Inhalt

LG Ingolstadt, Endurteil v. 18.03.2021 – 83 O 1994/20
Titel:

Keine sittenwidrige Schädigung des Erwerbers eines Diesel-Fahrzeugs mit Thermofenster

Normenketten:
BGB § 31, § 826
VO (EG) 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2
Leitsatz:
Das bloße Vorhandensein einer objektiv unzulässigen Abschalteinrichtung (hier Thermofenster) ist allein nicht geeignet, Ansprüche aus § 826 BGB zu begründen. Ein Schädigungsvorsatz liegt nur dann vor, wenn über die bloße Kenntnis von dem Einbau einer Einrichtung mit der in Rede stehenden Funktionsweise in dem konkreten Motor hinaus zugleich auch Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dies von Seiten des Herstellers in dem Bewusstsein geschah, hiermit möglicherweise gegen die gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen, und dieser Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen wurde. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, sittenwidrige Schädigung, Kfz-Hersteller, Dieselskandal, unzulässige Abschalteinrichtung, Thermofenster, Fahrzeugemissionen-VO
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 16.08.2021 – 21 U 1725/21
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 09.05.2022 – VIa ZR 174/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 53483

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
- Beschluss -
Der Streitwert wird auf 38.584,96 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz nach einem Pkw-Kauf wegen einer angeblichen Manipulation an dem von der Klagepartei erworbenen Pkw.
2
Der Kläger erwarb am 09.02.2017 in dem Autohaus Treffpunkt Thierolf GmbH & Co.KG in Michelstadt den Gebrauchtwagen Audi A6 Limousine zum Kaufpreis von 43.700,00 €. In dem Fahrzeug ist ein 3.0 Liter V6-Turbodieselmotor (160 kW, 218 PS) mit der Abgasnorm Euro 6 verbaut.
3
In dem Fahrzeug ist ein sogenanntes „Thermofenster“ integriert sowie ein SCR-Katalysator verbaut.
4
Zum Zeitpunkt des Erwerbs betrug die Laufleistung 26.350 km. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung betrug der aktuelle Kilometerstand 96.896 km.
5
Der Kläger finanzierte den Kaufpreis über ein Darlehen der AudiBank. Dem Kläger entstanden Finanzierungskosten in Höhe von 1.375,93 €.
6
Mit dem Schriftsatz vom 03.07.2020 (Anlage K19) begehrte die Klagepartei unter anderem Rückzahlung des Kaufpreises gegen die Beklagte Zugum-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Pkw abzüglich einer Nutzungsentschädigung und setzte der Beklagten eine Frist bis 10.07.2020.
7
Die Klagepartei behauptet, in dem Fahrzeug sei ein Motor mit der Typenbezeichnung EA897evo verbaut, der über mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen verfüge. So sei in dem Fahrzeug die sog. „Aufheizstrategie“ verbaut, die vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) als unzulässig bewertet worden sei. Auf dem Prüfstand finde eine Leistungsreduzierung statt, um die CO²-Werte zu senken. Es finde eine unterschiedliche Emissionsbehandlung statt, je nachdem, ob sich das Fahrzeug im Prüfverfahren des NEFZ oder im Normalbetrieb befinde. So erkenne das Fahrzeug, ob es sich auf dem technischen Prüfstand oder im normalen Straßenbetrieb befinde (sog. „Rollenprüfstandmodus“). Im Prüfbetrieb wurde die Abgasrückführungsquote über das AGR- Ventil substantiell erhöht und die für das SCR-Katalysator-System vorgesehene AdBlue-Versorgung auf die maximale Abgabemenge hochgefahren. Im Normalbetrieb werde die AdBlue -Zufuhr bis auf Null heruntergefahren. Während auf dem Prüfstand so die zulässigen Stickoxid-Grenzwerte eingehalten würden, sei dies im Realbetrieb nicht der Fall, da hier die Abgasrückführungsquote zurückgefahren werde. Im Normalbetrieb seien die NOx-Emissionen hingegen erheblich höher. Die Klägerseite verweist unter anderem auf Messergebnisse der Deutschen Umwelthilfe. Die Grenzwerte müssten nach Auffassung der Klagepartei jedoch auch im normalen Fahrzeugbetrieb eingehalten werden. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei - nach Auffassung der Klagepartei - von einem offiziellen und verpflichtenden Rückruf des KBA betroffen. Das KBA führe das Fahrzeug zudem in einer „Liste der betroffenen Fahrzeugvarianten“. Dies ergebe sich jedenfalls aus der einschlägigen Genehmigungsnummer des Fahrzeugs in der Zulassungsbescheinigung Teil I. Die Klagepartei verweist im weiteren Verlauf auf die Feststellungen des KBA zu den Strategien A-D, die ihrer Auffassung nach auch in dem streitgegenständlichen Fahrzeug zum Einsatz kommen. Die Beklagte habe auch über das On-Board-Diagnosesystem (OBD) getäuscht. Auch sei in dem Fahrzeug nach Auffassung der Klagepartei ein zusätzliches Steuergerät in Form des sog. Auxilliary Emission Control Device“ (AECD) verbaut. Die Klagepartei ist der Auffassung, das unstreitig in dem streitgegenständlichen Pkw verbaute Thermofenster stelle eine unzulässige Abschalteinrichtung dar.
