Titel:
Wahlarzthonorar bei Vertretung des Chefarztes
Normenkette:
KHEntgG § 17 Abs. 3 S. 1
Leitsatz:
Eine Wahlleistungsvereinbarung ist mit § 17 Abs. 3 S. 1 KHEntgG unvereinbar und unwirksam, wenn von vorneherein feststeht, dass der an sich abrechnungsberechtigte Arzt die Operation nicht durchführen wird, sondern eine nicht abrechnungsberechtigte Person („gewünschte Stellvertretung“). (Rn. 28 und 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wahlleistungsvereinbarung, Wahlarzthonorar, abrechnungsberechtigter Arzt, Chefarzt, gewünschte Stellvertretung, Verhinderung
Rechtsmittelinstanz:
LG Regensburg, Urteil vom 22.02.2022 – 23 S 63/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 54326
Tenor
1.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.732,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.11.2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 1.732,00 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen im Krankenhaus.
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Die Klägerin ist privater Krankenversicherer des Versicherungsnehmers … Der Versicherungsnehmer wurde vom 20.05.2019 bis zum 21.05.2019 in dem von der Beklagten betriebenen Krankenhaus behandelt. Der Versicherungsnehmer schloss hierbei mit der Beklagten eine Behandlungs- und Honorarvereinbarung für stationäre, ärztliche Leistungen (Anlage K10). In Ziffer 3 dieser Vereinbarung ist unter der Überschrift „Patientenerklärung bei gewünschter Stellvertretung“ festgehalten, dass der Versicherungsnehmer ausdrücklich die wahlärztliche Behandlung durch … und nicht durch … wünsche. Diese wahlärztlichen Leistungen wurden von der Beklagten mit 1.779,77 € in Rechnung gestellt und vom Versicherungsnehmer bezahlt.
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Mit einer nicht datierten Abtretungserklärung (Anlage K3) trat der Versicherungsnehmer seinen Rückerstattungsanspruch an die Klägerin ab. Erstmalig mit Schreiben vom 18.09.2019 (Anlage K4) und dann auch mit anwaltschaftlichen Schriftsätzen, erstmalig am 01.09.2020 (Anlage K7) hat die Klägerin einen Zahlungsanspruch über 1.732,01 € geltend gemacht.
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Die Klägerin bringt vor, dass eine unwirksame Wahlleistungsvereinbarung vorliege; die streitgegenständliche Wahlleistungsvereinbarung sei nicht von § 17 KHEntgG gedeckt. Die Beklagte sei daher gemäß § 812 BGB zur Rückerstattung verpflichtet.
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Mit Beschluss vom 18.01.2021 hat das Gericht mit Zustimmung der Parteien die Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet.
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Die Klägerin beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.732,01 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 21.11.2019 zu zahlen sowie vorgerichtliche, anwaltliche Mahnkosten in Höhe von 249,40 € nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 19.09.2020 zu erstatten.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte bringt vor, dass eine wirksame Wahlleistungsvereinbarung vorliege. Es handle sich um eine sogenannte „gewünschte Stellvertretung“. Diese sei nach der Rechtsprechung des BGH auch im Rahmen einer Wahlleistungsvereinbarung zulässig.
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Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, sowie auf das Vorbringen im Termin verwiesen.
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Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Die getroffene Wahlleistungsvereinbarung für den hiervorliegenden Fall der „gewünschten Stellvertretung“ ist nicht mit § 17 KHEntgG vereinbar. Die Leistung des Versicherungsnehmers ist somit rechtsgrundlos erfolgt und es besteht ein Rückzahlungsanspruch aus § 812 BGB.
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1. Maßgeblich für die rechtliche Einordnung ist zunächst § 17 Abs. 3 KHEntgG.
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Danach kann eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen nur hinsichtlich der Behandlungen getroffen werden, die durch einen Angestellten oder beamteten Arzt des Krankenhauses erfolgen, soweit dieser zur gesonderten Berechnung seiner Leistungen im Rahmen der vollstationären oder teilstationären sowie einer vor- und nachstationären Behandlung berechtigt ist.
