Titel:
Abgewiesene Klage im Streit um Veräußerung von Gesellschaftsanteilen
Normenkette:
EStG § 17 Abs. 1 S. 2, § 21
Leitsätze:
1. Eine verdeckte Einlage liegt auch vor, wenn Anteile auf die nämliche Kapitalgesellschaft übertragen werden, an der der Steuerpflichtige oder eine nahestehende Person beteiligt ist und dort zu eigenen Anteilen werden und keine nach dem Wert der übertragenen Anteile bemessene Bar- oder Sachvergütung erfolgt. Eine verdeckte Einlage kann somit vorliegen, wenn die Anteile an eine Gesellschaft übertragen werden, an der eine nahestehende Person beteiligt ist und wenn der einlegende Gesellschafter zugleich aus der Gesellschaft ausscheidet.
2. Maßgebender Zeitpunkt für den Ansatz einer verdeckten Einlage und den Fremdvergleich ist grundsätzlich der Abschluss des Vertrags, der der Gewährung des Vermögensvorteils zugrunde liegt, also das Verpflichtungsgeschäft und nicht der Erfüllungszeitpunkt
3. Auch im Fall eines bindenden Verkaufsangebots entsteht das Verpflichtungsgeschäft erst mit der Angebotsannahme.
4. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Option, da das Optionsrecht lediglich eine Vorstufe zum Vertrag darstellt.
Schlagwort:
Veräußerungsgewinn
Rechtsmittelinstanz:
BFH München, Urteil vom 13.12.2022 – IX R 5/22
Fundstellen:
EFG 2022, 1536
LSK 2021, 53261
BeckRS 2021, 53261
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
1
Streitig ist, ob die Veräußerung von im Alleineigentum gehaltenen Anteilen einer GmbH an eine andere GmbH, an der der Kläger beteiligt ist, als verdeckte Einlage zu werten ist und gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn führt.
2
Die Kläger sind antragsgemäß zusammen zur Einkommensteuer 2015 veranlagte Eheleute. In ihrer für das Streitjahr abgegebenen Steuererklärung erklärten sie für den Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG sowie für die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
3
Das Finanzamt erließ den Angaben folgend den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 23.11.2016 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO).
4
Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der A GmbH ermittelte das Finanzamt folgenden Sachverhalt:
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Der Kläger war an der B-Unternehmensgruppe in Form einer Beteiligung an der B1 AG mit Sitz in 1 beteiligt. Gleichzeitig war er Vorstandsmitglied der B1 AG. Die B1 AG war Muttergesellschaft der B2 GmbH, der B3 GmbH, der B4 GmbH und der B5 GmbH. Die Unternehmensgruppe geriet im Jahr 2003 in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten und sollte saniert werden (Sanierungskonzept der C GmbH vom 26.06.2003, vgl. notarielle Urkunde Nr. x vom xx.xx.2006, Teil A. Nr. 3.). Das Sanierungskonzept sah vor, dass die B1 AG liquidiert und die operativ tätigen Gesellschaften (B2 und B3 (nach Umfirmierung: D GmbH)) rechtlich und wirtschaftlich getrennt werden. Die Geschäftsanteile der B5 GmbH (nach Umfirmierung: A GmbH mit Sitz in 2) erwarb der Kläger mit Vertrag der Notarin E in 3 vom ... 2005 (Urkunde Nr. ...) von der F (vormals: B1 AG).
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Am 18.04.2006 wurde ein Options- und Abtretungsangebot erstellt (vgl. Urkunde Nr. … vom ... 2006, Teil A Nr. 1). Danach hielt die G GmbH mit Sitz in 4 vom eingetragenen Stammkapital (26.000 €) der B3 GmbH einen Anteil von 23.400 € (90%). Die G GmbH beabsichtigte, der Erwerberin, der H-GmbH i. Gr., einen Geschäftsanteil von 11.700 € (45% des gesamten Nominalkapitals) an der B3 GmbH (jetzt: D GmbH) anzubieten.
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Als Beteiligungsgesellschaft wurde am 31.03.2006 im Wege einer Einmann-Gründung die H-GmbH mbH gegründet.
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Mit notarieller Urkunde des Notars I in 5 Nr. ... vom 20.04.2006 über das „Angebot auf Abschluss eines Geschäftsanteilkauf- und Abtretungsvertrags“ erklärte der Kläger, Geschäftsführer und alleiniger Anteilseigner der H-GmbH mbH i. Gr. (AG in 2, HRB …; im Folgenden kurz H-GMBH) mit einem Nominalkapital von 25.000 €, dass er, der Kläger, in Höhe von 13.250 € und seine Ehefrau, die Klägerin, in Höhe von 12.750 € am Stammkapital (gesamt 26.000 €) der A G mbH mit Sitz in 2 (im Folgenden kurz A-GmbH) beteiligt sind.
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Der Kläger gab am 20.04.2006 ein notarielles beurkundetes Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsangebot gegenüber der A-GmbH ab, seine Beteiligung an der H-GMBH zum Nennbetrag von 25.000 € zu verkaufen und abzutreten. Das Angebot konnte frühestens nach Ablauf der Sanierungsfrist (31.12.2014) angenommen werden. Der ausfertigende Notar hat unter Tz. V. 9 eingehend über das Risiko belehrt, dass bereits die Abgabe des heutigen Angebots als Veräußerung der Geschäftsanteile an der Gesellschaft bzw. als Verpflichtung hierzu im Sinne von Abschnitt B. 5. d. und 6. der Vorurkunde I angesehen werden könnte, obwohl nach dem Wortlaut der Vorurkunde hierfür der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgebend ist.