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Die Klagepartei sieht den Schaden unter anderem in dem ungewollten Vertragsschluss.
9
Die Klagepartei begründet einen Anspruch unter anderem aus §§ 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3, 826 BGB bzw. §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bzw. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV sowie § 831 BGB. Die Täuschung der Beklagten sei kausal für den Autokauf der Klagepartei geworden. Das vorsätzliche Handeln der Organe der Beklagten müsse sich diese zurechnen lassen.
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Die Klagepartei beantragte ursprünglich in der Klageschrift vom 29.07.2020 auch die Zahlung von Deliktszinsen i.H.v. 4% seit dem 10.02.2017. In dem Schriftsatz vom 11.02.2021 nahm die Klagepartei die Klage in Ziffer 1) hinsichtlich der beantragten Deliktszinsen teilweise zurück.
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Die Klagepartei beantragte in der mündlichen Verhandlung zuletzt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 43.700,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.07.2020 abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von EUR 8.250,66, zuzüglich Finanzierungskosten in Höhe von EUR 1.375,93, Zugum-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A6 Limousine 3.0 TDI quattro mit der Fahrgestellnummer …89, zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 11.07.2020 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 2.373,36 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.07.2020 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragte die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, der Vortrag der Klagepartei zu behaupteten Abschalteinrichtungen bzw. Manipulationen sei zu unsubstantiiert und löse keine Beweiserhebungspflicht des Gerichts aus. In dem streitgegenständlichen Pkw sei ein Motor des Typs EA897Gen2evo verbaut. Ein Rückrufbescheid des KBA liege nicht vor. Bei dem verbauten Thermofenster handle es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Es sei unzutreffend, dass Fahrzeuge im Straßenverkehr dieselben Grenzwerte einhalten müssen, wie im Testzyklus. Eine Täuschung oder sittenwidriges Verhalten der Beklagten liege nicht vor. Es fehle auch an der Kausalität sowie am Schaden der Klagepartei für einen deliktischen Anspruch gegen die Beklagte. Die Beklagte hat die Aktivlegitimation des Klägers zudem mit Nichtwissen bestritten.
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Bezüglich des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Das Gericht hat am 05.03.2021 zur Sache mündlich verhandelt. Bezüglich des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 05.03.2021 verwiesen.
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Der Klägervertreter hat in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit in Höhe der Differenz zwischen der im Antrag zu 1) vom 11.02.2021 bezifferten Nutzungsentschädigung und der im Termin genannten Nutzungsentschädigung für erledigt erklärt. Die Beklagte hat der teilweisen Erledigung des Rechtsstreits nicht zugestimmt.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
17
I. Die Klage ist zulässig.
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II. Die Klage ist unbegründet.
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Die Klagepartei hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen, auch nicht Zugum-Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs und Anrechnung einer Nutzungsentschädigung.
20
Der Klagepartei stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
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1. Entgegen der Auffassung der Beklagten, ist der Kläger vorliegend aktivlegitimiert.
22
Das Gericht konnte sich insbesondere in der mündlichen Verhandlung am 05.03.2021 davon überzeugen, dass der Kläger das Darlehen bereits abgelöst hat. So wies der Kläger in dem Termin nach, dass er am 10.04.2020 die Schlussrate in Höhe von 14.632,13 € bezahlt hat.
23
Das Gericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist, insbesondere das Fahrzeug nicht mehr an die finanzierende Bank sicherungsübereignet ist.
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2. Von der Klagepartei wurden die tatsächlichen Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten nicht schlüssig vorgetragen.
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a) Zwischen den Parteien besteht bereits kein Vertragsverhältnis.
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b) Der Klagepartei steht auch kein Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 311 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB zu.
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Die Klagepartei trägt indes die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen.
