Inhalt

LG München I, Endurteil v. 05.02.2021 – 22 O 5272/20
Titel:

Rückzahlung von Kontoüberziehungen aufgrund von unerlaubtem Glücksspiel 

Normenketten:
BGB § 134, § 675f Abs. 1, 780
GlüStV § 4 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Ein Kreditkartenvertrag ist als Zahlungsdienstrahmenvertrag nach § 675f Abs. 1 BGB zu qualifizieren. Dadurch wird der Kreditunternehmer verpflichtet die Verbindlichkeiten des Karteninhabers bei Vertragsunternehmen zu tilgen. Kommt er dieser Verpflichtung nach, so steht ihm ein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Karteninhaber zu.  (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nicht Aufgabe eines Kreditunternehmens die Legalität etwaiger Zahlungen zu überprüfen. Das ist die Aufgabe der Glückspielaufsicht des jeweiligen Bundeslandes. Die Glückspielaufsicht hat dem mitwirkenden Kreditunternehmen unerlaubte Glücksspielangebote bekannt zu geben. Erst dann dürfen seitens der Glücksspielaufsicht Maßnahmen gegenüber dem Kreditunternehmen getätigt werden und die Mitwirkung an unerlaubtem Glücksspiel untersagt werden.  (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kontoüberziehung, Glücksspiel, Glückspielaufsicht, Kreditkartenabrechnungen, Autorisierung
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 26.05.2021 – 17 U 1223/21
OLG München, Beschluss vom 30.06.2021 – 17 U 1223/21
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 24.05.2022 – XI ZR 390/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 54241

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 53.829,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.06.2019 zu bezahlen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 53.829,72 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Rückzahlung von Kontoüberziehungen.
2
Der Beklagte eröffnete am 30.10.2010 das Einzelgirokonto Nr. …, bestehend aus Internet-Konto mit Onlinebanking, ec-(Maestro)-Karte und … Visa-Card. Dem Beklagten wurde ein Dispositionskredit von 1.000,- € eingeräumt (K 1). Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin (K 2), die Bedingungen für die Verwendung der ec-(Maestro)-Karte sowie die … Visa-Card Kundenbedingungen (K 3) wurden u.a. als für die Geschäftsverbindung maßgebend vereinbart (vgl. K 1 Ziff. 7 i).
3
Das Konto wies zum 30.06.2018 einen Sollsaldo in Höhe von 4.980,77 € auf. Gegen den entsprechenden Rechnungsabschluss der Klägerin (K 4), den der Beklagte erhielt, erhob er keine Einwendungen. In der Zeit von Juni 2018 bis Februar 2019 nahm der Beklagte weitere Zahlungen über das streitgegenständliche Konto vor, u.a. an verschiedene Glückspielanbieter. Die Klägerin belastete dementsprechend das streitgegenständliche Konto des Beklagten.
4
Mit Schreiben vom 07.01.2019, 21.01.2019 und 04.02.2019 forderte die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung zur Zahlung des zum jeweiligen Zeitpunkt ausstehenden Betrages aus der Kontoüberziehung auf (K7). Da der Beklagte den Zahlungsaufforderungen der Klägerin nicht nachkam, kündigte die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 31.05.2019 (K 8) die Kontoverbindung und stellte die zu diesem Stichtag offene Forderung in Höhe von 47.831,86 € (K 5) fällig.
5
Am 24./25.05.2018 schloss die Klägerin - über ihre Niederlassung … - mit dem Beklagten zur Darlehensnummer … einen Privatkreditvertrag (K 10) über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 6.679,41 € mit 84-monatiger Laufzeit, einer monatlichen Ratenhöhe (Zins und Tilgung) von 91,- € sowie einer letzten Rate in Höhe von 40,11 €. Der Sollzins betrug 3,73 %; der effektive Jahreszins 3,79 %. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der … (K 4) wurden zum Gegenstand des Vertrages gemacht. Die Zahlungspflichten wurden über das Konto des Beklagten des Beklagten IBAN … bei der … beglichen (vgl. K 10 S. 3 „Zahlungsweise“). Im März und April 2019 geriet der Beklagte mit den geschuldeten Ratenzahlungen in Verzug, im Mai 2019 blieb die vom Beklagten geschuldete Ratenzahlung aus (K 12). Die Klägerin kündigte dem Beklagten mit Schreiben vom 31.05.2019 (K 8) auch das Darlehen und stellte die zu diesem Stichtag offene Restforderung in Höhe von 5.997,86 € sofort fällig.
