Titel:
Zustimmung zur Verlegung eines Feld- und Waldweges, Fehlerhafte Verweisung, Nachbarschaftliches Gemeinschaftsverhältnis
Normenketten:
ZPO § 281 Abs. 2 S. 4
GVG § 17 Abs. 2
BGB § 242
Schlagworte:
Zustimmung zur Verlegung eines Feld- und Waldweges, Fehlerhafte Verweisung, Nachbarschaftliches Gemeinschaftsverhältnis
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 06.05.2022 – 8 ZB 22.265
Fundstelle:
BeckRS 2021, 53574
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt vom Beklagten dessen Zustimmung zur Verlegung eines bestehenden öffentlich gewidmeten Feld- und Waldweges.
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Der Kläger ist Eigentümer der Flurnummer 1065 der Gemarkung … Dieses Grundstück wird diagonal durchschnitten von einem öffentlichen Feld- und Waldweg mit der Flurnummer 100/2, Gemarkung … Der Feldweg steht im Eigentum der Stadt Rosenheim und wurde mit Eintragungsverfügung vom 5. Juni 1964 als öffentlicher Feld- und Waldweg gewidmet. Der Beklagte ist Eigentümer des Grundstücks mit der Flurnummer 1067, Gemarkung …, das über den betreffenden Feldweg erschlossen wird.
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Zur besseren Bewirtschaftung seines Grundstücks begehrt der Kläger die Verlegung des Feldweges durch Einziehung des Teilstücks, das sein Grundstück durchschneidet, und Neuanlegung des Weges an der Grundstücksgrenze verlaufend (vgl. nachstehenden Auszug aus dem Bayernatlas).
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Die Stadt Rosenheim wäre grundsätzlich bereit, den Weg entsprechend dem Vorschlag des Klägers zu verlegen, jedoch nur, wenn alle Eigentümer, deren Grundstücke durch den betreffenden Weg erschlossen werden, der Verlegung zustimmen. Diese Zustimmung wurde vom Beklagten nicht erteilt.
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Der Kläger vertritt die Auffassung, dass zwischen ihm und dem Beklagten eine für die Anwendbarkeit des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorausgesetzte Sonderverbindung bestehe. Die Verweigerung der Zustimmung ohne jeden sachlichen Grund verstoße demnach gegen Treu und Glauben, mithin also gegen § 242 BGB. Eine gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung sei unzulässig Im Umkehrkehrschluss dazu sei der Beklagte zur Abgabe der Zustimmung verpflichtet. Ein sachlicher Grund für die Verweigerung läge nicht vor. Insofern vertritt der Kläger die Ansicht, dass der auf dem Grundstück des Beklagten gelegene Auenwald schon gar keiner Bewirtschaftung bedarf, jedenfalls nicht mittels größerer Fahrzeuge oder Holzlastzügen. Zudem sei auch der geplante Wegverlauf mit größeren landwirtschaftlichen Zugmaschinen zu befahren; dies müsse er selbst ja auch tun. Hilfsweise werde der Anspruch auf das Schikaneverbot des § 226 BGB gestützt.
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Der Kläger erhob zunächst Klage zum Landgericht Traunstein. Dieses verwies den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26. April 2020 an das Verwaltungsgericht München.
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den Beklagten zur Abgabe folgender Erklärung gegenüber der Stadt Rosenheim zu verurteilen:
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„Ich habe von der auf Veranlassung von Herrn … … … … … … geplanten Verlegung des bisher auf der FlNr. 100/2, Gemarkung …, verlaufenden öffentlichen Feld- und Waldweges gemäß dem mir bekannten Lageplan (vgl. dortige „Neuanlage Weg“) Kenntnis genommen.
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Ich stimme als Eigentümer des Grundstücks FlNr. 1067, Gemarkung …, der Neu anlegung des Weges und der Widmung der Verlegung des noch zu bauenden neuen Feldweges als nicht ausgebauter öffentlicher Feld- und Waldweg i.S.d. Art. 53 Nr. 1 BayStrWG zu.
