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VG München, Urteil v. 27.12.2021 – M 29 K 18.34122
Titel:

Interner Schutz vor einer Verfolgung durch Islamisten aus dem Norden Malis

Normenkette:
AsylG § 3e
Leitsätze:
1. Vor einer Verfolgung durch Islamisten aus dem Norden besteht im Süden Malis interner Schutz. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Süden Malis unterliegen Angehörige der Volksgruppe der Peulh keinen staatlichen Repressalien. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Flüchtlingseigenschaft, subsidiärer Schutz, Abschiebungsverbote, Herkunftsland Mali, Mali, interner Schutz, Verfolgung durch Islamisten, inländische Fluchtalternative im Süden Malis, Volksgruppe der Peulh
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 21.06.2022 – 15 ZB 22.30606
Fundstelle:
BeckRS 2021, 54706

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

1
Der Kläger, der keine Identitätspapiere seines behaupteten Herkunftsstaates vorlegen kann, ist nach seinen eigenen Angaben malischer Staatsangehöriger und am ... geboren. Am 16. Juni 2016 stellte er im Bundesgebiet Asylantrag.
2
Am 15. November 2016 wurde der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gemäß § 25 AsylG angehört. Er brachte dabei im Wesentlichen vor, in Mali habe er zuletzt in der Stadt … zusammen mit seiner Frau gelebt. Im April 2012 habe er Mali verlassen und sei im Oktober/November 2015 in das Bundesgebiet eingereist. In Mali habe er in der Landwirtschaft und in einem Restaurant gearbeitet und sei auch noch Händler gewesen. Zu seinem Verfolgungsschicksal gab der Kläger an, er gehöre zum Volk der Peulh und dieses Volk werde diskriminiert. Eine weitere Bedrohung habe mit seiner Religion, einer friedlichen Ausprägung des Islam, zu tun. Er sei eines Tages von Islamisten festgehalten und in ein Camp gebracht worden. Dort sei er geschlagen worden und auch gezwungen worden, jeden Morgen zu beten. Nach circa einer Woche sei ihm die Flucht gelungen. Dies alles sei im März 2012 passiert. Zum damaligen Zeitpunkt seien die Islamisten im gesamten Land gewesen. Bei einer Rückkehr nach Mali befürchte er, von der Regierung für einen Islamisten gehalten zu werden, da diese bei der Entführung ein Foto von ihm gemacht hätten. Auch stellten die Islamisten eine Gefahr für ihn dar, da sie ihn für einen Verräter und Deserteur hielten.
3
Mit Bescheid vom 22. Oktober 2018 lehnte das Bundesamt die Anträge des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1.), auf Asylanerkennung (Ziff. 2.) und auf subsidiären Schutz (Ziff. 3.) ab, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG (Ziff. 4.) und drohte unter Setzung einer Ausreisefrist die Abschiebung nach Mali (Ziff. 5.). Auf die Bescheidsbegründung wird Bezug genommen. Der Bescheid wurde am 26. Oktober 2018 als Einschreiben zur Post gegeben.
4
Mit Schriftsatz vom ... November 2018, der am gleichen Tag bei Gericht einging, erhoben die Bevollmächtigten des Klägers Klage und beantragten,
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den Bescheid vom 22. Oktober 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
6
die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen,
7
die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG vorliegen.
8
Eine Klagebegründung wurde angekündigt, erfolgte aber nicht.
9
Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2018 beantragte das Bundesamt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde auf den angefochtenen Bescheid verwiesen.
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Die Verwaltungsstreitsache wurde am 22. Dezember 2021 mündlich verhandelt. Die Klägerbevollmächtigte stellte die schriftsätzlich angekündigten Anträge.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die elektronisch vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
15
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch einen auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes und auch nicht auf die Feststellung von Abschiebungsverboten. Das Gericht nimmt zunächst gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die Ausführungen des Bundesamts im Bescheid vom 22. Oktober 2018 Bezug. Ergänzend ist folgendes auszuführen:
16
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 ff. AsylG. Er muss sich jedenfalls nach § 3e AsylG auf internen Schutz im Süden Malis, z.B. in der Hauptstadt Bamako, verweisen lassen.
17
Nach dem Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Mali (Stand März 2021, Ziff. II.2.) wacht im Süden der Staat über die Einhaltung der Grundrechte und wird hier auch seiner Schutzaufgabe gerecht. Repressionen Dritter (Misshandlungen, Entführungen, Verhaftungen, psychische Gewalt oder sonstige willkürliche Handlungen) gegen bestimmte Personen oder Personengruppe wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe werden vom Staat unterbunden und unter Strafe gestellt. Sie kommen in unter staatliche Kontrolle stehenden Landesteilen so gut wie nicht vor. In den von bewaffneten Gruppen und islamistischen Terroristen dominierten Gebieten des Nordens und zunehmend auch im Landeszentrum besteht dagegen kein Schutz gegen derartige Repressalien. Soweit der Kläger also Verfolgung durch Islamisten aus dem Norden des Landes befürchtet, kann er dem im Süden im Landes, z. B. in der Hauptstadt Bamako, also entgehen.
18
Dort besteht auch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Peulh staatlicher Verfolgung unterliegt. Nachdem Lagebericht des Auswärtigen Amtes (a.a.O., Ziffer II.1.) häufen sich zwar in letzter Zeit Übergriffe der Sicherheitsbehörden auf Angehörige der ethnischen Gruppe der Peulh insbesondere in Gebieten in der Mitte des Landes, die nicht vollständig unter staatlicher Kontrolle stehen (Region Mopti, in Teilen der Regionen Segou und Koulikoro). Die von Sicherheitskräften pauschal unterstellte Nähe von Peulh zu terroristischdschihadistischen Gruppierungen hat zu Übergriffen von Sicherheitskräften auf die Zivilbevölkerung in diesem Raum geführt. In allen anderen Landesteilen (z. B. Süden des Landes) unterliegen die Peulh aber keinen Repressalien.
19
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 AsylG. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gilt insoweit das zu § 3e AsylG Gesagte entsprechend.
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Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
21
Der Kläger ist gesund. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes (a.a.O., Ziff. IV 1.1) ist die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln in den vom Staat kontrollierten Gebieten gewährleistet. Es ist deshalb vernünftigerweise davon auszugehen, dass der Kläger in seinem Heimatland, mit dessen Gepflogenheiten und Sprache er vertraut ist, seinen Lebensunterhalt sicherstellen kann.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.