Titel:
Umnutzung eines Grundstückes mit ehemaligem Brennereigebäude zu Wohnzwecken
Normenketten:
BauGB § 34, § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Nr. 7, Abs. 4
BayBauO Art. 71
Leitsätze:
1. Der Bebauungszusammenhang reicht so weit, wie eine tatsächlich vorhandene Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Ortsteil ist in Abgrenzung von einer Splittersiedlung jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organisch gewachsenen Siedlungsstruktur ist. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Entscheidung, ob ein Bebauungszusammenhang gegeben ist, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern auf Basis einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten berücksichtigenden Bewertung zu treffen; jedoch ist ein Grundstück regelmäßig nur dann dem Innenbereich zuzuordnen, wenn es an mindestens drei Seiten von Bebauung umgeben ist. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Begriff der Splittersiedlung meint eine zusammenhangslose oder unorganische Streubebauung zum einen durch Wohngebäude, aber auch sonstige, dem Aufenthalt von Menschen dienende Anlagen, wobei deren Entstehung auch durch die Ausuferung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils in den Außenbereich hinein zu befürchten sein kann, etwa wenn ein bereits im Zusammenhang bebauter Ortsteil durch Bebauung eines Zwischenraums zu einer vorhandenen Splittersiedlung erweitert würde. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verpflichtungsklagen auf Erteilung dreier Vorbescheide für drei Bauvarianten (abgewiesen), Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich: Die Entscheidung, ob ein Bebauungszusammenhang gegeben ist, ist nicht nach geografisch-mathematischen, Maßstäben, sondern auf Basis einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten berücksichtigenden Bewertung zu treffen, Kein Bebauungszusammenhang mehr für ca. 10.000m² großes, mit einer alten, räumlich etwa 80 m zur nächsten Wohnbebauung abgesetzten Schnapsbrennerei bebautes, nur von zwei Seiten mit Bebauung umgebenes, am Ortsrand liegendes Grundstück, Widerspruch zu den Darstellungen des Flächennutzungsplanes, Befürchtung der Entstehung und Verfestigung einer Splittersiedlung, Umnutzung, Vorbescheid, Wohnzwecke, Außenbereich, Innenbereich, Bebauungszusammenhang, Ortsteil, öffentliche Belange, Splittersiedlung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 52137
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Erteilung dreier Vorbescheide für drei von ihm zur Prüfung gestellten Varianten für die Umnutzung eines Grundstückes mit einem ehemaligen Brennereigebäude hin zu Wohnzwecken.
2
Der Kläger ist seit Juni 2017 Eigentümer des über 10.000 m² großen Grundstücks Flurnummer (FlNr.) … der Gemarkung … im Gebiet des Marktes … (* … …, … …*), welches sich südlich an die Straße … anschließt. Es ist in seinem östlichen Teil mit einem etwa 50 m langen und knapp 20 m breiten ehemaligen Brennereigebäude zur Herstellung von Kartoffelschnaps bebaut. Der vordere Gebäudeteil zur Straße hin ist stufenweise aufgebaut und hat eine metallische Verkleidung. Der hintere Gebäudeteil, die ehemalige Lagerhalle, ist in abgesetzter Bauweise gemauert errichtet und mit einem Vordach versehen. An der östlichen Grundstücksgrenze befindet sich eine ca. 3 m hohe Mauer. Für die Errichtung des Brennereigebäudes liegt eine Baugenehmigung des damaligen Landratsamtes … vom 21. Januar 1969 vor. Mit einem weiteren Bescheid des Landratsamtes … vom 10. März 1969 wurde einem Antrag auf „Genehmigung der Deckblätter über Änderung der Lage des Brennereigebäudes“ stattgegeben. Die Brennerei wird seit 2013 wegen auslaufender Subventionen nicht mehr betrieben. Von 2013 bis 2018 wurde das Gebäude als Lagerstätte für Maschinen der Brennereigenossen genutzt. Im Gebäudeinneren befinden sich neben den Produktionsräumen noch für das Betriebs- und Zollpersonal eingerichtete Räume, nämlich Büro, Aufenthaltsraum, Duschraum sowie eine Toilette. Im mittleren und im westlichen Teil ist das klägerische Grundstück im Wesentlichen unbebaut, im südlichen Abschnitt des mittleren Teils befindet sich ein kleinerer Weiher und im westlichen Teil ein weiterer, größerer Weiher. Zentral, von der Mitte leicht nach Osten versetzt ist eine etwa 3 m in den Boden eingelassene Grube aus Beton - ein ehemaliges Absetzbecken für die Brennerei - zu sehen, die mit Maschendrahtzaun umfriedet ist.