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Des Weiteren bin ich mit der Einziehung des derzeit auf der Fl.Nr. 100/2, Gemarkung …, verlaufenden öffentlichen Feld- und Waldweges in dem Bereich, der im Lageplan als „Wegeauflösung“ gekennzeichnet ist, einverstanden.“
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Der Beklagte beantragt,
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Der Bevollmächtigte des Beklagten führt aus, es bestehe schon gar kein Zustimmungserfordernis. Bei der Verlegung einer Straße handle es sich um eine Entwidmung des Weges bzw. gegebenenfalls eines Teils eines Weges nach Art. 8 Bayerisches Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG) und eine neue Widmung der neuen Wegefläche nach Art. 6 BayStrWG. Voraussetzung für eine Entwidmung nach Art. 8 BayStrWG sei entweder, dass der Weg jede Verkehrsbedeutung verloren habe oder überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls vorlägen. Beides sei hier nicht der Fall. Der Weg diene der Erschließung der an ihm gelegenen landwirtschaftlichen Grundstücke. Überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls lägen ebenso wenig vor. Zudem beinhalte Art. 8 BayStrWG auch keinerlei Zustimmungserfordernis. Auch könne vorliegend der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz von Treu und Glauben im Rahmen eines nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses hier gar nicht zur Anwendung gelangen, da die Grundstücke des Klägers und des Beklagten nicht benachbart sind. Abgesehen davon lägen die Voraussetzungen auch nicht vor. Die Verweigerung der Zustimmung sei im Übrigen auch keine Schikane (§ 226 BGB), da der Beklagte bei einer Verlegung befürchte, dass der geänderte Wegverlauf zu einer Verschlechterung der Befahrbarkeit insbesondere mit größeren landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Holzlastzügen führen würde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg, da der Kläger keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erteilung einer Zustimmung hat.
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Die durch das Landgericht vorgenommene Verweisung an das Verwaltungsgericht München ist zwar fehlerhaft, da es sich um keine öffentlichrechtliche Streitigkeit handelt, jedoch nach § 281 Abs. 2 Satz 4 Zivilprozessordnung (ZPO) bindend, da sie nicht willkürlich ergangen ist. Der vorliegende Sachverhalt ist daher gemäß § 17 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen.
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1. Eine öffentlichrechtliche Anspruchsgrundlage, auf die der Kläger seinen Anspruch stützen kann, ist weder ersichtlich noch von den Beteiligten vorgetragen.
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2. Auch der vom Kläger vorgetragene Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB unter dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses vermag keinen Anspruch auf Zustimmung zu begründen.
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Aus dem Gedanken von Treu und Glauben im Rahmen eines nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses folgt für die Beteiligten die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, die unter gewissen Voraussetzungen die Ausübung eines an sich bestehenden Rechtes als unzulässig erscheinen lässt. In der Regel begründet dieser Grundsatz keine selbstständigen Ansprüche, sondern wirkt sich als Schranke der Rechtsausübung aus. Nur ausnahmsweise hält es die Rechtsprechung für geboten, einen Anspruch unmittelbar aus dem besonderen Verhältnis von Nachbarn zu begründen, dann nämlich, wenn dies aus zwingenden Gründen eines billigen Interessenausgleichs geboten ist. Nichts Anderes gilt für die Annahme einer besonderen Handlungspflicht. Dieses Rechtsinstitut dient nur in Extremfällen als Korrektiv zur einzelfallgerechten Bewältigung atypischer nachbarlicher Interessenkonflikte und muss daher Fällen vorbehalten bleiben, in denen aus zwingenden Gründen eine Ausnahme gebotene ist (vgl. Schubert in Münchner Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 242 Rn. 216 f.; BGH, U.v. 16.2.2001 - V ZR 422/99 - juris, m.w.N.).
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Eine solche Situation liegt hier nicht vor. Schon die Anwendbarkeit dieses Rechtsgedankens erscheint fraglich, da die Grundstücke von Kläger und Beklagtem nicht aneinandergrenzen und es folglich schon an einem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis fehlt. Abgesehen davon ist der vom Kläger geltend gemachte Grund für sein Begehren - die bessere Bewirtschaftung seines Grundstücks - nicht als so zwingend anzusehen, dass er eine auf extreme Ausnahmefälle begrenzte Handlungspflicht für den Beklagten zu begründen vermag.
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3. Auch aus dem Schikaneverbot des § 226 BGB lässt sich kein Anspruch des Klägers auf Zustimmung ableiten.
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Voraussetzung für die Einrede des Schikaneverbots nach § 226 BGB und der unzulässigen Rechtsausübung ist, dass die Geltendmachung eines Rechts keinen anderen Zweck haben kann als die Schädigung eines anderen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Beklagte hat seine Gründe für die Nichterteilung der Zustimmung detailliert und schlüssig dargelegt. Mögen diese Gründe auch aus Sicht des Klägers aus tatsächlicher und wirtschaftlicher Sicht nicht überzeugen, so sind sie doch aus subjektiver Sicht des Beklagten nachvollziehbar. Dem Verhalten des Beklagten liegt somit ein Eigeninteresse zu Grunde und kein rechtsmissbräuchliches Verhalten.
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Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.