Titel:
Strafvollstreckungskammer, Briefkontrolle, Strafgefangener, Rechtsbeschwerde, Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Strafvollzugsgesetz, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Behörden, Gegenstandswert, Beschlüsse, Beschwerdeführer, Postgeheimnis, Sichtkontrolle, Kosten des Beschwerdeverfahrens, OLG Frankfurt, Überwachung, Kostenentscheidung, Justizvollzugsanstalt, Einzelfallbezogenheit, Postkontrolle
Schlagworte:
Strafgefangener, Justizvollzugsanstalt, Briefkontrolle, Rechtsbeschwerde, Sichtkontrolle, Sicherheit und Ordnung, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Vorinstanz:
LG Regensburg, Beschluss vom 17.02.2021 – ST StVK 1146/20
Fundstelle:
BeckRS 2021, 54655
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen R. gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 17. Februar 2021 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer zu tragen.
3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 150 € festgesetzt.
Gründe
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Der Beschwerdeführer ist Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt Straubing.
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Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 28.12.2020 begehrte der Antragsteller die Justizvollzugsanstalt Straubing zu verpflichten, ausgehende Behörden- und Gerichtspost, die auf dem behördeninternen Transportweg weitergeleitet wird, nicht mehr zu kontrollieren.
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Dem war ein entsprechender Antrag vom 15.12.2020 an die Justizvollzugsanstalt vorausgegangen, „ausgehende Behörden- und Gerichtspost, die auf dem behördeninternen Transportweg eigenverantwortlich abgeliefert wird, unkontrolliert weiterzuleiten, da ich das bereits seit Mi., 09. Sept. 2020 so beanstandungslos praktizierte. Es besteht Bestandschutz.“
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Diesen Antrag hatte die Anstalt am 23.12.2020 mündlich abgelehnt.
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Die Justizvollzugsanstalt beantragte mit Schreiben vom 21.1.2021, den Antrag als unbegründet zurückzuweisen. Sie nehme aufgrund der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 27.8.2020 (Az. 204 StObWs 303/20) bei an die Strafvollstreckungskammer adressierten Schreiben nur noch eine Sichtkontrolle vor. Eine Inhaltskontrolle finde nicht statt. Mit Schreiben vom 8.2.2021 machte sie ergänzende Ausführungen.
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Hierauf erwiderte der Antragsteller mit Schreiben vom 15.2.2021.
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Die Strafvollstreckungskammer hat mit Beschluss vom 17.2.2021 den Antrag als unbegründet zurückgewiesen.
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Gegen diesen ihm am 19.2.2021 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 25.2.2021 zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Straubing Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er dessen Aufhebung und Entscheidung gemäß seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer beantragt und hierbei die Verletzung materiellen und formellen Rechts rügt.
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Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt mit Schreiben vom 4.3.2021, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
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Hierzu nahm der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 12.3.2021 Stellung.
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Die insbesondere zur Rechtsfortbildung zulässige Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen bleibt in der Sache ohne Erfolg, da die Strafvollstreckungskammer den allgemein gehaltenen Antrag des Strafgefangenen, die Justizvollzugsanstalt Straubing zu verpflichten, ausgehende Behörden- und Gerichtspost, die auf dem behördeninternen Transportweg weitergeleitet wird, nicht näher zu kontrollieren, zu Recht abgelehnt hat. Denn die Antragsgegnerin ist als Justizvollzugsanstalt des höchsten Sicherheitsgrades befugt, Schreiben des Antragstellers, die an Gerichte und Behörden, soweit es sich nicht um solche im Sinne des Art. 32 Abs. 2 BayStVollzG handelt, gerichtet sind, jedenfalls einer Sichtkontrolle zu unterziehen.
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1. Die Justizvollzugsanstalt Straubing kann sich als Justizvollzugsanstalt des höchsten Sicherheitsgrades hinsichtlich der generellen Befugnis zur Überwachung des Schriftverkehrs der Gefangenen ohne Einzelfallprüfung auf die Wahrung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt berufen.
