 37.09), was bei der Bahnüberquerung der Fall sei, sodass die Verkehrsbeschränkungen erforderlich seien.
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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 5. Dezember 2019 - (8 ZB 19.956) ausgeführt, dass das Restrisiko von Bahnübergangsunfällen mit schweren Folgen sich auch durch moderne, auf neuer Technik basierende Sicherheitsvorkehrungen nicht vollständig ausschließen lasse. Es sei an Bahnübergängen nach der Lebenserfahrung allgemein mit unvorsichtigem und unvernünftigem Verhalten zu rechnen.
51
Die Anordnung der Wegesperren sei ermessensfehlerfrei erfolgt. Die Straßenverkehrsbehörde entscheide nach Ermessen darüber, in welchem Umfang sie unter Berücksichtigung der straßenverkehrsrechtlichen Belange einerseits und den betroffenen Interessen andererseits einen (Anlieger-)Verkehr zulasse. Dies sei gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar (BVerwG, 25.4.1980 - 7 C 19/78). Der Beklagte habe die Entscheidung getroffen, einen allgemeinen Anliegerverkehr nicht zu eröffnen, sondern stattdessen Gefährdungen soweit als möglich ausgeschlossen und im Bedarfsfalle ein Passieren für eingewiesene Schlüsselträger ermöglicht. Der Beklagte habe berücksichtigt, dass das Grundstück der Klägerin über die O. straße … mit Fahrzeugen unter 3,5 t jederzeit erreichbar sei und dies auch für Fahrzeuge über diesem Gewicht - wenn auch beschwerlicher - über die Anmeldung und Schlüsselvergabe sichergestellt werden könne. Die zeitlich absehbare Sanierung der Brücke habe dabei miteingestellt werden dürfen, während durch die Behelfsbrücke dann ohnedies auch schwerere Fahrzeuge das Grundstück ohne Sondererlaubnis erreichen können.
52
Die vorübergehende Anordnung in Bezug auf die Absperrung mit Wegsperren werde erst mit der Errichtung der Verkehrseinrichtung wirksam. Es sei zweifelhaft, ob die Aufhebung der derzeit mangels Errichtung noch nicht wirksamen Anordnung begehrt werden könne.
53
Geeignetere Mittel habe es für die Gefahrenreduzierung nicht gegeben, insbesondere die Spiegel seien angesichts der Geschwindigkeit ungeeignet. Auch eine Schrankenanlage wäre unter Berücksichtigung der Kosten und der Verkehrsbedeutung des Feldweges nicht verhältnismäßig. Zudem hätte diese gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 EBKrG zu den Eisenbahnanlagen gehört, für die der Beklagte nicht zuständig sei. Der Feldweg könne die erwartete Verkehrssteigerung auch nicht aufnehmen.
54
Ein Anspruch auf Aushändigung von sechs Schlüsseln bestehe auch nicht, da der Verkehr reduziert werden solle, was dem zuwiderlaufen würde, zumal auch die Gefahr eines Missbrauchs durch Weitergabe an Unberechtigte und nicht Eingewiesene bestehe.
55
Aus Art. 53 BayStrWG ergebe sich, dass öffentliche Feld- und Waldwege der Bewirtschaftung von Feld- und Waldgrundstücken dienen, nicht der Aufnahme eines beschränkt öffentlichen Verkehrs, worauf die Klägerin keinen Anspruch habe.
56
Hinsichtlich der Befahrbarkeit für Einsatzfahrzeuge werde auf § 35, insbesondere Abs. 5a StVO verwiesen, der Befreiungen enthalte.
57
Der Klägerbevollmächtigte repliziert, dass nicht bestritten werde, dass ein unbeschrankter Bahnübergang eine potentielle Gefahrenlage schaffe. Es sei aber versäumt worden, die Gefährlichkeit mit der Alternativroute anhand von Unfallstatistiken zu vergleichen. Gegenverkehr sei auch auf der Alternativroute über … und … problematisch, da die Straße ebenfalls bis kurz vor … einspurig sei und kaum Ausweichmöglichkeiten habe. Es gebe durchaus zwei Ausweichstellen bei der Zufahrt über die Bahnlinie, ebenso wie auf der Straße über … Die Anordnung der aktuellen Beschilderung sowie deren Umsetzung sei fehlerhaft. Der Standort des Verkehrsschildes „Land- und forstwirtschaftlicher Verkehr frei“ für die Zufahrt von … kommend müsste sich laut Beschilderungsplan als Grundlage der Anordnung unterhalb der Bahnlinie an einem Privatweg befinden. Der Standort des Schildes von … kommend müsste oberhalb des klägerischen Grundstücks liegen, es stehe jedoch unterhalb.
58
Die schon am 26. Juni 2019 bestellten Schranken seien noch nicht aufgestellt. Auch sei zweifelhaft, ob ein offizieller Radweg ohne Ausweichmöglichkeit überhaupt mit einer abschließbaren Schranke versehen werden dürfe. Der geplante Standort der Schranke liege ausweislich der Niederschrift zum Ortstermin auf Höhe des klägerischen Grundstücks, nicht dahinter. Die der Klägerin gehörende Wiese (6000 m²) oberhalb davon wäre über die Straße nicht mehr erreichbar und zu bewirtschaften oder der Klägerin stehe ebenfalls ein Schlüssel zu.
59
Die Zufahrt über den Bahnübergang sei ehemals die einzige, später die Hauptzufahrt für ganz … gewesen und sei somit sicher nicht „seit jeher als öffentlicher Feld- und Waldweg“ eingestuft. Die Mutter der Klägerin sei nach Wiederinbetriebnahme der Bahnstrecke falsch informiert worden, dass sie als Anwohnerin den Bahnübergang nutzen dürfe. Auch habe ein Teil des streitgegenständlichen Weges ursprünglich im Besitz der Familie der Klägerin gestanden, für dessen Verbreiterung ein Teil des klägerischen Grundstücks in Anspruch genommen wurde. Es sei dahingestellt, ob dies für eine zum „Feldweg“ herabgestufte Straße notwendig gewesen sei.
60
Erst seit 2020 existiere in … ein blaues Schild mit weißem Pfeil als Hinweis für den öffentlichen Verkehr.
61
Unter dem 17. Oktober 2020 wurde den Anwohnern von … eine unbefristete Ausnahmegenehmigung von den angeordneten Verkehrsbeschränkungen nach Zeichen 260 mit Zusatzzeichen „land- und forstwirtschaftlicher Verkehr“ in Richtung … aus … kommend erteilt.
62
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der örtlichen Verhältnisse. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe

63
1. Die Beteiligten haben sich mit am 27. Oktober 2021 und am 3. November 2021 eingegangenen Schriftsätzen mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO einverstanden erklärt.