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Laut Anlage zum Notarvertrag Nr. ... verkauft der Kläger sämtliche Anteile an der H-GMBH im Nominalwert von 25.000 € an die A-GmbH und tritt auf den Zeitpunkt der Annahme des Angebots die Anteile ab. Ziffer III der Anlage enthält den Satz: „Der Erwerber nimmt die Abtretung an.“
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Zur Festlegung des auf 25.000 € vereinbarten Kaufpreises wird unter Tz. IV der Anlage des Vertrags ausgeführt: „Eine Erhöhung oder Verminderung des Wertes des verkauften Geschäftsanteils zum Zeitpunkt der Annahme des Angebots gegenüber dem Wert bei Abgabe des Angebots hat keine Anpassung des Kaufpreises zur Folge.“
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Neben diesem Ausschluss der Wertanpassung des Kaufpreises sah das Angebot vor, dass das Gewinnbezugsrecht für das gesamte bei Annahme des Angebots laufende Geschäftsjahr auf den Erwerber übergeht. Zusätzlich sollten auch Gewinne aus vorangegangenen Jahren auf den Erwerber übergehen, für welche noch kein Jahresabschluss festgestellt und kein Gewinnverwendungsbeschluss gefasst wurde (Tz. V. der Anlage des Kaufvertrags).
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Ebenfalls am 20.04.2006 schlossen die Kläger mit der J-GmbH einen Treuhandvertrag (notarielle Urkunde Nr. ... des Notars I in 5), wonach beide von ihren Geschäftsanteilen an der A-GmbH jeweils einen Anteil von 3.400 € für die J-GmbH treuhänderisch halten.
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Die Sanierung endete laut Bescheinigung des Sanierers am 29.01.2015.
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Am 13.03.2015 erfolgte mit notarieller Urkunde des Notars K in 2 (Urkunde Nr. ...) die Annahme des Kaufangebots und der Abtretung der 100%-igen Beteiligung durch die A-GmbH, vertreten durch den Kläger als Geschäftsführer. Der Veräußerer (Kläger) trat nach Ziffer III der Urkunde den Geschäftsanteil im Nennbetrag von 25.000 € an der H-GMBH an den Erwerber ab, der die Abtretung annimmt.
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Die Betriebsprüfung sah in der Übertragung der Beteiligung an der H-GMBH eine verdeckte Einlage des Klägers. Nach den Berechnungen der Betriebsprüfung des Finanzamts betrug der Wert der Beteiligung an der H-GMBH im Zeitpunkt der Zuwendung 3.206.333 € und war damit deutlich höher als das zu leistende Nominalkapital in Höhe von 25.000 €.
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Rückwirkend zum 01.01.2015, 00.00 Uhr erfolgte die mit Vertrag vom 23.03.2015 (Urkunde Nr. ... des Notars K in 2) vereinbarte Verschmelzung der H-GMBH (übertragende Gesellschaft) auf die A-GmbH (aufnehmende Gesellschaft). Die Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 10.04.2015.
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Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ den nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 22.06.2018. Hierbei setzte es nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens als Einkünfte aus Gewerbebetrieb einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 1.908.800 € an. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.
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In den Erläuterungen wurde angeführt, dass die Berichtigung auf den Feststellungen der Betriebsprüfung bei der Firma A-GmbH beruhe.
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Den Veräußerungsgewinn ermittelte die Beklagte wie folgt:
Gemeiner Wert der Anteile im Zeitpunkt der Veräußerung
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3.206.333 €
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Veräußerungspreis
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25.000 €
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Veräußerungsgewinn
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3.181.333 €
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Davon stpfl. gem. Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG)
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1.908.800 €
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Den Einspruch wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 30.09.2020 als unbegründet zurück.
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Zur Begründung führte das Amt aus, dass die Veräußerung der Geschäftsanteile des Klägers an der H-GMBH an die A-GmbH eine verdeckte Einlage darstelle, die nach § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG zu versteuern sei. Eine Zuwendung eines bilanzierbaren (einlagefähigen) Vermögensvorteils aus gesellschaftsrechtlichen Gründen ohne Entgelt in Gestalt von Gesellschaftsrechten stelle eine verdeckte Einlage dar.
23
Eine verdeckte Einlage erhöhe bei der Ermittlung des Einkommens der aufnehmenden Gesellschaft dieses nicht (§ 8 Abs. 3 Satz 3 KStG). Gleichzeitig werde die verdeckte Einlage auf Ebene des einlegenden Anteilseigners einer Veräußerung gleichgestellt (§ 17 Abs. 1 Satz 2 EStG).
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Die Definition der verdeckten Einlage im Körperschaftsteuerrecht könne R 8.9 Abs. 1 der Körperschaftsteuerrichtlinien -KStRentnommen werden. Danach liege eine verdeckte Einlage i. S. d. § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG vor, wenn ein Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person der Körperschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Einlagen einen einlagefähigen Vermögensvorteil zugewendet habe und diese Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sei. Für die Beurteilung seien die Begrifflichkeiten für den Einlegenden und die begünstigte Gesellschaft übereinstimmend.
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Im Streitfall sei Grundlage für die Veräußerung der Anteile an der H-GMBH das Verkaufsangebot mit Notarvertrag vom 20.04.2006 (Urkunde Nr. ...) gewesen. Dieses sei mit notarieller Urkunde Nr. ... vom 13.03.2015 angenommen worden. Die Anteile an der H-GMBH seien ursprünglich ausschließlich vom Kläger gehalten worden. Damit seien die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG erfüllt gewesen, da, bezogen auf den Zeitpunkt der verdeckten Einlage, innerhalb der letzten fünf Jahre eine Beteiligung von mindestens 1% gegeben gewesen sei. Durch die zum Zeitpunkt der Annahme des Kaufangebotes bzw. der dinglichen Übertragung im Verhältnis zum tatsächlichen Wert verbilligte Veräußerung seien die Voraussetzungen einer verdeckten Einlage sowohl für die Ebene des einbringenden Anteilseigners, des Klägers, als auch für die Ebene der A-GmbH zu prüfen.