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a) Art. 32 Abs. 3 BayStVollzG lässt die Überwachung des Schriftwechsels des Gefangenen mit Dritten, sofern nicht die Ausnahmefälle des Art. 32 Abs. 1 und 2 BayStVollzG vorliegen, ohne Anwesenheit des Gefangenen zu, soweit es aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erforderlich ist. Überwachung bedeutet die optische Kontrolle auf verbotene Gegenstände (Sichtkontrolle) und die Wahrnehmung des Inhalts (Textkontrolle; vgl. BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, 15. Ed. 1.7.2021, BayStVollzG Art. 32 Rn. 2).
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Hierbei handelt es sich gemäß Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG um eine zulässige gesetzliche Einschränkung des grundrechtlich geschützten Brief- und Postgeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG) hinsichtlich des gesamten Schriftverkehrs des Gefangenen (vgl. zu § 29 StVollzG BVerfG, BVerfGK 2, 78 = NStZ 2004, 225, juris Rn. 4; OLG Hamm, Beschluss vom 26.7.2006 – 1 Vollz (Ws) 481/06, juris Rn. 12; Haß, NJW 1979, 2527). Die Norm muss allerdings ihrerseits im Lichte der besonderen Bedeutung des Brief- und Postgeheimnisses unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausgelegt und angewendet werden (BVerfG, BVerfGK 2, 78 = NStZ 2004, 225, juris Rn. 4). Voraussetzung einer Überwachung des Schriftverkehrs nach Art. 32 Abs. 3 BayStVollzG ist somit regelmäßig, dass tatsächliche Anhaltspunkte für Behandlungs-, Sicherheits- oder Ordnungsgründe vorliegen (BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, a.a.O., Art. 32 Rn. 4 m.w.N.; Laubenthal, in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl., Abschn. E Rn. 71.
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b) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es jedoch nicht, eine Überwachung des Schriftwechsels davon abhängig zu machen, dass besondere Gründe für eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt gerade in der Person des jeweils betroffenen Gefangenen festgestellt werden (BVerfG, BVerfGK 2, 78 = NStZ 2004, 225, juris Rn. 5). Denn wenn zum Schutz gewichtiger Belange, die Eingriffe in ein Grundrecht rechtfertigen können, Einschränkungen auf der Grundlage einer jeweils einzelfallbezogenen Prognose und Abwägung nicht geeignet sind, kann auch eine regelhafte Einschränkung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein (BVerfGK 2, 78 = NStZ 2004, 225, juris Rn. 6). Deshalb können auch anstaltsbezogene Gründe, wie z.B. ein besonderes Sicherheitsbedürfnis der Anstalt, eine generelle Postkontrolle rechtfertigen (vgl. BVerfGK 2, 78 = NStZ 2004, 225, juris Rn. 7; KG, Beschluss vom 31.7.2013 – 2 Ws 300/13 Vollz, OLGSt StVollzG § 29 Nr. 3, juris Rn. 12; OLG Hamburg ZfStrVo 1991, 185; OLG Hamm NStZ 1981, 368; OLG Hamm, bei Roth NStZ 2014, 624, 625 unter IV.1. für anstaltsinternen Briefverkehr; OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.5.2018 – 2 Ws 276/18, FS SH 2019, 29, juris Rn. 17 f.; Arloth, in: Arloth/Krä, StVollzG, 5. Aufl., § 29 Rn. 4; offen gelassen von Dessecker/Schwind in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 7. Aufl., 9. Kap., Abschn. C Rn. 25; ablehnend Laubenthal in: Laubenthal/Nestler/ Neubacher/Verrel, a.a.O., Abschn. E Rn. 71; Feest/Wegner, in Feest/Lesting/Lindemann, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl., Teil II LandesR § 33 Rn. 5, § 34 Rn. 4, 9; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl., § 29 Rn. 3).
