Titel:
Bewerbung eines Schwerbehinderten - Entschädigungsanspruch
Normenketten:
SGB IX § 165 S. 3
AGG § 15 Abs. 2, 7 Abs. 1, § 22
BGB § 253 Abs. 2
Leitsatz:
Der Sinn und Zweck der in § 165 S. 3 SGB IX geregelten Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers, einen (fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten) schwerbehinderten Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen, besteht darin, dass der schwerbehinderte Bewerber die Möglichkeit erhalten soll, den öffentlichen Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch von seiner Eignung überzeugen können (vgl. BAG vom 23.01.2020 - 8 AZR 484/18 NZA 2020,851, Rn. 48). (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bewerber, Schmerzensgeld, Behinderung, Personalrat, ausgeschriebene Stelle, Entgeltabrechnung, Entschädigung, Beleidigung
Vorinstanz:
ArbG Bamberg, Endurteil vom 05.08.2020 – 2 Ca 101/19
Rechtsmittelinstanz:
BAG Erfurt, Urteil vom 19.01.2023 – 8 AZR 437/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 52595
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 05.08.2020, Aktenzeichen: 2 Ca 101/19, wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Entschädigungsansprüche des schwerbehinderten Klägers wegen Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung vom 20.12.2018 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Verwaltungsfachangestellter Teamassistenz Bürgermeisteramt. (In weiteren Rechtsstreiten der Parteien ging es unter dem Aktenzeichen 5 Sa 418/20 ebenfalls um Entschädigungsansprüche des Klägers wegen der Nichtberücksichtigung der Bewerbung vom 20.12.2018 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Verwaltungsfachangestellter Teamassistenz Bürgermeisteramt. Im Verfahren 5 Sa 419/20 ging es um Entschädigungsansprüche wegen der Nichtberücksichtigung der Bewerbungen des Klägers vom 21.06.19 und 22.06.2019 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Angestellter im Bereich Kämmerei und Hauptamt).
2
Der Kläger war bei der Beklagten bereits aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags vom 29.06.2018 / 03.07.2018 spätestens ab 01.07.2018 als Vollbeschäftigter in der Kämmerei (Beitragswesen/Feuerwehrwesen) angestellt (wegen des Arbeitsvertrags vergleiche Anlage K 1, Bl. 19 der beigezogenen Akte 2 Ca 575/18 des Arbeitsgerichts Bamberg). Die Einstellung des Klägers erfolgte auf Grund eines Vorstellungsgesprächs am 15.05.2018, an dem der Kläger und für die Beklagte der Personalverantwortliche Herr K. und die Personalsachbearbeiterin Frau Ko. teilgenommen haben. Im Laufe des Arbeitsverhältnisses entwickelten sich rasch zahlreiche Unstimmigkeiten und Streitigkeiten zwischen den Parteien, die u.a. Gegenstand des zwischen den Parteien vor dem Arbeitsgericht Bamberg unter dem Az. 2 Ca 575/18 geführten Verfahrens waren. Die Parteien stritten u.a. darüber, ob Beginn des Arbeitsverhältnisses - wie im Arbeitsvertrag ausgewiesen - der 01.07.2018 war oder schon der 11.06.2018, weil der Kläger bereits - nach Vortrag der Beklagten im Rahmen eines vom Kläger selbst angebotenen unentgeltlichen Praktikums - am 11. und 12.06.2018 sowie vom 19. bis 29.06.2018 in der Dienststelle tätig war. Die Parteien stritten außerdem über die zutreffende Eingruppierung des Klägers. Während die Beklagte den Kläger nach der Entgeltgruppe E 6 TVöD-V vergütete, machte der Kläger geltend, dass ihm eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 8 im Rahmen des Vorstellungsgesprächs zugesagt worden sei, was die Beklagte in Abrede stellte. Vor diesem Hintergrund weigerte sich der Kläger, bei der Beklagten seine Kontodaten für die Entgeltabrechnung und Überweisung des Entgelts zur Verfügung zu stellen. Es entwickelte sich daher am 11.07.2018 ein E-Mail-Verkehr des Klägers mit Frau Ko. In diesem behauptete der Kläger u.a., dass ihm im Vorstellungsgespräch „E 8 und unbefristet“ in Aussicht gestellt worden sei, weshalb er im guten Glauben kostenfrei zur Probe gearbeitet habe. Frau Ko. stellte die behaupteten Zusagen in Abrede (wegen des E-Mail-Verkehrs wird auf die Anlagen B 4 und B 5, Bl. 186 ff der beigezogenen Akte 2 Ca 575/18, Bezug genommen). Die Parteien stritten außerdem über die leidensgerechte Beschäftigung des Klägers. Der Kläger weigerte sich aus gesundheitlichen Gründen, der Aufforderung der Beklagten Folge zu leisten, die Vorsitzende der Beklagten, Frau M…, am 13.07.2018 zu einer Bürgerversammlung zu begleiten und das Protokoll zu führen. Die Beklagte forderte den Kläger daher zu einer entsprechenden ärztlichen Bescheinigung auf (wegen des diesbezüglichen E-Mail-Verkehrs wird Bezug genommen auf die Anlage K 14, Bl. 70/71 der beigezogenen Akte 2 Ca 575/18). Der Kläger machte außerdem geltend, dass es die Beklagte versäumt habe, rechtzeitig einen höhenverstellbaren Tisch und Stuhl mit hoher Rückenlehne und Kopfstütze beim zuständigen Sozialversicherungsträger zu beantragen und dem Kläger zur Verfügung zu stellen. Der Kläger hatte diesen mit E-Mail vom 03.07.2018 bei Herrn K. unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung beantragt, Herr K. hat den Kläger mit E-Mail vom 08.07.2018 an dessen unmittelbaren Vorgesetzten Herrn Kr. verwiesen (wegen der E-Mails vgl. Anlage B 13, Bl. 342 f der beigezogenen Akte 2 Ca 575/18). Mit E-Mail vom 20.07.2018 teilte der Kläger Herrn K. schließlich mit, dass der Antrag auf Teilhabe bereits gestellt worden sei, monierte jedoch, dass er immer noch an einem Behelfsarbeitsplatz mit teilweise defektem Notebook und ohne Scanner arbeiten müsse. In dieser E-Mail machte der Kläger außerdem „…die 80 Stunden geltend, die ich nur im Vertrauen in den Erhalt der zugesicherten Leistung (E8, unbefristet) eingebracht habe“ (vgl. Anlage B 12, Bl. 338 der beigezogenen Akte 2 Ca 575/18). Streit bestand auch darüber, ob der Kläger am 16.07.2018 unentschuldigt nicht zu einem Personalgespräch erschienen ist sowie über den Umfang einer von der Beklagten zugesagten Stundengutschrift für drei freie Arbeitstage (die Beklagte hatte insoweit 23,24 Stunden gutgeschrieben, der Kläger stellte sich auf den Standpunkt, dass 25,30 Stunden gutzuschreiben seien, vergleiche den E-Mail-Verkehr zwischen dem Kläger und dem Personalverantwortlichen der Beklagten, Herrn K., vom 20.07.2018, Bl. 63 und 77 der beigezogenen Akte 2 Ca 575/18).
3
Am 23.07.2018 fand ein Personalgespräch mit dem Kläger in Anwesenheit der Vorsitzenden der Beklagten, Frau M…, dem Personalverantwortlichen, Herrn K., dem Vorgesetzten des Klägers, Herrn Kr., und dem Personalrat, Herrn L., statt. Inhalt und Verlauf des Personalgesprächs blieben streitig.