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Im Streitfall sei die verdeckte Einlage vom Anteilseigner erfolgt. Der Kläger habe als 100%-iger Anteilseigner der H-GMBH gegenüber der A-GmbH, an der er ebenfalls beteiligt sei, mit notariellem Vertrag vom 20.04.2006 ein formwirksames Verkaufsangebot unterbreitet. Da der Kläger im Zeitpunkt der Abgabe des Verkaufsangebots und selbst noch im Zeitpunkt der Annahme Anteilseigner der A-GmbH gewesen sei, sei die Einlage unzweifelhaft durch einen Gesellschafter/Anteilseigner erfolgt.
27
Die Übertragung des Vorteils sei auch durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis sei gegeben, wenn ein Nichtgesellschafter der Gesellschaft den Vermögensvorteil bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht eingeräumt hätte (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 06.11.2003 IV R 10/01 a.a.O.). Für die Beurteilung der Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis sei damit ein sog. Fremdvergleich anzustellen.
28
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung sei das Verpflichtungsgeschäft. Auf diesen Zeitpunkt sei der Fremdvergleich durchzuführen. Der Verkauf sei laut Angebot vom 20.04.2006 zum Nominalwert der Anteile erfolgt. Es sei ausdrücklich vereinbart worden, dass die Angebotsannahme erst nach Ablauf der Sanierungsphase der B-Gruppe (31.12.2014) möglich sein sollte und Wertveränderungen zwischen dem Verkaufsangebot und der Annahme des Angebots auf den Verkaufspreis keine Auswirkung haben sollten (vgl. Tz. IV der Anlage zum Verkaufsangebot vom 20.04.2006, Urkunde Nr. ...). Der Vertragsschluss sei mit der Annahme des Vertragsangebots im Jahr 2015 erfolgt.
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Durch das verbindliche Angebot zu einem festgeschriebenen und zudem sehr niedrigen Kaufpreis, der die nach Ablauf der erfolgreichen Sanierungsphase erwartbare Wertsteigerung unberücksichtigt lasse, sei klar und darüber hinaus bereits vorab festgelegt, dass der Veräußerer der Anteile aus diesem Kontrakt keine finanziellen Vorteile erzielen könne. Dies halte einem Fremdvergleich nicht stand, da zu erwartende Wertsteigerungen im Rahmen einer mehr als neun Jahre andauernden Sanierung bei der Kaufpreisfindung unberücksichtigt blieben. Die Veranlassung sei damit als durch das Gesellschaftsverhältnis begründet anzusehen. Ein Nichtgesellschafter hätte bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns der Gesellschaft den Vermögensvorteil nicht eingeräumt.
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Die A-GmbH habe im Jahr 2015 einen bilanzierbaren Vermögensvorteil erhalten, da zumindest in der Steuerbilanz der Wert der Anteile um den Wert der verdeckten Einlage zu erhöhen sei. Maßgeblich für diese Beurteilung sei die Sicht der begünstigten Körperschaft. Voraussetzung einer verdeckten Einlage sei, dass der Einlageanspruch zeitlich bzw. rechtlich aktiviert werden könne, denn die Begriffsbestimmung der verdeckten Einlage knüpfe ausschließlich an die bilanzsteuerliche Erfassung bei der begünstigten Kapitalgesellschaft an (vgl. Neumann in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG 2015, § 8 Rz. 1274, 1279).
31
Die Beteiligung an der H-GMBH habe von der A-GmbH jedoch nicht bereits im Jahr 2006 bilanziert werden können, da sie damals weder zivilrechtliche noch wirtschaftliche Eigentümerin der Anteile gewesen sei. Für die Bilanzierung komme es grundsätzlich auf die handelsrechtliche Beurteilung an, welche aufgrund des Maßgeblichkeitsgrundsatzes (§ 5 Abs. 1 EStG) auch im Steuerrecht gelte. Bestehe danach im Handelsrecht ein Aktivierungsverbot, müsse dieses auch in der Steuerbilanz nachvollzogen werden. Vermögensgegenstände seien grundsätzlich in die Bilanz des Eigentümers aufzunehmen; seien sie jedoch wirtschaftlich einem anderen zuzurechnen, erfolge die Ausweisung dort.
32
Das zivilrechtliche Eigentum (§ 39 Abs. 1 AO) der gegenständlichen Anteile sei im Streitfall erst durch Abtretung am 13.03.2015 übergegangen. Der Kläger sei 2006 weiterhin zivilrechtlicher Eigentümer der Anteile gewesen. Die A-GmbH sei ab April 2006 auch nicht als wirtschaftliche Eigentümerin (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) anzusehen. Zum einen habe 2006 noch keine rechtlich geschützte Erwerbsposition vorgelegen. Die Parteien hätten in 2006 noch kein zivilrechtliches Rechtsgeschäft geschlossen, denn dafür habe es an der Annahme des Kaufangebots gefehlt. Auch ein bindendes Vertragsangebot begründe noch keine Anwartschaft (FG München, Urteil vom 24.06.1999 13 K 3521/97, DStRE 2000, 18). Weiter sei 2006 weder das Gewinnbezugsrecht noch ein Stimmrecht übergegangen. Das Gewinnbezugsrecht habe für das laufende Geschäftsjahr sowie ggf. noch nicht abgeschlossene Geschäftsjahre (erst) bei Angebotsannahme übergehen sollen, sodass die Gewinne einschließlich eines Sanierungsgewinns weiterhin dem Kläger zugestanden hätten.
