Titel:
Neuerteilung der Fahrerlaubnis ohne Fahreignungsgutachten (Drogenkonsum) - Verpflichtungsklage
Normenketten:
VwGO § 75
FeV § 11 Abs. 8, § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, § 20 Abs. 1 S. 1
FeV Anl. 4 Nr. 9
Leitsätze:
1. Im Anschluss an ein ärztliches Gutachten, das grundsätzlich nicht dazu bestimmt ist, eine direkte Aussage zur Fahreignung zu treffen, und nur Erkenntnisse über das Konsumverhalten des Betroffenen enthält, kann die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens angeordnet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei einem Konsum von harten Drogen für die Wiedererlangung der Fahreignung gerade Voraussetzung ist, dass eine nachweisbare einjährige Abstinenz sowie ein tiefgreifender Einstellungswandel vorliegt. (Rn. 28 und 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein in der Vergangenheit liegender Drogenkonsum kann als Grundlage für eine Gutachtensanordnung herangezogen werden, wenn der erfolgte Betäubungsmittelkonsum nach Gewicht und unter zeitlichen Gesichtspunkten noch geeignet ist, die Kraftfahreignung in Zweifel zu ziehen. Es muss also eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Betroffene noch Drogen einnimmt oder jedenfalls rückfallgefährdet ist und sich dies auf sein Verhalten im Straßenverkehr auswirken kann. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangenem Drogenkonsum, Weigerung ein medizinisch-psychologisches Gutachten erstellen zu lassen, ärztliches Gutachten, Aussage zur Fahreignung, Fahreignungsgutachten, tiefgreifender Einstellungswandel, Drogenkonsum in der Vergangenheit, Zweifel an der Kraftfahreignung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 03.06.2022 – 11 ZB 22.394
Fundstelle:
BeckRS 2021, 54053
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, A2, AM, B und L durch die Beklagte.
2
Dem Kläger wurde mit Bescheid vom 5. Juni 2015 (rechtskräftig) die Fahrerlaubnis entzogen. Dem Entzugsbescheid lag zugrunde, dass der Kläger in seiner Wohnung am 12. November 2014 mindestens 2 g Amphetamin sowie drei Cannabispflanzen verwahrt hatte und zudem 1 g Amphetamin mit sich führte. Der Kläger habe - nach den Ausführungen im Polizeibericht - außerdem an diesem Tag untergebracht werden müssen, da er offensichtlich unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln die Wohnungstür seiner Nachbarin sowie seine eigene Wohnungstür eingetreten habe. In einem Strafbefehl vom 19. Dezember 2014 (rechtskräftig seit 19. März 2015) wurde gegen den Antragsteller wegen dieser Tat eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen verhängt. Mit Schreiben vom 8. März 2015 wurde der Kläger von der Beklagten aufgefordert ein ärztliches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen. In diesem Gutachten sollte die Frage geklärt werden, ob der Antragsteller Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe einnehme, die die Fahreignung nach Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) in Frage stellen würden. Nachdem kein Gutachten vorgelegt wurde, erging der o.g. Bescheid vom 5. Juni 2015 und der Führerschein wurde abgegeben und entwertet.
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Am 11. Februar 2016 stellte der Kläger einen Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis bei der Beklagten.
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Mit Schreiben vom 8. April 2016 wurde der Kläger von der Beklagten zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens aufgefordert. Die Gutachtensanordnung wurde unter anderem mit dem Besitz von Betäubungsmitteln am 12. November 2014 begründet. In diesem Gutachten solle die folgende Frage beantwortet werden:
„Nimmt oder nahm Herr A* … Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe ein, die die Fahrsicherheit in Frage stellen? Wenn ja: Besteht fortgesetzter Konsum bzw. seit wann besteht Abstinenz?“
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Da der Kläger zunächst unbekannt verzog, konnte die Gutachtensanordnung nicht zugestellt werden (vgl. Behördenakte S. 80-85).