4
Mit Schreiben vom 31.07.2018 erklärte die Beklagte die Kündigung zum 13.08.2018 sowie mit Schreiben vom 12.09.2018 die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung zum 30.09.2018. Die Beklagte begründete die Kündigungen mit der Störung des Betriebsfriedens durch den Kläger. Zur Begründung führte sie die Weigerung des Klägers an, seine Kontodaten zum Zwecke der Gehaltsabrechnung mitzuteilen, die damit zusammenhängenden Äußerungen des Klägers im E-Mail-Verkehr mit Frau Ko. am 11.07.2018, die behaupteten wahrheitswidrigen Angaben des Klägers zur Zusicherung der Vergütung nach EG 8 und sein Verhalten während des Personalgesprächs am 23.07.2018 (insoweit hat die Beklagte dem Kläger vorgeworfen, er hätte im Personalgespräch wahrheitswidrig behauptet, Herr Kr. hätte behauptet, dass dem Kläger bereits ab 11.06.2018 Vergütungsansprüche zustünden und der Personalratsvorsitzende Li… hätte behauptet, dass die Tätigkeit des Klägers eine Vergütung nach EG 8 rechtfertige). Der Kläger habe den Betriebsfrieden mehrfach dadurch gestört, dass er Mitarbeitern unterschiedliche Information zugespielt habe und direkte Kommunikationswege ausgelassen habe.
5
Der Kläger erhob daraufhin mit Schriftsatz vom 10.08.2018, der Beklagten am 17.08.2018 zugestellt, vor dem Arbeitsgericht Bamberg unter dem Aktenzeichen 2 Ca 575/18 Kündigungsschutzklage. Ferner beantragte er die rückständige Vergütung seit 11.06.2018 auf Grundlage der EG 8 sowie Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,- € gemäß §§ 253 BGB, 15 Abs. 2 AGG.
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In der öffentlichen Sitzung vor dem Arbeitsgericht am 27.02.2019 schlossen die Parteien sodann folgenden Vergleich:
7
1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund ordentlicher betrieblich veranlasster Arbeitgeberkündigung vom 30.07.2018 mit Ablauf des 31.08.2018.
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2. Es besteht zwischen den Parteien Einigkeit, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungszeitpunkt bereits ordnungsgemäß abgerechnet wurde und der sich daraus ergebende Nettolohnanspruch des Klägers ausbezahlt wurde.
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3. Die Parteien halten Vorwürfe, die in der Person oder im Verhalten des Klägers begründet lagen oder die gegenüber der Beklagten erhoben wurden, nicht weiter aufrecht.
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4. Die Beklagte zahlt an den Kläger zur Abgeltung des Klageantrags Ziffer 13 aus dem Schriftsatz vom 30.11.2018 (ursprünglich Klageantrag Ziffer 8 aus der Klageschrift vom 10.08.2018) gemäß §§ 1, 7, 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung in Höhe von 3.017,56 €.
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5. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger eine Arbeitsbescheinigung gem. § 312 SGB III unter Berücksichtigung dieses Vergleiches zu erteilen und zu übersenden.
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6. Die Parteien bewahren über den Inhalt dieses Vergleichs - vorbehaltlich etwaiger behördlicher oder gesetzlicher Auskunftspflichten - Stillschweigen.
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7. Über diesen Vergleich hinaus bestehen zwischen den Parteien aus dem streitgegenständlichen Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung wechselseitig keine finanziellen Ansprüche mehr, unabhängig davon, ob solche derzeit bekannt oder unbekannt sind und auf welchem Rechtsgrund sie beruhen mögen. Unberührt bleiben etwaige Ansprüche des Klägers aus den Verfahren 2 Ca 101/19 und 2 Ca 766/18.
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8. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
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Gegenstand eines weiteren von den Parteien vor dem Arbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 2 Ca 766/18 geführten Rechtsstreits waren u.a. Entschädigungsansprüche des Klägers wegen Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung vom 24.08.2018 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Verwaltungsfachangestellter im Bauamt. Der Kläger stützte die Klage u.a. darauf, dass die Beklagte ihn entgegen § 165 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe. Die Beklagte hat in diesem Verfahren zur Begründung u.a. darauf verwiesen, dass sie den Kläger mit Schreiben vom 18.10.2018 für den 23.10.2018 zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe, der Kläger als einziger Bewerber ohne Angabe von Gründen nicht erschienen sei, weshalb das Stellenbesetzungsverfahren abgebrochen worden sei. Das Arbeitsgericht Bamberg hat die Klage mit Endurteil vom 13.02.2019 unter dem Aktenzeichen 2 Ca 766/18 abgewiesen. Da der Kläger vor Abfassung der Entscheidungsgründe einen Rechtsmittelverzicht erklärt hat, wurde beim Endurteil gemäß § 313 a Abs. 2 Satz 1 ZPO von der Darstellung des Tatbestands und der Entscheidungsgründe abgesehen (vgl. Bl. 154, 155/156 der beigezogenen Akte 2 Ca 766/18).
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Gegenstand dieses Verfahrens ist die Bewerbung des Klägers vom 20.12.2018 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle eines Verwaltungsfachangestellten als Teamassistenz Bürgermeisteramt (wegen des Inhalts der Stellenausschreibung wird auf Anlage B7, Bl. 171 d. A. Bezug genommen). In seiner E-Mail vom 20.12.2018 wies der Kläger ausdrücklich auf seinen Bewerbungsverfahrensanspruch sowie seine Schwerbehinderung hin (vgl. Anlage K 1, Bl. 6/7 d.A.).
17
Mit Schreiben der Beklagten vom 21.12.2018, dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 22.12.2018 zugestellt, wurde der Kläger zum Vorstellungsgespräch am 07.01.2019 um 15.00 Uhr eingeladen (wegen des Schreibens vom 21.12.2018 wird auf die Anlage B 10, Bl. 176 der Akte Bezug genommen).
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Mit E-Mail vom 03.01.2019 teilte der Kläger mit, dass er am 07.01.2019 verhindert sei und um einen neuen Termin bitte. Er beanstandete in der E-Mail außerdem die Sperrung seiner E-Mail-Accounts und wies auf seine Schwerbehinderung hin (wegen der E-Mail des Klägers vom 03.01.2019 wird auf die Anlage K 5, Bl. 15 der Akte Bezug genommen). Dem Kläger wurden daraufhin mit E-Mail der Beklagten vom 03.01.2019 als Ersatztermine entweder der 10.01.2019 um 10:00 Uhr oder der 11.01.2019 um 10:00 Uhr angeboten (vergleiche Anlage B 12, Bl. 179 der Akte).
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Der Kläger erhielt außerdem am 07.01.2019 eine E-Mail von Herrn K., in der dieser dem Kläger bestätigte, dass die bisherigen E-Mail-Adressen von der Beklagten gesperrt worden seien, weil der Kläger trotz mehrfachen Hinweises die Aufforderung missachtet habe, sämtliche Korrespondenz über die anwaltliche Vertretung zu führen und er Nachrichten mit sensiblem Inhalt an dafür unzuständige Mitarbeiter gerichtet habe (wegen der E-Mail vom 07.01.2019 vergleiche Anlage K 7, Bl. 16 der Akte).
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Mit E-Mail vom 08.01.2019 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er auch zu den angebotenen Terminen am 10. und 11.01.2019 nicht kommen könne, da er sich beim Joggen am 05.01.2019 verletzt habe und nicht laufen könne. Der E-Mail fügte er ein ärztliches Attest bei. Angaben zur voraussichtlichen Dauer der Verhinderung machte der Kläger nicht (wegen der E-Mail des Klägers vom 08.01.2019 vergleiche Anlage K 9, Bl. 17 der Akte).
21
Am 16.01.2019 versandte der Kläger an die Beklagte eine neuerliche E-Mail, in der er auf-grund der „…Diskriminierungen und weiterer ihm bekannt gewordener Tatsachen…“ als Entschädigung drei Monatsgehälter zu je 3.017,56 € gemäß § 15 Abs. 2 AGG i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB geltend macht (Anlage K 10, Bl. 19 der Akte). Nachdem der Kläger die Nachricht erhalten hatte, dass die E-Mail nicht zugestellt werden konnte (Anlage K 11, Bl. 19 der Akte), schrieb er unter einer neuen E-Mail-Adresse am 17.01.2019 eine weitere E-Mail, in der er die E-Mail-Adressen-Sperrungen beanstandete und als Entschädigung drei Monatsgehälter zu je 3.017,56 € gemäß § 15 Abs. 2 AGG i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB geltend machte (vgl. Anlage K 12, Bl. 19 der Akte).
