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LG Ingolstadt, Endurteil v. 26.03.2021 – 31 O 2113/20
Titel:

Keine Haftung von Audi für den entwickelten, hergestellten und eingebauten 3,0-Liter-Motor (hier: Audi Q7)

Normenketten:
BGB § 826
Fahrzeugemissionen-VO Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2
Leitsätze:
1. Vgl. zu 3,0 Liter-Motoren von Audi mit unterschiedlichen Ergebnissen auch: BGH BeckRS 2021, 37683; BeckRS 2021, 41003; BeckRS 2022, 21374; BeckRS 2022, 19714; OLG Bamberg BeckRS 2022, 33515; OLG Karlsruhe BeckRS 2021, 43408; OLG München BeckRS 2022, 18804; BeckRS 2022, 18875; BeckRS 2022, 28198; BeckRS 2022, 34469; BeckRS 2021, 52024; BeckRS 2022, 21228; BeckRS 2022, 23106; BeckRS 2022, 18807; OLG Nürnberg BeckRS 2022, 21211; LG Bamberg BeckRS 2022, 29502; LG Kempten BeckRS 2022, 28679; LG Nürnberg-Fürth BeckRS 2022, 30355; OLG Bamberg BeckRS 2022, 28703 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1) sowie OLG Brandenburg BeckRS 2021, 52227 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1). (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus der hier von der Herstellerin veranlassten „freiwilligen Servicemaßnahme Software-Update-Dieselmotoren“ kann lediglich gefolgert werden, dass der Motor des klägerischen Fahrzeugs über das Potenzial der Reduzierung von Schadstoffemissionen verfügt, nicht aber, dass geltende Normen zur Schadstoffemission des Fahrzeugs vor der oder ohne die Durchführung der „Servicemaßnahme“ unter Einsatz unzulässiger Abschalteinrichtungen verletzt worden wären. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für das in die Motorsteuerung des Fahrzeugs integrierte Thermofenster kann wegen der kontrovers geführten Diskussion über Inhalt und Reichweite der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 S. 2 lit. a VO Fahrzeugemissionen-VO aus einer möglicherweisen fehlerhaften Gesetzesauslegung und Anwendung durch die Organe der Herstellerin kein Rückschluss auf jedenfalls subjektiv vorsätzlich sittenwidriges Handeln gezogen werden. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, 3,0-Liter-Motor, EA 986 Gen2, Audi, unzulässige Abschalteinrichtung, Thermofenster, (kein) Rückruf, freiwillige Servicemaßnahme, subjektiv vorsätzlich sittenwidriges Handeln
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 26.07.2021 – 21 U 1887/21
OLG München, Beschluss vom 13.09.2021 – 21 U 1887/21
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 23.05.2022 – VIa ZR 331/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 54386

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagte wegen des Erwerbs eines von der Beklagten hergestellten Gebrauchtwagens durch den Kläger.
2
Am 04.07.2017 erwarb der Kläger von dem ... einen gebrauchten Pkw ... zum Preis von 31.000 € bei einer Laufleistung von 180.000 km. Am 03.03.2021 wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 249.370 km auf.
3
Der Kläger behauptet, der Motor sei mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen, die bewirke, dass der tatsächliche NOx-Ausstoß des Fahrzeugs wesentlich höher sei, als es der Typgenehmigung des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) zugrunde liege.
4
Der Kläger meint, ihm stünde daher ein deliktischer Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten zu. Die Beklagte sei zur Rückabwicklung des Kaufvertrags verpflichtet.
5
Der Kläger beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerpartei EUR 31.000,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2020 abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von EUR 6.237,38 Zugum-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges ... mit der Fahrgestellnummer ... zu zahlen. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 01.08.2020 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
6
Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 1.899,24 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2020 zu zahlen.
7
Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
8
Die Beklagte trägt vor, das klägerische Fahrzeug sei nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen. Sie meint daher, es bestünde ihr gegenüber kein Anspruch.
9
Das Gericht hat in Vertretung des Klägers dessen Prozessbevollmächtigten angehört. Wegen der insoweit getätigten Angaben wird auf das Protokoll der Sitzung des Landgerichts Ingolstadt vom 03.03.2021 Bezug genommen. Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

10
Die zulässige Klage ist unbegründet. Ein klägerischer Anspruch aus § 826 BGB gegenüber der Beklagten besteht nicht.
11
Das streitgegenständliche Fahrzeug ist nicht von einem verpflichtenden Rückruf des KBA betroffen. Dies ist insoweit unstreitig. Das Fahrzeug unterlag allerdings einer unter Mitwirkung des KBA veranlassten „freiwilligen Servicemaßnahme Software-Update-Dieselmotoren“ der Beklagten. Dieser Maßnahme und den gerichtsbekannten Erläuterungen der Beklagten hierzu in einem Schreiben vom Oktober 2019 kann entnommen werden, dass die Beklagte als „freiwillige und kostenlose Servicemaßnahme“ die „Reduzierung der Stickoxidemissionen“ des klägerischen Fahrzeugs anbietet. Daraus kann lediglich gefolgert werden, dass der Motor des klägerischen Fahrzeugs über das Potenzial der Reduzierung von Schadstoffemissionen verfügt, nicht aber, dass geltende Normen zur Schadstoffemission des Fahrzeugs vor der oder ohne die Durchführung der „Servicemaßnahme“ unter Einsatz unzulässiger Abschalteinrichtungen verletzt worden wären.
12
Ein in die Motorsteuerung des klägerischen Fahrzeugs integriertes Thermofenster vermag ebenfalls keinen klägerischen Anspruch auszulösen. Dabei kann dahinstehen, ob das Thermofenster objektiv eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 EGVO 715/2017 ist und welchen genauen Temperaturbereich das Thermofenster umfasst. Jedenfalls fehlt es insoweit an einer für den Bestand eines Anspruchs nach § 826 BGB erforderlichen sittenwidrigen Handlung der Beklagten. Das Gericht schließt sich dabei der Rechtsauffassung des OLG München in den Beschlüssen vom 23.01.2020 (21 U 5123/19) und 07.01.2020 (21 U 6084/19) an. Wegen „der kontrovers geführten Diskussion über Inhalt und Reichweite der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 a VO 2007/715-EG kann aus einer möglicherweisen fehlerhaften Gesetzesauslegung und „Anwendung durch die Organe der Beklagten“ kein Rückschluss auf jedenfalls subjektiv vorsätzlich sittenwidriges Handeln der Beklagten gezogen werden.
13
Der weitere klägerische Vortrag zur Nutzung unzulässiger Abschaltvorrichtungen durch die Beklagte unter Hinweis auf zahlreiche Modelle des ... ist für das hier streitgegenständliche Fahrzeug des Klägers nicht hinreichend konkret um den Beweis zu erbringen, auch dieser Pkw sei von den Manipulationen erfasst oder um eine entsprechende Beweisaufnahme auszulösen.
14
Das Gericht schließt sich insoweit den Ausführungen des OLG München in dem nach § 522 Abs. 2 ZPO ergangenen Beschluss vom 18 .01.2021 (Az. 21 U 5065/20) an.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO und die Entscheidung vor vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.