Titel:
Voraussetzungen einer Erwachsenenadoption
Normenkette:
BGB § 1767 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Annahme eines Volljährigen als Kind kann gem. § 1767 Abs. 1 BGB ausgesprochen werden, wenn sie sittlich gerechtfertigt ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Verhältnis besteht, das der natürlichen Eltern-Kind-Beziehung nachgebildet ist. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Verhältnis, das der natürlichen Eltern-Kind-Beziehung nachgebildet ist, ist insbesondere bei einer auf Dauer angelegten Bereitschaft zu gegenseitigem Beistand, wie ihn sich leibliche Eltern und Kinder typischerweise leisten, ebenso bei großer Zuneigung und tiefem Vertrauen zueinander anzunehmen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Adoption, Annahme als Kind, Volljährigenadoption, sittliche Rechtfertigung, Eltern-Kind-Beziehung
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 16.09.2021 – 16 UF 764/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 54140
Tenor
1. Auf Antrag der Annehmenden und der Anzunehmenden vom 12.11.2020 wird die Annahme der Anzunehmenden …. als gemeinsames Kind der Eheleute …. ausgesprochen.
2. Die Angenommene führt nunmehr den Geburtsnamen ….
3. Dem neuen Familiennamen der Angenommenen wird der bisherige Familienname in der Weise hinzugefügt, dass der Name künftig … lautet.
4. Die Gerichtskosten des Verfahrens haben die Annehmenden und die Angenommene je zur Hälfte zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens werden nicht erstattet.
5. Der Verfahrenswert wird auf 204.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Das Amtsgericht Dachau ist zum Ausspruch der Annahme als Kind sachlich und örtlich zuständig, da die Annehmenden im Bezirk des Gerichts ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.
2
Die Adoption unterliegt gemäß Artikel 22 Abs. 1 Satz 1 EGBGB deutschem Recht, da die Annahme als Kind im Inland erfolgt.
3
Der Antrag auf Annahme des Kindes wurde formgerecht gestellt (§ 1767 Abs. 2, § 1768 Abs. 1, § 1752 Abs. 2 BGB).
4
Das Alterserfordernis der § 1767 Abs. 2, § 1768 Abs. 1, § 1743 BGB ist gewahrt.
5
Die Eheschließung der Annehmenden erfolgte am … in …. Der Annehmende brachte in die Ehe den aus seiner ersten, geschiedenen Ehe hervorgegangenen, am … geborenen Sohn mit, der am … verstarb. Die Ehefrau des Annehmenden und Annehmende zu 3) zog den Sohn wie ein eigenes Kind auf.
6
Die Eheschließung der Anzunehmenden erfolgte am …. in … Die Ehe wurde am … geschieden. Aus der Ehe ist die Tochter …, geboren am …, hervorgegangen.
7
Die Mutter der Anzunehmenden ist Frau ….
8
Der Vater der Anzunehmenden ist Herr …. Der Kindsvater ist am ... verstorben.
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Die Kindeseltern waren miteinander verheiratet.
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Die Annehmenden und die Anzunehmende wurden persönlich gehört.
11
Die Tochter der Anzunehmenden wurde gehört.
12
Überwiegende Interessen der Tochter stehen der Annahme nicht entgegen (§ 1769 BGB).
13
Die leibliche Mutter wurde ebenfalls gehört.
14
Der Antrag auf Annahme ist begründet.
15
Die Annahme eines Volljährigen als Kind kann gem. § 1767 Abs. 1 BGB ausgesprochen werden, wenn sie sittlich gerechtfertigt ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Verhältnis besteht, das der natürlichen Eltern-Kind-Beziehung nachgebildet ist. Wenn ein Eltern-Kind-Verhältnis nicht bereits besteht, muss die Entstehung eines solchen mindestens zu erwarten sein (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.02.1999, Az. 20 W 347/98), wobei die Absicht zu seiner Begründung auf beiden Seiten vorhanden sein muss.
16
Nach dem Ergebnis der Anhörung und den getroffenen Feststellungen ist zur Überzeugung des Gerichts die sittliche Rechtfertigung der Annahme im Sinn des § 1767 Abs. 1 BGB gegeben.
17
Die Annehmenden und die Anzunehmende haben sich aufgrund einer geschäftlichen Beziehung kennengelernt. Hieraus entstand innerhalb kürzester Zeit ein freundschaftliches Verhältnis, das sich in den letzten gut acht Jahren immer mehr verfestigte. Seit Beginn der Bekanntschaft besteht ein regelmäßiger Kontakt zwischen den Annehmenden und der Anzunehmenden.
18
Nach der Trennung von ihrem Ehemann im Jahr … gaben die Annehmenden der Anzunehmenden Halt und Trost, wodurch sich das Verhältnis nochmals intensivierte. Mittlerweile hat sich die Beziehung der Beteiligten zueinander entwickelt wie die zwischen Eltern und ihrer leiblichen Tochter, geprägt durch eine emotionale Verbundenheit entsprechend der unterschiedlichen Lebenserfahrung, die Verbundenheit mit dem Leben des Anderen durch die Pflege eines kontinuierlichen Kontaktes und die daraus resultierende Bereitschaft zum gegenseitigen Beistand.
19
Insbesondere eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zu gegenseitigem Beistand, wie ihn sich leibliche Eltern und Kinder typischerweise leisten, wurde aufgrund der Angaben der Beteiligten offenbar, ebenso große Zuneigung und tiefes Vertrauen zueinander. So errichteten die Annehmenden bereits 2016 eine General- und Vorsorgevollmacht, mit der sie ihre Angelegenheiten in die Hände der Anzunehmenden legten.
20
Der einzige Sohn der Annehmenden kam bei einem S. ums Leben. Die Anzunehmende ist für die Annehmenden eine derart enge Bezugsperson geworden, dass das Gericht keinen Zweifel hat, dass aufgrund des ausgeprägten innigen Verhältnisses zueinander die Anzunehmende für die Annehmenden die gleiche Stelle einnehmen wird wie ein leibliches Kind. Dass die Beteiligten dies wollen, war aus ihrem Verhalten und ihren Angaben zweifelsfrei erkennbar.
21
Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Annahme als Kind vorliegen, war diese auszusprechen.
22
Der Antrag ist bei Gericht eingegangen am 16.11.2020.
23
Die Annahme als Kind gründet sich auf §§ 1767, 1770 BGB.
24
Die Namensführung richtet sich nach § 1757 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2 BGB. § 1767 Abs. 2 Satz 3 BGB findet keine Anwendung, da die Ehe der Anzunehmenden bereits vor Antragstellung geschieden war.
25
Die Adoption wird mit der Zustellung dieses Beschlusses wirksam (§ 197 Abs. 2 FamFG).
26
Der Beschluss ist hinsichtlich des Ausspruchs der Annahme als Kind unanfechtbar (§ 197 Abs. 3 Satz 1 FamFG).
27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.
28
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 42 Abs. 2 und 3 FamGkG.
29
Bei der Adoption eines Volljährigen handelt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit, für die das FamGKG keine besonderen Vorschriften enthält. Der Verfahrenswert ist daher unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 500.000,- Euro (§ 42 Abs. 2 FamGKG).
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Das Gericht hat sich bei der Festsetzung der Höhe an dem angemessen erscheinenden Wert für die Beurkundung des Annahmeantrages orientiert.