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Die Klagepartei stützt den Schadensersatzanspruch darauf, dass die Beklagte als Herstellerin des Fahrzeugs durch das Ausstellen der Übereinstimmungsbescheinigung besonderes Vertrauen in Anspruch genommen habe. Die Übereinstimmungserklärung stelle eine Garantie über die Konformität des Fahrzeugs mit der Typgenehmigung und über die Europarechtmäßigkeit dar.
29
Das Gericht ist der Auffassung, dass durch das Ausstellen der EG-Übereinstimmungsbescheinigung bereits keine vertragsähnliche Sonderbeziehung zwischen den Parteien entstanden ist, mithin ein Rechtsverhältnis i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB.
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Die Angaben in der EG-Übereinstimmungsbescheinigung begründen vorliegend keine Haftung der Beklagten aus den genannten Vorschriften. Die Beklagte legt als Hersteller von Kraftfahrzeugen ihren Produkten diese Übereinstimmungsbescheinigungen bei, da sie nach den Vorschriften des EG-FGV hierzu verpflichtet ist. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte als Herstellerin für die in der Übereinstimmungsbescheinigung mitgeteilten Daten in besonderer Weise einstehen möchte oder ein besonderes Vertrauen hinsichtlich der dort genannten Daten vermittelt.
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Hinzukommt, dass für das besondere Vertrauen i.S.d. § 311 Abs. 3 BGB zumindest erforderlich wäre, dass die Beklagte unmittelbar oder mittelbar durch eine für sie handelnde Person an den Verhandlungen teilgenommen hat (Vgl. Palandt/Grüneberg, § 311 Rn. 63). Der Kläger hat das Fahrzeug vorliegend von dem Autohaus Treffpunkt Thierolf in Michelstadt bezogen. Die Beklagte war an etwaigen Vertragsverhandlungen nicht beteiligt.
32
Es kommt daher allenfalls eine deliktische Haftung der Beklagten in Betracht.
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c) Auch ein Anspruch gemäß § 826 BGB besteht nicht.
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Nach § 826 BGB ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt.
35
Es fehlt bereits an einem hinreichend substantiiertem Vortrag der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klagepartei zu einer sittenwidrigen Handlung durch die Beklagte.
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Insbesondere trägt die Klagepartei nicht hinreichend konkrete Anhaltspunkte vor, die den zulässigen Schluss begründen können, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut sein sollen.
37
Der Vortrag der Klagepartei genügt nicht den Anforderungen an das Aufstellen einer Behauptung nach zivilprozessualen Grundsätzen. Grundsätzlich ist es einer Partei im Zivilprozess zulässig Tatsachen zu behaupten, über die sie mangels eigener Sinneswahrnehmung oder Sachkunde keine genaue Kenntnis haben kann, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält (BeckOK ZPO/von Selle, § 138 Rn. 32). Prozessual unzulässig wird eine solche Behauptung von Tatsachen erst dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „ins Blaue hinein“ aufstellt (BGH, Beschluss vom 15.10.2019, VI ZR 377/18, BeckRS 2019, 29144, Rn. 10). Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist jedoch Zurückhaltung geboten, in der Regel wird Willkür nur bei Fehlen jeglicher Anhaltspunkte anzunehmen sein (BGH, Beschluss vom 15.10.2019, VI ZR 377/18, BeckRS 2019, 29144, Rn. 10).
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aa) „Thermofenster“ Deliktische Ansprüche ergeben sich jedenfalls nicht wegen des in dem streitgegenständlichen Fahrzeugs verbauten Thermofensters.
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Für die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale ist die Klagepartei vollumfänglich darlegungs- und beweisbelastet. Die Klagepartei müsste neben der Tatsache, dass es sich bei dem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, auch ein vorsätzliches oder gar sittenwidriges Handeln der Beklagten beweisen.
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Die Klagepartei stuft das Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 EG VO Nr. 715/2007 ein. Die Beklagte hat dies bestritten und sich auf den Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 S. 2 lit.a) EG VO Nr. 715/2007 berufen, da die Maßnahme zum Schutz von Bauteilen erforderlich sei.
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Es ist bereits nicht klar, ob es sich bei dem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Die Gesetzeslage hierzu ist aufgrund des zuvor genannten Ausnahmetatbestandes keinesfalls eindeutig. Der Einsatz von Thermofenstern kann jedenfalls nicht ohne weiteres als rechtswidrig beurteilt werden, worauf das KBA auch hingewiesen hat (Vgl. OLG München, Urteil vom 03.04.2020, Az. 5 U 941/20). Gegen das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung spricht bereits die Tatsache, dass das hier in Rede stehende Thermofenster vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeitet wie auf dem Prüfstand, während beispielsweise die in den EA189-Motoren verbaute Software auf einer Umschaltlogik basierte, so dass der Schadstoffausstoß nur auf dem Rollenprüfstand vermindert wurde.