6
Die Klägerin trägt vor, die in der Zeit von Juni 2018 bis Februar 2019 über das Konto Nr. … getätigten Zahlungen des Beklagten an verschiedene Glückspielanbieter hätten insgesamt 26.457,72 € betragen. Dies ergebe sich aus den als Anlage K 6 vorgelegten Kreditkartenabrechnungen (dort blau markiert).
7
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung der Restforderung des ausgereichten Darlehens in Höhe von 5.997,86 € sowie der Kontoüberziehung in Höhe von 47.831,86 € gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zu.
8
Die Kreditkartenabrechnungen seien in rechtmäßiger Weise erfolgt. Die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 675 c Abs. 1, 670 BGB bzw. Ziff. 12 Nr. 1 der Kreditkartenbedingungen. Aufgrund der Autorisierung durch den Beklagten seien die Verfügungen wirksam. Gemäß Ziff. 4 Nr. 1 der Kreditkartenbedingungen habe der Beklagte dem Zahlungsvorgang zugestimmt, in dem er seine Kreditkartendaten gegenüber einem Vertragsunternehmen angegeben habe. Die Autorisierung sei auch nicht gemäß § 134 BGB nichtig; sie verstoße insbesondere nicht gegen die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV). Aus dem Zusammenspiel von § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV einerseits und § 9 Abs. 1 Satz 3 GlüStV andererseits folge nämlich, dass in den Zahlungsverkehr nur subsidiär eingegriffen werden solle, wenn ein Vorgehen gegen die eigentlichen Verantwortlichen, d.h. die Glücksspielanbieter, erfolglos geblieben sei. Gegen die Glücksspielanbieter sei der Beklagte indes gar nicht vorgegangen. Gemäß Ziff. 4 Nr. 2 der Kreditkartenbedingungen habe der Beklagte - entsprechend § 675p Abs. 1 bis 3 BGB - die Autorisierung auch nicht wirksam widerrufen können, da eine Ausnahmeregelung gemäß § 675p Abs. 2 bis 4 BGB nicht einschlägig sei. Einwendungen aus dem zugrunde liegenden Vertragsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem jeweiligen Vertragsunternehmen könnten der Klägerin nicht entgegengehalten werden, da das Vertragsunternehmen durch die Autorisierung einen abstrakten Zahlungsanspruch gegen die Klägerin als Kreditkartenunternehmen aus § 780 BGB, erlange, der nur dann nicht bestünde, wenn die Vertragsunternehmen die Klägerin als Kreditkartenunternehmen rechtsmissbräuchlich in Anspruch genommen hätten. Diese sei jedoch vorliegend nicht der Fall. Dass die betreffenden Glücksspielanbieter keine für Deutschland geltende Erlaubnis hätten, werde klägerseits bestritten. Aber selbst wenn keine Erlaubnis vorgelegen haben sollte, wäre dies für die Klägerin nicht offenkundig gewesen. Denn die Frage, ob ein Glücksspielanbieter über eine derartige Erlaubnis verfüge, lassen sich allenfalls durch entsprechende Nachforschungen ermitteln.
9
Die Darlehenskündigung sei wirksam gewesen, da ein wichtiger Grund vorgelegen habe. Mit Blick auf die seit September 2018 nicht mehr hinreichend ausgeglichenen Überziehungen des Kontos Nr. … bzw. die ab Dezember 2018 gänzlich ausbleibenden Zahlungen des Beklagten auf dieses Konto, habe die Klägerin beim Ausbleiben der Ratenzahlungen auf das Darlehen von der Zahlungsunfähigkeit des Beklagten ausgehen müssen.
10
Die Klägerin beantragt zuletzt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 53.829,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.06.2019 zu bezahlen.
11
Der Beklagte beantragt:
Klageabweisung.
12
Die der Beklagte hält die Klage schon für unschlüssig. Es fehle an ausreichend substantiiertem Tatsachenvortrag dazu, dass der Klägerin der begehrte Anspruch überhaupt zustehe.