22
Mit Schreiben vom 17.01.2019 machten die Prozessbevollmächtigten von Herrn K., Anspruch auf Widerruf und Unterlassung der vom Kläger im Verfahren 2 Ca 575/18 vorgebrachten Behauptung, dass Herr K. am 18.07.2018 zum Kläger gesagt habe: „Du Krüppel“ und, dass er Schwerbehinderte nicht leiden könne, geltend (wegen des Schreibens der Prozessbevollmächtigten von Herrn K. vom 17.01.2019 wird auf die Anlage K 13, Bl. 20 ff. der Akte Bezug genommen). Diesbezüglich ist ein Rechtsstreit zwischen Herrn K. als Kläger und dem hiesigen Kläger (als dortigen Beklagten) vor dem Arbeitsgericht Bamberg unter dem Aktenzeichen 5 Ca 149/19 anhängig.
23
Mit dem als formlosen Brief versandten Schreiben vom 07.02.2019 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Absage hinsichtlich seiner Bewerbung vom 20.12.2018 (vgl. Anlage K 17, Bl. 27 der Akte).
24
Mit seiner am 11.02.2019 bei Gericht eingegangenen Klage, die der Beklagten am 13.02.2019 zugestellt wurde, begehrt der Kläger die Feststellung, dass ihn in Anbetracht der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung vom 20.12.2018 ein Schmerzensgeldanspruch zustehe und dass die Beklagte zu verurteilen sei, dem Kläger dafür drei Bruttomonatslöhne zu je 3.017,56 € zu bezahlen.
25
Der Kläger stützt die Klage unter anderem darauf, dass die Einladungen zum Vorstellungsgespräch durch die Beklage nur pro forma erfolgt seien. Dies zeige sich daran, dass die Einladung zum Vorstellungsgespräch „umgehendst“ mit Postzustellungsurkunde erfolgt sei. Der Umstand, dass die bisherigen E-Mail-Adressen des Klägers bei der Beklagten blockiert gewesen seien und die E-Mail des Herrn K. vom 07.01.2019 würden bestätigen, dass eine mögliche Einstellung nie ernsthaft in Betracht gezogen worden sei. Hinzu komme, dass er auf seine E-Mail vom 08.01.2019 hin nichts mehr von der Beklagten gehört habe und ihm ein Änderungstermin nicht angeboten worden sei. Vielmehr habe der Kläger, als er dies mit E-Mail vom 16.01.2019 moniert habe, festgestellt, dass auch die aktuell noch verwendete E-Mail-Adresse ebenfalls blockiert/gesperrt worden sei.
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Der Kläger führt weiter aus, dass auch der „Drohbrief“ der Prozessbevollmächtigten des Herrn K. vom 17.01.2019 nur den Sinn und Zweck haben könne, den Kläger einzuschüchtern und ihn von seinem weiteren Vorhaben abzubringen, da andernfalls die Unterlassungsaufforderung, die bereits am 10.12.2018 im Verfahren 2 Ca 575/18 versucht worden sei, viel früher erfolgt wäre. Damit habe Herr K. vermutlich verhindern wollen, dass dieses zentrale Argument in den arbeitsgerichtlichen Verfahren Verwendung finden könne und zum anderen den Kläger auch privat unter Druck setzen, einschüchtern und von seinen Klagen und Bewerbungen abbringen wollen. Das halte der Kläger für unverschämt diskriminierend und zeige die Methoden auf, mit denen „dort“ gearbeitet werde. Der Kläger beanstandet außerdem, dass das Schreiben der Beklagten vom 21.12.2019 nicht von einer vertretungsberechtigten Person unterzeichnet worden sei, sondern vielmehr nur von Frau Ko. formlos unterschrieben sei. Dem Kläger sei von „Insidern“ mitgeteilt worden, dass gar keine Einstellung erfolgt sei. Mit dem (hier auch insgesamt) gezeigten Verhalten zeige die Beklagte auf, dass es nie auch nur ansatzweise beabsichtigt gewesen sei, dem Kläger eine echte Chance zu geben oder sich letztlich doch von ihm zu überzeugen, nachdem er unter den bekannten Voraussetzungen in seiner Zeit vom 11.06.2018 bis 30.07.2018 nie die tatsächliche Möglichkeit gehabt habe, sich zu beweisen und den Arbeitgeber von seiner kumulativen Eignung zu überzeugen. Die Beklagte sei daher verpflichtet, dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von drei Bruttomonatslöhnen auf Grundlage der Entgeltgruppe E 8 Stufe 3 zu bezahlen.
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Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
1. Es wird festgestellt, dass dem Kläger in Anbetracht der „Nichtberücksichtigung“ seiner Bewerbung vom 20.12.2018 als Angestellter im Bereich Teamassistenz Bürgermeisteramt ein Schmerzensgeldanspruch, insbesondere aus Art. 15 Abs. 2 AGG und/oder § 253 Abs. 2 BGB zusteht.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger dafür 3 Bruttomonatslöhne, E 8 Stufe 3 zu je 3.017,56 €, mithin 9.052,68 € zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, der Kläger hätte auf die zuletzt an ihn gerichtete Bitte, einen der beiden Termine zum Vorstellungsgespräch am 10.01.2019 oder 11.01.2019 zu bestätigen, inhaltlich nicht reagiert und keinen der beiden vorgeschlagenen Termine zum Vorstellungsgespräch wahrgenommen. Soweit der Kläger als Anlage K 9 eine E-Mail-Nachricht vom 08.01.2019 vorlege, sei festzustellen, dass diese E-Mail-Nachricht bei der Beklagten nicht eingegangen sei. Festzustellen sei jedoch Folgendes: Der Kläger habe sich mit der als Anlage K 8 vorgelegten E-Mail-Nachricht vom 08.01.2019 an die Beklagte gewendet, ohne inhaltlich auf die E-Mail-Nachricht der Beklagten vom 03.01.2019 zu reagieren. Die E-Mail vom 08.01.2019 sei bei der Beklagten zwar zunächst auch tatsächlich eingegangen. Der Kläger habe aber offensichtlich kurze Zeit später die als Anlage K 9 vorgelegte E-Mail abgesendet. Diese E-Mail-Nachricht sei jedoch deshalb nicht zugestellt worden, weil sie vom externen Exchange-Server der Beklagten als Spam bewertet worden und daher nicht in das Postfach der E-Mail-Adresse bewerbung@e…de zugestellt worden sei. Dies liege in dem Umstand begründet, dass der Kläger die von ihm als Anlage K 9 vorgelegte E-Mail insgesamt zehnmal innerhalb von zwei Minuten abgesendet hatte (fünfmal um 18:45 Uhr und fünfmal um 18:46 Uhr). Die vom Kläger als Anlage K 9 vorgelegte E-Mail-Nachricht sei der Beklagten mithin tatsächlich nicht zugegangen. Erst eine Rücksprache mit dem IT-Dienstleister habe ergeben, dass der Exchange-Server die E-Mail offensichtlich aufgrund des zehnmaligen Absendens durch den Kläger als Spam erkannt und nicht an das E-Mail-Postfach der Beklagten zugestellt habe.