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In einer Mitteilung der Kriminalpolizeiinspektion R* … - K4 vom 28. September 2016 an die Beklagte wurde mitgeteilt, dass gegen den Kläger wegen eines allgemeinen Verstoßes mit Amphetamin in Pulverform oder in flüssiger Form (§ 29 BtMG) (Erwerb) u.a. ermittelt werde. In der Schlussverfügung wird unter anderem ausgeführt, dass der Kläger beschuldigt werde, vorsätzlich und ohne Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte am 24. Februar 2016 im Zeitraum von 16:00 Uhr bis 19:00 Uhr im Stadtgebiet R* … Amphetamin unbekannter Menge und Qualität zu nicht bekannten Konditionen von einer dem Unterzeichner nicht bekannten Person erworben zu haben und ebenfalls am 24. Februar 2016 in seiner damaligen Wohnung in R* … Cannabis unbekannter Qualität und Menge besessen zu haben. Zudem habe eine anderweitig Verfolgte angegeben, dass der Kläger und eine andere Person am 24. Februar 2016 nach 15:00 Uhr „… munter weiter konsumierten, Bong geraucht und einen Joint nach dem anderen geraucht“ hätten. Zudem seien in der Wohnung Cannabissamen, Anzuchtmaterial, Marihuanadolden und Stängel beschlagnahmt worden. Weiter werde der Kläger beschuldigt in einem nicht näher konkretisierten Zeitraum vor dem 24. Februar 2016 in seiner damaligen Wohnung Cannabis unbekannter Qualität und Menge angebaut zu haben. In seiner Wohnung wurden Cannabissamen, Stecklinge, Anzuchtmaterial, Marihuanadolden, -stängel und eine Pflanzenaufzuchtanlage beschlagnahmt. Auf die weiteren Ausführungen wird Bezug genommen.
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In einem Strafbefehl vom 9. Januar 2017 (Aktenzeichen: CS 127 Js 4495/16; rechtskräftig seit 28. Januar 2017) wird dem Kläger zur Last gelegt am 25. Februar 2016 gegen 18:00 Uhr wissentlich und willentlich in seiner Wohnung ein Faustmesser sowie 3,3 g (brutto) Marihuana verwahrt zu haben. Das Marihuana sei von zumindest durchschnittlicher Qualität im unteren Bereich mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 5% Tetrahydrocannabinol gewesen, womit er gerechnet habe. Er werde daher beschuldigt entgegen § 2 Abs. 3 Waffengesetz (WaffG) die tatsächliche Gewalt über eine verbotene Waffe ausgeübt zu haben und durch dieselbe Handlung Betäubungsmittel besessen zu haben, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb gewesen zu sein; strafbar als vorsätzlicher Besitz einer verbotenen Waffe in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.4.2 zum WaffG, § 1 Abs. 1 BtMG i.V. m. Anlage I zum BtMG, §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG, § 52 StGB. Gemäß § 154 Abs. 1 StPO werde von der Verfolgung eines vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs einer nicht näher bestimmten Menge Amphetamin am 24. Februar 2016 gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG abgesehen. Zudem werde gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung eines vorsätzlichen unerlaubten Anbaus von Marihuana in der Wohnung des Klägers vor dem 25. Februar 2016 gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 BtMG abgesehen. Gegen den Kläger wurde eine Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen verhängt.
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In der Behördenakte, Seite 42, befindet sich ein weiterer Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge der Fahrzeugklassen A, A1, A2, AM, B und L vom 29. März 2018.
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Mit Schreiben vom 4. Juli 2018 wurde der Kläger von der Beklagten zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV aufgefordert. Die Gutachtensanordnung wurde unter anderem mit dem Besitz von Betäubungsmitteln am 12. November 2014 sowie mit dem Geschehen am 24. Februar 2016 begründet. In diesem Gutachten solle die folgende Frage beantwortet werden:
„Nimmt oder nahm Herr A* … Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe ein, die die Fahrsicherheit in Frage stellen? Wenn ja: besteht fortgesetzter Konsum bzw. seit wann besteht Abstinenz?“
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Mit Schreiben vom 17. Dezember 2018 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass er am 29. März 2018 die Neuerteilung der Fahrerlaubnis beantragt habe. Bereits mit Schreiben vom 4. Juli 2018 sei die Beibringung eines Fahreignungsgutachtens einer amtlich anerkannten medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle angeordnet worden. Die Fälligkeit für die Vorlage des Gutachtens sei auf den 4. November 2018 festgesetzt worden. Erst am 12. Dezember 2018 sei die Einverständniserklärung mit der Übersendung der Unterlagen an die Begutachtungsstelle erteilt worden. An der Anordnung vom 4. Juli 2018 werde festgehalten. Dem Kläger werde letztmals eine Frist zur Beibringung des Fahreignungsgutachtens bis zum 17. April 2019 gewährt.