64
2. a. Die Klage ist im Hauptantrag als Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) zulässig. Die Klägerin lässt beantragen, dass der Beklagte unter Aufhebung seines Bescheides vom 26. Juni 2019 verpflichtet wird, das Verkehrszeichen 260 mit dem Zusatzschild „Land- und Forstwirtschaft frei“, das in beiden Fahrtrichtungen der Zufahrten zum Anwesen der Klägerin angebracht ist, durch das Zusatzschild 1020-30 VzKat (Anlieger frei; hilfsweise: Anwohner frei) zu ersetzen.
65
Der Antrag ist trotz anwaltlicher Vertretung zugunsten der Klägerin dahingehend auszulegen, dass sie die Verpflichtung des Beklagten begehrt, unter Aufhebung der straßenverkehrsrechtlichen Anordnung vom 9. Juli 2019 und Entfernung der bestehenden Beschilderung an den entsprechenden Stellen das Verkehrszeichen 260 mit dem Zusatzzeichen 1020-30 an denselben Stellen anzuordnen, denn die versagende Entscheidung hängt untrennbar mit der gleichzeitig erfolgten Neuprüfung der Beschilderung und der weitergehenden Anordnung der Wegesperren in der verkehrsrechtlichen Anordnung zusammen, sodass diese mitangegriffen ist.
66
Ginge es der Klägerin lediglich um die Entfernung des Zusatzzeichens, wäre eine Teilanfechtungsklage zwar ebenfalls zulässig. Verkehrszeichen sind nach allgemeiner Meinung Allgemeinverfügungen i.S.d. Art. 35 Satz 2 BayVwVfG und daher grundsätzlich mit der Anfechtungsklage angreifbar. Nach § 39 Abs. 3 Satz 1 StVO sind auch Zusatzzeichen Verkehrszeichen. Daher sind sie Teil einer Allgemeinverfügung, die aus dem Zusatzzeichen und einem anderen Verkehrszeichen, auf das sich das Zusatzzeichen bezieht (vgl. § 39 Abs. 3 Satz 3 StVO), besteht. Verwaltungsakte können nach allgemeiner Meinung auch nur teilweise angefochten werden (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO „soweit“). Auch bei Allgemeinverfügungen in Form der Aufstellung eines Verkehrszeichens ist die Teilbarkeit nicht grundsätzlich ausgeschlossen, auch wenn diese z.B. mit einem Zusatzzeichen verbunden sind. Dabei kommt es aber nicht nur darauf an, ob der Regelungsgegenstand grundsätzlich teilbar ist, sondern auch darauf, ob der nicht angefochtene Teil der gesamten Regelung unabhängig von dem angefochtenen Teil rechtlich Bestand haben kann und ob er von der Behörde selbständig erlassen worden wäre oder von Rechts wegen hätte erlassen werden müssen. Für die Teilanfechtung eines unteilbaren Verwaltungsakts ist demgegenüber die Verpflichtungsklage das richtige Instrument, da in diesem Fall die Durchsetzung eines anderen Verwaltungsakts begehrt wird. Zwar wäre der Regelungsgegenstand der Anordnung vom 9. Juli 2019 in Form der Verkehrszeichen 250 mit Zusatzzeichen 1026-38 grundsätzlich teilbar, da das Durchfahrtverbot auch ohne das Zusatzzeichen bestehen bleiben könnte. Der Beklagte wollte aber ersichtlich kein uneingeschränktes Durchfahrtverbot (vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2019 - 11 B 19.703 - BeckRS 2019, 27485 Rn. 26 ff.), sondern eine weitgehende Minimierung des Verkehrs auf den Personenkreis, der auf die Benutzung angewiesen ist. Daher hat die Klägerin - für ihr Begehren zutreffend - Verpflichtungsklage erhoben.
67
b. Die Klage wurde fristgerecht erhoben. Da weder dem Schreiben an die Klägerin vom 26. Juni 2019 noch den Verkehrszeichen eine Rechtsmittelbelehrungbeigefügt war, war für die Klageerhebung die Jahresfrist gemäß § 58 VwGO maßgeblich, so dass die am 2. August 2021 erhobene Klage rechtzeitig erfolgte. Die Klage hinsichtlich der verkehrsrechtlichen Anordnung in Form der Verkehrszeichen 250 mit Zusatzzeichen 1026-38 ist nicht verfristet, obwohl die Verkehrszeichen bereits wohl im Jahr 2007 (genauer Zeitpunkt unbekannt) aufgestellt wurden.
68
Die Anfechtungsfrist beginnt nicht gegenüber jedermann bereits mit dem Aufstellen des Verkehrszeichens. Diese wird vielmehr erst dann ausgelöst, wenn sich der betreffende Verkehrsteilnehmer erstmals der Regelung des Verkehrszeichens gegenübersieht, indem er erstmalig in dessen Wirkungsbereich gelangt. Das Verkehrsge- oder -verbot, das dem Verkehrsteilnehmer bei seinem ersten Herannahen bekannt gemacht wurde, gilt ihm gegenüber fort, solange dessen Anordnung und Bekanntgabe aufrechterhalten bleiben. Wird die dem Verkehrszeichen zugrundeliegende verkehrsrechtliche Anordnung hingegen - nach außen erkennbar - geändert, beginnt die einjährige Rechtsmittelfrist ab diesem Zeitpunkt neu zu laufen. Soweit eine Verkehrsregelung ohne Änderung des sie verkörpernden Verkehrszeichens inhaltlich geändert wird, indem beispielsweise eine versuchsweise getroffene Regelung als dauerhafte Verkehrsbeschränkung angeordnet wird, ist für die Frage des Beginns der Anfechtungsfrist grundsätzlich der Zeitpunkt der - wiederum nach außen erkennbaren - wesentlichen Änderung der verkehrsbehördlichen Anordnung mit dem Aufstellen des Verkehrszeichens gleichzusetzen. Die einjährige Rechtsmittelfrist gegen eine dauerhafte Verkehrsregelung, die übergangslos einer identischen versuchsweisen Verkehrsregelung folgt, ohne dass dies durch eine Änderung des Verkehrszeichens oder die öffentliche Bekanntmachung der zugrundeliegenden verkehrsbehördlichen Anordnung nach außen erkennbar wird, beginnt mit positiver Kenntnis von der der Anordnung zugrundeliegenden neuen Rechtsgrundlage zu laufen. Mit Blick auf den nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz ist davon auszugehen, dass von einem Rechtsmittelführer nicht erwartet werden kann, die von ihm angegriffenen Verkehrszeichen und deren - nach außen erkennbare - Bekanntmachungsform unter ständiger Kontrolle zu halten, um zu vermeiden, dass eventuelle - inhaltsgleiche - Nachfolgeregelungen in Bestandskraft erwachsen (VG Neustadt a.d. Weinstraße, U.v. 19.4.2021 - 3 K 731/20 - BeckRS 2021, 10389 Rn. 31 unter Berufung auf u.a. BVerwG, U.v. 23.9.2010 - 3 C 37/09 - BVerwGE 138, 21-35 Rn. 19; ebenso BayVGH, B.v. 28.12.2020 - 11 ZB 20.2176 - BeckRS 2020, 37592 Rn. 15 f.). So liegt der Fall hier, wobei die am 9. Juli 2019 erlassene Anordnung - soweit sie die Verkehrszeichen 250 mit Zusatzzeichen 1026-38 betriff - eine unteilbare und damit insgesamt erneut anfechtbare Gesamtregelung darstellt. Es ist nicht ersichtlich, dass die erneute Prüfung des Beklagten auf den Durchfahrtsverkehr von land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen beschränkt sein sollte und dass der Beklagte das Durchfahrtsverbot gegebenenfalls auch ohne diese Beschränkung, also vollumfänglich hätte erlassen wollen (s.o.). Damit wurde die Klagefrist des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO für die Anordnungen in Form der Verkehrszeichen 250 mit Zusatzzeichen 1026-38 erneut in Lauf gesetzt und die Klageerhebung am 2. August 2019 war fristgerecht.