33
Die Prozessbevollmächtigten haben für die Kläger Klage erhoben.
34
Zur Klagebegründung tragen sie vor, dass für die Veräußerung der Anteile an der H-GMBH an die A-GmbH keine verdeckte Einlage und kein Veräußerungsgewinn des Klägers anzusetzen sei. Hierbei wende sich die Klägerseite nicht gegen die Bewertung der Geschäftsanteile im Jahr 2015. Für die Wertermittlung sei jedoch nicht auf 2015, sondern den Zeitpunkt der Abgabe des notariell beurkundeten Kaufangebots im Jahr 2006 abzustellen, da die Veräußerung aufgrund dieses notariellen Kaufangebots erfolgt sei. Bei einer verdeckten Einlage komme es auf die Wertverhältnisse im Zeitpunkt des Eingehens der Verpflichtung durch den Anbietenden an. Entsprechend den zivilrechtlichen Bestimmungen in § 145 BGB sei dies der Zeitpunkt der Abgabe des Angebots im Jahr 2006. Zu diesem Zeitpunkt habe der Wert der Anteile der neu gegründeten Gesellschaft aber lediglich im Nominalwert bestanden.
35
Der Kläger verfüge über umfassende Kenntnisse auf dem Gebiet des Z-Recycling-Marktes. Er sei bis zum Jahr 2000 Geschäftsführer der Deutsche Gesellschaft für Z-R. GmbH, einer Tochtergesellschaft der „L“ gewesen. Über diese Gesellschaft sei bundesweit das nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz gebotene Recycling von Z-abfällen organisiert worden. Im Jahr 2000 sei der Kläger in die B Unternehmensgruppe mit Sitz in 1 eingetreten und habe sich an dieser beteiligt. Das Geschäftsfeld der B Unternehmensgruppe habe in der Aufbereitung von Z-abfällen und Herstellung von Z-erzeugnissen bestanden. Die B Unternehmensgruppe sei aufgrund eines im Z-markt im Jahr 2003 eingetretenen Preisverfalls in eine wirtschaftliche Schieflage geraten, die Ihre Existenz bedroht und eine Sanierung erforderlich gemacht habe.
36
Das Sanierungskonzept habe vorgesehen, die operativ tätigen Gesellschaften der Firmengruppe, die B2 GmbH und die B3 GmbH (später umfirmiert in D GmbH) rechtlich und wirtschaftlich zu verselbständigen und die Konzernobergesellschaft, die B1 AG, an der der Kläger wesentlich beteiligt war, zu liquidieren. Weiterhin habe das Sanierungskonzept vorgesehen, dass der Kläger als Geschäftsführer in die B3/D GmbH als Geschäftsführer eintrete und dort mindestens bis zu einem erfolgreichen Abschluss der Sanierungsphase verbleiben solle. Im Gegenzug sei ihm angeboten worden, eine Beteiligung an der B3 GmbH in Höhe von 45 v.H. zu ihrem Zeitwert von 1 € zu erwerben.
37
Der Kläger habe diese Geschäftschance gemeinsam mit seiner Ehefrau realisieren wollen. Er habe zu diesem Zweck am 24.01.2005 aus der Liquidationsmasse der B1 AG die Anteile an einer zur Liquidation anstehenden GmbH, der heutigen A-GmbH erworben. Mit Vertrag vom 16.03.2006 habe er rund 49% seiner Anteile auf seine Ehefrau, die Klägerin, übertragen. Es sei beabsichtigt gewesen, dass die A-GmbH den Gesellschaftsanteil an der B3 erwerben sollte. Da der Initiator, Mitaktionär und Mitvorstand bei der B1 AG sich durch das nur an den Kläger ergangene Beteiligungsangebot ausgebootet gefühlt und gedroht habe, die Sanierung in der Weise nicht mitzutragen, hätten ihm die Kläger an ihren Geschäftsanteilen an der A-GmbH durch notariellen Vertrag vom 20.04.2006 jeweils eine Unterbeteiligung von insgesamt rund 13% im Wege einer Vermögensverwaltungsgesellschaft eingeräumt.
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Um einerseits den Forderungen des Sanierers zu entsprechen und andererseits die wirtschaftlichen Chancen, die aus dem Erwerb der B-Anteile erwartet wurden, für die Ehegatten und den ehemaligen Mitvorstand zu wahren, habe der Kläger mit notariellem Vertrag vom 31.03.2006 im Wege einer Einmann-Gründung die H-GMBH errichtet. Im Rahmen dieser Gründung sei das notariell beurkundete Angebot an die A-GmbH ergangen, die Geschäftsanteile an der H-GMBH zu den Gestehungskosten, also 25.000 € zu erwerben, wobei ausdrücklich festgelegt worden sei, dass das Angebot erst nach Ablauf der Sanierungsphase habe angenommen werden können. Das Ende der Sanierungsphase sei dabei durch das Ergehen einer entsprechenden Bestätigung der Gläubiger-Banken definiert gewesen.
39
Nach Errichtung der H-GMBH und nach Abgabe des Angebots zum Erwerb der GmbH Anteile an der H-GMBH durch notarielle Urkunde vom 20.04.2006, habe die H-GMBH mit notarieller Urkunde vom 04.09.2006 und Nachtrag vom 29.11.2007 eine Beteiligung an der B3 GmbH in Höhe von 45 v.H. zum Preis von 1 € von der G GmbH erworben.
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Die Sanierungsphase der B3 GmbH sei durch bestätigendes Schreiben der Bank 1 vom 29.01.2015 sowie der Bank 2 vom 10.12.2014 per 29.01.2015 abgeschlossen worden. Mit notarieller Urkunde vom 13.03.2015 habe die A-GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer, den Kläger, dessen notariell beurkundetes Angebot vom 20.04.2006 zum Erwerb des Gesellschaftsanteils an der H-GMBH zum dort beurkundeten Kaufpreis von 25.000 € angenommen. Einziger Vermögensgegenstand bei der H-GMBH sei eine Beteiligung in Höhe von 45 v.H. an der B3 GmbH, die nunmehr als D GmbH firmierte, gewesen.