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Der Kläger legte am 11. März 2019 ein ärztliches Gutachten der pima MPU GmbH R* … vor. Die Fragestellung wird wie folgt beantwortet:
„Herr A* … nahm Cannabis und Amphetamine ein, die die Fahreignung nach Anlage 4 FeV in Frage stellen. Ein Probekonsum von Synthetischen Cannabinoiden wurde eingeräumt. Andere psychoaktiv wirkenden Stoffe, die die Fahreignung nach Anlage 4 FeV in Frage stellen, wurden nicht konsumiert. Es besteht kein fortgesetzter Konsum. Eine Abstinenz wurde seit 2016 angegeben. Objektiv gestützt ist eine Konsumfreiheit seit 2019 vorliegend.“
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Im Rahmen der Begutachtung wurde eine Urinprobe am 24. Januar 2019 sowie am 20. Februar 2019 durchgeführt. Beide Untersuchungen seien negativ verlaufen. Auf die weiteren Ausführungen des Gutachtens wird Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 3. Juni 2019, zur Post gegeben am 4. Juni 2019, wurde der Kläger aufgefordert, ein medizinisch-psychologisches Gutachten bis spätestens 3. Oktober 2019 beizubringen. Die Gutachtensanordnung wurde damit begründet, dass aus dem Gutachten vom 11. März 2019, welches am 11. April 2019 vorgelegt wurde, hervorgehe, dass der Kläger Cannabis und Amphetamine eingenommen habe. Als Rechtsgrundlage wird §§ 14 Abs. 2 Nr. 1 i.V. m. 14 Abs. 1 Nr. 2 FeV genannt. Ein fortgesetzter Konsum bestünde nicht und eine Abstinenz sei vom Kläger seit 2016 angegeben worden. Eine objektiv gestützte Konsumfreiheit bestünde laut Gutachten seit 2019. In dem medizinisch-psychologischen Gutachten solle folgende Frage beantwortet werden:
„Kann Herr A* … trotz der Hinweise auf (frühere) Drogeneinnahme ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1 sicher führen? Liegt insbesondere eine stabile Abstinenz vor und ist deshalb nicht zu erwarten, dass Herr A* … weiterhin Betäubungsmittel nimmt oder andere psychoaktiv wirkende Arzneimittel oder Stoffe missbräuchlich konsumiert.“
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Am 25. Juli 2019 erhob der Kläger zu Protokoll beim Verwaltungsgericht Klage gegen die Beklagte. Zur Begründung wurde unter anderem vorgebracht, dass durch das ärztliche Gutachten belegt werde, dass er fahrtauglich und Drogen frei sei. Dieses Gutachten reiche aus, um zu belegen, dass ihm die Fahrerlaubnis wieder erteilt werden solle. Dafür brauche es keine weiteren Gutachten. Das Schreiben der Stadt R* … vom 3. Juni 2019 (Az. 32.2/AM-80589) sei damit hinfällig.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
die Beklagte zu verpflichten, ihm antragsgemäß die Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, A2, AM, B und L ohne vorherige MPU wiederzuerteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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Zur Begründung wird unter anderem ausgeführt, dass die Klage bereits unzulässig sei, jedenfalls jedoch unbegründet und daher abzuweisen sei. Die Klage sei nicht als Untätigkeitsklage zulässig, denn die Beklagte sei nicht untätig. Die Verpflichtungsklage in Form der Untätigkeitsklage sei hier nicht statthaft, denn die Behörde hat nicht nach einem Antrag nicht entschieden. Die Klagebegründung ließe sich dahingehend auslegen, dass sich dieser gegen die Gutachtensanordnung der Beklagten vom 3. Juli 2019 wende. Auch diese Klage wäre jedoch unzulässig, da eine Gutachtensanordnung regelmäßig nicht isoliert anfechtbar sei.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 20. Dezember 2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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1. Die Klage ist als Untätigkeitsklage nach § 75 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig, da die Beklagte über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Fahrerlaubnis ohne zureichenden Grund nicht in angemessener Frist in der Sache entschieden hat. Maßgeblich für den Zeitpunkt des Ablaufs der angemessenen Entscheidungsfrist nach § 75 Satz 1 VwGO sind nach der Rechtsprechung die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Gerichts, da es sich hierbei um eine Sachurteilsvoraussetzung handelt. Die dem Kläger gesetzte Frist zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens war bereits am 3. Oktober 2019 ergebnislos abgelaufen. Überdies hat der Kläger zu Protokoll bei Gericht erklärt, dass er durch das ärztliche Gutachten belegt habe, dass er fahrtauglich und drogenfrei sei und es keines weiteren (ergänzt durch das Gericht: medizinisch-psychologisches Gutachten) mehr bedürfe, weshalb er die Klage einlege, womit er zum Ausdruck brachte, dass er dieses auch nicht beibringen möchte. Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung war daher die der Behörde zuzubilligende angemessene Entscheidungsfrist hinsichtlich des mit der gegenständlichen Klage verfolgten Wiedererteilungsantrags längst abgelaufen (vgl. VG München, Urt. v. 23.6.2021 - M 26b K 19.3004 - BeckRS 2021, 23287 Rn. 19, 20 m.w.N.).