69
c. Die Klägerin ist auch klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Die Klagebefugnis ist bereits dann zu bejahen, wenn das Klagevorbringen es zumindest als denkbar und möglich erscheinen lässt, dass die Unterlassung der begehrten Maßnahme eigene Rechte der Klägerin verletzt. Vorliegend ist denkbar und möglich, dass der geltend gemachte Klageanspruch auf der Grundlage des § 45 Abs. 1 StVO besteht. Die Vorschrift dient zwar grundsätzlich nur dem Schutz der Allgemeinheit und somit öffentlichen Interessen; in Einzelfällen kann sich jedoch auch für den Einzelnen ein Anspruch auf verkehrsregelndes Einschreiten ergeben. Dies ist dann der Fall, wenn eine Verletzung öffentlich-rechtlich geschützter Individualinteressen in Betracht kommt. Insoweit gewährt § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO dem Einzelnen ein auf eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung begrenztes subjektiv öffentliches Recht auf ein verkehrsregelndes Einschreiten der Straßenverkehrsbehörde, wenn öffentlich-rechtlich geschützte Individualinteressen durch Einwirkungen des Straßenverkehrs, die das nach allgemeiner Anschauung zumutbare Maß übersteigen, verletzt werden. Zum Schutz der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO gehört auch das grundrechtlich geschützte Recht auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) (VG Würzburg, U.v. 17.4.2019 - 6 K 18.810 - BeckRS 2019, 10014 Rn. 20 ff.).
70
3. Der Hauptantrag ist jedoch unbegründet.
71
a. Der Beklagte ist passivlegitimiert. Zuständig für die Anordnung der Verkehrszeichen ist der Beklagte, da es sich bei der Straße von … kommend um eine O. straße i.S.d. Art. 46 Nr. 2 Bayerisches Straßen- und Wegegesetz - BayStrWG und bei dem Feldweg um einen öffentlichen Feld- und Waldweg i.S.d. Art. 53 Nr. 1 BayStrWG handelt und der Beklagte damit als örtlich zuständige Straßenverkehrsbehörde anzusehen ist. Nach § 44 Abs. 1 StVO i.V.m. Art. 2 Satz 1 Nr. 1, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über Zuständigkeiten im Verkehrswesen - ZustGVerk sind die Gemeinden örtliche Straßenverkehrsbehörden, die im Gemeindegebiet alle Aufgaben nach § 45 StVO erfüllen, soweit sich diese auf Gemeindestraßen im Sinn des Art. 46 BayStrWG und sonstige öffentliche Straßen im Sinn des Art. 53 BayStrWG beziehen. Nach Art. 6 Satz 1 ZuStGVerk erfüllen sie diese Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis. Zwar ist der Beklagte Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft … und nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgemeinschaftsordnung - VGemO übernimmt die Verwaltungsgemeinschaft die Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis der Mitgliedsgemeinden. Ausgenommen hiervon sind jedoch gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 3 VGemO die Aufgaben, die nach der Verordnung über Aufgaben der Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften bei der Gemeinde verbleiben. Nach § 1 Nr. 5 der Verordnung über Aufgaben der Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften verbleibt die Aufgabe der örtlichen Straßenverkehrsbehörde bei der Gemeinde.
72
b. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf die begehrte verkehrsrechtliche Anordnung mit den Verkehrszeichen 260 und Zusatzschild Anlieger frei an den vorgesehenen Stellen auf der Grundlage des § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 9 Satz 1 StVO.
73
aa. Bei dem streitgegenständlichen öffentlichen Feld- und Waldweg handelt es sich um einen im Rahmen des Flurbereinigungsplans gewidmeten öffentlichen Feld- und Waldweg sowie um eine gewidmete O. straße, die beide den Regelungen der Straßenverkehrs-Ordnung unterliegen (vgl. BayVGH, U.v. 3.7.2015 - 11 B 14.2809 - BeckRS 2015, 49706 Rn. 19).
74
bb. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten oder den Verkehr umleiten. Zu derartigen Verkehrsbeschränkungen gehört auch die Anordnung eines Durchfahrtsverbots für den Kraftfahrzeugverkehr mit Zusatzzeichen „Anlieger frei“. Nach § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund besonderer Umstände zwingend geboten ist. Nach herrschender Meinung schränkt § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO den Tatbestand des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO weiter ein. Nach der Begründung zu dieser Vorschrift sollen die zuständigen Behörden bei der Anordnung von Verkehrszeichen restriktiv verfahren und stets nach pflichtgemäßem Ermessen prüfen, ob die vorgesehene Regelung durch Verkehrszeichen deshalb zwingend erforderlich ist, weil die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Verordnung für einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf nicht ausreichen (BR-Drs. 374/97 Anlage S. 8). Eine den fließenden Verkehr beschränkende Anordnung kommt dabei nach § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO nur in Betracht, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.