13
Der Beklagte trägt vor, in der Zeit vom 23.11.2017 bis zum 15.08.2018 habe die Klägerin über das streitgegenständliche bei ihr geführte Konto des Beklagten Beträge in Höhe von insgesamt 56.796,38 € zugunsten von illegalen Online-Glücksspielanbietern abbuchen lassen, wobei sie dem Beklagten hierfür sogar separate Transaktionsgebühren in Höhe von insgesamt 1.097,90 €, mithin einen Gesamtbetrag in Höhe von 57.894,28 € in Rechnung gestellt habe, wie sich aus der Aufstellung des Beklagten (B 1) ergebe. Der Beklagte habe die streitgegenständlichen Einsätze unter anderem bei den Online-Casinos … und … getätigt. Hierbei handele es sich um Anbieter, die ausschließlich Online-Glücksspiele anböten, nur über eine entsprechende Lizenz aus verfügten (B 2) und in Deutschland keine gültige Lizenz besitzen bzw. besaßen. Der Beklagte habe bei diesen Anbietern ausschließlich Black-Jack in Live-Casinos gespielt, die in Deutschland nicht erlaubt seien. Der Beklagte habe die Spiele, die zu den Abbuchungen geführt hätten, allesamt von seinem Zuhause in … ausgeführt. Dass er damals unerlaubte Online-Glücksspiele getätigt habe, sei ihm seinerzeit nicht bewusst gewesen. Indes seien gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung die Internetspiele der Online-Glücksspielanbieter, die der Beklagte vorliegend getätigt habe, in Deutschland ausnahmslos verboten (bspw. BVerfG, Urteil vom 30.09.2013, Az. 1 BvR 3196/11 und BVerwG, Urteil vom 26.10.2017, Az. 8 C 14/16). Die Klägerin habe zu jeder Zeit positiv gewusst, dass die streitgegenständlichen Zahlungen für in Deutschland unerlaubte bzw. verbotene Online-Glücksspiele erfolgten. Dies ergebe sich auch daraus, dass die Klägerin hierfür separate Glücksspielgebühren erhoben habe. Sie habe für die Casinoumsätze aus einem Verfügungsrahmen jeweils 3 % vom Umsatz als sogenanntes „Transaktionsentgelt“ berechnet (B 8). Der Klägerin sei es auch unschwer möglich gewesen, festzustellen, dass Zahlungen an nicht lizenzierte Online-Glücksspielanbieter geleistet wurden.
14
Der Beklagte habe zudem mit eigenen Ansprüchen gemäß §§ 812, 134 BGB i.V.m. § 4 Absa. 1 S. 2 GlüStV und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV gegen die Beklagte schon vorgerichtlich aufgerechnet.
15
Bei §§ 4 Abs. 1 S. 2 und Abs. 4 GlüStV, wonach das Veranstalten und das Vermitteln von öffentlichen Glücksspielen ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes und die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel und das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten sind, handle es sich um Verbotsgesetze i.S.d. § 134 BGB bzw. um ein Schutzgesetzt i.S.d. § 823 abs. 2 BGB. Einer Untersagungsverfügung gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlüStV bedürfe es nicht, da das Mitwirkungsverbot in § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV unmittelbar wirke.
16
Dem Beklagten stehe auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB.
17
Der Beklagte meint, die Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung des Darlehensvertrags hätte nicht vorgelegen. Jedenfalls habe die Klägerin ein etwaiges außergerichtliches Kündigungsrecht verwirkt.
18
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Terminprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
19
Die zulässige Klage ist begründet.
20
1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung von 47.831,86 €.
21
1.1. Ausweislich des letzten Kontoauszuges vom 15.05.2019 wies das streitgegenständliche Konto des Beklagten am 30.05.2019 inklusive Zinsen in Höhe von 554,56 € einen Sollsaldo von 47.831,86 € auf. Diesen Betrag hat die Klägerin durch Kündigung der Kontoverbindung vom 31.05.2019 (K 8) - die der Beklagte als solche nicht angegriffen hat - fällig gestellt, nachdem der Beklagte den Zahlungsaufforderungen der Klägerin in den Schreiben vom 07.01.2019, 21.01.2019 und 04.02.2019 nicht nachgekommen war.