41
Bereits Abschnitt R 8.9 Abs. 5 der Körperschaftsteuerrichtlinien -KStRwürde bezüglich des Beurteilungsstichtages darauf abstellen, dass für die Qualifizierung von Leistungen als verdeckte Einlagen, die Umstände maßgebend seien, die bestanden, als der Verpflichtete seine Zusage auf die Leistung gegeben habe. Dies werde in Abschnitt H 8.9 Abs. 5 KStR wortgleich wiederholt. Damit stellten die Verwaltungsanweisungen nicht auf den Zeitpunkt des Zustandekommens eines zweiseitig bindenden Vertrages, sondern auf den Zeitpunkt, in dem der Anbietende sein Angebot an den Berechtigten unterbreitet hat, ab.
42
Auch der BFH habe bei seiner Wertung auf den Zeitpunkt des einseitig bindenden Verpflichtungsgeschäfts abgestellt (so BFH-Urteil vom 14.11.1984 I R 50/80 BStBl. II 1985, 227). Der Zeitpunkt, zu dem dieses Angebot angenommen und somit ein zweiseitig verpflichtender Vertrag abgeschlossen worden sei oder gar der Moment der Erfüllung durch Vollzug der Anteilsübertragung, seien nicht ausschlaggebend. Abweichend vom streitigen Sachverhalt sei zwar im BFH-Urteilsfall im Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts noch kein Gesellschaftsverhältnis gegeben gewesen, jedoch hätten die dortigen Handlungen nur im Hinblick auf die Begründung dieses Gesellschaftsverhältnisses stattgefunden. Es sei ausreichend - und im Übrigen auch folgerichtig -Verpflichtungshandlungen von Personen, die zwar im Zeitpunkt der Rechtsverpflichtung noch keine Gesellschafterstellung innehatten, in die Prüfung einer verdeckten Einlage einzubeziehen, wenn diese die Verpflichtung in Ansehung des zukünftigen Gesellschaftsverhältnisses eingegangen seien.
43
Das zu beurteilende Rechtsgeschäft sei damit in seiner Ausgestaltung zwar vom einfachen Typ des gegenseitigen schuldrechtlichen Vertrages in der Form des Zusammenfallens von Angebot und Annahme vom Standardvorgang abgewichen. Jedoch habe es in jeder Hinsicht dem Grundgedanken des das Zivilrecht beherrschenden Prinzips der Vertragsfreiheit entsprochen. Es habe dem Optionsvertrag entsprochen, der im Bereich des Unternehmenskaufes üblich sei.
44
Nach den Verwaltungsanweisungen sowie der ständigen Rechtsprechung des BFH stelle sich die Frage einer verdeckten Einlage auf der Basis der Wertverhältnisse, die im Zeitpunkt der verbindlichen Abgabe des Kaufangebots durch den Kläger (2006) bestanden hätten, da der Kläger sich eben zu diesem Zeitpunkt zur Übertragung der Anteile an der H-GMBH verpflichtet habe. Damals hatte die H-GMBH noch nicht einmal den Geschäftsanteil an der D GmbH erworben gehabt. Dieses sei erst danach und zwar zu einem Kaufpreis von 1 € erfolgt. Eine verdeckte Einlage habe somit nicht vorgelegen, da der Angebotspreis dem Verkehrswert im Zeitpunkt der Abgabe des Angebots entsprochen habe.
45
Die Handlungsweise der Kläger habe sich auch als wirtschaftlich begründet und zweckmäßig erwiesen. Nur über die Konstruktion der Zwischengesellschaft mit Abgabe eines aufschiebend bedingt annehmbaren Kaufangebots sei es möglich gewesen, sowohl den Auflagen des Sanierers zu entsprechen als auch den eigenen ursprünglichen Gestaltungswillen der Kläger beizubehalten.
46
Die Prozessbevollmächtigten beantragen den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 22.06.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.09.2020 dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer auf ... € festgesetzt wird.
47
Für den Fall des Unterliegens wird die Zulassung der Revision beantragt.
48
Das Finanzamt beantragt unter Hinweis auf die Einspruchsentscheidung Klageabweisung.
49
Ergänzend wird vorgetragen, dass der Verweis der Kläger auf die Abwicklung der Anteilsveräußerung unter Inanspruchnahme der zivilrechtlichen Vertragsfreiheit (Klagebegründung vom 26.11.2020, Tz. B V) einen früheren Vertragsschluss nicht begründen könne, da auch im Fall eines bindenden Verkaufsangebots das Verpflichtungsgeschäft erst mit der Angebotsannahme - hier in 2015 - entstehe.
50
Gerade durch die bestehende Identität in der Person des Klägers als Veräußerer der Anteile an der H-GMBH und Gesellschafter-Geschäftsführer der A-GmbH als Erwerberin zeige sich, dass das gegenständliche Veräußerungsgeschäft unter fremdüblichen Umständen nicht zustande gekommen wäre, sondern hierfür vielmehr die gleichgerichteten Interessen und der dokumentierte Gestaltungswille der Kläger ausschlaggebend gewesen seien.
51
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis dazu erklärt, dass das Gericht ohne mündliche Verhandlung und der zum Berichterstatter bestellte Richter anstelle des Senats entscheidet (§§ 90 Abs. 2, 79 a Abse. 3 und 4 FGO).