3
Das Vorhabengrundstück des Klägers schließt sich im Norden auf gut der Hälfte seiner Länge unmittelbar an die Straße … mit einem Parkstreifen an. Die verbleibende nordwestliche Hälfte der Grundstücksgrenze liegt nicht direkt an dieser Straße, sondern ist durch die bebauten Grundstücke FlNrn. …, … und … von ihr getrennt. An diese wiederum schließt sich westlich zunächst die Feuerwache und sodann die weitere Bebauung des inneren Gemeindegebiets an. Gegenüber dem Grundstück des Klägers und jenseits der Straße … befindet sich das sich etwa ähnlich in die Breite erstreckende Grundstück mit der FlNr. …, welches in dessen östlicher Hälfte aus einem unbebauten Acker besteht, die westliche Hälfte ist mit einem größeren Gebäudekomplex bebaut. Östlich der FlNr. … liegen mit Garagen bebauten Kleingrundstücke. Westlich der FlNr. … befindet sich auf der FlNr. … Wohnbebauung. Im Weiteren schließt sich an den beschriebenen Grundstückskomplex im Norden, Osten und Westen die Bebauung des inneren Ortsteils von … an. Südlich grenzt das Vorhabengrundstück an den Fluss …, an den sich weiter südlich Ackerfläche anschließt. Die südwestliche Grundstücksgrenze des Klägers liegt an einem schmalen Feldweg (FlNr. …*), jenseits dessen ebenfalls der … fließt. Noch weiter westlich schließt sich bis zur … Straße Ackerland an. Im Osten des Vorhabengrundstücks kommt das nur mit einer schmalen Flucht zur gemeinsamen Grundstücksgrenze mit einer Maschinenhalle inklusive Fahrsilo bebaute Grundstück FlNr. … zum Liegen; im Übrigen ist die FlNr. … unbebaut. Südlich an die FlNr. … schließt sich wiederum Ackerland an. Östlich davon liegt zunächst das unbebaute Grundstück FlNr. … und daran angrenzend die FlNr. …, welche mit einem Wohnhaus bebaut ist. Südlich und östlich des Wohnhauses befinden sich Grün- und Ackerflächen. Das gesamte beschriebene Gebiet einschließlich des Vorhabengrundstücks ist nicht Teil eines Bebauungsplanes.
4
BayernAtlas, Daten: Bay. Vermessungsverwaltung, EuroGeographics Der Kläger plant, sein Grundstück zu Wohnzwecken umzunutzen und hat hierfür bei dem Markt … am 6. Juni 2019 drei Anträge jeweils auf Erteilung eines Vorbescheides eingereicht, die sich auf drei unterschiedliche Varianten seines Vorhabens beziehen. Die Anträge wurden dem Landratsamt … mit Eingang dort am 25. Juli 2019 weitergeleitet.
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Im Begleitschreiben des Architekten des Klägers zum Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides für die „Umnutzung Gewerbe zu Wohnen“ in der Variante 1 (* …*), stellte dieser folgende Fragestellungen zur Beantwortung durch die Baugenehmigungsbehörde:
„Ist eine Änderung oder Nutzungsänderung des bestehenden Gewerbeobjekts hin zu einer Wohnnutzung (Errichtung mehrerer Wohnungen) wie im beiliegenden Plan dargestellt nach Art und Maß der baulichen Nutzung unter Berücksichtigung folgender Prämissen genehmigungsfähig?
- Die Umnutzung umfasst nur den Kopfbau des Gebäudes.
- Der hintere Lagerbereich bleibt Bestand.
- Die Stellplätze können auf dem Grundstück errichtet werden. Die genaue Position soll später im Bauantrag geklärt werden.