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c) So verhält es sich insbesondere in Anstalten der höchsten Sicherheitsstufe, die – wie die Justizvollzugsanstalt Straubing – zu einem großen Teil mit Langzeitgefangenen und Straftätern, die wegen Gewaltdelikten verurteilt worden sind, belegt sind (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 26.7.2006 – 1 Vollz (Ws) 481/06, juris Rn. 13). In solchen Anstalten können Maßnahmen zur Postkontrolle getroffen werden, die sich unabhängig von individuell begründeten Missbrauchsbefürchtungen auf alle Gefangene erstrecken. Zum einen ist es schon nicht möglich, den Kreis der potentiell gefährlichen Gefangenen exakt zu bestimmen. Zum anderen besteht bei den vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten in der Justizvollzugsanstalt die Gefahr, dass in Anstalten, in denen viele besonders gefährliche Gefangene untergebracht sind, im Falle einer nur für einzelne Gefangene angeordneten Überwachung des Schriftwechsels gefährliche Gefangene nicht überwachte Mitgefangene mit verschiedensten Mitteln beeinflussen und unter Druck setzen können, um mit Hilfe von deren ein- und ausgehender Post sicherheitsgefährdende Kontakte nach außen herzustellen (vgl. BVerfGK 2, 78 = NStZ 2004, 225, juris Rn. 5 und 7; OLG Frankfurt a. M., NJW 1979, 2525, 2526; OLG Hamm NStZ 1981, 368; OLG Hamm, Beschluss vom 26. Juli 2006 – 1 Vollz (Ws) 481/06, juris Rn. 14; BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, a.a.O., Art. 32 Rn. 4 m.w.N.; Arloth, in: Arloth/Krä, a.a.O., § 29 StVollzG Rn. 4).
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aa) Demgemäß wird überwiegend anerkannt, dass hier die allgemeine Briefkontrolle als notwendiges und geeignetes Instrument zur Aufrechterhaltung der Sicherheit erforderlich ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 26.7.2006 – 1 Vollz (Ws) 481/06, juris Rn. 13). Dies gilt für die Kontrolle sowohl der eingehenden Post (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ 2004, 517, 518; OLG Zweibrücken NStZ 1985, 236: jedenfalls Sichtkontrolle; OLG Hamm, Beschluss vom 26.7.2006 – 1 Vollz (Ws) 481/06, juris Rn. 13; KG NStZ 1981, 368; BeckOK Strafvollzug Bund/Bosch, 19. Ed. 1.2.2021, StVollzG § 29 Rn. 4; BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, a.a.O., Art. 32 Rn. 2; einschränkend LG Lahn-Gießen, ZfStrVo SH 1977, 21, 22 und Laubenthal, in: Laubenthal/Nestler/ Neubacher/Verrel, a.a.O., Abschn. E Rn. 72: i.d.R. Sichtkontrolle ausreichend), als auch der ausgehenden Post (vgl. OLG Frankfurt a. M., NJW 1979, 2525 m. zust. Anm. Haß; OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.5.2018 – 2 Ws 276/18, FS SH 2019, 29, juris Rn. 18).
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bb) In der Kommentarliteratur wird zwar kritisch angemerkt, durch eine Überwachung des Schriftverkehrs sämtlicher Gefangener ohne Einzelfallprüfung werde das Gebot differenzierender und individualisierender Behandlung unterlaufen, der einzelne Gefangene zum Sicherheitsrisiko erklärt, obwohl er es de facto gar nicht zu sein braucht. Dies tangiere auch die Vollzugsgrundsätze, wonach der Resozialisierungsauftrag ein Mindestmaß an Vertrauen und Normalität der Lebensbezüge voraussetzt, und verkürze letztlich den grundrechtlichen Schutz des Briefgeheimnisses (Laubenthal, in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, a.a.O., Abschn. E Rn. 71).
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Dem ist aber entgegenzuhalten, dass die Erforderlichkeit von Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt nicht immer am jeweiligen Einzelfall ausgerichtet werden kann, wie etwa die grundsätzlich einheitlichen Einschlusszeiten oder andere, die Gefangenen gleichmäßig treffende Maßnahmen zeigen. Gerade die dargestellten Missbrauchsmöglichkeiten bei Briefwechsel zeigen, dass letztlich auch vertrauenswürdige Gefangene unter Druck gesetzt werden können, um sicherheitsgefährdende Kontakte nach außen herzustellen. Demgemäß kommt es für die Zulässigkeit der Briefkontrolle nicht darauf an, ob von dem jeweiligen Gefangenen eine Gefahr ausgeht oder dieser – wie es der Beschwerdeführer geltend macht – bisher zuverlässig war und nicht den Anschein erweckt hat, sich von Mitgefangenen unter Druck setzen zu lassen.