42
Thermofenster werden von sämtlichen Herstellern eingesetzt und sind allgemein anerkannte technische Einrichtungen. Sie kommen branchenweit bei sämtlichen Dieselmotoren zum
43
Einsatz. Der Zweck der Thermofenster liegt darin, eine „Versottung“ von Bauteilen bei Kondensierung von unverbrannten Rückständen in den kalten Rohrleitungen mittels einer von der Außentemperatur abhängigen Abgasrückführung zu verhindern. Sie dienen mithin dem Schutz von Bauteilen. Nicht jedes Thermofenster stellt zwingend eine unzulässige Abschalteinrichtung dar.
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Ob es sich bei dem konkreten Thermofenster des streitgegenständlichen Fahrzeugs um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, kann im Ergebnis jedoch dahinstehen. Denn das Gericht ist der Überzeugung, dass sich das Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeugs wegen dem verbauten Thermofenster jedenfalls nicht als vorsätzliche sittenwidrige Handlung qualifizieren lässt. Es fehlt in diesem Zusammenhang an einer Darlegung der subjektiven Haftungsvoraussetzungen.
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Das bloße Vorhandensein einer (behaupteten) objektiv unzulässigen Abschalteinrichtung ist allein nicht geeignet, Ansprüche der Klagepartei aus § 826 BGB zu begründen. Ein Schädigungsvorsatz liegt nur dann vor, wenn über die bloße Kenntnis von dem Einbau einer Einrichtung mit der in Rede stehenden Funktionsweise in dem konkreten Motor hinaus zugleich auch Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dies von Seiten der Beklagten in dem Bewusstsein geschah, hiermit möglicherweise gegen die gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen, und dieser Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen wurde.
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Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte mit der Unzulässigkeit des eingesetzten Thermofensters gerechnet hätte.
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Es ist vorliegend höchst umstritten, ob es sich bei der Verwendung des sog. Thermofensters um eine zulässige Motorschutzmaßnahme handelt. Die Gesetzeslage ist hierzu problematisch. So kann ein Thermofenster, wie die auslegungsfähige Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 lit.a) EG VO Nr. 715/2007 belegt, durchaus zulässig sein.
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Eine klare und eindeutige Rechtslage ist keinesfalls gegeben. Anders als bei dem Einsatz einer versteckten Software, kann damit bei der vorliegenden Sachlage nicht ohne weiteres von einem vorsätzlichen Rechtsverstoß ausgegangen werden. Im streitgegenständlichen Fall kann ein Vorsatz der Beklagten nicht per se unterstellt werden. Vielmehr kann dann eine möglicherweise falsche, aber dennoch vertretbare Gesetzesauslegung - bzw. anwendung durch die Organe der Beklagten in Betracht gezogen werden. Eine Auslegung, wonach ein Thermofenster eine zulässige Abschalteinrichtung darstellt ist jedenfalls nicht unvertretbar. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes kann nicht als besonders verwerfliches Verhalten angesehen werden (Vgl. u.a. OLG Stuttgart, Urteil v. 30.07.2019, 10 U 134/19, Rn. 90).
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Auch die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vom 17.12.2020 (Urteil in der Rechtssache C-693/18) lässt nach Auffassung des Gerichts vorliegend keine andere Beurteilung zu.
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Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil keine generelle Bewertung zur Zulässigkeit einer temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführung vorgenommen, sondern allgemein zur Unzulässigkeit von Abschalteinrichtungen Stellung genommen.