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Das Gericht geht hierbei davon aus, dass es sich bei … um einen Arzt handelt, der insoweit zur gesonderten Berechnung berechtigt ist und bei … um eine Ärztin handelt, die insoweit nicht zur gesonderten Berechnung berechtigt ist.
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Somit wäre nach dem Wortlaut des Gesetzes vorliegend eine unwirksame Wahlleistungsvereinbarung gegeben, da die abgerechnete Leistung nicht von einer zur gesonderten Berechnung berechtigten Ärztin erbracht worden ist.
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2. In der Rechtsprechung und Literatur ist jedoch allgemein anerkannt, dass auch in bestimmten Fällen bei einer Stellvertretung des abrechnungsberechtigten Arztes eine wirksame Wahlleistungsvereinbarung vorliegen kann.
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Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 16.10.2014 (NJW 2015, 1375) die Möglichkeit eines „gewünschten Stellvertreters“ des Wahlarztes angesprochen (Rn. 18 der eben zitierten Entscheidung), aber keine näheren Ausführungen hierzu gemacht.
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In der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.12.2007 (NJW 2008, 987) führt der BGH zutreffend und nachvollziehbar aus, dass der behandelnde Arzt aus einer Wahlleistungsvereinbarung gemäß § 613 BGB grundsätzlich verpflichtet ist, die Leistung selbst zu erbringen.
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Im Nachfolgenden unterscheidet der Bundesgerichtshof dann in seiner Entscheidung zwischen Übertragung der Kernleistungen des zum Abschuss einer Wahlleistungsvereinbarung berechtigten Arztes für den Fall der Verhinderung (Rn. 8 der eben angesprochenen Entscheidung) und einer Vereinbarung, aufgrund der zur Abrechnung von Wahlleistungen berechtigte Arzt von seiner Pflicht zur persönlichen Ausführung der Leistungen befreit wurde und statt seiner, ein anderer Arzt tätig werden durfte (Rn. 12 ff der eben genannten Entscheidung).
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Der BGH lässt im Fall der unvorhergesehenen Vertretung eine Vertretung nur in sehr engen Grenzen, führt jedoch überzeugend aus, dass sich der Wahlarzt im Rahmen der Vertragsfreiheit durch eine Individualvereinbarung mit dem Patienten von seiner Pflicht zur persönlichen Leistung befreien und die Ausführung einem Stellvertreter übertragen kann.
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Die diesbezüglichen Ausführungen des Bundesgerichtshofs könnten somit für die Zulässigkeit der gegenständlichen Wahlleistungsvereinbarung herangezogen werden.
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In diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2007 allein zur Vergütungspflicht im Rahmen der GOÄ ergangen ist, und somit zu der Frage inwieweit das ärztliche Liquidationsrecht erhalten bleibt, wenn die Leistung nicht höchstpersönlich erbracht wird. Die Entscheidung hat sich nicht mit der Frage befasst, inwieweit eine wirksame Wahlleistungsvereinbarung vorliegt.
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3. Näher mit der Zulässigkeit von Wahlleistungsvereinbarungen im Rahmen des § 17 Abs. 3 KHEntgG befasst sich wiederum die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.10.2014 (NJW 2015, 1375).
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a) Der Bundesgerichtshof führt hier (Rn. 23 der eben zitierten Entscheidung) nachvollziehbar aus, dass § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG den Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte abschließend festlege. Es handle sich um eine dem Schutz des Privatpatienten dienende zwingende preisrechtliche Norm, von der auch nicht im Wege einer unmittelbar zwischen dem behandelnden (nichtliquidationsberechtigen) Honorararzt und dem Patienten zustande gekommen individuellen Vergütungsabrede abgewichen werden könne. Der Bundesgerichtshof stellt hierbei ausdrücklich auch auf die Entstehungsgeschichte des § 17 KHEentgG ab.