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cc) Allerdings wird in Rechtsprechung und Literatur angenommen, dass konkrete Umstände die allgemeine Überwachung des Schriftverkehrs eines Gefangenen auch in kriminell hoch belasteten Anstalten unverhältnismäßig erscheinen lassen können (vgl. KG, Beschluss vom 31.7.2013 – 2 Ws 300/13 Vollz, OLGSt StVollzG § 29 Nr. 3, juris Rn. 13 ff.; BeckOK Strafvollzug Bund/Bosch, a.a.O., StVollzG § 29 Rn. 4). Die betreffende Entscheidung des Kammergerichts betraf jedoch die Korrespondenz eines Gefangenen mit seiner anwaltlichen Vertreterin in einem gegen die Anstalt gerichtete Amtshaftungsprozess, die grundsätzlich nicht dem Verteidigerprivileg des § 29 Abs. 1 Satz 1 StVollzG bzw. Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayStVollzG unterfällt.
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Einen entsprechenden Ausnahmefall macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Im Übrigen hat auch das Kammergericht die Kontrolle der Schreiben darauf, ob der Inhalt tatsächlich von der betreffenden Rechtsanwältin stammt und eine grobe Sichtung auf verbotene Beigaben oder Schriftstücke, die offensichtlich nichts mit dem fraglichen Amtshaftungsverfahren zu tun haben, nicht beanstandet (vgl. KG a.a.O., juris Rn. 17).
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2. Von der Notwendigkeit der allgemeinen Briefkontrolle können in Anstalten mit hohem Sicherheitsrisiko auch Schreiben von und an Behörden und Gerichte nicht ausgenommen werden (vgl. OLG Frankfurt a.M., bei Bungert NStZ 1994, 377 Nr. 14; Arloth, in: Arloth/Krä, a.a.O., § 29 StVollzG Rn. 4; einschränkend: Laubenthal, in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/ Verrel, a.a.O., Abschn. E Rn. 71). Denn gerade vermeintliche Schreiben von und an Behörden eignen sich dazu, um einen Missbrauch zu tarnen (vgl. BVerfGK 2, 78 =NStZ 2004, 225, juris Rn. 7 m.w.N.).
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a) Da Gegenstand des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nur die ausgehende Gerichts- und Behördenpost ist, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden, ob und inwieweit eingehende Gerichts- und Behördenpost kontrolliert werden darf (bejahend OLG Hamburg ZfStrVo 1991, 185; BeckOK Strafvollzug Bund/Bosch, a.a.O., § 29 Rn. 4; BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, a.a.O., Art. 32 Rn. 4; s.a. LT-Drucks. 17/21101, S. 35; einschränkend – bloße Sichtkontrolle zur Überprüfung unzulässiger Beilagen und zur Prüfung der Absenderidentität – OLG Karlsruhe NStZ 2004, 517, 518; NStZ 2005, 588, juris Rn. 2; OLG Koblenz, Beschluss vom 19.8.2019 – 2 Ws 510/19 Vollz, FS 2020, 81, juris Rn. 4; OLG Nürnberg, Beschlüsse vom 11.5.2018 – 2 Ws 276/18, FS SH 2019, 29, juris Rn. 13, vom 28.11.2017 – 1 Ws 519/17, FS SH 2019, 30, juris Rn. 12; und vom 29.11.2017 – 2 Ws 728/17, FS SH 2019, 32 juris Rn. 12: nur bei konkretem Manipulationsverdacht; OLG Zweibrücken NStZ 1985, 236: s.a. BayObLG, Beschluss vom 31.8.2021 – 203 StObWs 407/21; einschränkend Laubenthal, in Laubenthal/Nestler/ Neubacher/Verrel, a.a.O., Abschn. E Rn. 78; verneinend, wenn Missbrauchsgefahr sicher ausgeschlossen, etwa bei Transport auf dem Behördenweg OLG Karlsruhe, NStZ 2004, 517, 518; s.a. OLG Dresden, StraFo 1996, 19; ablehnend auch Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., § 29 Rn. 5).
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b) Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin, ausgehende Gerichts- und Behördenpost unkontrolliert weiterzuleiten, besteht nicht.