22
Der Beklagte erhebt gegen diesen Zahlungsanspruch lediglich Einwendungen, die seine Teilnahme an unerlaubtem Glücksspiel betreffen. Soweit die Klägerin Zahlungen an Glücksspielanbieter geleistet habe, sei der Kreditvertrag mit der Klägerin bzw. seine Autorisierungen nichtig. Wie die Klägerin durch Vorlage der Kreditkartenabrechnungen vom 22.06.2018 bis 14.03.2019 (K 6) darlegen konnte, ergibt die Summe der blau markierten Transaktionen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel des Beklagten indes in der Summe lediglich den klägerseits behaupteten Betrag von 26.457,72 €. In Höhe des Differenzbetrages zwischen dem Kontoschlusssaldo und dieser Summe, also in Höhe von 21.374,14 €, hat der Beklagte die Forderung der Klägerin nicht bestritten. Insoweit war er damit ohne weiteres zur Zahlung zu verurteilen.
23
1.2. Der Klägerin steht aber auch ein weiterer Anspruch auf Aufwendungsersatz in Höhe von 26.457,72 € gemäß §§ 675 c Abs. 1, 670 BGB zu, da sie die vom Beklagten autorisierten Zahlungsanweisungen, die in der Benutzung seiner Kreditkarte lagen (§ 675j Abs. 1 S. 3 BGB, Ziffer 3 (1) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen) ordnungsgemäß ausgeführt hat.
24
1.2.1. Zwischen den Parteien wurde ein Kreditkartenvertrag geschlossen.
25
Dieser ist als Zahlungsdiensterahmenvertrag im Sinne des § 675 f Abs. 1 BGB zu qualifizieren (BGH IX ZR 290/13). Dadurch wird der Kreditunternehmer verpflichtet die Verbindlichkeiten des Karteninhabers bei Vertragsunternehmen zu tilgen. Kommt er dieser Verpflichtung nach, so steht ihm ein Aufwendungsersatzanspruch gegen den Karteninhaber nach §§ 675 c I, 670 BGB zu (BGH IX ZR 420/01). Voraussetzung dafür ist die Zustimmung des Karteninhabers für den jeweiligen Zahlungsvorgang (Autorisierung), § 675 j Abs. 1 S. 1 BGB. Die Art und Weise der Autorisierung sind zwischen Karteninhaber und Zahlungsdienstleister zu vereinbaren, § 675 j Abs. 1 S. 3 BGB. Die Zustimmung wird im vorliegenden Fall dadurch erteilt, dass der Beklagte seine Kreditkartendaten gegenüber dem jeweiligen Vertragsunternehmen angibt (vgl. Ziff. 4 (2) der Kreditkartenbedingungen).
26
1.2.3. Bei den blau markierten Transaktionen in den Kreditkartenabrechnungen der Klägerin vom 22.06.2018 bis 14.03.2019 (K 6), die in der Summe den klägerseits behaupteten Betrag von 26.457,72 € ergeben, hat der Beklagte insbesondere seine Zustimmung für die jeweiligen Zahlungsvorgänge in der Zeit vom 23.06.2018 bis 15.02.2019 durch Einsatz seiner Kreditkarte bei … den Vertragsunternehmen „…“ sowie „…“ erteilt. Ein Widerruf dieser Autorisierungen gemäß § 675 j Abs. 2 BGB erfolgte nicht.
27
1.2.3. Mit den Salden aus den Kreditkartenabrechnungen (K 6) wurde das Konto des Beklagten jeweils belastet, u.z. in Höhe von 4.983,63 € am 24.07.2018, in Höhe von 4.999,94 € am 24.08.2018, in Höhe von 4.968,19 € am 25.09.2018, in Höhe von 0,07 € am 24.10.2018, in Höhe von 7.509,16 € am 20.02.2019 und mit 7.499,16 € am 20.03.2019 und mit 7.497,88 € am 18.04.2019 (vgl. K 5).
28
Damit hat die Klägerin Aufwendungen i.S.d. § 670 BGB betrieben.
29
Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer, also Kosten, die freiwillig auf dem Vertrauen auf den späteren Erhalt der Leistung erbracht werden. Die Klägerin hat die Verbindlichkeiten des Beklagten gegenüber seinen Vertragspartnern „…“ sowie „…“, nämlich die Zahlungen der oben genannten Beträge in Höhe von insgesamt 26.457,72 erbracht, um ihre Vertragsleistung gegenüber dem Beklagten im Zuge des Zahlungsdiensterahmenvertrags zu erfüllen.