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Der hier zu entscheidende Fall entscheidet sich vom Fall des Bundesgerichtshofs dadurch, dass im Fall des Bundesgerichtshofs die Individualvereinbarung von einem nicht abrechnungsberechtigten Honorar-Arzt getroffen worden ist, während im hier zu entscheidenden Fall die Wahlleistungsvereinbarung mit einem grundsätzlich abrechnungsberechtigten Chefarzt getroffen worden ist.
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Von daher wäre eine Auslegung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.10.2014 dahin möglich, dass abrechnungsberechtigte Chefärzte sehr wohl Wahlleistungsvereinbarungen hinsichtlich einer gewünschten Stellvertretung treffen könnten.
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b) Nach Auffassung des erkennenden Gerichts würde jedoch eine solche Auslegung nicht dem vom BGH selbst herangezogenen Schutz des Privatpatienten dienen und auch den Gesichtspunkt unberücksichtigt lassen, dass es sich bei § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEentgG um eine zwingende preisrechtliche Norm handle. Es ist noch nachvollziehbar, dass in Fällen einer überraschenden Verhinderung der an sich abrechnungsberechtigte Arzt, mit dem die Wahlleistungsvereinbarung getroffen worden ist, durch einen qualifizierten Kollegen oder eine Kollegin vertreten werden kann. Wenn jedoch wie hier, von vorneherein feststeht, dass der an sich abrechnungsberechtigte Arzt die Operation nicht durchführen wird, sondern eine nicht abrechnungsberechtigte Kollegin, wird der gesetzliche Rahmen des § 17 Abs. 3 KHEentgG eindeutig verlassen.
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In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Patient zumindest im vorliegenden Fall seinen Anspruch auf Erstattungsfähigkeit von Wahlleistungen durch erhöhte Versicherungsprämien mehr oder weniger erkauft hat. Wenn ein Krankenhaus eine krankenhauswahlärztliche Leistungen anbietet, muss es auch sicher stellen, dass diese wahlärztlichen Leistungen dann auch von den abrechnungsberechtigten Ärzten in der Regel zur Verfügung gestellt werden können, und diese nicht von vornherein auf nicht abrechungsberechtigte Ärzte und Ärztinnen delegieren. Ansonsten bestünde für den Patienten und Versicherungsnehmer die Befürchtung bei Nichtunterzeichnung der Wahlleistungsvereinbarung, dann möglicherweise von einem nicht ausreichend qualifizierten Arzt oder Ärztin operiert zu werden.
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c) Die von der Beklagten zitierten Entscheidungen des Amtsgerichts und Landgerichts Regensburg führen auch zu keiner anderen Beurteilung.
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Diese Entscheidungen befassen sich vor allem mit der Zulässigkeit eines Liquidationsrechts bei einer gewünschten Stellvertretung befassen, aber nicht mit der Problematik des § 17 Abs. 3 KHEntgG und der gewünschten Stellvertretung.
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4. Die streitgegenständliche Wahlleistungsvereinbarung ist daher wegen Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG gemäß § 143 BGB unwirksam und die geleistete Zahlung somit rechtsgrundlos erbracht und gemäß § 812 BGB zurückzuerstatten.
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5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB; die Beklagte wurde mit Schreiben der Klägerin vom 30.10.2019 (Anlage K 6) zur Zahlung bis 20.11.2019 aufgefordert.
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Ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen anwaltschaftlichen Kosten besteht nicht. Insoweit war die vorgerichtliche Einschaltung von Rechtsanwälten nicht erforderlich, sodass insoweit keine Erstattungsfähigkeit besteht. Vor Einschaltung der Rechtsanwälte der Klägerin fand zwischen der Klägerin bereits umfangreicher und auch inhaltlich substantiierter Schriftverkehr statt. Wie die Weiterentwicklung des Falls dann auch tatsächlich gezeigt hat, stand in keinster Weise zu erwarten, dass die Beklagte allein durch die Einschaltung von Rechtsanwälten sich von ihrer Rechtsauffassung wird abbringen lassen.
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 11, 709 ZPO und für die Streitwertfestsetzung waren § 3 ZPO, 48 GKG maßgeblich.