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aa) Die Justizvollzugsanstalt Straubing hat in ihrer Stellungnahme vom 21.1.2021 – insoweit unwidersprochen – vorgetragen, dass sie seit dem Beschluss des Senats vom 27.8.2020 (Az. 204 StObWs 303/20) an die Strafvollstreckungskammer adressierte Schreiben nur noch einer Sicht- und keiner Inhaltskontrolle mehr unterzieht.
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Es braucht angesichts des Gegenstands des Antrags des Beschwerdeführers nicht entschieden zu werden, in welchem Umfang eine Kontrolle ausgehender Gerichts- und Behördenpost zulässig ist, ob also die Justizvollzugsanstalt sich auch bei ausgehender Post an andere Gerichte als an Strafvollstreckungskammern und generell an Behörden auf eine Sichtkontrolle beschränken muss, sofern nicht Umstände des Einzelfalls eine weitergehende Kontrolle erfordern.
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bb) Jedenfalls ist eine Sichtkontrolle der ausgehenden Post an Gerichte und Behörden unter dem Gesichtspunkt des grundrechtlich geschützten Brief- und Postgeheimnisses nicht zu beanstanden (vgl. zur ausgehenden Behördenpost auch Haß, NJW 1979, 2527; kritisch zur Überwachung ausgehender Gerichtspost Feest/Wegner, in Feest/Lesting/Lindemann, a.a.O., Teil II LandesR § 34 Rn. 22).
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Eine solche bloße Sichtkontrolle ist ausreichend, aber auch erforderlich, um zu verhindern, dass Gefangene in ihre an Gerichte oder Behörden adressierte Briefumschläge weitere, an Dritte adressierte und ausreichend frankierte Briefe einlegen, mit dem Ziel, dass die Mitarbeiter der Posteingangsstelle der Gerichte oder Behörden beim Öffnen der Briefumschläge diese Briefe als vermeintlich fehlgeleitete Eingänge an die Drittadressaten weiterleiten und nur den jeweiligen, an das Gericht oder die Behörde selbst adressierten Brief an die zuständige Abteilung des Gerichts oder der Behörde übermitteln.
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(1) Vor allem im Hinblick auf einen solchen Sachverhalt hat der Sonderausschuss des Deutschen Bundestages für die Strafrechtsreform in Anlehnung an den Vorschlag des Bundesrates beschlossen, in § 29 StVollzG die Gerichts- und Behördenpost des Strafgefangenen nicht von der Schriftverkehrsüberwachung auszuschließen (vgl. BT-Drucks. 7/3998, S. 16 zu § 28 StVollzG-E; anders noch der Regierungsentwurf, vgl. BT-Drucks. 7/918, S. 60 zu § 29 StVollzG-E). Er wollte hierdurch ausdrücklich das Risiko auf ein Minimum begrenzen, dass Gefangene die Möglichkeit unkontrollierten Schriftwechsels an Kommunalparlamente, Gerichte und Justizbehörden dazu benutzen, auf dem Umweg über solche Institutionen – etwa aufgrund von Arglosigkeit oder Nachlässigkeit von Bediensteten – die unzulässige Weiterleitung eines beigefügten, an einen anderen Adressaten gerichteten Briefes erreichen zu können (vgl. Bericht des Sonderausschusses, BT-Drucks. 7/3998, S. 16 zu § 28 StVollzG-E). Der Bayerische Gesetzgeber übernahm im Wesentlichen die Regelung des § 29 StVollzG in Art. 32 BayStVollzG mit der Begründung, die Vorschrift entspreche der bewährten Vorschrift des § 29 StVollzG (LT-Drucks. 15/8101, S. 57). Nach Art. 32 Abs. 3 BayStVollzG sei entsprechend der Rechtsprechung zu § 29 Abs. 3 StVollzG im geschlossenen Vollzug auch eine generelle Anordnung der Justizvollzugsanstalt zulässig, den Briefverkehr aller Gefangenen zu überwachen. In Anstalten mit hoher Sicherheitsstufe sei auch die generelle Überwachung der Behördenpost zulässig (LT-Drucks. 15/8101, S. 57).