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Die Beklagte hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die Klage unbegründet sei. Die Beklagte sei schon nicht verpflichtet gewesen, den Kläger während des rechtshängigen Kündigungsstreitverfahrens in dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Bamberg unter dem Aktenzeichen 2 Ca 575/18 zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, da im Zeitpunkt der Bewerbung des Klägers Ungewissheit über die Wirksamkeit der am 30.07.2018 gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Kündigung bestanden habe. Sie sei auch aus sonstigen Gründen nicht verpflichtet gewesen, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, da im Zeitpunkt der Bewerbung bereits festgestanden habe, dass der Kläger sich in seinem vorherigen Arbeitsverhältnis nicht bewährt habe. Ungeachtet dieser Umstände bestehe ein immaterieller Entschädigungsanspruch des Klägers aber vor allem deshalb nicht, weil der Kläger von der Beklagten tatsächlich zweimal unter Benennung von insgesamt drei Vorstellungsterminen zu Vorstellungsgesprächen eingeladen worden sei. Ein Diskriminierungstatbestand sei insoweit nicht gegeben, da die Beklagte ihrer sich aus Art. 33 Abs. 2 GG und § 165 S. 3 SGB IX ergebenden Verpflichtung nachgekommen sei. Jedenfalls sei die Geltung des Entschädigungsanspruchs rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB und ein Anspruch des Klägers insoweit ausgeschlossen. Die Beklagte führt aus, dass der Schutzzweck des § 165 S. 3 SGB IX darin bestehe, einem schwerbehinderten Bewerber einen Erstzugang zu einem Bewerbungsverfahren zu garantieren. Durch die Einladungspflicht öffentlicher Arbeitgeber solle gewährleistet werden, dass ein Bewerber die Gelegenheit zu einem persönlichen Gespräch erhalte, um über die bloße Papierform hinaus durch sein Auftreten und den erzielten Eindruck beim Arbeitgeber seine Einstellungschancen verbessern zu können. Dieses besonderen, vom Gesetzgeber in Wahrnehmung seines verfassungsrechtlichen Schutzauftrags vorgesehenen Schutzes bedürfe ein schwerbehinderter Mensch jedoch nicht, wenn er bereits die Möglichkeit gehabt habe, einen öffentlichen Arbeitgeber während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses von seinen Kenntnissen und Fähigkeiten, insbesondere aber seinen persönlichen und charakterlichen Eigenschaften zu überzeugen, ihm dies jedoch nicht gelungen sei, da er sich in dem Arbeitsverhältnis wegen mehrerer, den Betriebsfrieden störender Verhaltensweisen nicht bewährt habe. Dies müsse unabhängig davon gelten, ob ein Arbeitnehmer sich erneut auf seinen bisherigen Arbeitsplatz oder eine andere Stelle bewerbe. In diesem Fall eröffneten Art. 33 Abs. 2 GG und § 165 S. 3 SGB IX keine fortwährende Einladungsgarantie. Indem die Beklagte den Kläger jedoch tatsächlich mit Einladungsschreiben vom 21.12.2018 eingeladen habe, habe sie sich insoweit überobligatorisch verhalten. Eine etwaige Verpflichtung der Beklagten zur Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch habe die Beklagte erfüllt und zwar unabhängig davon, dass die vom Kläger als Anlage K 9 vorgelegte Nachricht tatsächlich als Spam habe nicht zugestellt werden können. Ein Bewerber habe keinen unbegrenzten Anspruch auf Einladungen zu einem Vorstellungsgespräch. Ein Bewerber habe, insbesondere dann, wenn er keine hinreichenden Gründe für seine Verhinderung benennt, keinen Anspruch auf eine zweite oder dritte Chance. Die Verhinderung eines Bewerbers könne insoweit nur dann beachtlich sein, wenn er aus einem von ihm nicht zu vertretenden wichtigen Grund an der Wahrnehmung des Termins verhindert sei. Einen solchen wichtigen Grund für seine Verhinderung habe aber der Kläger in seiner E-Mail-Nachricht vom 03.01.2019 nicht angegeben. Die Beklagte sei auf dieser Grundlage nicht einmal verpflichtet gewesen, dem Kläger überhaupt Ausweichtermine anzubieten. Indem sie dem Kläger gleichwohl Alternativen angeboten habe, habe sich die Beklagte abermals überobligatorisch verhalten. Zu einer weiteren Terminverschiebung sei die Beklagte selbst dann nicht verpflichtet gewesen, wenn ihr die E-Mail-Nachricht des Klägers vom 08.01.2019 (Anlage K 9) tatsächlich im Bewerbungs-Postfach zugegangen wäre. Der Beklagten sei es auf keinen Fall zumutbar gewesen, im Hinblick auf den erheblichen Organisationsaufwand des gesamten Bewerbungsverfahrens für den Kläger mehr als drei Termine vorzuhalten. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass aus der vorbezeichneten E-Mail des Klägers nicht einmal hervorgehe, wie lang seine Erkrankung, sofern sie tatsächlich vorgelegen haben sollte, noch andauern würde. Es sei dem Arbeitgeber nicht zumutbar, ein Bewerbungsverfahren unter Benachteiligung anderer Bewerber hinauszuzögern, wenn nicht einmal absehbar ist, wann ein erkrankter Bewerber wiedergenesen sei. Der Kläger sei zumindest verpflichtet gewesen, der Beklagten wenigstens mitzuteilen, wann mit einer Genesung zu rechnen ist und wann ein Vorstellungsgespräch in Betracht zu ziehen sei. Im Übrigen seien etwaige für eine Diskriminierung wegen Behinderung streitende Indizien iSd. § 22 AGG widerlegt, weil sich der Kläger im ursprünglich bestehenden Arbeitsverhältnis in charakterlicher und persönlicher Hinsicht nicht bewährt habe.
31
Die Beklagte ist außerdem der Ansicht, dass die Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs des Klägers rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 242 BGB sei. Die Bewerbung sei offensichtlich alleine in dem Bestreben erfolgt, einen Entschädigungsanspruch zu begründen. Im Rahmen des unter dem Aktenzeichen 2 Ca 575/18 geführten Kündigungsschutzrechtsstreits habe der Kläger im Schriftsatz vom 04.09.2018 auf Seite 8 unter anderem angegeben, seine Tätigkeit bei der Beklagten sei von Angst um Leib und Leben geprägt gewesen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger bei dem von ihm in höchstem Maße als Diskriminierten gerügten Arbeitsbedingungen, den vom ihm gegenüber der Beklagten erhobenen Mobbingvorwürfen und nicht zuletzt der im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beklagten empfundenen Angst um Leib und Leben mit ernsthaftem Interesse auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Teamassistenz beworben habe.
32
Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 05.08.2020 die Klage zum Teil als unzulässig, aber insgesamt als unbegründet zurückgewiesen.
33
Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, dass dem Kläger der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch weder gemäß § 15 Abs. 2 AGG noch gemäß § 823 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 GG i.V.m. § 253 Abs. 1 BGB bzw. § 253 Abs. 2 BGB zustünde.
34
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht u.a. ausgeführt:
35
Die Klage ist hinsichtlich beider Klageanträge unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch weder gemäß § 15 Abs. 2 AGG noch gem. § 823 BGB iVm Art. 2 Abs. 1, Art. 1 GG iVm. § 253 Abs. 1 BGB noch gemäß § 253 Abs. 2 BGB zu.
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1. Die Beklagte hat den Kläger im Zusammenhang mit der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung vom 27.03.2019 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Angestellter im Bauamt nicht wegen seiner Schwebehinderung gem. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 1 AGG benachteiligt, weshalb ein Entschädigungsanspruch (Schmerzensgeldanspruch) nach § 15 Abs. 2 AGG ausscheidet.
37
a) Der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger (vgl. BAG vom 16.05.2019 - 8 AZR 315/18 NZA 2019, 1419, Rn. 24 ff.) hat schon keine Umstände vorgebracht, aus denen sich Indizien iSd. § 22 AGG dafür ergeben, dass die Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung vom 27.03.2019 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Angestellter im Bauamt durch die Beklagte wegen der Schwerbehinderung des Klägers erfolgt ist. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ergibt sich ein solches Indiz nicht daraus, dass die Beklagte gegen ihre Pflicht als öffentlicher Arbeitgeber verstoßen hätte, den schwerbehinderten Kläger gem. § 165 S. 3 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
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aa) Zwar ist richtig, dass die Verletzung der nunmehr in § 165 S. 3 SGB IX geregelten Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, eine/n schwerbehinderten Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, grundsätzlich die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung begründet. Diese Pflichtverletzung ist nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein (vgl. etwa BAG vom 20.01.2016 - 8 AZR 194/14 NZA 2016, 681 Rn. 34 zu § 82 S.2 SGB IX a.F.)