75
Ob die vorgenannten Gründe vorliegen und der behördliche Eingriff erforderlich ist, unterliegt in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung. Bei Erfüllung dieser Voraussetzungen verbleibt der Behörde für ihre Entscheidung, „ob“ und „wie“ sie eingreifen will, nach § 45 Abs. 1 StVO ein Ermessenspielraum („kann“), der gemäß § 114 VwGO gerichtlich nur beschränkt auf Ermessensfehler überprüfbar ist. Die Behörde hat dann bei der Auswahl den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Im Rahmen der Überprüfung der Ermessensbetätigung der Behörde ist besonders auch zu prüfen, ob die rechtlichen Interessen des Klägers in ausreichendem Maß Berücksichtigung gefunden haben und in die Abwägung eingestellt wurden (VG Würzburg, U.v. 17.4.2019 - 6 K 18.810 - BeckRS 2019, 10014 Rn. 23 ff.). Zu einem Anspruch auf verkehrsregelndes Einschreiten verdichtet sich dieses Ermessen lediglich in Fällen, in denen nur eine einzige richtige Behördenentscheidung denkbar ist (Ermessensreduktion auf Null) (BayVGH, B.v. 23.6.2008 - 11 CE 08.745 - BeckRS 2008, 28095 Rn.19; VG Würzburg, U.v. 17.4.2019 - 6 K 18.810 - BeckRS 2019, 10014 Rn. 24). Bei der Überprüfung, ob die Behörde das ihr grundsätzlich in der Folge zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat, ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der hohen Anforderungen an die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 Abs. 9 Satz 1 und 3 StVO das Ermessen stark eingeschränkt ist. Bei Bejahung der Tatbestandsvoraussetzungen, zumal bei einer konkreten Gefahr für die Rechtsgüter Leib und Leben, ist in der Regel ein Tätigwerden der Behörde geboten und somit ihr Entschließungsermessen reduziert (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.2010 - 3 C 37/09 - BeckRS 2010, 56021 Rn. 35; BayVGH, B.v. 28.9.2011 - 11 B 11.910 - juris Rn. 24, 39). Eine Gefahrenlage, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in § 45 StVO genannten Rechtsgüter - hier insbesondere eines sicheren Verkehrsflusses - erheblich übersteigt, liegt nach den obigen Ausführungen bereits dann vor, wenn eine entsprechende konkrete Gefahr besteht, die sich aus den besonderen örtlichen Verhältnissen ergibt. Die Annahme besonderer örtlicher Verhältnisse im Sinne einer qualifizierten Gefahrenlage wird nicht nur durch die Verkehrsdichte und daraus resultierende Unfallzahlen im fraglichen Bereich, sondern durch verschiedene weitere Faktoren beeinflusst, so unter anderem die Breite und dem Ausbauzustand der für den Fahrzeug- und Fußgängerverkehr zur Verfügung stehenden Fläche, die Ausweichmöglichkeiten, die Inanspruchnahme von Flächen durch parkende Fahrzeuge und deren Auswirkungen auf den Verkehr, die Übersichtlichkeit der Streckenführung und die Verteilung des Verkehrs über den Tag (VG Neustadt a.d. Weinstraße, U.v. 19.4.2021 - 3 K 731/20 - BeckRS 2021, 10389 Rn. 40; VG Würzburg, U.v. 24.3.2021 - W 6 K 19.1594 - BeckRS 2021, 15335 Rn. 41 ff.).
76
Es stellt sich bereits die Frage, ob eine Gefahrenlage, die nach dem Vortrag der Klägerin an einer bestimmten Stelle, der Einfahrt in die S2. straße, besteht, dazu führen kann, dass an einer anderen Stelle, die nicht in unmittelbarer Nähe der Gefahrenstelle liegt, die Anordnung eines Verkehrszeichens beansprucht werden kann.
77
An den Stellen, an denen die Verkehrszeichen nach Auffassung der Klägerin „getauscht“ werden sollen, besteht keine konkrete Gefahr für die Schutzgüter Leib und Leben, die durch die Anordnung des Verkehrszeichens 260 mit Zusatzzeichen 1020-30 beseitigt werden kann, was auch die Klägerin nicht vorträgt. Nach § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. „Zwingend geboten“ ist ein Verkehrszeichen unter Berücksichtigung von Regelungszweck und Wortlaut der Vorschrift nur dort, wo das Verkehrszeichen zur Abwehr einer Gefahrenlage unbedingt erforderlich sowie die allein in Betracht kommende Maßnahme ist (Hühnermann in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, StVO, 26. Aufl. 2020, § 39 Rn. 1). Verkehrsbeschränkungen sind nach § 45 Abs. 1 und 1a StVO nur für bestimmte Straßen oder Strecken zulässig, um einer dort bestehenden konkreten Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung, also im Vergleich zu anderen Strecken einer erhöhten Unfallgefahr zu begegnen (Hühnermann, a.a.O. § 45 Rn. 4). Dieser strenge räumliche Bezug spricht zumindest dafür, dass Gefahren an bzw. in unmittelbarer Nähe der Gefahrenstelle begegnet werden muss, nicht an anderer Stelle.
78
Selbst wenn dies anders zu sehen ist, konnte die Kammer bei Berücksichtigung der konkreten örtlichen und individuellen Verhältnisse nicht feststellen, dass an der Zufahrt über …- … bzw. … auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.
79
Es kann nicht erkannt werden, dass die Gefahrenlage bei … dazu führt, dass die einzige richtige Behördenentscheidung zur Beseitigung der Gefahr eine Anordnung der begehrten Verkehrszeichen an den beantragten Stellen ist.
80
Dass es sich um eine viel- und schnellbefahrene S2. straße handelt, scheint unstrittig zu sein. Auch liegt die Zufahrt zur S2. straße bei der Ausfahrt … in einer nicht unerheblichen Kurve. Zumindest für Fahrzeuge, die von … kommend nach links auf die S2. straße auffahren wollen, ist es durchaus mit Schwierigkeiten verbunden, die Geschwindigkeit von den von Osten herannahenden Fahrzeugen abzuschätzen und den richtigen Moment für eine sichere Auffahrt auszumachen.
81
Dagegen ist bei einer Auffahrt von … kommend nach rechts die Streckenführung der S2. straße von Westen nahezu linear, da die Zufahrt von dieser Richtung aus gesehen am Anfang der Kurve liegt und zudem die Abfahrt von der S2. straße auf die Straße nach … dort den Verkehr verlangsamt. Die Zufahrt auf die S2. straße weist eine Breite von über 5 Meter auf und wird in Richtung S2. straße deutlich breiter, bergab Richtung … schmaler. Zwischen der Straße von … kommend und der S2. straße beträgt der Höhenunterschied circa 2,5 Meter, wobei die größte Differenz bereits für den Fahrzeugführer zu überwinden ist, um an die Stelle zu gelangen, auf der dann zunächst gewartet und in die Straße eingesehen wird. Auf dieser Anhöhe kurz vor der Auffahrt auf die S2. straße besteht ausreichend Platz für eine gewöhnliche Fahrzeuglänge und dort liegt die Höhendifferenz zur S2. straße bei lediglich circa einem halben Meter.
82
Obwohl es nicht ausschließlich auf die Unfallzahlen an der entsprechenden Stelle ankommt, sprechen auch diese nicht für eine qualifizierte Gefahrenlage. Zwar kam es ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Zeitungsartikels auf der Strecke vom Kreisverkehr bei … bis zur Einmündung der S2. straße … bei … bereits von Januar bis September 2019 zu 30 Unfällen. Davon sind einerseits bereits 17 Wildunfälle, andererseits sind die verbleibenden Unfälle nicht nachweislich an der Zufahrt nach … entstanden, sondern auf einer Strecke, die letztlich circa 10 km lang ist. Der Polizeibeamte der PI …- …, der sowohl die Angaben für den Zeitungsartikel gemacht haben soll als auch beim Ortstermin anwesend war, gab bei letzterem an, dass sich an der Einmündung … von 2015 bis 29. Mai 2019 acht Unfälle ereignet hätten. Es habe sich bei vier um Vorfahrtsverletzungen aus der Einmündung in die S2. straße gehandelt. Trotzdem wird die Einmündung bislang nicht als Unfallhäufungsstelle eingestuft.