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An der obigen Beurteilung ändert auch die Ansicht des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19) zu der Frage einer sittenwidrigen Schädigung in Verbindung mit einem Thermofenster nichts. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss darauf hingewiesen, dass die Entwicklung und der Einsatz der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) für sich genommen nicht ausreichen, um einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zu begründen, dass aber eine Sittenwidrigkeit angenommen werden könne, wenn weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Insbesondere stellt der Bundesgerichtshof auf die Frage ab, inwieweit die Beklagte im Genehmigungsverfahren gegenüber der zuständigen Behörde (un) zutreffende Angaben über die Arbeitsweise des Abgasrückführungssytems gemacht hat. Zwar trägt der Kläger auf Seite 22 des Schriftsatzes vom 11.02.2021 vor, dass das Thermofenster und dessen konkrete Wirkweise gegenüber dem KBA bei der Beantragung der EG-Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug nicht mitgeteilt, sogar bewusst verschwiegen worden sei. Dieser Vortrag reicht aber nicht aus, um ein vorsätzliches und sittenwidriges Verhalten der Beklagten zu begründen. Denn aufgrund des Umstands, dass die Verwendung von Thermofenstern dem Kraftfahrt-Bundesamt spätestens seit Veröffentlichung des Berichts zur Untersuchungskommission Volkswagen im April 2016 (abrufbar unter: https://www.kba.de/DE/Marktueberwachung/Abgasthematik/erster_ber_uk_vw_nox_pdf.pdf? _b lob=publicationFile& v=4) bekannt ist, muss davon ausgegangen werden, dass das Kraftfahrt-Bundesamt, selbst wenn die Beklagte im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens die Verwendung des Thermofensters nicht offengelegt haben sollte, die Typgenehmigung auch bei Offenlegung des Thermofensters erteilt hätte. Ein Verschweigen des Thermofensters durch die Beklagten im Typgenehmigungsverfahren stellt sich damit schon nicht als sittenwidrig dar. Zudem fehlt es an einem substantiierten Vortrag zu einem vorsätzlichen Verhalten der Beklagten, wenn das Kraftfahrt-Bundesamt schon im Zeitpunkt der Typgenehmigung bei (hypothetischer) Offenlegung der Abschalteinrichtung (im Zeitpunkt des Inverkehrbringens) diese als zulässig erachtet hätte (vgl. insoweit zur Frage eines vermeidbaren Verbotsirrtums, wenn eine ausreichende Erkundigung des einem Verbotsirrtum unterliegenden Täters bei der zuständigen Aufsichtsbehörde dessen Fehlvorstellung bestätigt hätte: BGH NJW-RR 2017, 1004).
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bb) Übrige unzulässige Abschalteinrichtungen
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Der weitere Vortrag der Klagepartei hinsichtlich der Behauptung weiterer unzulässiger Abschalteinrichtungen, welche in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut sein sollen, ist jedenfalls zu unsubstantiiert, um eine Beweiserhebungspflicht des Gerichts auszulösen, so dass auch diesbezüglich die Klage abzuweisen war.
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Für das streitgegenständliche Fahrzeug liegt - entgegen der Auffassung der Klagepartei - kein Rückrufbescheid des Kraftfahrtbundesamtes vor. Die Beklagte hat dies stets bestritten.
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Es ergaben sich vorliegend keine Erkenntnisse, dass der von der Klagepartei im Rahmen der Schriftsätze bezeichnete Rückrufbescheid des KBA auch das streitgegenständliche Fahrzeug betraf.
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In der gerichtsbekannten Liste der betroffenen Fahrzeugvarianten, die das KBA mit Bearbeitungsstand vom 11.08.2020 im Internet frei zugänglich unter https://www.kba.de/DE/Marktueberwachung/Abgasthematik/uebersicht2.pdf? _blob=publication File& v=7 veröffentlicht hat, ist der zwar der Audi A6 mit einer Motorleistung von 200 kW, Abgasnorm Euro 6, grundsätzlich unter dem Rückrufcode 23X6 aufgeführt. Als Grund des Rückrufs ist dort aufgeführt: „unzulässige Abschalteinrichtung“. Allerdings betrifft diese Rückrufaktion, ausweislich der Liste, ausschließlich Fahrzeuge mit dem Motorkennbuchstaben (MKB) „CRT“. Bei dem streitgegenständlichen Pkw handelt es sich indes um ein Fahrzeug mit dem Motorkennbuchstaben „CZVA“. Dies ergibt sich bereits aus der Bezeichnung in der Rechnung vom 27.02.2017 (Anlage K1).
57
Auch der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 05.03.2021 angegeben, dass ihm ein Schreiben der Beklagten bzw. ein Rückrufschreiben nicht zugegangen sei.
58
Die Ausführungen der Klagepartei zu dem genannten Rückrufbescheid gehen mithin ins Leere.
59
Zwar ist die Frage, ob in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist, grundsätzlich nicht abhängig von einem KBA-Rückruf für den betreffenden Pkw. Ein erfolgter Rückrufbescheid des KBA entfaltet diesbezüglich jedoch Tatbestandswirkung, wenn der Rückruf wegen des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung erfolgt ist. Zweifellos kann auch dann eine unzulässige Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut sein, wenn - wie hier - kein KBA-Rückruf vorliegt. In diesem Fall kommt es jedoch darauf an, ob der Vortrag der Klagepartei substantiiert genug ist, eine Beweiserhebungspflicht des Gerichts auszulösen. In diesem Fall kommt es jedoch darauf an, ob der Vortrag der Klagepartei substantiiert genug ist, eine Beweiserhebungspflicht des Gerichts auszulösen, dies auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH vom 28.01.2020 (Az. VIII ZR 57/19).