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bb) Die Beklagte hat diese Pflicht jedoch nicht verletzt.
40
(1) Es ist unstreitig, dass die Beklagte mit Schreiben vom 21.12.2018 zu einem Vorstellungsgespräch für den 07.01.2019 eingeladen und dem Kläger nach dessen Absage zwei Ersatztermine am 10.01. und 11.01.2019 angeboten hat. Damit hat sie jedenfalls ihrer Pflicht Genüge getan. Sie war selbst dann nicht verpflichtet, dem Kläger einen vierten Termin anzubieten, wenn sie von der E-Mail vom 08.01.2019 Kenntnis erlangt hätte, in der der Kläger auch die angebotenen Ersatztermine abgesagt hat. Die Kammer folgt der Rechtsauffassung der Beklagten, dass diese jedenfalls vor dem Hintergrund, dass der Kläger den ersten Termin (07.01.2019) ohne Angabe von Gründen abgesagt hat und bei der Absage der angebotenen Ersatztermine nicht mitgeteilt hat, ab wann er wieder für Vorstellungsgespräche zur Verfügung steht, nicht gehalten war, einen weiteren Termin (auf ggf. ungewisse Zeit) freizuhalten.
41
(2) Die Kammer vermag der Rechtsansicht des Klägers nicht zu folgen, die Einladung sei nur „pro forma“ erfolgt. Zwar kann eine „abschreckende“ Einladung eines öffentlichen Arbeitgebers zu einem Vorstellungsgespräch ein Indiz iSd. § 22 AGG begründen, etwa wenn der Arbeitgeber dem schwerbehinderten Bewerber im Einladungsschreiben mitteilt, dass dessen Bewerbung nach der „Papierform“ nur eine geringe Erfolgsaussicht habe, weshalb der schwerbehinderte Bewerber mitteilen möge, ob er das Vorstellungsgespräch wahrnehmen wolle (vgl. zu einem solchen Fall LAG Baden-Württemberg vom 03.11.2014 - 1 Sa 13/14). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Weder das Einladungsschreiben vom 21.12.2018 noch die E-Mail der Beklagten vom 03.01.2019 enthalten entsprechende Anhaltspunkte, die auf eine bezweckte Abschreckung des Klägers hindeuten. Im Gegenteil spricht die Tatsache, dass die Beklagte dem Kläger auf seine Absage hin Ersatztermine angeboten hat, deutlich gegen eine bezweckte Abschreckung. Dass sich die Beklagte ggf. mit diesen Einladungen durch nachweislich rechtskonformes Verhalten auch gegen mögliche Entschädigungsansprüche des Klägers nach § 15 AGG absichern wollte, ist rechtlich nicht zu beanstanden und begründet kein Indiz iSd. § 22 AGG. Abweichendes folgt nicht daraus, dass die Beklagte das Einladungsschreiben bereits am 21.12.2019 und damit schon einen Tag nach Bewerbungseingang mit Postzustellungsurkunde versandt hat. Es ist weder zu beanstanden, wenn ein Einladungsschreiben möglichst frühzeitig verschickt wird, noch, wenn es gegen Zustellungsnachweis verschickt wird, zumal der Kläger in dem unter dem Az. 2 Ca 766/18 geführten, vorangegangenen Rechtsstreit den Zugang der von der Beklagten behaupteten Einladung zum Vorstellungsgespräch bestritten hatte. Auch die Tatsache, dass das Absageschreiben von 07.02.2019 „nur“ von Frau Ko. unterschrieben war, ist rechtlich bedeutungslos. Anhaltspunkte für eine „abschreckende“ Einladung ergeben sich auch nicht daraus, dass die Beklagte E-Mail-Adressen des Klägers blockiert hat. Die Beklagte hat mit dem Verweis auf die ausufernde E-Mail-Kommunikation des Klägers, die auch während der laufenden Rechtsstreite trotz entsprechender Bitte der Beklagten nicht über die jeweiligen Prozessvertreter geführt wurden, nachvollziehbar und ohne erkennbaren Zusammenhang mit der Schwerbehinderung des Klägers begründet. Und sie hat die unter geänderter E-Mail-Adresse eingegangene Bewerbung des Klägers nicht ignoriert, sondern darauf mit einer Einladung zum Vorstellungsgespräch reagiert und im weiteren Verlauf sogar mit dem Angebot von Ersatzterminen trotz ursprünglich nicht näher begründeter Absage durch den Kläger. Schließlich vermag auch die Unterlassungs- und Widerrufsaufforderung des Herrn K. im Schreiben vom 17.01.2019 nichts Abweichendes zu bewirken. Dieses erfolgte erst nach den Einladungen vom 21.12.2018 und vom 03.01.2019 und den darin angebotenen Termin zum Vorstellungsgespräch. Im Übrigen macht Herr K. die Unterlassungs- und Widerrufsansprüche im eigenen Namen geltend und handelt insoweit nicht für die Beklagte.
42
(3) Ein Indiz iSd. § 22 AGG ist im Übrigen auch dann nicht anzunehmen, wenn die Einladung nicht zu dem Zweck erfolgt ist, dem Kläger eine (echte) Chance auf Einstellung gewähren, sondern ausschließlich zu dem Zweck, sich gegen mögliche Entschädigungsansprüche abzusichern. Denn die Beklagte war vorliegend überhaupt nicht gem. § 165 S. 3 SGB IX verpflichtet, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.
43
(a) Der Sinn und Zweck der in § 165 S. 3 SGB IX geregelten Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers, einen (fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten) schwerbehinderten Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen, besteht darin, dass der schwerbehinderte Bewerber die Möglichkeit erhalten soll, den öffentlichen Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch von seiner Eignung überzeugen können (vgl. BAG vom 23.01.2020 - 8 AZR 484/18 NZA 2020,851, Rn. 48). Der Gesetzeszweck gebietet es nicht, einen schwerbehinderten Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen, mit dem bereits ein Arbeitsverhältnis bestand, das der Arbeitgeber noch während der sechsmonatigen Wartezeit („Probezeit“) des § 1 KSchG und des § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB IX gekündigt hat, weil er den Arbeitnehmer für persönlich ungeeignet befunden hat. Das gilt jedenfalls dann, wenn zwischen Beendigung des vormaligen Arbeitsverhältnisses und neu ausgeschriebener Stelle - wie vorliegend - ein Zeitraum von noch nicht einmal einem Jahr liegt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Wartezeit der beiderseitigen Überprüfung der Arbeitsvertragsparteien dient, ob sie das Arbeitsverhältnis über die Wartezeit hinaus fortsetzen wollen. In der Wartezeit besteht Kündigungsfreiheit auch des Arbeitgebers. Diese Freiheit ist durch Art. 12 GG durch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit i. S. von Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Die grundrechtliche Gewährleistung erstreckt sich auch auf das Interesse des Arbeitgebers, in seinem Unternehmen nur Mitarbeiter zu beschäftigen, die seinen Vorstellungen entsprechen. In der gesetzlichen Wartezeit unterliegt die Bildung der Meinung des Arbeitgebers, ob ein Arbeitnehmer seinen Vorstellungen entspricht, von Missbrauchsfällen abgesehen keiner Überprüfung nach objektiven Maßstäben. Kommt der Arbeitgeber bei dieser Prüfung zu einem negativen Ergebnis, kann er das Arbeitsverhältnis grundsätzlich frei kündigen, ohne auf entgegenstehende Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen zu müssen. Die während der Wartezeit grundsätzlich bestehende Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers ist das Gegengewicht zu dem im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes entstehenden materiellen Kündigungsschutz, der die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers nicht unerheblich beschneidet (vgl. BAG vom 12.09.2013 - 6 AZR 121/12 NZA 2013, 1412, Rn.24 mwN). Der Arbeitgeber hat in der Wartezeit das Recht, sich bei der Kündigungsentscheidung von seinem „Bauchgefühl“ leiten zu lassen. Bis zum Ablauf der Wartezeit kann sich der Arbeitgeber daher - außerhalb von Missbrauchs-, insbesondere Diskriminierungsfällen - frei von solchen Arbeitnehmern trennen, bei denen er während der Wartezeit den Eindruck gewonnen hat, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht sinnvoll ist (vgl. BAG vom 12.09.2013 - 6 AZR 121/12 NZA 2013, 1412, Rn.39). Das gilt im Grundsatz auch gegenüber schwerbehinderten Arbeitnehmern, da deren Sonderkündigungsschutz gem. § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB IX ebenfalls erst nach einer sechsmonatigen Wartezeit einsetzt. Macht aber der Arbeitgeber von seinem Kündigungsrecht in der Wartezeit Gebrauch, weil er den Eindruck gewonnen hat, dass der Betroffene nicht in den Betrieb (bzw. in die Dienststelle) „passt“, da er dem Betriebsklima abträglich und eine weitere Zusammenarbeit daher nicht sinnvoll ist, dann kann er nicht verpflichtet sein, diesen Arbeitnehmer alsbald nach der Kündigung wieder zu einem Vorstellungsgespräch einladen zu müssen. Die Nichteinladung beruht dann auf der vom Arbeitgeber in der Probezeit bereits festgestellten fehlenden persönlichen Eignung des Bewerbers. Sie verstößt nicht gegen § 165 SGB IX S. 3, zumal der schwerbehinderte Bewerber in diesen Fällen im Hinblick auf das in der Wartezeit gekündigte Arbeitsverhältnis nicht nur die Chance hatte, den Arbeitgeber im Vorstellungsgespräch von sich überzeugen, sondern sogar im Rahmen eines bereits begründeten Arbeitsverhältnisses (vgl. zur nicht bestehenden Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers zur Einladung eines persönlich ungeeigneten schwerbehinderten Bewerbers auch LAG Düsseldorf vom 27.06.2018 - 12 Sa 135/18, BeckRS 2018, 17460 Rn. 77).