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(2) Gerade vermeintliche Schreiben an Behörden eignen sich dazu, einen Missbrauch des Schriftverkehrs zu tarnen, wie das auch in der Besprechung der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. vom 24.1.1978 angeführte Beispiel zeigt (vgl. Haß NJW 1979, 2527). Eine bloße Sichtkontrolle von außen der als Behördenpost gekennzeichneten Briefe ist daher nicht ausreichend, um die Sicherheitsbelange der Justizvollzugsanstalt zu wahren (so auch OLG Hamm, Beschluss vom 26.7.2006 – 1 Vollz (Ws) 481/06, juris Rn. 15).
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cc) Demgegenüber wird eingewandt, eine generelle Kontrolle der Post an Gerichte stelle sich mit Blick auf das Grundrecht der Unverletzlichkeit des Brief- und Postgeheimnisses als unverhältnismäßig dar (vgl. Laubenthal, in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, a.a.O., Abschn. E Rn. 78; Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., § 29 Rn. 5 unter Hinweis auf LG Freiburg, BlfStrVollzK 1997, H. 3, 6 und LG Lahn-Gießen, ZfStrVo SH 1977, 21 f.). Dem ist – wie bereits ausgeführt – entgegenzuhalten, dass auch eine regelhafte Einschränkung dieses Grundrechts mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein kann, wenn – wie hier – zum Schutz gewichtiger, zum Eingriff in ein Grundrecht berechtigender Belange Einschränkungen auf der Grundlage einer jeweils einzelfallbezogenen Prognose und Abwägung nicht geeignet sind (BVerfG, BVerfGK 2, 78 = NStZ 2004, 225, juris Rn. 6).
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3. Die Zulässigkeit der Briefkontrolle im genannten Umfang hängt auch nicht davon ab, ob andere Möglichkeiten und Wege bestehen, sicherheitsrelevante Informationen an Personen außerhalb der Anstalt weiterzugeben, etwa telefonisch oder gegenüber Besuchern des Antragstellers in der Cafeteria, die nur optisch und nicht auch akustisch überwacht werden.
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Solche oder andere bestehende Möglichkeiten, Informationen aus der Anstalt weiterleiten, etwa durch entlassene Strafgefangene oder Strafgefangene, denen Ausgang oder Hafturlaub gewährt wird, machen die angefochtene Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Ziels, nämlich der Unterbindung unkontrollierter gefährlicher Außenkontakte von Strafgefangenen, nicht ungeeignet. Aus der Möglichkeit anderer Arten von Außenkontakten folgt nicht, dass dann auch auf die Unterbindung von Außenkontakten durch unkontrollierten Briefverkehr verzichtet werden muss.
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Dass entlassene Strafgefangene Informationen aus der Anstalt weiterleiten, kann nicht verhindert werden. Die Gewährung von Ausgang und Hafturlaub stellt ebenso wie die dem Beschwerdeführer gewährten telefonischen Kontakte und Besuchskontakte einen wichtigen Faktor im Bereich der Maßnahmen zur Erreichung des Vollzugsziels der Resozialisierung dar. Dabei wird die Vermittlung unkontrollierter Außenkontakte in Kauf genommen. Die aufgezeigten Möglichkeiten der Kontaktaufnahme und der Übermittlung von Informationen aus der Anstalt nach außen waren auch dem Gesetzgeber bekannt. Dennoch hat er in § 29 Abs. 3 StVollzG und nunmehr in Art. 32 Abs. 3 BayStVollzG eine Überwachung des Schriftwechsels der Gefangenen zugelassen. Diese Regelung ist sachgerecht und sinnvoll, weil sie zumindest im Bereich des Schriftwechsels, der nach Art. 31 Abs. 1 BayStVollzG grundsätzlich unbeschränkt ist, unkontrollierte Außenkontakte der Gefangenen, die zu einer Gefährdung für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt führen können, verhindert. Es trifft auch nicht zu, dass die Überwachung der ausgehenden Post aller Strafgefangenen nur von geringer Effizienz sein kann. Denn im Gegensatz zu den aufgezeigten anderen Möglichkeiten der Vermittlung von Außenkontakten kommt im Bereich des Schriftwechsels jeder Gefangene der Anstalt als potentieller Übermittler von Informationen in Betracht (so zutreffend OLG Frankfurt a.M., NJW 1979, 2525, 2526 f.).