83
Eine qualifizierte Gefahrenlage bei der Auffahrt … hat die Klägerin nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. Sie hat lediglich moniert, dass nicht geklärt worden sei, weshalb bei der Ausfahrt … der mit dem streitgegenständlichen vergleichbare Bahnübergang für den öffentlichen Verkehr freigegeben sei. Dies genügt nicht, um eine qualifizierte Gefahrenlage anzunehmen, die dazu führt, dass sie an der von ihr begehrten Stelle eine verkehrsrechtliche Anordnung beanspruchen kann, die ihr eine Durchfahrt in Form von „Anlieger frei“ gewährt. Weitere Ausführungen sind daher entbehrlich. In diesem Zusammenhang ist der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Dezember 2020 - 11 ZB 20.2176 - (BeckRS 2020, 37592 Rn. 20 ff.) zu sehen, wonach die Straßenverkehrsbehörde, wenn sie ein Verkehrszeichen anordnet, die materielle Beweislast dafür trägt, dass die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Es obliegt ihr daher, die zugrundeliegenden Umstände zu ermitteln, zu dokumentieren und aktenkundig zu machen. Diese Obliegenheit kommt nur im Falle eines sog. „non liquet“ entscheidungserheblich zum Tragen, wenn sich also die Tatsachen, die die verkehrsrechtliche Anordnung rechtfertigen, nicht auch anderweitig durch das Gericht feststellen lassen (VG Würzburg, U.v. 24.3.2021 - W 6 K 19.1594 - BeckRS 2021, 15335 Rn. 38). Vorliegend handelt es sich aber um den umgekehrten Fall, bei dem die Behörde eine Gefahrenlage nicht zu erkennen vermag und eine Privatperson die Anordnung für erforderlich hält.
84
Insgesamt ergibt sich daher für die Kammer das Bild, dass es sich bei der Einfahrt in die S2. straße gerade um das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der geschützten Rechtsgüter handelt, wofür die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Straßenverkehrsordnung ausreichen. Insbesondere ist bei der Auffahrt in eine S2. straße notfalls so lange zuzuwarten, bis eine gefahrfreie Einfädelung möglich ist und gleichzeitig hat sich der/die Fahrzeugführer/in an die auf der S2. straße herrschende Geschwindigkeit anzupassen. Jedenfalls gibt es eine Vielzahl von Maßnahmen, um die behauptete Gefahr direkt an der gefährlichen Stelle zu minimieren.
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Auch der Anliegergebrauch vermag der Klägerin an diesen Stellen keinen Anspruch auf die verkehrsrechtliche Anordnung und entsprechende Anbringung der Verkehrszeichen zu verschaffen.
86
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird der Gemeingebrauch eines Straßenanliegers, auch soweit seine Gestaltung nach der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen dem Landesgesetzgeber obliegt, vom Bundesrecht insofern erfasst als er in einem „Kernbereich“ der grundrechtlichen Gewährleistung der Art. 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG sowie des Art. 14 Abs. 1 GG unterliegt. Der Gemeingebrauch der Anlieger kommt in seinem Kern dem (privatrechtlichen) Eigentum so nahe, dass ihm der Schutz des Art. 14 GG nicht vorenthalten werden kann. Auf die Belange der Anlieger ist insofern in spezifischer Weise Rücksicht zu nehmen, als dieser Personenkreis in besonderem Maße auf den Gebrauch der Straße angewiesen ist. Nach diesen vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätzen gehört zum eigentumsrechtlich geschützten Anliegergebrauch die Zugänglichkeit des Grundstücks von und zur Straße und in gewissem Umfang die geschäftliche Kommunikation mit den Verkehrsteilnehmern. Im Bayerischen Straßen- und Wegerecht vermittelt das Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs dem Anlieger einer öffentlichen Straße über die Regelungen der Art. 14 Abs. 1, Art. 17 BayStrWG hinaus eine besondere Stellung und namentlich dem Grunde nach einen Anspruch auf Zugang zu dieser Straße. Der Anliegergebrauch sichert eine ausreichende Verbindung des Anliegergrundstücks zu dem davorliegenden Straßenteil und die Anbindung dieses Straßenteils an das allgemeine Verkehrsnetz. Der gegenüber dem schlichten Gemeingebrauch gesteigerte Schutz reicht nur soweit, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums eine Benutzung der Straße erfordert. Welche Nutzungsmöglichkeiten in diesem Sinne eigentumsrechtlich garantiert sind, richtet sich nach den durch die Rechtslage und die tatsächliche Grundstückssituation bestimmten Bedürfnissen. Dabei ist auch die das Grundstück prägende Situation der Umgebung zu berücksichtigen. Der Schutz wird nur innerhalb der geschlossenen Ortslage gewährt; Zufahrten außerhalb derselben gelten als Sondernutzung (vgl. Art. 19 Abs. 1 BayStrWG) (BayVGH, U.v. 15.3.2006 - 8 B 05.1356 - IBRRS 2006, 1162).
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Gewährleistet wird auch nur die Verbindung mit dem öffentlichen Straßennetz überhaupt. Diese Gewährleistung der Zugänglichkeit des Grundstücks bedeutet weder eine Bestandsgarantie hinsichtlich der Ausgestaltung und des Umfangs der Grundstücksverbindung mit der Straße noch die Gewährleistung von Bequemlichkeit oder Leichtigkeit des Zugangs und Abgangs (VG Neustadt a.d. Weinstraße, U.v. 19.4.2021 - 3 K 731/20 - BeckRS 2021, 10389 Rn. 49). Sofern nur die Straße als Verkehrsmittler erhalten bleibt, schützt das Recht auf Anliegergebrauch regelmäßig nicht vor solchen Erschwernissen des Zugangs, die sich aus einer besonderen örtlichen Lage ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.1977 - IV C 15/75 - NJW 1977, 1789). Unter den heutigen Verhältnissen des Straßen- und Geschäftsverkehrs gehört die ausreichende Möglichkeit, ein Grundstück, zumal ein gewerblich genutztes Grundstück, mit dem Kraftfahrzeug zu erreichen, grundsätzlich zu den Erfordernissen einer angemessenen Grundstücksnutzung (BVerwG, U.v. 15.11.1974 - IV C 12.72 - NJW 1975, 1528). Eine uneingeschränkte Anfahrtsmöglichkeit zu einem Grundstück „bis unmittelbar vor die Haustür“ gehört aber in städtischen Ballungsgebieten auch für den Eigentümer eines Wohngrundstücks nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs. Anlieger und Anwohner haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen bestimmten Umfang der Grundstücksverbindung mit der Straße, sofern diese nur als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Sondersituationen kann insoweit durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen hinreichend Rechnung getragen werden (BVerwG, U.v. 27.2.2018 - 7 C 30.17 - BeckRS 2018, 8822 Rn. 41; BayVGH, B.v. 5.11.2019 - 11 B 19.703 - BeckRS 2019, 27485 Rn. 38; VG Würzburg, U.v. 24.3.2021 - W 6 K 19.1594 - BeckRS 2021, 15335 Rn. 26).