44
(b) Vorliegend hat die Beklagte das mit dem Kläger (frühestens) zum 11.06.2018 begründete Arbeitsverhältnis während der Wartezeit wirksam mit Schreiben vom 30.07.2018 zum 31.08.2018 gekündigt (vgl. Ziff. 1 des gerichtlichen Vergleichs vom 27.02.2019 im Verfahren 2 Ca 575/18). Sie hat damit von ihrem Recht Gebraucht gemacht, ihrer Einschätzung folgend, dass eine Zusammenarbeit mit dem Kläger - unabhängig von der zu besetzenden Stelle - nicht sinnvoll ist, weil dieser auf Grund seiner Persönlichkeit nicht in die Dienststelle passt und seine Weiterbeschäftigung den Betriebsfrieden gefährdet, das Arbeitsverhältnis noch während der Wartezeit zu beenden. Dies beruhte nicht auf diskriminierenden Motiven. Die Gründe, die die Beklagte für diese Entscheidung nachvollziehbar angeführt hat, stehen nicht im Zusammenhang mit der Schwerbehinderung des Klägers. Es ist nachvollziehbar, dass die Beklagte während der Wartezeit zu der Einschätzung gelangt ist, dass auf Grund der Vielzahl der Streitigkeiten und Unstimmigkeiten, die in der kurzen Zeit des Arbeitsverhältnisses bereits aufgetreten sind, eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit im Betrieb (bzw. der Dienststelle) nicht zu erwarten steht. Es hat sich auch im Laufe dieses (und der anderen) Gerichtsverfahren gezeigt, dass es sich beim Kläger um eine sehr schwierige, äußerst bestimmend und fordernd auftretende Persönlichkeit handelt. Die Annahme diskriminierender Motive folgt auch nicht daraus, dass in Ziffer 4 des Vergleichs vom 27.02.2019 eine Entschädigungszahlung gem. § 15 Abs. 2 AGG vereinbart wurde. Damit wurde nicht „festgeschrieben“, dass sich die Beklagte diskriminierend verhalten hat. Dass dem nicht so war, ergibt sich schon aus Ziffer 3 des Vergleichs. Im Übrigen wurde die Entschädigung auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers an Stelle einer Abfindung vereinbart. Die Beklagte war auf Grund der Kündigung vom 30.07.2018 zum 31.08.2018 daher nicht den verpflichtet, den Kläger wenige Monate später zum Vorstellungsgespräch bzgl. der im Dezember 2018 ausgeschriebenen Stelle einzuladen.
45
2. Dem Kläger stehen wegen der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung vom 27.03.2019 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Verwaltungsfachangestellter Teamassistenz Bürgermeisteramt auch keine Entschädigungsansprüche (Schmerzensgeldansprüche) nach § 253 BGB zu. Dadurch wurde der Kläger weder in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht iSd. § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art.1 GG noch in einem sonstigen Recht iSd. § 253 Abs. 2 BGB verletzt.
46
a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht begründet kein Recht auf Einstellung. Es begründet lediglich einen Anspruch darauf, dass mit eingereichten Bewerbungen nicht in ehrverletzender Weise umgegangen wird. Die Beklagte ist mit der Bewerbung des Klägers jedoch nicht in ehrverletzender Weise umgegangen. Die E-Mails der Beklagten vom 29.03.2019 und vom 21.06.2019 weisen keinerlei ehrverletzenden Inhalt auf. Eine für den Schmerzensgeldanspruch zudem erforderliche schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers bzw. ein schweres Verschulden der Beklagten (vgl. etwa BAG vom 24.09.2009 - 8 AZR 636/08, NJW 2010, 554, 557) ist nicht ersichtlich.
47
b) Eine Verletzung sonstiger Rechte iSd. § 253 Abs. 2 BGB ist nicht ersichtlich. Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte hätte seinen aus Art. 33 Abs. 2 GG abgeleiteten Bewerbungsverfahrensanspruch verletzt, ist dies aus mehreren Gründen nicht geeignet, einen Entschädigungsanspruch nach § 253 Abs. 2 BGB zu begründen.
48
aa) Ein übergangener Bewerber kann zwar Schadensersatz wegen der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung verlangen, wenn ein Arbeitgeber, der bei seiner Auswahlentscheidung an die Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG gebunden ist, eine zu besetzende Stelle zu Unrecht an einen Konkurrenten vergibt, die bei ordnungsgemäßer Auswahl ihm hätte übertragen werden müssen, und der Bewerber es nicht unterlassen hat, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwehren. Der Schadensersatz ist jedoch nicht - wie vom Kläger beantragt - auf Erstattung eines Nichtvermögensschadens iSd. § 253 Abs. 2 BGB (Schmerzensgeld) gerichtet, sondern auf den Ersatz eines eingetretenen Vermögensschadens durch Geldersatz gem. §§ 249 Abs. 1 BGB, 251 Abs. 1 BGB (vgl. BAG vom 28.01.2020 - 9 AZR 91/19, NJW 2020, 1754, Rn. 28).
49
bb) Darüber hinaus hat die Beklagte den Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers nicht verletzt. Sie war nicht verpflichtet, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (vgl. entsprechend oben unter II 1 a bb der Gründe).
50
cc) Schließlich kommt hinzu, dass eine etwaige Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs allein nicht ausreichend ist, um eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers zu begründen. Das Verhalten des Arbeitgebers im Bewerbungsverfahren ist für den Schaden eines zurückgewiesenen Bewerbers nur ursächlich, wenn sich jede andere Besetzungsentscheidung des Arbeitgebers als rechtsfehlerhaft erwiesen hätte. Deshalb hat der zurückgewiesene Bewerber nur in den Fällen Anspruch auf Ersatz seines Schadens, in denen ihm anstelle des Konkurrenten das Amt hätte übertragen werden müssen. Die in diesem Zusammenhang erforderliche Reduktion des dem Arbeitgeber zustehenden Auswahlermessens auf null wiederum setzt voraus, dass der erfolglose Bewerber nach den in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien der bestqualifizierte Bewerber war. Dies ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
51
Das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 05.08.2020 ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 07.10.2020 zugestellt worden. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung vom 06.11.2020 ist beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 06.11.2020 eingegangen. Dem Kläger wurde mit am 05.12.2020 zugestellten Beschluss vom 02.12.2020 Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren bewilligt. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 09.12.2020 einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt und zugleich Berufung beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingelegt. Die Berufungsbegründungsschrift ging beim Landesarbeitsgericht Nürnberg innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 11.01.2021 ein.
