Titel:
Ermittlung des tariflichen Leistungsentgelts im Bereich der Metall- und Elektroindustrie
Normenkette:
Entgeltrahmentarifvertrag für die Bayerische Metall- und Elektroindustrie (ERA-TV Bayern) § 6, § 7
Leitsatz:
Macht der Arbeitnehmer auf der Grundlage von § 7 ERA-TV Bayern eine höhere Leistungszulage geltend, obliegt es grundsätzlich ihm, die für einen höheren Zahlungsanspruch sprechenden Tatsachen vorzutragen und zu beweisen. Allein die Auffassung, dass die Beurteilung auf das schlechte, persönliche Verhältnis zum verantwortlichen Vorgesetzten zurückzuführen ist, genügt hierfür nicht (anders zur Darlegungs- und Beweislast – nachgehend – LAG München BeckRS 2022, 12958; s. auch BAG BeckRS 2014, 72126 zum ERA-TV Baden-Württemberg). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
tarifliche Leistungsbeurteilung, Darlegungs- und Beweislast
Rechtsmittelinstanz:
LArbG München, Urteil vom 06.04.2022 – 5 Sa 786/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 53888
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf € 5.144,05 festgesetzt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über eine höhere Leistungszulage im Zeitraum 2015 bis April 2021.
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Der am ...1961 geborene Kläger ist seit dem 12.09.1988 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als F., zuletzt mit einem monatlichen Bruttoentgelt von circa € 4.000,00, eingruppiert in E., beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers finden die Tarifverträge der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie Anwendung, so der Manteltarifvertrag (MTV) und der Entgeltrahmentarifvertrag für die Bayerische Metall- und Elektroindustrie (ERA-TV).
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Die Leistungsbeurteilungen des Klägers, beruhend auf § 7 ERA-TV, sei seit Jahren fehlerhaft, das heißt zumindest betreffend der Leistungszulage für die Kalenderjahre 2015 bis 2020. Danach erreiche eine durchschnittliche Bewertung 50 Punkte und dies entspreche einer Leistungszulage von 14 Prozent. Diese mache er geltend, anstelle der gewährten 12,6 Prozent.
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Der Kläger habe mit seinen Leistungsbeurteilungen 2014 (Blatt 17 d. Akte), 2016 (Blatt 18 d. Akte), 2017 (Blatt 19 d. Akte), 2018 (Blatt 20 d. Akte), 2019 (Blatt 21 d. Akte) und 2020 (Blatt 82 d. Akte) jeweils nur 45 Punkte statt der durchschnittlichen Bewertungszahl von 50 Punkten erreicht.
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Der Kläger gehe davon aus, dass „willkürlich irgendwo die unterdurchschnittliche Beurteilung B gewählt worden sei, damit jeweils 45 Punkte rauskommen“. Die Reduzierung des Leistungsentgelts habe seine Ursache in der Haltung seines direkten Vorgesetzten zu ihm und nicht in seiner Leistung.
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Einsprüche des Klägers seien über den Betriebsrat erfolgt. Ansprüche auf höhere Leistungszulage seien bei der Personalabteilung ab 2017 geltend gemacht worden.
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Aufgrund der Einsprüche des Klägers habe sich die Paritätische Kommission erstmals 2019 mit der Leistungsbeurteilung befasst. Er habe aber nichts Schriftliches erhalten. Gegen die Bewertung 2019 (Entgeltwirksam ab 01.01.2020) wurde unstreitig am 31.01.2020 Einspruch eingelegt; am 04.03.2020 befasste sich die paritätische Kommission nach § 7 ERA-TV mit dem Einspruch, am 02.12.2020 erfolgte ein Organisationsvertretergespräch nach § 23 MTV (Blatt 22 bis 26 d. Akte).
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Der Kläger hat zuletzt beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, € 5.144,05 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Zustellung der Klage an den Kläger zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt
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Der Kläger habe keinen Anspruch auf die geltend gemachte Vergütung. Die Beklagte berufe sich hinsichtlich der geltend gemachten Zahlungsansprüche auf tarifvertragliche Ausschlussfristen sowie auf die Verjährung der Ansprüche.
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Der Kläger habe erstmals mit Schreiben der IG-Metall vom 09.02.2021, eingegangen am 15.02.2021 für 12 Monate eine Nachzahlung in Höhe von € 620,00 brutto geltend gemacht. Der Kläger habe daraufhin mit Schreiben der IG-Metall vom 18.02.2021, eingegangen am 23.02.2021, für die Jahre 2015 bis 2020 eine Nachzahlung in Höhe von € 4.852,55 brutto geltend gemacht. Eine frühere außergerichtliche Geltendmachung durch den Kläger für die Jahre 2015 bis 2020 sei nicht erfolgt. Die geltend gemachten Ansprüche des Klägers für die Jahre 2015 bis einschließlich Oktober 2020 seien verfallen.