88
Gemäß Art. 53 Nr. 1 BayStrWG dienen die öffentlichen Feld- und Waldwege der Bewirtschaftung von Feld- und Waldgrundstücken. Das Anwesen der Klägerin befindet sich erkennbar im Außenbereich und die Anforderungen an die Erschließung eines Außenbereichsvorhabens sind geringer als die an ein Innenbereichsvorhaben. Allerdings gebietet auch die Erschließung von Innenbereichsvorhaben nicht, dass man mit dem Auto bis an sein Wohnhaus fahren kann. Das Grundstück ist in eine situationsbedingte Vorbelastung hineingestellt (vgl. VG Saarlouis, U.v. 28.11.2018 - 5 K 651/17 - BeckRS 2018, 31924 Rn. 31 ff.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es der Klägerin und den Anwohnern von … aufgrund der unbefristeten Ausnahmegenehmigung unbenommen ist, ihr Grundstück mit dem Kraftfahrzeug anzufahren und damit ihr Recht auf Erhaltung des Zugangs von und zur Straße nicht beeinträchtigt ist. Dass dies ohne Voranmeldung bzw. Ausnahmegenehmigung für Kraftfahrzeuge über 3,5 t möglich sein soll, gehört nicht zum Kernbereich des Anliegergebrauchs, zumal insbesondere für die Lieferungen von Öl, für Baufirmen und die Müllabfuhr Ausnahmen erteilt worden sind und der Bau der Brücke von dem Beklagten weiterhin geplant ist.
89
Der Annahme der Klägerseite, die Zuwegung über die O. straße von … müsse unter Ermessensgesichtspunkten die Benutzung eines nicht verkehrssicheren Bahnübergangs gebieten, folgt die Kammer nicht. An einem Teilstück der Strecke, über das die Klägerin letztlich die Durchfahrt begehrt, ist unstreitig eine erhöhte Gefahrenlage gegeben. Es ist nicht so, dass durch ein Eröffnen des Anliegerverkehrs an der von der Klägerin begehrten Stelle ein niedrigeres Risiko als durch die Ausweichstrecke besteht. Dass die Sichtflächen am Bahnübergang nicht eingehalten werden können, hat die Klägerin selbst nicht infrage gestellt und es wurde bereits mindestens zweimal der Zug aus Richtung … kommend übersehen. Die Sichtflächenproblematik war auch letztlich der Auslöser für die Anordnung der Verkehrsbeschränkung.
90
Dass am Bahnübergang eine geringere Anzahl an Unfällen bekannt ist, ändert an der Einstufung als Gefahrenstelle nichts, zumal die Klägerin selbst vortrug, dass sich der Verkehr an dieser Stelle gesteigert haben soll. Es liegt auf der Hand, dass auf einer vielbefahrenen S2. straße mehr Verkehr und demnach auch mehr Unfälle vorkommen, als auf einem öffentlichen Feld- und Waldweg.
91
Die Verkehrszeichen 250 bzw. 260 und Zusatzzeichen 1026-38 sind nach Auffassung der Kammer grundsätzlich geeignet, den Verkehr dort zu reduzieren, wenn auch nicht auszuschließen ist, dass Personen dieses Schild missachten. Der Vertreter der DRE hat im Ortstermin nachvollziehbar erklärt, dass bei landwirtschaftlichen Fahrzeugen in der Regel durchsichtige Flächen um den Fahrzeugführer vorhanden sind, sodass besser eingesehen werden kann. Dass eine „Anlieger frei“- Regelung den bisher bestehenden Verkehr reduzieren würde, ist nach allgemeiner Lebenserfahrung ausgeschlossen.
92
Ein Eingriff in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung, Verzögerungen und entstehende Kosten, soweit diese Interessen von § 45 Abs. 1 StVO überhaupt erfasst sind, führen ebenfalls nicht zwingend zu der begehrten Anordnung. Eine Interessenabwägung mit der Gefahr für Leib und Leben am Bahnübergang kann sich demgegenüber durchsetzen.
93
Die Argumente, wonach die Strecke über … bereits für forstwirtschaftliche Arbeiten gesperrt gewesen sei, die Straße einspurig und umständlich sowie unzureichend beschildert sei, sind von allen Nutzern der Straße hinzunehmen. Insbesondere sind sie nicht von solchem Gewicht, dass eine Ermessensreduktion auf Null angenommen werden müsste. Dass die geltend gemachten Schwierigkeiten mit der Hausmüllentsorgung von Rechts wegen nicht die Freigabe des Bahnübergangs für den Anliegerverkehr gebieten - da für die Müllabfuhrfahrzeuge ohnehin bereits Ausnahmegenehmigungen bestehen -, bedarf keiner Vertiefung.
94
In einer Gesamtschau führt dies nicht dazu, dass im Wege eines gebundenen Anspruchs an den von der Klägerin begehrten Stellen die beantragte Beschilderung aufzustellen wäre. Hinsichtlich der Stelle nach der Brücke über die „…“ würde dies dazu führen, dass der Anliegerverkehr (ohne weitere Regelung) den Bahnübergang queren dürfte, obwohl die diesbezüglich von dem Beklagten angenommene Gefahrenlage tatsächlich besteht.