30
Diese Aufwendungen durfte die Klägerin auch für erforderlich halten. Die Klägerin darf die Aufwendungen nur dann nicht für erforderlich halten, wenn die Vertragsunternehmen „…“ sowie „…“ die Klägerin rechtsmissbräuchlich in Anspruch genommen hätten. Eine solche rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme liegt nur dann vor, wenn offensichtlich und liquide beweisbar ist, dass den Vertragsunternehmen eine Forderung aus dem Valutaverhältnis gegen den Beklagten nicht zusteht (BGH XI ZR 420/01). Ob eine Forderung der Glücksspielanbieter gegenüber dem Beklagten tatsächlich besteht, ist für die Klägerin indes nicht offenkundig erkennbar, zumal es legale Glücksspielanbieter auch in Deutschland gibt und Glückspiel außerhalb Deutschlands oftmals legal möglich ist.
31
1.2.4. Der Kreditkartenvertrag ist auch nicht nach § 134 BGB nichtig.
32
Ein Rechtsgeschäft ist nichtig, wenn es gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Ein solches Verbotsgesetz liegt nicht vor.
33
a. Zwar ist gemäß § 4 Abs. 1, 4 GlüStV auch die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten. Die Klägerin hat diese Zahlungen auch getätigt. Es ist allerdings nicht Aufgabe des Kreditunternehmens die Legalität etwaiger Zahlungen zu überprüfen (BGH XI ZR 96/11). Nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlüStV ist dies Aufgabe der Glückspielaufsicht des jeweiligen Bundeslandes. Die Glückspielaufsicht hat dem mitwirkenden Kreditunternehmen unerlaubte Glücksspielangebote bekannt zu geben. Erst dann dürfen seitens der Glücksspielaufsicht Maßnahmen gegenüber dem Kreditunternehmen getätigt werden und die Mitwirkung an unerlaubtem Glücksspiel untersagt werden. Eine derartige Bekanntgabe der Glücksspielaufsicht an die Klägerin hat der Beklagte nicht dargelegt.
34
Da die Voraussetzungen der Mitwirkung an Zahlungen am unerlaubten Glücksspiel nicht vorliegen, verstoßen die Zahlungsausführungen der Klägerin nicht gegen den Glücksspielstaatsvertrag und sind somit nicht nichtig nach § 134 BGB.
35
b. Selbst wenn die Vorschrift des Paragrafen 134 BGB vorliegend zum Tragen käme, würde sie allenfalls im Verhältnis zwischen dem Beklagten und dem Glücksspieleveranstalter gelten und sich nur auf die zwischen diesen beiden Parteien geschlossenen Verträge beziehen. Auch wenn der Beklagte gegenüber den Glücksspielanbietern mangels Vorliegens einer Erlaubnis zum Veranstalten von Casinospielen gegebenenfalls nach § 134 BGB nicht verpflichtet wäre, seine Einsätze zu bezahlen, würde sich dies hingegen nicht auf das Anweisungsverhältnis zwischen der Klägerin als Kreditunternehmerin und dem Beklagten als Karteninhaber auswirken.
36
1.2.5. Auch die Autorisierungen des Beklagten sind nicht nichtig gemäß § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. IV GlüStV.
37
Gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV ist zwar auch die Mitwirkung an Zahlungen im Zusammenhang mit unerlaubtem Glücksspiel verboten.
38
Allerdings ist nach den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag diese Regelung im Zusammenhang mit den Überwachungsbefugnissen der Glückspielaufsicht in § 9 GlüStV zu sehen und erweitert die Möglichkeiten der Inanspruchnahme Dritter als verantwortliche Störer, soweit sie zuvor auf die unerlaubte Mitwirkung an verbotenem Glücksspiel hingewiesen worden (Erläuterungen, Stand Dezember 2011, Seite 17). Die Regelung in § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 dient der Klarstellung und Konkretisierung von § 4 Abs. 1 S. 2. Danach können die am Zahlungsverkehr Beteiligten, insbesondere die Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute im Wege einer dynamischen Rechtsverweisung als verantwortliche Störer herangezogen werden, sofern ihnen zuvor die Mitwirkung an unerlaubtem Glücksspielangeboten von der Glücksspielaufsichtsbehörde mitgeteilt wurde. Dies setzt voraus, dass der Veranstalter oder Vermittler des unerlaubten Glücksspielangebotes zuvor vergeblich - insbesondere wegen eines Auslandsbezuges - in Anspruch genommen wurde (Erläuterungen, Stand Dezember 2011, Seite 32).