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Auch der Umstand, dass Verteidigerpost nicht kontrolliert wird und insoweit Missbrauchsmöglichkeiten bestehen, hindert vorliegend die Briefkontrolle nicht. Dies hat bereits der Gesetzgeber erkannt und hingenommen (vgl. Bericht des Sonderausschusses zur Strafrechtsreform, BT-Drucks. 7/3998, S. 16)
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4. Soweit die Anstalt, wie vom Antragsteller vorgetragen, dessen Briefe seit 9.9.2021 bis 15.12.2021 keiner Kontrolle unterzogen haben sollte, ist hieraus kein Rechtsanspruch des Beschwerdeführers entstanden, eine Kontrolle auch zukünftig zu unterlassen. Er kann sich bereits deshalb nicht auf einen Bestandschutz berufen, weil die offenbar für drei Monate unterlassene Kontrolle nicht auf einer ihm erkennbar durch die Anstaltsleitung bewusst eingeräumten Rechtsposition beruht (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfG, Kammerbeschluss vom 29.10.1993 – 2 BvR 672/93, NStZ 1994, 100, juris Rn. 10, wo es um den Widerruf einer dem Gefangenen erteilten Genehmigung ging, a.a.O. Rn. 3), auf der sich ein Vertrauen hätte bilden können. Im Übrigen wird die Vollzugsbehörde aufgrund Art. 32 Abs. 3 BayStVollzG zur Überwachung ermächtigt, nicht verpflichtet; insoweit besteht ein Ermessen der Anstalt (vgl. Dessecker/Schwind in: Schwind/Böhm/ Jehle/Laubenthal, a.a.O., 9. Kap., Abschn. C Rn. 22; Arloth, in: Arloth/Krä, a.a.O., § 29 StVollzG Rn. 4; Laubenthal, in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, a.a.O., Abschn. E Rn. 70; Feest/ Wegner, in Feest/Lesting/Lindemann, a.a.O., Teil II LandesR § 34 Rn. 2 f.), die somit auch nach einer zeitweise nachlässigeren Handhabung der Briefkontrolle nicht gehindert ist, diese im zulässigen Umfang wieder wahrzunehmen.
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Eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 Nr. 2 GVG im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28.1.2004 (1 Ws 17/04) kam nicht in Betracht. Denn dieser Beschluss ist noch unter Geltung des bundeseinheitlichen Strafvollzugsgesetzes ergangenen, während die vorliegende Senatsentscheidung auf Art. 32 Abs. 3 des am 1.1.2008 in Kraft getretenen (Art. 209 Abs. 1 Satz 1 BayStVollzG) Bayerischen Strafvollzugsgesetzes vom 10.12.2007 beruht. Da sich die vorliegende Rechtsfrage daher einer Beurteilung alleine nach Maßstäben des Bundesrechts und somit der Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Entscheidung entzieht, sind die Vorlegungsvoraussetzungen des § 121 Abs. 2 Nr. 2 GVG nicht gegeben [vgl. BGHSt 54, 25, juris Rn. 8; OLG Koblenz, Beschluss vom 26.2.2014 – 2 Ws 660/13 (Vollz), juris Rn. 13]. Dies gilt selbst dann, wenn es sich um wortgleiche landesrechtliche Vorschriften handeln würde (OLG Frankfurt a.M., StV 2013, 451, juris Rn. 11). Mit der Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Strafvollzugs auf die Bundesländer hat sich der Gesetzgeber bewusst für die Möglichkeit der unterschiedlichen Ausgestaltung des Strafvollzugs in den einzelnen Bundesländern entschieden. Daraus folgt notwendigerweise auch eine unterschiedliche Ausgestaltung und Auslegung durch die Rechtsprechung [vgl. OLG Frankfurt a.M., StV 2013, 451, juris Rn. 5; OLG Hamburg, Beschluss vom 25.6.2008 – 3 Vollz (Ws) 43/08, OLGSt StVOllzG § 116 Nr. 4, juris Rn. 9].
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Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 208 BayStVollzG, § 121 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 StVollzG.
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Die Entscheidung über den Gegenstandswert ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 8, §§ 65, 60, 52 GKG.