95
4. Der erste Hilfsantrag ist bei wohlverstandener Auslegung jedoch zulässig und begründet.
96
a. Dieser Antrag ist letztlich dahingehend zu verstehen, dass der Beklagte unter Aufhebung der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 9. Juli 2019 verpflichtet werden soll, über den Antrag vom 24. April 2019 - das Verkehrszeichen 260 mit dem Zusatzschild „Land- und Forstwirtschaft frei“, das in beiden Fahrtrichtungen der Zufahrten zum Anwesen der Klägerin angebracht ist, durch das Zusatzschild 1020-30 VzKat (Anlieger frei; hilfsweise: Anwohner frei) zu ersetzen - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
97
Der Antrag auf Neuverbescheidung beinhaltet sogleich ein Aufhebungsbegehren hinsichtlich der behördlichen Entscheidung, soweit die Klägerin damit nicht einverstanden ist. Diese Entscheidung kam in dem Schreiben vom 26. Juni 2019 zum Ausdruck, wurde aber in der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 9. Juli 2019 erst umgesetzt, von deren Existenz die Klägerin wohl keine Kenntnis hatte, da sie erst nach dem ihr bekanntgegebenen Schreiben erlassen wurde. Sie hat jedoch innerhalb der Jahresfrist Klage erhoben, weil sie davon ausging, dass die Regelungswirkung ausschließlich in dem an sie gerichteten Schreiben lag. Wie das Verwaltungsgericht Neustadt a.d. Weinstraße in seinem Urteil vom 19. April 2021 - 3 K 731/20 - (BeckRS 2021, 10389) ausführt, kann dem Rechtsmittelführer (hier der Klägerin) nicht zugemutet werden, die von ihr angegriffenen Verkehrszeichen und deren - nach außen erkennbare - Bekanntmachungsform unter ständiger Kontrolle zu halten, um zu vermeiden, dass eventuelle - inhaltsgleiche - Nachfolgeregelungen in Bestandskraft erwachsen. Da ansonsten keine widerspruchsfreie Lösung erreicht werden kann, erfasst auch der Hilfsantrag - wie auch der Hauptantrag nach Auslegung s.o. - die Aufhebung der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 8. Januar 2007 in Gestalt der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 9. Juli 2019, in der die Verkehrszeichen 250 mit Zusatzzeichen 1026-38 zur erneuten Überprüfung gestellt wurden (vgl. NK-VwGO/Heinrich Amadeus Wolff, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 407; BVerwG, U.v. 9.12.1971 - VIII C 6.69 - BeckRS 1971, 103444; Schübel-Pfister in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 40).
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Die Klägerin wollte in jedem Fall die letzte Entscheidung über die derzeitige Durchfahrtbeschränkung angreifen. Bereits aus dem Schreiben der Klägerin vom 16. April 2019 wird deutlich, dass sie die nach ihren Angaben ehemals bestehende Hauptzufahrt von … wiederherstellen möchte, als kleinsten gemeinsamen Nenner „zumindest“ für den Anliegerverkehr. Die Begründung für die aktuelle Verkehrsregelung sei haltlos. Als Lösungsmöglichkeit schlug sie vor „den Bahnübergang der Hauptzufahrt zusätzlich - bzw. ausschließlich für „Anlieger frei“ geben - unabhängig von der Brückensanierung.“
99
Da sie aber wohl selbst davon ausging, dass ein uneingeschränkter Verkehr über den Feldweg und den Bahnübergang aufgrund der von diesem ausgehenden Gefahren nicht beansprucht werden würde können, hat sie „als Minus“ eine „Anlieger frei“- Regelung beantragt.
100
Dagegen geht das Gericht nicht davon aus, dass gleichzeitig ein Folgenbeseitigungsantrag auf Entfernung der aufgestellten Verkehrszeichen gestellt wurde. Grundsätzlich - wie auch hier - geht das Gericht davon aus, dass aufgrund der Bindung an Recht und Gesetz gemäß Art. 20 Abs. 3 GG eine Behörde die gerichtliche Entscheidung akzeptieren und umsetzen wird, sodass kein Rechtsschutzbedürfnis bestehen würde (VG Würzburg, U.v. 8.4.2020 - 6 K 19.1174 - BeckRS 2020, 6663 Rn. 28 f.).
101
b. Die Kammer erachtet die Versagung der beantragten verkehrsrechtlichen Anordnung im Schreiben vom 26. Juni 2019 sowie die stattdessen erlassene verkehrsrechtliche Anordnung vom 8. Januar 2007 in der Gestalt der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 9. Juli 2019 für rechtswidrig. Dies führt auch dazu, dass der Anspruch der Klägerin auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung verletzt ist, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
102
Anzumerken ist, dass sich die Aufhebungsanordnung lediglich auf die verkehrsrechtliche Anordnung vom 8. Januar 2007 in der Gestalt der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 9. Juli 2019 bezieht, in der lediglich die Verkehrszeichen 250 mit Zusatzzeichen 1026-38 sowie die Wegesperren neu geprüft und angeordnet wurden, nicht auf die Zeichen 274-51 bzw. 274- 52 sowie Zeichen 151 und 201-50, deren Anordnung nie infrage stand und nach den Akten auch im Jahr 2019 nicht neu überprüft wurde.
103
Der Erlass von Verkehrsbeschränkungen steht im Ermessen des Beklagten, s.o. Von einer Ermessensfehleinschätzung ist insbesondere bei einem Ermessensdefizit auszugehen, wenn also die Behörde ihre Entscheidung auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage getroffen hat. Die Behörde darf nicht von unzutreffenden, in Wahrheit nicht gegebenen, unvollständigen oder falsch gedeuteten rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 114 Rn. 12). Die schon vor der verkehrsrechtlichen Anordnung von 2019 aufgestellten Verkehrszeichen 260 mit Zusatzzeichen 1026-38 sind rechtswidrig, da ihnen keine verkehrsrechtliche Anordnung zugrundeliegt. Denn in der verkehrsrechtlichen Anordnung vom 8. Januar 2007 wurden die Verkehrszeichen 250 mit Zusatzzeichen 1026-38 angeordnet, nicht die Verkehrszeichen 260. Diese haben auch nicht denselben Regelungsgehalt. Eine weitere verkehrsrechtliche Anordnung, auf welche dies gestützt werden könnte, findet sich nicht in der Akte. Der Beklagte hat im Übrigen vortragen lassen, dass das Verkehrszeichen 250 zu einem nicht genannten Zeitpunkt ersetzt wurde.
104
Obwohl eine Sonderbahnübergangsschau stattgefunden hat und die Durchfahrtsbeschränkung erneut geprüft wurde, hat der Beklagte nicht berücksichtigt, dass zwischen der Lage vor Ort und der rechtlichen Ausgangssituation auf Grundlage der Anordnung von 2007 eine Diskrepanz besteht. Es wurde nicht miteingestellt, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse seit der Anordnung 2007 durch Aufstellung anderer Verkehrszeichen verändert hatten oder - was mangels Unterlagen in den Akten ebenfalls möglich erscheint - noch nie der Beschlusslage entsprochen haben. Es wurde nicht vorgetragen, wann das Verkehrszeichen 250 ersetzt wurde. Ob dieses je aufgestellt wurde, erscheint fraglich, da in den erst 2019 erteilten Ausnahmegenehmigungen ebenfalls vom Zeichen 250 die Rede ist.
105
Dies wirkt sich auf die Ermessensentscheidung aus, da der Beklagte diese auf eine unzutreffende Tatsachengrundlage gestützt hat. Der Beklagte wollte ersichtlich die Beschilderung, so wie sie sich vor Ort dargestellt hat, beibehalten, hat aber tatsächlich durch die Bezugnahme auf die Anordnung von 2007 eine mit der tatsächlichen Lage nicht übereinstimmende Regelung getroffen.