52
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf die vom Finanzamt vorgelegte Einkommensteuerakte für das Jahr 2015, einen Band Dauerunterlagen und Rechtsbehelfsakten der Kläger verwiesen.
Entscheidungsgründe
53
Die Klage hat keinen Erfolg.
54
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 22.06.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.09.2020 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
55
Der Ansatz einer verdeckten Einlage und von Einkünften aus Gewerbebetrieb durch das Finanzamt ist nicht zu beanstanden.
56
1. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt war und er die Beteiligung im Privatvermögen hielt. Gemäß Satz 2 der Vorschrift steht die verdeckte Einlage von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft der Veräußerung der Anteile gleich.
57
Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG). In den Fällen des § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG tritt an die Stelle des Veräußerungspreises der Anteile ihr gemeiner Wert (§ 17 Abs. 2 Satz 2 EStG).
58
2. Veräußerungspreis i.S. von § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Wert der Gegenleistung, die der Veräußerer durch Abschluss des - dinglichen - Veräußerungsgeschäfts am maßgebenden Stichtag erlangt; dazu gehört alles, was der Veräußerer aus dem Veräußerungsgeschäft als Gegenleistung erhält. Der Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung, d.h. der Zeitpunkt, zu dem das rechtliche oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergegangen ist (BFH-Urteile vom 18.11.2014 IX R 30/13, BFH/NV 2015, 489, m.w.N.; vom 06.12.2016 IX R 7/16, BFH/NV 2017, 724 Rn. 12). Auf den Zufluss des Entgelts kommt es grundsätzlich nicht an.
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3. Die verdeckte Einlage von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft steht nach § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG der Veräußerung der Anteile i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gleich.
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a) Einlagen erhöhen nach § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG das Einkommen nicht. Ziel des § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG ist es, das Einkommen der Körperschaft im Sinne des § 8 Abs. 1 KStG zutreffend zu ermitteln. Der nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ermittelte Gewinn muss dazu um Vorgänge bereinigt werden, die durch die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft veranlasst sind und nicht durch die betriebliche Tätigkeit der Körperschaft verursacht werden (Neumann in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG 2015, § 8 Rz. 1275).
61
b) Bei der verdeckten Einlage tritt an die Stelle des Veräußerungspreises nach § 17 Abs. 2 Satz 2 EStG der gemeine Wert der Anteile. Die Einlagen können offene oder verdeckte sein. Offene Einlagen sind die den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Einlagen. Verdeckte Einlagen sind solche, die nicht den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechen (BFH-Urteil vom 15.10.1997 I R 80/96, BFH/NV 1998, 624 Rn. 10). Eine verdeckte Einlage ist - im Gegensatz zur offenen Einlage gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten - die Zuwendung eines einlagefähigen Vermögensvorteils seitens eines Anteilseigners oder einer ihm nahestehenden Person an seine Kapitalgesellschaft ohne wertadäquate Gegenleistung (vgl. BFH-Urteil vom 14.07.2009 IX R 6/09, BFH/NV 2010, 397 m.w.N.; Gosch in Kirchhof/Seer, EStG 20. Auflage, § 17 Tz. 47). Weitere Voraussetzung ist, dass die Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat. Das Gesellschaftsverhältnis ist ursächlich für die Vermögensmehrung bei der Kapitalgesellschaft, wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns den Vermögensvorteil der Gesellschaft nicht eingeräumt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 14.07.2009 IX R 6/09, BFH/NV 2010, 397 m.w.N.).
62
c) Bleibt ein vereinbarter Kaufpreis hinter dem Wert eines eingelegten Anteils an einer Kapitalgesellschaft zurück, liegt eine gemischte verdeckte Einlage vor. Eine verdeckte Einlage liegt auch vor, wenn Anteile auf die nämliche Kapitalgesellschaft übertragen werden, an der der Steuerpflichtige oder eine nahestehende Person beteiligt ist und dort zu eigenen Anteilen werden und keine nach dem Wert der übertragenen Anteile bemessene Bar- oder Sachvergütung erfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 06.12.2016 IX R 7/16, BFH/NV 2017, 724; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 40. Aufl., § 17 Rz 96; Gosch in Kirchhof/Seer, EStG, 20. Aufl., § 17 Rz 47). Eine verdeckte Einlage kann somit vorliegen, wenn die Anteile an eine Gesellschaft übertragen werden, an der eine nahestehende Person beteiligt ist und wenn der einlegende Gesellschafter zugleich aus der Gesellschaft ausscheidet (BFH-Urteil vom 06.12.2016 IX R 7/16, BFH/NV 2017, 724).
63
d) Maßgebender Zeitpunkt für die verdeckte Einlage und den Fremdvergleich ist grundsätzlich der Abschluss des Vertrags, der der Gewährung des Vermögensvorteils zugrunde liegt, also das Verpflichtungsgeschäft und nicht der Erfüllungszeitpunkt (BFH-Urteil vom 15.10.1997 I R 80/96, BFH/NV 1998, 624; Neumann in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG 2015, § 8 Rz. 1342; Gosch/Roser, KStG 4. Auflage, § 8 Rz. 105). Ob die Parteien einen Preis vereinbart haben, der dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr entspricht, ist nach ständiger Rechtsprechung nach den Gesamtumständen des Einzelfalls unter Heranziehung objektivierter Maßstäbe zu entscheiden. Auszuklammern sind dabei solche preisbildenden Faktoren, die mit der Beschaffenheit der Anteile selbst nichts zu tun haben (BFH-Urteile vom 15.03.2018 VI R 8/16, BStBl. II 2018, 550, Rn. 35; vom 14.07.2009 IX R 6/09, BFH/NV 2010, 397 m.w.N.).
64
4. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat das Finanzamt zutreffend eine verdeckte Einlage und einen Veräußerungsgewinn angenommen und diesen nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens als Einkünfte aus Gewerbebetrieb angesetzt.