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2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis der beantragten Klassen A, A1, A2, AM, B und L gem. § 113 Abs. 5 VwGO. Zum grundsätzlich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts kann der Kläger die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nicht beanspruchen, weil die Fahrerlaubnisbehörde deren Erteilung vorliegend zu Recht von der Beibringung eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig gemacht hat, welches der Kläger auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht beigebracht hat; auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung gab der Kläger an, dass er aktuelle Nachweise nicht vorlegen könne und auch nicht vorlegen möchte.
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a. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 FeV gelten für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung die Vorschriften für die Ersterteilung. Gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) bedarf derjenige, der auf öffentlichen Straßen ein Kraftfahrzeug führt, der Erlaubnis (Fahrerlaubnis) der zuständigen Behörde (Fahrerlaubnisbehörde). Eine Fahrerlaubnis ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 StVG für die jeweilige Klasse zu erteilen, wenn der Bewerber u. a. zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG). Dabei handelt es sich um eine gebundene Entscheidung. Geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist nach § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen hat. Nach § 2 Abs. 7 Satz 1 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde u. a. zu ermitteln, ob der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist (vgl. VG München, Urt. v. 7.5.2014 - M 6b K 13.1112 - BeckRS 2014, 55268).
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Ein Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis besteht jedoch nicht, solange Eignungszweifel vorliegen, welche die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens rechtfertigen. Wenn sich der Betroffene weigert, sich untersuchen zu lassen, oder das von der Fahrerlaubnisbehörde geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Voraussetzung ist allerdings, dass die Untersuchungsanordnung der Fahrerlaubnisbehörde rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist und die Weigerung ohne hinreichenden Grund erfolgt ist (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2008 - 11 C 08.1030; BayVGH, B.v. 8.10.2009 - 11 CS 09.1891; BayVGH, U.v. 20.10.2017 - 11 B 17.1080 - BeckRS 2017, 133211 Rn. 24). An die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil die Gutachtensanordnung mangels Verwaltungsaktqualität nicht isoliert mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann. Daher kann auf die strikte Einhaltung der vom Verordnungsgeber für die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung aufgestellten formalen Voraussetzungen nicht verzichtet werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2012 - 11 ZB 12.1596 - juris Rn. 10, BayVGH, B.v. 15.5.2008 - 11 CS 08.616 - juris Rn. 50).
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b. Angesichts des feststehenden Drogenkonsums des Klägers hat die Fahrerlaubnisbehörde hier völlig zu Recht zur Vorbereitung der Entscheidung über die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis gemäß §§ 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV i.V. m. § 14 Abs. 1 (Satz 2) Nr. 2 FeV den Kläger zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufgefordert und auf Grund der Nichtvorlage des geforderten Gutachtens gemäß §§ 20 Abs. 1, 11 Abs. 8 FeV darauf geschlossen, dass die Nichteignung des Klägers zum Führen eines Kraftfahrzeugs weiterhin besteht (vgl. VG Ansbach, Gerichtsbescheid v. 17.1.2011 - AN 10 K 10.02176 - BeckRS 2011, 54514).
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Die Gutachtensanforderung erweist sich in materieller Hinsicht als rechtmäßig; alleine aus dem Fehlen der formellen Voraussetzungen für eine Gutachtensanordnung - die hier zudem vollständig Vorliegen - könnte im Rahmen der Verpflichtungsklage kein Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis hergeleitet werden, weshalb es maßgeblich auf die materielle Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung ankommt.
27
Die Gutachtensanordnung wurde vorliegend zu Recht auf § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV i.V. m. § 14 Abs. 1 (Satz 2) Nr. 2 FeV gestützt. Dass der Satz 2 nicht genannt wurde, stellt eine offenbare Unrichtigkeit dar, welche unbeachtlich ist (vgl. BayVGH, B. v. 25.6.2020 - 11 CS 20.791 - BeckRS 2020, 14562 Rn. 31). Danach ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten für die Zwecke nach Abs. 1 anzuordnen, wenn zu klären ist, ob der Betroffene noch abhängig ist oder - ohne abhängig zu sein - weiterhin die in Abs. 1 genannten Mittel oder Stoffe einnimmt.