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In Abweichung von der zitierten BGH-Entscheidung kommen vorliegend nur deliktische Ansprüche gegen die Beklagte in Betracht. Die zitierte BGH-Entscheidung befasst sich indes lediglich mit einer übermäßigen Überspannung der Substantiierungsanforderungen an die Darlegung des Vorhandenseins eines Sachmangels. Die Anforderungen an einen substantiierten Vortrag der Klagepartei sind daher vorliegend anders gelagert als in dem vom BGH entschiedenen Fall. So genügt es nicht, Anhaltspunkte für einen evtl. vorhandenen Mangel der (Kauf-)Sache zu liefern wie in dem vom BGH entschiedenen Fall; vielmehr muss eine rechtswidrige Schädigungshandlung schlüssig dargetan werden, welche von der Beklagten in zurechenbarer Weise mit entsprechendem Schädigungsvorsatz ausgeübt worden sein und beim Kläger zu einem kausalen Schaden geführt haben muss; darüber hinaus muss, da in Fällen wie dem Vorliegenden regelmäßig ein Anspruch nach § 826 bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB zu überprüfen sein wird - evtl. auch zu einer möglichen Sittenwidrigkeit/besonderen Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten vorgetragen werden. Auch unter Berücksichtigung der vom BGH in dem genannten Urteil aufgestellten Maßstäbe erscheint der Vortrag der Klagepartei vor diesem Hintergrund als nicht hinreichend konkret (vgl. auch OLG München, B. v. 17.03.2020, 21 U 6698/19).
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(a) Der Vortrag der Klagepartei zu den behaupteten Abschalteinrichtungen in dem streitgegenständlichen Pkw lässt bereits jeglichen Bezug zum konkreten Fall vermissen. Soweit die Klagepartei eine höhere Abgasrückführungsquote auf dem Rollenprüfstand behauptet, wird dieser Umstand - ähnlich den EA189-Fällen - hier einfach in den Raum gestellt. Auch wenn die konkrete Motorenbezeichnung im Einzelfall streitig blieb, handelt es sich unstreitig vorliegend gerade nicht um einen Motor mit der Kennzeichnung EA189, so dass ein Bezug zum vorliegenden Fall nicht erkennbar ist.
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Die Behauptung der Klagepartei die Feststellungen des KBA zu den Strategien A-D seien übertragbar und kommen auch im streitgegenständlichen Pkw zum Einsatz, ist nach Auffassung des Gerichts zu pauschal und unbegründet, um eine Beweiserhebungspflicht des Gerichts auszulösen. Die Klagepartei überträgt hier offensichtlich Erkenntnisse aus anderen Verfahren im Zusammenhang mit anderen Fahrzeugtypen. Eine solche Vorgehensweise verbietet sich nach Auffassung des Gerichts jedoch. Die Klagepartei verkennt, dass das KBA bei der Einordnung von Fahrzeugtypen und Erlass von Rückrufbescheiden sehr differenziert vorgeht, weshalb sich eine Pauschalbeurteilung aller Fahrzeuge einer Schadstoffklasse bereits verbietet. Das KBA betont im Rahmen der Rückrufaktionen, was aus der Formulierung der jeweiligen Veröffentlichungen zweifelsfrei hervorgeht, stets, dass in der Regel nicht alle Fahrzeuge des jeweiligen Typs von der Rückrufaktion betroffen sind. Vielmehr sind nur vereinzelte Emission-Genehmigungen und begrenzte Produktionszeiträume überhaupt von einer etwaigen Maßnahme betroffen. Das KBA geht dabei sehr differenziert vor. Etwaige Rückrufaktionen des KBA sowie Feststellungen dazu können daher in der Regel nicht pauschal auf alle Fahrzeuge des jeweiligen Typs übertragen werden.
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Das Gericht ist bereits aus den oben genannten Gründen zu der Überzeugung gelangt, dass ein Rückrufbescheid hinsichtlich des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht vorliegt.