39
Dass die Klägerin vor Begleichung der entstandenen Forderungen einen derartigen Hinweis durch die Glücksspielaufsicht erhalten hätte, ist indes vorliegend weder vorgetragen noch aus den Umständen ersichtlich.
40
Überdies ist der Schutzzweck gem. § 1 des GlüStV, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken und sicher zu stellen, dass u.a. die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt wird. Dieses Ziel würde konterkariert, wenn davon auszugehen wäre, dass eine Nichtigkeit der Autorisierung von Zahlungsvorgängen vorläge. Dann würde das in der Regel gutgläubige Kreditinstitut auf den Aufwendungen sitzenbleiben und dem Spieler sozusagen einen Freibrief erteilt, weil der verspielte Einsatz sogleich von der Bank erstattet würde und der Spieler keine finanziellen Einbußen oder Risiken eingehen würde. Der Spieler könnte unter diesen Umständen Glücksspiel ohne jegliches finanzielle Risiko ausführen. Es könnte vielmehr ein bösgläubiger Teilnehmer am Glücksspiel, der sich letztendlich nach § 285 StGB strafbar macht, gutgläubige Zahlungsinstitute für rechtswidrige Aktivitäten einspannen.
41
Mangels Nichtigkeit der Autorisierungen musste die Klägerin musste gem. §§ 675 f Abs. 2 S. 1, 675 o Abs. 2 BGB die Zahlungsvorgänge entsprechend den Anweisungen des Beklagten ausführen.
42
Die Klägerin konnte die Ausführungen der Zahlungen auch nicht gem. § 675 o Abs. 2 BGB verweigern. § 675 o Abs. 2 BGB gibt der Klägerin zwar ein Recht, die Ausführung eines autorisierten Zahlungsauftrags abzulehnen. Es resultiert daraus jedoch keine Pflicht, den Zahlungsauftrag abzulehnen, noch dazu, wenn wie hier, die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlüStV nicht vorliegen, die Klägerin eben nicht von der Glücksspielbehörde in Kenntnis gesetzt wurde.
43
1.2.6. Ob die Glücksspielanbieter gegen den Beklagten jeweils entsprechende Zahlungsanspruch hatten, berührt das Vertragsverhältnis zwischen Klägerin und Beklagten nicht, sodass dahingestellt bleiben kann, ob der Beklagte unerlaubtem Glücksspiel betrieben hat.
44
Durch die Autorisierung des jeweiligen Zahlungsvorgangs durch Einsatz der Kreditkarte des Beklagten erlangt das Vertragsunternehmen einen abstrakten Zahlungsanspruch aus § 780 BGB gegen das Kreditkartenunternehmen. Einwendungen aus dem zugrundeliegenden Vertragsverhältnis zwischen Kartennutzer und dem Vertragsunternehmen kann der Kartennutzer dem Kreditkartenunternehmen im Rahmen des Zahlungsdienstvertrags grundsätzlich nicht entgegenhalten (BGH, XI ZR 420/01). In Ziff. 17 (2) der Kreditkartenbedingungen ist ausdrücklich vereinbart, dass Reklamationen und Beanstandungen aus dem Vertragsverhältnis zwischen dem Karteninhaber und dem Vertragsunternehmen unmittelbar zwischen diesen zu klären sind und sie die Zahlungsverpflichtungen des Karteninhabers gerade nicht berühren.
45
Die Klägerin war auch nicht dazu verpflichtet, die Zahlungsvorgänge des Beklagten zu überprüfen und zu überwachen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH darf ein Kreditunternehmen dann, wenn das Vertragsunternehmen ordnungsgemäße Belastungsbelege einreicht, die Zahlungen an das Vertragsunternehmen grundsätzlich für erforderlich halten, ohne zu prüfen, ob dem Vertragsunternehmen eine wirksame Forderung gegen den Karteninhaber zusteht (BGH XI ZR 420/01). Die Zahlung des Kreditkartenunternehmens an das Vertragsunternehmen wäre ausnahmsweise nur dann keine Aufwendung, die das Kreditkartenunternehmen für erforderlich halten darf, wenn das Vertragsunternehmen das Kreditkartenunternehmen rechtsmissbräuchlich in Anspruch nimmt (BGH XI ZR 375/00). Dann ist das Kreditkartenunternehmen zur Zahlungsverweigerung nicht nur berechtigt, sondern aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrags mit dem Karteninhaber auch verpflichtet. Eine Warnpflicht der Kreditinstitute zum Schutze der Kunden bejaht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH XI ZR 56/07) nur in ganz wenigen Ausnahmefällen, nämlich dann, wenn es bereits ohne nähere Prüfung des Zahlungsvorgangs aufgrund massiver Anhaltspunkte Verdacht schöpft. Weder eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des Kreditkartenunternehmens, noch etwaige massive Verdachtsmomente sind vorliegend indes vorgetragen oder aus den Umständen ersichtlich.