- Der Nachweis über die gesunden Wohnverhältnisse soll später im Bauantrag nachgewiesen werden.“
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In den eingereichten Bauvorlagen zur Variante 1 (s.u.) ist vorgesehen den südlichen, als Lager fungierenden Teil des bisherigen Brennereigebäudes unverändert zu belassen und nur den nördlichen Gebäudeabschnitt, der sich optisch leicht westlich versetzt an das Lagergebäude anschließt, zu einem Wohngebäude mit Erdgeschoss, erstem und zweitem Obergeschoss umzunutzen. Der äußere Zuschnitt des Gebäudes bleibt dabei im Wesentlichen unverändert. Als Wohnfläche sind etwa 430 m² angegeben, die Bruttogeschossfläche beträgt etwa 570 m².
Behördenakte …: Variante 1
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Der Markt … verweigerte mit Beschluss des Gemeinderats vom 23. Juli 2019 am selben Tag das gemeindliche Einvernehmen und führte zur Begründung aus, dass das Grundstück im Flächennutzungsplan als landwirtschaftlich genutzte Teilfläche, Wasserfläche bzw. Gewerbefläche dargestellt sei. Das Vorhaben beeinträchtige öffentliche Belange, da die geplante Wohnnutzung den Darstellungen des Flächennutzungs- und Landschaftsplans widerspreche. Eine Wohnnutzung sei im dortigen Bereich weder im geltenden Flächennutzungsplan noch im derzeit laufenden Verfahren zu dessen Neuaufstellung für die Zukunft beabsichtigt. Auf dem Baugrundstück befinde sich überdies ein Biotop.
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Mit Schreiben vom 19. Dezember 2019 teilte das Landratsamt … dem Kläger mit, für die Variante 1 (* …*) keinen positiven Vorbescheid erteilen zu können. Das Grundstück FlNr. … liege weder im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes noch innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, mithin im Außenbereich. Da es sich bei dem Vorhaben des Klägers nicht um ein nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiertes handele, könne es nur als sonstiges Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 BauGB genehmigungsfähig sein, was aber voraussetze, dass keine öffentlichen Belange beeinträchtigt würden. Im Flächennutzungsplan des Marktes …, auch im gerade in Aufstellung befindlichen neuen, sei die Fläche als „Grünfläche“ dargestellt, was einer Wohnnutzung widerspreche. Zudem habe der Markt … sein Einvernehmen nicht erteilt.
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Daraufhin wandte sich der unterdessen mandatierte Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 22. Januar 2020 an den Beklagten und teilte mit, dass der Kläger seinen Vorbescheidsantrag nicht zurücknehmen würde, da das Bauvorhaben genehmigungsfähig sei. Es liege entgegen der Auffassung des Beklagten nicht im Außenbereich, sondern im Innenbereich nach § 34 BauGB. Hinsichtlich der Fläche des ehemaligen Brennereigebäudes handele es sich angesichts der vorhandenen, zu berücksichtigenden Bebauung um einen Innenbereich. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die beiden vorhandenen Gewässer (Weiher) den Bebauungszusammenhang zur nächstgelegenen Bebauung nicht unterbrechen würden. Die verbleibende Baulücke zwischen dem Grundstück … … (FlNr. …*) und der ehemaligen Brennerei betrage 40 bis 45 m und nehme nicht derartige Dimensionen an, dass es sich um einen „Außenbereich im Innenbereich“ handeln würde und der Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit verloren ginge. Was die zulässige Art der baulichen Nutzung anbelange, sei die durch den Kläger geplante Wohnnutzung unproblematisch. Es handele sich wohl um ein faktisches Dorfgebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO, in dem Wohnnutzung nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein zulässig sei. Selbst wenn man eine sog. Gemengelange annehmen würde, wäre eine Wohnnutzung rechtmäßig. Auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung ergäben sich keine Probleme, da die Kubatur des bestehenden Gebäudes unverändert bliebe. Hilfsweise für den Fall, dass der Beklagte weiterhin an seiner Ablehnung festhalte, werde beantragt, dass der Beklagte ein Innenbereichsgrundstück unterstelle und auf dieser Basis die Vorbescheidsfrage beantworte.