106
Überdies leidet die verkehrsrechtliche Anordnung an fehlender Bestimmtheit i.S.v. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. So fehlt bei der der Anordnung vom 8. Januar 2007, soweit sie in der Anordnung vom 9. Juli 2019 ersetzt wurde, ein Beschilderungsplan aus dem sich die konkreten Aufstellungsorte der Verkehrszeichen 250 und Zusatzzeichen 1026-38 erkennen ließen (vgl. VG Würzburg, U.v. 8.4.2020 - 6 K 19.1174 - BeckRS 2020, 6663 Rn. 30, 44 ff.).
107
Ein Beschilderungsplan ist zwar enthalten. Er zeigt einen Ausschnitt der streitgegenständlichen Grundstücke mit jeweiligen Fl.Nrn. Der Ausschnitt „durchschneidet“ am linken unteren Rand die Fl.Nr. … (das Wohngrundstück der Klägerin). Ein bei dem mit „Abdruck“ beschrifteten Exemplar der verkehrsrechtlichen Anordnung handschriftlich angefügter Pfeil von den abgebildeten Verkehrszeichen 250 mit Zusatzzeichen 1026-38 wegführend zeigt auf eine Stelle, die auf dem Feld- und Waldweg hinter der markierten Gemeindegrenze Richtung … liegt. Der andere handschriftlich angefügte Pfeil von den Verkehrszeichen 250 mit Zusatzzeichen 1026-38 wegführend am unteren Teil des Ausschnittes zeigt außerhalb des mit den Flurnummern beschrifteten Bereichs und enthält die Anmerkung: „Nähe Haus am besten in Richtung …! oder kurz davor!“.
108
Der Beklagte ist als Straßenverkehrsbehörde nach § 45 Abs. 3 StVO verpflichtet festzulegen, wo, wie viele und welche Verkehrszeichen aufgestellt werden sollen und ab wann die Anordnung gelten soll. Bei der Ermittlung des Inhalts der Regelung ist nicht auf die subjektiven Vorstellungen der Personen abzustellen, die innerhalb der Behörde die Entscheidung getroffen haben, sondern auf den objektiven Erklärungswert und Erklärungsinhalt des den Betroffenen mitgeteilten Inhalts der Regelung, so wie sich diese den Betroffenen darstellt und nach Treu und Glauben verstanden werden darf und muss. Die verkehrsrechtliche Anordnung, die selbst nicht bekannt gemacht wird, richtet sich in erster Linie an diejenigen Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung, die in ihrer Umsetzung die notwendigen Verkehrszeichen aufstellen (BayVGH, U.v. 21.2.2011 - 11 B 09.3032 - BeckRS 2011, 30503). Ist dagegen die Anordnung, die durch ein amtliches Verkehrszeichen getroffen werden soll, nicht aus sich heraus eindeutig und gibt sie auch bei einer vernünftigen Auslegung den berechtigten Anlass zu Zweifeln, so geht diese Unklarheit zu Lasten der Behörde (BayObLG, U.v. 17.1.1961 - 2 St 787/60 - 1961, 11; VG Hannover, U.v. 17.11.2016 - 7 A 2528/16 - BeckRS 2016, 113636; BeckOK StVR/Friedrich, StVO, 13. Ed. 15.10.2021, § 39 Rn. 50).
109
Die ergangenen verkehrsrechtlichen Anordnungen werden dem Bestimmtheitserfordernis nicht gerecht, soweit sie sich auf die Verkehrszeichen 250 mit Zusatzzeichen 1026-38 beziehen, da der Standort nicht eindeutig aus der Anordnung hervorgeht. Es stellt sich schon die Frage, ob auf dem Original der verkehrsrechtlichen Anordnung von 2007, das sich nicht bei den Akten befindet, überhaupt Einzeichnungen enthalten sind oder ob der der Originalanordnung beiliegende Plan dem entspricht, der bei dem mit „Entwurf“ beschrifteten Exemplar anhängt, was dann die Bestimmtheitsanforderungen erst recht nicht erfüllt, da dieses gar keine Markierungen enthält. Der Beklagte hätte in der verkehrsrechtlichen Anordnung die genauen Standorte der aufzustellenden Verkehrszeichen festlegen müssen. Die Beschilderung hätte dann anhand der Beschreibung in der Anordnung vorgenommen werden müssen. Es ist unklar, wann und von wem die handschriftlichen Einzeichnungen erfolgt sind. Es ist nicht zulässig, in einer verkehrsrechtlichen Anordnung den Standort offen zu lassen (Stichwort „oder kurz davor!“), da dieser gegebenenfalls später durch einfaches Umstellen der Schilder geändert werden könnte. Eine verkehrsrechtliche Anordnung wird durch die Verkehrszeichen nach Außen verlautbart, weshalb die in der verkehrsrechtlichen Anordnung geregelte Lage mit den tatsächlich aufgestellten Verkehrszeichen übereinstimmen muss. Sollen die Verkehrszeichen später gegebenenfalls versetzt werden, ist es erforderlich, die verkehrsrechtliche Anordnung zu ändern und erst dann entsprechend die Verkehrszeichen umzusetzen (vgl. VG Würzburg, U.v. 8.4.2020 - 6 K 19.1174 - BeckRS 2020, 6663 Rn. 44 ff.).
110
Vorliegend ist der Standort des Verkehrszeichens 250 mit Zusatzzeichen 1026-38, das am unteren rechten Rand des Ausschnitts abgebildet ist, nicht erkennbar, zumal der Pfeil außerhalb des Ausschnitts zeigt. Selbst wenn der Pfeil am oberen linken Rand des Ausschnitts ausreichend wäre, würde er außerhalb der Gemeindegrenze liegen.
111
Dieser Mangel wurde auch nicht dadurch geheilt, dass die Schilder nach Erlass aufgestellt wurden und in der verkehrsrechtlichen Anordnung von 2019 sodann Bezug genommen wurde, da es auf die Bestimmtheit der verkehrsrechtlichen Anordnung ankommt.
112
Die Anordnung der Verkehrszeichen 250 mit Zusatzzeichen 1026-38 sowie der Wegesperren stellt eine unteilbare Gesamtregelung dar. Der Beklagte hätte die Wegesperren nicht angeordnet, wenn nicht die entsprechende Beschilderung vorhanden gewesen wäre.
113
5. Da die Klägerin im ersten Hilfsantrag obsiegt, war über die weiteren Hilfsanträge nicht zu entscheiden.
114
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Danach sind die Kosten gegeneinander aufzuheben (oder verhältnismäßig zu teilen), wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt. Vorliegend erscheint angesichts der Aufhebung der verkehrsrechtlichen Anordnung eine Kostenaufhebung angemessen.
115
7. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.