46
Überdies erscheint eine Überprüfung für die Klägerin auch kaum möglich, da nicht für die Klägerin nicht erkennbar ist, von wo aus der Beklagte die Glücksspielangebote angenommen hat und welche Spiele er tatsächlich gespielt hat. Im Ausland ist eine Vielzahl von Glücksspielangeboten legal. Ebenso wenig dürfte erkennbar sein, ob jedes einzelne vom Beklagten wahrgenommene Spiel tatsächlich unerlaubtes Glücksspiel darstellt.
47
Soweit der Beklagte behauptet, im Preis- und Leistungsverzeichnis (B 8) sei zwischen den Parteien vereinbart worden, dass die Klägerin bei Kartenzahlung im Rahmen von Glücksspiel 3 % vom Umsatz verlangen könne, erschließt sich dies dem Gericht nicht. Im Preis und im vorgelegten Preis und Leistungsverzeichnis ist eine derartige Position nämlich gar nicht enthalten. Aber selbst wenn das Preis- und Leistungsverzeichnis der Klägerin Gebühren für Glückspielangebote auswiese, ergäbe sich für die Klägerin im Einzelfall dadurch noch kein Hinweis, ob der Einsatz der Kreditkarte im Zusammenhang mit illegalem Glücksspiel erfolgt ist.
48
2. Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung weiterer 5.997,86 € gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB.
49
Die Klägerin hat den Privatkreditvertrag vom 24./25.05.2018 Nr. … (K 10) wirksam mit Schreiben vom 31.05.2019 (K 8) aus wichtigem Grunde gekündigt und die zu diesem Stichtag offene Restforderung in Höhe von 5.997,86 € sofort fällig gestellt.
50
Gemäß Ziff. 26 (2) der zwischen den Parteien geltenden allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin kann die Klägerin die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit fristlos kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, aufgrund dessen ihr die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung nicht zugemutet werden kann. Für die Klägerin ist dabei ein solcher Kündigungsgrund insbesondere gegeben, wenn aufgrund der Umstände die Einhaltung der Zahlungsverpflichtungen des Kunden oder die Durchsetzbarkeit der Ansprüche der Klägerin - auch unter Verwertung etwaiger Sicherheiten - gefährdet wird. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine wesentliche Verschlechterung oder eine erhebliche Gefährdung der Vermögensverhältnisse des Kunden eintritt, insbesondere wenn der Kunde die Zahlungen einstellt (vgl. Ziff. 23 (2) a.)).
51
Dies war vorliegend der Fall: Zwar hat der Beklagte unstreitig die monatlichen Ratenzahlungen auf den Darlehensvertrag erst im Mai 2019 eingestellt; im März und April erfolgten die Ratenzahlungen noch, wenn auch nur verspätet. Dieses Zahlungsgebaren ist jedoch im Zusammenhang mit den von der Klägerin dargelegten ständigen Kontoüberziehungen des Beklagten mindestens seit 30.06.2018 zu sehen, als das Girokonto einen Sollsaldo in Höhe von 4.980,77 € aufwies. Gegen den entsprechenden Rechnungsabschluss der Klägerin (K 4), den der Beklagte erhielt, erhob er keine Einwendungen. Mit Schreiben vom 07.01.2019, 21.01.2019 und 04.02.2019 hatte die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung zur Zahlung des zum jeweiligen Zeitpunkt ausstehenden Betrages aus der Kontoüberziehung erfolglos aufgefordert (K7). Auch wenn die Darlehensraten nicht von diesem streitgegenständlichen Girokonto des Beklagten, sondern von einem Konto der … abgebucht worden, stellte sich für die Klägerin, auch unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange des Beklagten, dadurch eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Beklagten dar, da insoweit eine Gesamtschau anzustellen ist.
52
Damit war der Klage insgesamt stattzugeben.
II. Kosten: § 92 Abs. 1 ZPO.
III. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 S. 1, 2 ZPO.