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(b) Soweit die Klagepartei unter anderem Messergebnisse der Deutschen Umwelthilfe heranzieht, ist nicht von der Hand zuweisen, dass zwar zum Teil deutliche Grenzwertüberschreitungen festgestellt worden sind. Die Klagepartei zieht dies als Indiz dafür heran, dass in dem streitgegenständlichen Pkw eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sein müsse. Dies lässt jedoch nach Auffassung des Gerichts keinen Rückschluss auf das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu.
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Die Tatsache, dass ein Fahrzeug im normalen Fahrbetrieb höhere Emissionen aufweist als im - für die Überprüfung der Einhaltung der Werte der Euro 6 - Norm maßgeblichen - NEFZ, ist allgemein bekannt. Die für die Einhaltung der Euro 6 - Norm relevanten, im sog. NEFZ-Verfahren gemessenen Werte entsprechen grundsätzlich auch ohne unzulässige Beeinflussung des Messverfahrens nicht den im Rahmen des tatsächlichen Gebrauchs des Fahrzeugs anfallenden Emissionswerten (so auch OLG München für Abgasnorm Euro 5, Endurteil vom 05.09.2019 - 14 U 416/19, BeckRS 2019, 26072 Rn. 168). Es ist allgemein bekannt, dass der Straßenbetrieb mit der Prüfstandsituation nicht vergleichbar ist. Dies gilt sowohl hinsichtlich der angegebenen Kraftstoffverbräuche als auch der Grenzwerte für Emissionen. Auf dem Prüfstand wird eine bestimmte „ideale“, nicht der Praxis entsprechende Situation vorgegeben, etwa hinsichtlich der Umgebungstemperatur, der Kraftentfaltung (Beschleunigung und Geschwindigkeit), Abschaltung der Klimaanlage usw., sodass der erzielte Wert zwar zu einer relativen Vergleichbarkeit unter den verschiedenen Fahrzeugfabrikaten und -modellen führen mag, absolut genommen aber jeweils nicht mit dem Straßenbetrieb übereinstimmt. Im Straßenbetrieb liegen sowohl der Kraftstoffverbrauch als auch der Schadstoffausstoß erheblich höher, wie schon seit Jahren aufgrund entsprechender Tests etwa von Automobilclubs und der dadurch ausgelösten öffentlichen Diskussion bekannt ist. Gerade deshalb hat der europäische Gesetzgeber auf Druck der Umweltverbände und Umweltparteien zwischenzeitlich den früher geltenden gesetzlichen Prüfzyklus NEFZ durch einen geänderten Zyklus ersetzt (OLG Celle, Urteil vom 13.11.2019 - 7 U 367/18, BeckRS 2019, 29587 Rn. 28 f.). Schließlich hat auch der BGH in seinem Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 - VIII ZR 225/17 - bezüglich des Motors EA189 darauf abgestellt, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG deshalb vorliege, weil diese erkenne, ob sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus zur Ermittlung der Emissionswerte befinde, und in diesem Fall in einen Modus schalte, bei dem verstärkt Abgase in den Motor zurückgelangen und sich so der Ausstoß an Stickoxiden (NOx-Werte) verringere. Im normalen Fahrbetrieb hingegen aktiviere eine solche Software einen anderen Modus, bei dem eine Abgasrückführung nur in geringerem Umfang stattfindet; sie ermittele also aufgrund technischer Parameter die betreffende Betriebsart des Fahrzeugs - Prüfstand oder Realbetrieb - und aktiviere oder deaktivierte dementsprechend die Abgasrückführung, was unmittelbar die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems beeinträchtige (BGH a.a.O. Rn. 12, juris). Auf eine bloße Abweichung von Emissionen im Prüfstand und auf der Straße kommt es danach nicht an (so auch OLG Stuttgart, Verfügung v. 23.3.2020 - 16a U 79/19, BeckRS 2020, 5779, beckonline).
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(c) Der klägerische Vortrag zum „AECD“ ist ebenfalls zu pauschal und unbegründet um eine Beweiserhebungspflicht des Gerichts auszulösen.
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Die Klagepartei ist der Auffassung, dass es sich bei dem AECD um ein zusätzliches Steuergerät handelt, welches nicht nur auf den Rollenprüfstand abgestimmt würde, sondern auch unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren wie gemessener Außentemperatur, Geschwindigkeit des Fahrzeugs und Umgehungsgeschwindigkeit des Motors arbeite. Über diese zusätzlichen Parameter lasse sich nach Auffassung der Klagepartei das Emissionskontrollsystem sehr viel besser auf Prüfstandmodi einstellen. Die Klagepartei verweist insoweit auch auf das Vorgehen in den USA sowie der dort beabsichtigten Einstufung als sog. „Defeat Device“. Dem Gericht ist insoweit bereits aus anderen Verfahren im Zusammenhang mit dem sog. „Dieselabgasskandal“ bekannt, dass das „AECD“ kein zusätzliches Steuergerät darstellt, sondern es sich dabei um einen „Gattungsbegriff“ aus dem USamerikanischen Emissionsrecht handelt, der in keinem Zusammenhang mit einem Hardware-Bauteil steht. Jedenfalls kommt eine pauschale Übertragbarkeit der Erkenntnisse aus den USA bereits nicht in Betracht.