52
Der Kläger begründet seine Berufung damit, dass das Arbeitsgericht fehlerhaft davon ausgegangen sei, dass es vorliegend entbehrlich gewesen sei, den Kläger zum Vorstellungsgespräch zu laden, da der Kläger der Beklagten bereits bekannt gewesen sei. Dabei verkenne das Arbeitsgericht, dass die gemäß Gesetzesentwurf der Bundesregierung geäußerte Problemstellung sowie das Ziel zur Schaffung eines inklusiven Arbeitsmarkts nach der dort geäußerten Erkenntnis mehr als nur Minimalanstrengungen erfordere. Vielmehr solle dem Schwerbehinderten so gut wie möglich und immer wieder, wo nicht von vornherein die fehlende Eignung ins Auge springe, die entsprechende Gelegenheit gegeben werden, durch einen entsprechenden persönlichen Auftritt zu überzeugen und auf diese Weise möglicherweise eine Anstellung zu erhalten, die ihm ansonsten verwehrt worden wäre, um auf diese Weise die schwerwiegende strukturelle Benachteiligung im Bewerbungsfeld auszugleichen. Aus diesem Grunde sei es nicht damit getan, dass der schwerbehinderte Bewerber überhaupt einmal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei, sondern er müsse jedes Mal wieder für jede angebotene Arbeitsstelle Gelegenheit erhalten, sich für diese zu empfehlen. Dieses Gebot dürfe nicht lediglich als Formalie betrachtet werden. Daher könne für einen Bewerber, der bereits in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe und daher sogar besser bekannt sei, nichts Anderes gelten, als dass auch dieser auf seine erneute Bewerbung hin einzuladen sei. Darüber hinaus wende das Arbeitsgericht die Vorschrift des § 165 Satz 3 SGB IX contra legem aus. Denn Satz 4 der Vorschrift enthalte unzweifelhaft eine Ausnahme zur Einladungsverpflichtung lediglich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehle. Von einer persönlichen Eignung, auf welche die Beklagte abstellen möchte, sei gerade nicht die Rede. Hätte das Arbeitsgericht § 165 Satz 3 SGB IX korrekt angewendet, hätte es auch ein Indiz im Sinne des § 22 AGG feststellen müssen.
53
Dem Kläger sei noch der Eingang seiner Bewerbung bestätigt worden und insoweit auch eine sachliche Prüfung seiner Bewerbung suggeriert worden. Die erfolgten Einladungen seien jedoch nur pro forma erfolgt. Dies ergebe sich aus dem Verhalten der Beklagten in den Verfahren 5 Sa 418/20 und 5 Sa 419/20. Um dieser Vermutung zu entgehen, hätte die Beklagte den Termin für das Vorstellungsgespräch nach der Sportverletzung des Klägers verschieben müssen. Zumindest hätte die Beklagte ein Nichtverschieben qualifiziert begründen müssen. Darüber hinaus habe der Kläger wiederholt, umfangreich und umfassend vorgetragen, dass die Beklagte ihn schon bei der erstmaligen Einstellung lediglich als Übergangslösung mit dem Ziel eingestellt habe, entsprechende Förderungsmöglichkeiten im Wege der Eingliederungshilfe zu nutzen und der Kläger von Anfang an in Bezug auf seine Behinderung benachteiligt worden sei, etwa, indem ihm kein geeigneter Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt worden sei und dieser auch so eingerichtet worden wäre, als dass ihm für zahlreiche Handgriffe unnötig weite Wege entstanden wären. Dabei hätte sich das gegenüber dem Kläger gezeigte diskriminierende Verhalten klar herausgestellt, in dessen Licht dann auch das spätere Verhalten der Beklagten in Bezug auf die hier gegenständliche Bewerbung, ebenso wie auf die weitere Bewerbung, hätte betrachtet werden müssen. Auch könne die dem Arbeitgeber zunächst gewährte Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis während der Probezeit „aus dem Bauch heraus“ zu kündigen, nicht die sich aus § 165 S. 3 SGB IX ergebende sich an den öffentlichen Arbeitgeber richtende Einladungspflicht obsolet werden lassen.
Unter Abänderung des am 5. August 2020 verkündeten Endurteils des Arbeitsgerichtes Bamberg wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger einen Betrag von 9.052,68 € zu bezahlen.
55
Die Beklagte beantragt,
Die Berufung zurückzuweisen.
56
Nach Ansicht der Beklagten bestehe keine Einladungspflicht, wenn sich ein Bewerber in einem zurückliegenden Arbeitsverhältnis nicht bewährt habe und den Arbeitgeber nicht von sich hat überzeugen können. In einem solchen Fall sei der vom Gesetzgeber zugrunde gelegte Sinn und Zweck der Einladungspflicht öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber nicht mehr realisierbar. Dies müsse erst recht dann gelten, wenn ein Arbeitnehmer sich vor allem persönlich ungeeignet für ein Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber erwiesen habe. Es sei auch entsprechend dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 27.06.2018 - 12 Sa 135/18 - nicht zu beanstanden, wenn persönlich ungeeignete schwerbehinderte Bewerber trotz fachlicher Eignung nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden würden. Auch unter Berücksichtigung des Wortlauts des § 165 Satz 4 SGB IX sei im Hinblick auf die Eignung des schwerbehinderten Bewerbers zu beachten, dass das Anforderungsprofil einer zu besetzenden Stelle persönliche Anforderungen an den Bewerber stellen könne, deren Fehlen den Bewerber auch ohne das Vorliegen diskriminierender Motive für die zu besetzende Stelle maßgeblich disqualifizieren würden. Bereits im Rahmen des zwischen den Parteien vormals bestehenden Arbeitsverhältnisses habe die Beklagte feststellen müssen, dass das Verhalten des Klägers in erheblichem Maße den Betriebsfrieden der Beklagten gefährde. Auf dieser Grundlage sei auch das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis während der Probezeit beendet worden.
57
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze und auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Das Landesarbeitsgericht hat die Verfahrensakten des Arbeitsgerichts Bamberg mit dem Aktenzeichen 2 Ca 575/18 beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe
58
Die statthafte Berufung (§ 64 Abs. 1, 2 b ArbGG) ist zulässig. Der Zulässigkeit der Berufung steht eine Versäumung der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist nach § 66 Abs. 1 ArbGG nicht entgegen, da dem Kläger gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Das durch die Bedürftigkeit begründete Unvermögen einer Partei, einen Rechtsanwalt mit der notwendigen Vertretung zur Vornahme der fristwahrenden Prozesshandlungen zu beauftragen, begründet eine unverschuldete Versäumung von Rechtsmittelfristen, wenn die Partei alles in ihren Kräften Stehende und ihr Zumutbare getan hat, um die Frist zu wahren. Demgemäß besteht ein Wiedereinsetzungsgrund nur dann, wenn die Partei ein vollständiges Gesuch um Prozesskostenhilfe innerhalb der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht anbringt (Zöller-Greger, ZPO, 33 Aufl., § 233 Rn. 23 ff). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Wiedereinsetzungsantrag und Berufungseinlegung erfolgten mit Schriftsatz vom 09.12.2020. Die Berufungsbegründung erfolgte innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 11.01.2021. Nach der Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat der Kläger damit die notwendigen Prozesshandlungen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 ZPO) nachgeholt.
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Die Berufung ist sachlich nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend die Klage abgewiesen. Es kann insoweit vollumfänglich auf die sehr ausführlichen und sorgfältigen Ausführungen im Ersturteil verwiesen werden und von einer rein wiederholenden Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind nur noch folgende ergänzende Ausführungen veranlasst:
60
1. Unzutreffend rügt der Berufungskläger, dass das Erstgericht die Vorschrift des § 165 S. 3 SGB IX contra legem angewendet habe, da § 165 S. 4 SGB IX unzweifelhaft eine Ausnahme zur Einladungsverpflichtung nur für den Fall der offensichtlichen fachlichen Nichteignung vorsehe.