65
a) Es liegt eine gemischte verdeckte Einlage vor, denn der Kläger übertrug der A-GmbH im Privatvermögen gehaltene GmbH Anteile gegen eine Gegenleistung, die deutlich unter dem Wert der übertragenen Anteile liegt. Die Anteile an der H-GMBH wurden 2006 und auch 2015 vollständig vom Kläger gehalten. Der Kläger und die Klägerin waren 2006 und auch 2015 die Anteilseigner der A-GmbH.
66
b) Als Zeitpunkt der Einlage dieses Vermögensvorteils und der Ermittlung der Wertverhältnisse des gemeinen Werts der Anteile für den Fremdvergleich wurde auch zutreffend das Jahr 2015 angesetzt. Ein Vertragsabschluss zwischen dem Kläger und der A-GmbH zum Kauf und zur Abtretung der Anteile an der H-GMBH liegt erst im Jahr 2015 vor, denn erst am 13.03.2015 erfolgte mit notarieller Urkunde des Notars K in 2 (Urkunde Nr. 0002) die Annahme des Kaufangebots und der Abtretung der 100%-igen Beteiligung durch die A-GmbH, vertreten durch den Kläger als Geschäftsführer. Weder am 20.04.2006 noch sonst vor dem 13.03.2015 gab es einen diesbezüglichen Vertragsabschluss. Der Kläger hatte am 20.04.2006 lediglich ein Angebot an die A-GmbH abgegeben. Das Angebot nach § 145 BGB ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, aber seinerseits noch kein Rechtsgeschäft, sondern soll Teil eines zweiseitigen Rechtsgeschäfts werden (Palandt/Ellenberger, BGB 80. Auflage 2021, § 145, Rn. 1). Die A-GmbH war am Angebot auf Abschluss eines Geschäftsanteilkauf- und Abtretungsvertrags vor dem Notar I in 5 (UR.Nr. Nr. ...) vom 20.04.2006 gar nicht beteiligt. Erst durch die Annahme des Kauf- und Abtretungsangebots am 13.03.2015 kommt der zweiseitige Vertrag zustande und wird die Abtretung angenommen (Busche in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage, § 147 Rz. 37). Erst dann wird die A-GmbH Inhaberin der Anteile.
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c) Die A-GmbH war auch nicht vor Beginn des Streitjahres als wirtschaftlicher Eigentümer der Anteile (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) anzusehen. Wirtschaftsgüter sind dem Eigentümer zuzurechnen (§ 39 Abs. 1 AO). Abweichend davon ist nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO, wenn ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, diesem das Wirtschaftsgut zuzurechnen. Bei der Veräußerung von Anteilen ist dies jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Erwerber aufgrund eines zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind (BFH-Urteil vom 04.07.2007 VIII R 68/05, BStBl. II 2007, 937).
68
Im Jahr 2006 hat beim Erwerber jedoch noch keine rechtlich geschützte Erwerbsposition vorgelegen. So war es dem Kläger im Streitfall durchaus möglich bis zum 13.03.2015 die Anteile an der A-GmbH an einen Dritten zu verkaufen und abzutreten. Es mag sein, dass hierdurch ein Schadensersatzanspruch ausgelöst worden wäre, dies ändert aber nichts daran, dass der Kläger zur Übertragung an einen Dritten in der Lage gewesen wäre. Weiter war weder 2006 noch in den Jahren bis März 2015 das Gewinnbezugsrecht noch ein Stimmrecht übergegangen. Das Gewinnbezugsrecht hat nach Textziffer V der Anlage des Angebots vom 20.04.2006 für das laufende Geschäftsjahr sowie ggf. noch nicht abgeschlossene Geschäftsjahre (erst) bei Angebotsannahme übergehen sollen, sodass die Gewinne einschließlich eines Sanierungsgewinns weiterhin dem Kläger zugestanden hätten. Zudem bestand für die Angebotsempfängerin kein Risiko der Wertminderung, denn sie hatte bis zum 13.03.2015 die Möglichkeit, das Angebot nicht anzunehmen. Auch im Fall eines bindenden Verkaufsangebots entsteht das Verpflichtungsgeschäft erst mit der Angebotsannahme, hier also im Jahr 2015 und liegt auch erst dann eine rechtlich geschützte Erwerbsposition vor (vgl. FG München, Urteil vom 24.06.1999 13 K 3521/97, DStRE 2000, 18; Schmidt in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 17 Rz. 70; Palandt/Ellenberger, BGB 80. Auflage 2021, Einf. v. § 145, Rn. 23; Palandt/Weidenkaff, Vorb. v. § 463, Rn. 15).
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d) Etwas Anderes ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Option. Das Optionsrecht ist eine Vorstufe zum Vertrag. Sie gibt dem Berechtigten die befristete oder unbefristete Befugnis, durch einseitige Willenserklärung unmittelbar ein inhaltlich bereits fixiertes Vertragsverhältnis herbeizuführen (Busche in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage, vor § 145 Rz. 70). Durch den Optionsvertrag und die Einräumung des Optionsrechts können zwar bestimmte durch Schadensersatzansprüche sanktionierte Verhaltenspflichten begründet werden (Busche in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage, vor § 145 Rz. 74). Jedoch kommt auch beim Optionsvertrag der Vertrag erst durch die formwirksame Ausübung der Option zustande (Palandt/Weidenkaff, Vorb. v. § 463, Rn. 15).