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Soweit sich die Klägerin auf Erkenntnisse und Vorgänge in den USA beruft und daraus das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung in ihrem PKW ableiten will, erschließt sich dem Gericht bereits nicht, warum die genannten Vorgänge in den USA auf den deutschen Markt und das deutsche Rechtssystem übertragbar sein sollen. Es ist allgemein bekannt, dass die für den USamerikanischen Markt produzierten Motoren sich - bereits wegen der unterschiedlichen Grenzwerte in USA und Europa - deutlich unterscheiden. Dass das Fahrzeug der Klagepartei mit einem für den amerikanischen Markt produzierten Motor ausgestattet sei, trägt selbst die Klagepartei nicht vor.
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(d) Auch die Ausführungen der Klagepartei zu einer angeblichen Manipulation des On-Board-Diagnosesystems (OBD), sind vorliegend zu pauschal und lösen keine Beweiserhebungspflicht des Gerichts aus.
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Die Beklagte hat in dem Schriftsatz vom 25.02.2021 ausgeführt, dass das OBD die Fahrtüchtigkeit des Wagens und eventuell auftretende Fehler im System überprüfe. Diesen Anforderunggen sei das OBD-System zu jedem Zeitpunkt unabhängig von der Aktivierung eines bestimmten Modus in der Motorsteuerung nachgekommen. Es habe auch jederzeit den gesetzlichen Anforderungen entsprochen.
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Rein spekulative und pauschale Verdachtsäußerungen, die ohne Bezug auf den konkreten Einzelfall zunächst in einer Art Generalverdacht vorgetragen werden und von denen das Gericht sich quasi die passenden heraussuchen soll, können nicht als hinreichend konkrete Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung dienen. Abschließend bleibt festzuhalten, dass zwar allgemein bekannt ist, dass es im Volkswagenkonzern in der Vergangenheit zum Einsatz von unerlaubten Abschalteinrichtungen kam. Dies kann jedoch nicht dazu führen, dass die Klagepartei im konkreten Fall nicht mehr konkret darlegen muss, weshalb auch gerade in ihrem Fall konkrete Anhaltspunkte für eine solche Abschalteinrichtung im jeweils streitgegenständlichen Fahrzeug vorliegen.
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Zwar ist es der Klagepartei prozessual nicht verwehrt, Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genauen Kenntnisse hat, die sie jedoch für wahrscheinlich hält. Jedoch muss, um eine ausufernde Beweiserhebungspflicht des Gerichts zu vermeiden, zunächst der Vortrag der Klagepartei zu den behaupteten Anspruchsgrundlagen hinreichend konkret sein.
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Dies ist aus den genannten Gründen nicht der Fall.
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d) Auch andere Anspruchsgrundlagen kommen vorliegend nicht in Betracht.
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Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB scheitert angesichts der vorstehenden Ausführungen jedenfalls daran, dass nicht ersichtlich ist, inwiefern die Beklagte die Klagepartei vorsätzlich getäuscht hat (vgl. OLG Koblenz, Urt. V. 18.06.2019, Az.3 U 416/19).
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Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m §§ 6,27 EG-FGV kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei den genannten Vorschriften, insbesondere des EG-FGV nicht um ein Schutzgesetz handelt. Darüber hinaus liegt jedenfalls eine ungültige Übereinstimmungsbescheinigung nicht vor, weil - wie vorstehend ausgeführt - nicht festgestellt ist, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt. Ein Rückrufbescheid des KBA ist nicht ergangen.
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Ein Anspruch aus § 831 BGB scheitert daran, dass das Vorliegen einer unerlaubten Handlung eines Verrichtungsgehilfen der Beklagten nicht dargelegt ist.
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3. Mangels Anspruch in der Hauptsache war nicht festzustellen, dass die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug ist.
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III. Auch der Antrag der Klagepartei auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist mangels Anspruch in der Hauptsache unbegründet.
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Auch ein Anspruch auf Verzinsung scheidet aus.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Klagepartei hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
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V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.