28
Die Anordnung eines MPU-Gutachtens nach der Erstellung des ärztlichen Gutachtens begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Durch das ärztliche Gutachten wurde das Konsumverhalten des Klägers aufgeklärt; danach steht fest, dass der Kläger mit 15 Jahren erstmals Cannabis konsumiert hat und es einen täglichen Konsum gab. Weiterhin steht fest, dass er im Jahr 2014 Amphetamin zur Leistungssteigerung genutzt hat, weil er Zeit habe gewinnen wollen (aus dem Weiteren ergibt sich, dass sich dies auf die Abiturvorbereitung bezog). Der Cannabisanbau sei erfolgt, um nicht mehr von einem Dealer abhängig zu sein. Cannabis habe er genommen, um seine Psyche zu erkunden, er habe viele Erkenntnisse gewonnen und es sei entspannend gewesen. Zuletzt hätte er im Jahr 2016 Drogen konsumiert. Seinen Konsum würde er insgesamt als Probekonsum sehen, einen Missbrauch oder eine Abhängigkeit würde er nicht sehen. Das ärztliche Gutachten enthält keine - und kann es aufgrund mangelnder Fachkunde der erstellenden Ärztin auch nicht - psychologische Einschätzung über die Fahreignung des Klägers. Aufgrund der Erkenntnisse aus dem ärztlichen Gutachten konnte die Beklagte im Anschluss die Erstellung eines medizinisch-psychologischen Gutachten anordnen, denn grundsätzlich ist das ärztliche Gutachten nicht dazu bestimmt, eine direkte Aussage zur Fahreignung zu treffen, sondern führt bei eignungsrelevanten Feststellungen entweder zur Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. Untersagung zum Führen von Fahrzeugen oder - wie hier - zu einer weiterführenden Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung (vgl. MüKo, StVR/Hahn/Kalus, 1. Aufl. 2016, FeV § 14 Rn. 41).
29
Diese Gutachtensanordnung durfte die Beklagte im konkreten Fall auch in zeitlicher Hinsicht vornehmen. Zwar kann nicht jeder beliebig weit in der Vergangenheit liegende Drogenkonsum als Grundlage für die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens herangezogen werden. Der erfolgte Betäubungsmittelkonsum muss nach Gewicht und unter zeitlichen Gesichtspunkten noch geeignet sein, die Kraftfahreignung in Zweifel zu ziehen. Das ergibt sich auch aus dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Anordnung, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, greift in erheblicher Weise in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ein. Ihm wird zugemutet, anderen Einblick in Kernbereiche seiner Persönlichkeit zu geben. Ein solcher Eingriff ist somit nur dann gerechtfertigt, wenn er zur Abwehr einer bei realistischer Einschätzung tatsächlich bestehenden Gefahr notwendig ist. Es muss also eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Betroffene noch Drogen einnimmt oder jedenfalls rückfallgefährdet ist und sich dies auf sein Verhalten im Straßenverkehr auswirken kann (vgl. BVerwG, U. v. 9.6.2005 - 3 C 25.04 - NJW 2005, 3081). Dabei ist im konkreten Fall zu berücksichtigen, dass es vorliegend unter anderem auch um den Konsum von sog. „harten Drogen“ (Amphetamin) geht und der Kläger Cannabis sogar auch selbst anbaute und auch das hierfür notwendige Equipment hatte. Zudem gab der Kläger auch selbst an, dass er früher Cannabis täglich und Amphetamin zur Leistungssteigerung verwendete. Es lag somit ein intensiver Drogenkonsum vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei einem Konsum von harten Drogen auch für die Wiedererlangung der Fahreignung gerade Voraussetzung ist, dass eine nachweisbare einjährige Abstinenz sowie ein tiefgreifender Einstellungswandel vorliegt. Dies berücksichtigend liegt der Konsum von Drogen beim Antragsteller noch nicht derartig weit zurück, dass der Kläger mit Sicherheit die innere Einstellung und die Verhaltensmechanismen, die ihn zu seinem Konsum veranlasst haben, überwunden hat. Gerade diese Zweifel, die in dem ärztlichen Gutachten nicht hinreichend geklärt werden konnten und durften, bedürfen insbesondere mit dem nun zweifelsfrei feststehenden Konsum von harten Drogen und früherem intensiven Konsum von Cannabis einer Abklärung durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten. Die Möglichkeit die Zweifel an seiner Fahreignung durch die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auszuräumen hat der Kläger jedoch auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht genützt.
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Die Klage war nach alledem abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.