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e) Dementsprechend und folgerichtig sind in der Bilanz der A-GmbH zum 31.12.2006 (erstellt am 13.03.2007) auch keine Anteile der H-GMBH ausgewiesen. Unter einer verdeckten Einlage ist die Zuwendung eines bilanzierbaren Vermögensvorteils aus gesellschaftsrechtlichen Gründen ohne Entgelt in Gestalt von Gesellschaftsrechten zu verstehen (BFH-Urteil vom 27.05.2009 I R 53/08, BFH/NV 2010, 375, Rn. 14; Neumann in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG 2015, § 8 Rz. 1276, 1279 ff). Damit zeigt der Jahresabschluss der A-GmbH zum 31.12.2006, dass auch die Gesellschaft davon ausging, dass aufgrund des Angebots vom 20.04.2006 keine bilanzierbaren Anteile bzw. eine Einlage gegeben sind.
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f) An dieser Beurteilung ändert sich nichts dadurch, dass die im Streitjahr anwendbaren KStR 2015 unter Abschnitt R 8.9 Abs. 5 vorsehen, dass für die Qualifizierung von Leistungen als verdeckte Einlagen, die Umstände maßgebend sind, die bestanden, als der Verpflichtete seine Zusage auf die Leistung gegeben hat. Die Kläger können sich nicht darauf berufen, dass diese Richtlinie im Streitzeitraum Anwendung findet. Denn bei dieser Regelung handelt es sich nicht um eine Rechtsnorm, sondern um eine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung gemäß Art. 108 Abs. 7 GG, mit deren Hilfe nur eine gleichmäßige Gesetzesanwendung durch die Verwaltungsbehörden erreicht, nicht aber eine Bindung i. S. einer Rechtsverordnung erzielt werden kann und soll. Eine derartige Richtlinie unterliegt in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle (Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO Tz. 84). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann einer solchen Verwaltungsanweisung grundsätzlich auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht die gleiche Wirkung beigemessen werden wie einer Rechtsnorm oder einer verbindlichen Zusage für den Einzelfall (BFH-Urteil vom 23.10.2003 V R 48/01, BStBl. II 2004, 196; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO Tz. 84). Eine weitergehende tatsächliche Bindungswirkung kann sich lediglich aus dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ergeben (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 06.08.1999 II 381/98, juris). Dabei ist allerdings zwischen solchen Vorschriften, die typisierende Vereinfachungsregelungen enthalten und norminterpretierenden Verwaltungsanordnungen zu unterscheiden: Typisierungsvorschriften, wie Bewertungsrichtlinien, AfA-Tabellen, Richt- und Pauschsätze, vereinfachen aufgrund von Erfahrungswerten die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. Im Interesse der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen werden Richtlinien dieses Inhalts für die Gerichte als verbindlich angesehen, soweit sie nicht im Einzelfall zu einer unzutreffenden Besteuerung führen. Dagegen dienen norminterpretierende Verwaltungsanordnungen lediglich der gleichmäßigen Auslegung und Anwendung des Gesetzes durch die nachgeordneten Behörden. Ob diese Auslegung oder Anwendung richtig ist, unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch die Gerichte. Solche Anordnungen binden die Gerichte nicht, denn anderenfalls würde das aus Art. 20 GG abzuleitende verfassungsmäßige Recht der Rechtsprechung auf Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung beeinträchtigt (BFH-Urteil vom 31.10.1990 I R 3/86, BStBl. II 1991, 610, m. w. N.). Bei der genannten Richtlinie handelt es sich um eine derartige norminterpretierende Verwaltungsvorschrift.
72
g) Im Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäfts im Jahr 2015 wird dem Kläger für die Übertragung der GmbH Anteile an die A-GmbH keine adäquate Gegenleistung gewährt. Der gemeine Wert der übertragenen Anteile liegt weit über der Gegenleistung von 25.000 €. Dies wird auch von der Klägerseite nicht bestritten. Ein Nichtgesellschafter hätte bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns den Vermögensvorteil der Gesellschaft so nicht eingeräumt. Daran ändert es auch nichts, dass der Kläger an sein Angebot vom 20.04.2006 auch bezüglich der Gegenleistung gebunden war und die Änderung der Wertverhältnisse bis zum 13.03.2015 nicht vorhersehen konnte. Wertsteigerungen im Verlauf einer mehr als neun Jahre andauernden Sanierung blieben bei der Kaufpreisfindung unberücksichtigt. Der Kläger hätte sein Angebot zeitlich befristen können (§ 148 BGB) oder in sein Angebot eine Klausel zur Wertermittlung oder -überprüfung der Gegenleistung bei der Annahme des Angebots nach den vielen Jahren aufnehmen können. Der Vertrag war somit keineswegs fremdüblich, denn das gesamte Wertrisiko verblieb beim Kläger als ursprünglichen Anteilsinhaber der H-GMBH.
73
Dem von der Klägerseite angeführten BFH-Urteil vom 14.11.1984 (I R 50/80 BStBl. II 1985, 227) lässt sich dabei nicht entnehmen, dass bei der Bewertung der Einlage auf den Zeitpunkt der einseitig bindenden Verpflichtungserklärung und damit auf die Wertverhältnisse des Jahres 2006 abzustellen wäre. Dieses BFH-Urteil ist zu einer mit dem streitigen Sachverhalt nicht vergleichbaren Konstellation ergangen. Das Verpflichtungsgeschäft zur Übertragung wurde vom Übertragenden und vom Empfänger, also beiderseits abgeschlossen. Der Ansatz der Einlage scheiterte in dem BFH-Sachverhalt daran, dass der Übertragende noch gar nicht Gesellschafter war. Dies ist im Klagefall aber unstrittig.
74
5. Die Berechnung des Veräußerungsgewinns ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Sie beachtet § 3 Nr. 40 EStG und lässt auch sonst Fehler nicht erkennen.
75
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgründe vorliegt. Die Entscheidung folgt der gefertigten Rechtsprechung des BFH. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
76
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.