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Für den restlichen Teil der Ansprüche ab November 2020 bestehe ebenfalls kein Anspruch. Soweit der Kläger eine andere als die durchgeführte Leistungsbeurteilung anstrebe, sei das von ihm nachzuweisen. Der Kläger trage nach allgemeinen Grundsätzen die volle Darlegungs- und Beweislast für die von ihm geforderte Leistungszulage. Hierzu fehle substantiierter Vortrag.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2021 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Es kann dahingestellt bleiben, ob Ansprüche des Klägers verjährt (jedenfalls Ansprüche der Jahre 2015, 2016 und 2017) beziehungsweise verfallen (Ansprüche bis 2019, da das Einspruchsverfahren bezüglich des Jahres 2020 erst am 02.12.2020 abgeschlossen wurde) sind.
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Das Gericht kann jedenfalls nicht feststellen, dass dem Kläger eine Leistungszulage nach § 7 ERA-TV in der geforderten Höhe von 14 Prozent statt der gewährten 12,6 Prozent im streitgegenständlichen Zeitraum 2015 bis April 2021 zusteht.
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Die Leistungsbeurteilungen für 2014 (Entgeltwirksam ab 01.01.2015 - Blatt 17), 2016 (Entgeltwirksam ab 01.01.2017 - Blatt 18), 2017 (Entgeltwirksam ab 01.01.2018 - Blatt 19), 2018 (Entgeltwirksam ab 01.01.2019 - Blatt 20), 2019 (Entgeltwirksam ab 01.01.2020 - Blatt 21) und 2020 (Entgeltwirksam ab 01.01.2021 - Blatt 82) sehen eine Leistungszulage von 12,6 Prozent vor.
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Dem Vortrag des Klägers ist nicht zu entnehmen, dass die methodische Leistungsbeurteilung nach § 7 ERA-TV anders wie getroffen zu erfolgen hätte.
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Das Vorbringen des Klägers, das „willkürlich irgendwo die unterdurchschnittliche Beurteilung B gewählt wurde“, kann nicht entnommen werden, dass bei der Bewertung 50 Punkte (durchschnittliche Bewertung) „rauskommen“ müssen.
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Der Beklagten obliegt - entsprechend der Rechtsprechung zu unterdurchschnittlichen Zeugnissen und entgegen der Auffassung des Klägervertreters - nicht die Darlegungs- und Beweislast. Der Kläger muss vielmehr grundsätzlich die für einen höheren Zahlungsanspruch sprechenden Tatsachen vortragen und beweisen. Allein die Auffassung, dass die Beurteilung auf das schlechte, persönliche Verhältnis zum verantwortlichen Vorgesetzten zurückzuführen ist, genügt hierfür nicht.
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Auch aus dem der Leistungsbeurteilung 2019 (wirksam ab dem 01.01.2020) durchgeführten Einspruchsverfahren gemäß § 7 Ziffer 8 ERA-TV kann keine günstigere Beurteilung abgeleitet werden. Sowohl in der paritätischen Kommission vom 04.03.2020 (Blatt 22 d. Akte) wie im Organisationsgespräch nach § 23 MTV vom 03.12.2020 (Blatt 26 d. Akte) wurde keine Einigung erzielt. Ein fehlendes einheitliches Ergebnis zeigt, dass die Vertreter vor Ort keine höhere Beurteilung treffen konnten. Beim Organisationsgespräch wurde zudem festgestellt, dass kein Verfahrensfehler der Beurteilung zugrunde liegt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bei der Leistungsbeurteilung, aber auch innerhalb des betrieblichen Schlichtungsverfahrens ein Ermessenspielraum besteht. Ein Ermessungsfehlgebrauch konnte nicht mit Mehrheit festgestellt werden.
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Über weitere schriftliche Einsprüche die nach § 7 ERA-TV vorgesehen sind liegen dem Gericht keine Unterlagen vor. Gegen das Ergebnis der letzten Leistungsbeurteilung für 2020 (Entgeltwirksam ab 01.01.2021) und übergeben erst in der Verhandlung vom 19.10.2021 (Blatt 82 d. Akte) wurde zudem kein Einspruch als vorgreifliches tarifliches Verfahren eingelegt.
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Aus einer vom Kläger gerügten nicht „unverzüglich“ erfolgten Mitteilung der Leistungsbeurteilung gemäß § 7 Ziffer 5 ERA-TV kann nach den Regelungen von § 7 Ziffer 5 ERA-TV auch kein Anspruch auf eine 14 prozentige Leistungszulage abgeleitet werden.
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Das vom Kläger angesprochene Angebot auf mögliche „Nachzahlungen“ für 2019 und ab 01.01.2020 wurde letztendlich von ihm nicht angenommen.
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Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG.
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Gegen dieses Urteil ist für den Kläger das Rechtsmittel der Berufung an das Landesgericht München statthaft. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die nachfolgende Rechtsmittelbelehrungverwiesen.