61
Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollen schwerbehinderte Bewerber/innen durch das in § 82 Satz 2 SGB IX a.F. und § 165 S. 3 SGB IX genannte Vorstellungsgespräch die Möglichkeit erhalten, ihre Chancen im Auswahlverfahren zu verbessern. Sie sollen dadurch die Chance haben, den Arbeitgeber von ihrer Eignung zu überzeugen (siehe BAG, 23.01.2020 - 8 AZR 484/18 Rn. 48, juris). Dabei ist der Begriff der „Eignung“ als umfassendes Qualifikationsmerkmal zu verstehen, das die ganze Persönlichkeit des Bewerbers über rein fachliche Gesichtspunkte hinaus erfasst (zur Eignung im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG vgl. etwa Bundesverwaltungsgericht, 6. Februar 1975 - II C 68.73). Der Begriff „Eignung“ verweist ganz allgemein auf die Eigenschaften, welche die zu besetzende Stelle von dem Bewerber fordert. Hierzu gehören über die fachliche Eignung hinaus insbesondere die oftmals als „charakterliche Eignung“ bezeichnete Eignung und die gesundheitliche Eignung (Bundesverwaltungsgericht, 30.10.2018 - 1 WDS-VR 5.18 zitiert nach juris), aber auch sonstige körperliche und psychische Voraussetzungen, die Dienstfähigkeit sowie Umgangsform und sonstige Fähigkeiten im Umgang mit Menschen, z.B. mit Publikumsverkehr, sowie Führungskompetenzen, können - je nach dem Anforderungsprofil der zu besetzenden Stelle - dazu gehören. Stellen charakterliche Mängel eines Bewerbers ein offensichtliches Einstellungs- bzw. Besetzungshindernis dar, kann der vom Gesetzgeber mit § 82 S. 2 SGB IX a.F. bzw. § 165 S. 3 SGB IX n.F. verfolgte Zweck, dem schwerbehinderten Bewerber die Chance zu geben, den Arbeitgeber von seiner Eignung im weiteren Sinne zu überzeugen, von vornherein nicht erreicht werden. Die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch würde sich in einem solchen Fall als bloße Förmelei erweisen (so auch BAG vom 27.08.2020, 8 AZR 45/19 zitiert nach juris). § 165 S. 4 SGB IX ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Gesetzgeber weiterhin davon ausgeht, dass im Hinblick auf die Regelung des Art. 33 Abs. 2 GG lediglich dann, wenn die fachliche Eignung eines schwerbehinderten Bewerbers als Einstellungshemmnis in Betracht kommt, eine Einladung nur dann entbehrlich ist, wenn der Bewerber offensichtlich fachlich ungeeignet ist. An den weiteren Einstellungsvoraussetzungen, insbesondere einer persönlichen Eignung als Einstellungskriterium sollte durch § 165 S. 3 und 4 SGB IX nichts geändert werden, so dass der öffentliche Arbeitgeber auch dann nicht zu der Einladung eines schwerbehinderten Bewerbers verpflichtet ist, wenn dessen persönliche Eignung nicht gegeben ist, so wie im vorliegenden streitgegenständlichen Fall. Aufgrund des gesamten Sachverhalts war die Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger anlässlich seiner Bewerbung zu einem Bewerbungsgespräch einzuladen, denn eine solche Einladung wäre lediglich eine Förmelei gewesen. Zwischen beiden Parteien hatte schon bereits ein Arbeitsverhältnis bestanden, das noch während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG innerhalb von 6 Monaten durch die Beklagte gekündigt wurde. In dem Kündigungsrechtsstreit beim Arbeitsgericht Bamberg mit dem Aktenzeichen 2 Ca 575/18 hatte die Beklagte auch lediglich verhaltensbedingte Gründe vorgetragen und geltend gemacht, dass der Kläger mehrfach den Betriebsfrieden bei der Beklagten gestört habe (siehe hierzu u.a. Schriftsatz der Beklagten vom 04.10.2018, S. 14 ff. in dem Verfahren 2 Ca 575/18 beim Arbeitsgericht Bamberg, dort Bl. 165 ff. d.A.). Soweit der Kläger in seiner Berufung vorbringt, dass eine objektivierbare nachweisbare Ungeeignetheit seinerseits nicht vorläge, kann dem Kläger zwar zugestanden werden, dass ein Vorstellungsgespräch durchaus dem Bewerber auch die Möglichkeit geben soll, den Arbeitgeber auch von seiner persönlichen Eignung zu überzeugen und damit auch die Möglichkeit geben soll, eventuelle Fehleindrücke des Arbeitgebers zu entkräften. Der Arbeitgeber kann jedoch nicht nur bei Vorliegen objektivierter nachweisbarer persönlicher Ungeeignetheit des Bewerbers von einer Einladung zum Bewerbungsgespräch absehen, sondern auch, wenn sich seine subjektiven Vorstellungen so manifestiert haben, dass es ausgeschlossen ist, dass der Bewerber noch den Arbeitgeber von seiner persönlichen Geeignetheit überzeugen kann. Genauso liegt jedoch der Sachverhalt im streitgegenständlichen Fall, dies hat die Beklagte plausibel und nachvollziehbar vorgetragen. Die Beklagte hat sich in dem Kündigungsrechtsstreit beim Arbeitsgericht Bamberg mit dem Aktenzeichen 2 Ca 575/18 stets auf das zu beanstandende Verhalten des Klägers berufen und vorgetragen, dass der Kläger wiederholt den Betriebsfrieden massiv gestört habe (so unter anderem im Schriftsatz vom 04.10.2018, S. 14 ff. in den Verfahrensakten des Arbeitsgerichts Bamberg Bl. 165 ff. d.A.). Die persönliche Ungeeignetheit des Klägers wurde von der Beklagten auch mehrfach zum Ausdruck gebracht, so dass auch im Hinblick auf die zeitliche Nähe des gekündigten Arbeitsverhältnisses nach Auffassung der erkennenden Kammer es ausgeschlossen war, dass der Kläger die Beklagte in einem Vorstellungsgespräch auch von seiner persönlichen Eignung hätte überzeugen können. In diesem Fall war die Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Aufgrund des feststellbaren bereits manifestierten Eindrucks der persönlichen Ungeeignetheit des Klägers wäre die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch reine Förmelei. Diesen Eindruck teilt offensichtlich auch der Kläger, da er geltend gemacht hat, die durch die Beklagte erfolgten Einladungen zum Vorstellungsgespräch (Anlage B10 und B 12 Bl.110 u.113 d.A) seien nur pro forma durch die Beklagte erfolgt (u. a. in der E-Mail des Klägers 08.01.2019 Anlage B 13).
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Soweit der Kläger vorträgt, er sei von Anfang an in Bezug auf seine Schwerbehinderung benachteiligt worden, da er bei der erstmaligen Einstellung lediglich als Übergangslösung eingestellt wurde um Eingliederungshilfen zu nutzen, bleibt der Kläger hierzu nachvollziehbaren Sachvortrag schuldig und stellt lediglich eine solche Behauptung in den Raum. Im Übrigen scheidet eine Benachteiligung aus, da der Kläger eingestellt wurde. Eine Kausalität zwischen der vom Kläger behaupteten Benachteiligung einer „Einstellung als Übergangslösung“ und dem hier streitgegenständlichen Bewerbungsverfahren ist nicht feststellbar.
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Die Berufung des Klägers war als unbegründet zurückzuweisen.
64
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Revisionszulassung beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die erkennende Kammer misst der Frage, ob der Arbeitgeber sich in Bezug auf §§ 165 S. 4 SGB IX darauf berufen kann, dass er nicht verpflichtet gewesen ist, den schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, grundsätzliche Bedeutung zu.