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Mit Bescheid vom 20. Februar 2020 lehnte der Beklagte durch das Landratsamt … den Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides hinsichtlich der Umnutzung eines Gewerbes hin zur Wohnnutzung in der Variante 1 ab. Zur Begründung führte er aus, dass das Grundstück FlNr. … im Außenbereich liege. Das Brennereigebäude sei ein nur gelegentlich genutztes landwirtschaftliches Gebäude und diene nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen. Als solches nehme es nicht mehr am Bebauungszusammenhang des Ortsteils … teil und sei nicht prägend oder maßstabsbildend auf die Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung. Damit handele es sich um ein nicht privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB, das den Darstellungen des Flächennutzungsplanes widerspreche. In dessen noch gültiger Fassung sei das Gebäude der alten Brennerei als Gewerbefläche und die westlich angrenzende Fläche als landwirtschaftliche Talfläche bzw. Wasserfläche dargestellt. Im sich in Aufstellung befindlichen neuen Flächennutzungsplan sei die Fläche des geplanten Grundstücks als „Grünfläche, Fläche mit besonderer Bedeutung für Naturhaushalt und Landschaftsbild“ und im südlichen Bereich als grünordnerische Entwicklungsfläche dargestellt. Bei der Verwirklichung des geplanten Vorhabens als Einzelvorhaben wäre eine ungeordnete städtebauliche Entwicklung zu befürchten, da ein rechtserheblicher Bezugsfall geschaffen würde. Nachdem es sich bei dem Baugrundstück um einen potentiell größeren Bereich handele, solle dieser durch eine verbindliche Bauleitplanung geordnet werden.
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Für die Variante 2 (* …*) stellte der Kläger im Rahmen des Antrages auf die Erteilung eines Vorbescheides folgende Frage zur Prüfung durch den Beklagten:
„Ist das Vorbescheidsvorhaben (Wohnbebauung) wie im beiliegenden Plan dargestellt nach Art und Maß der baulichen Nutzung genehmigungsfähig?“
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In den zur Variante 2 eingereichten Bauvorlagen (s.u.) ist vorgesehen das alte Brennereigebäude abzureißen und im vorderen, an die Straße … angrenzenden Grundstücksteil dreimal zwei leicht versetzte aneinander und hintereinander gebaute Häuser zu errichten. Die drei Häusergruppen weisen untereinander einen Abstand von 17,3 m und 13,5 m auf. Geplant sind jeweils zwei Vollgeschosse plus ein Dachgeschoss, womit sich eine Gesamtwohnfläche von etwa 2.310 m² ergibt.
Behördenakte …: Variante 2
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Der Markt … verweigerte nach Beschluss des Gemeinderats vom 11. Juli 2019 am 23. Juli 2019 das gemeindliche Einvernehmen und führte zur Begründung über das bereits zur Variante 1 Gesagte aus, dass aus Sicht der Verwaltung aufgrund des Umfangs der geplanten Bebauung ein Bebauungsplanverfahren notwendig sei.
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Mit Schreiben vom 19. Dezember 2019 teilte das Landratsamt … dem Kläger mit, für die Variante 2 (* …*) keinen positiven Vorbescheid erteilen zu können. Über das bereits für die Variante 1 Ausgeführte wies der Beklagte darauf hin, dass es sich bei der geplanten Bebauung um einen potentiell größeren Vorhabensumfang handele und damit die Entstehung einer Splittersiedlung im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB drohe.
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Daraufhin wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 22. Januar 2020 an den Beklagten und teilte mit, dass der Kläger seinen Vorbescheidsantrag nicht zurücknehmen würde, da das Bauvorhaben genehmigungsfähig sei. Über das bereits zur Variante 1 Ausgeführte trug der Klägerbevollmächtigte vor, dass sich hinsichtlich der Grundfläche der geplanten Gebäude das Vorbescheids-Vorhaben im Rahmen des Maßes der Umgebungsbebauung halte, da die geplanten Wohnhäuser jeweils für sich betrachtet jedenfalls die Grundflächen der angrenzenden Gewerbe- und Landwirtschaftsgebäude nicht überstiegen. Auch hinsichtlich der Geschosszahl und der Gebäudehöhe dürfte sich das Vorhaben in die nähere Umgebung einfügen. Und schließlich ergebe sich auch hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksflächen kein Problem. Hilfsweise für den Fall, dass der Beklagte weiterhin an seiner Ablehnung festhalte, werde beantragt, dass der Beklagte ein Innenbereichsgrundstück unterstelle und auf dieser Basis die Vorbescheidsfrage beantworte.
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Mit Bescheid vom 20. Februar 2020 lehnte der Beklagte durch das Landratsamt … die Erteilung eines Vorbescheides für das Bauvorhaben einer straßenbegleitenden Wohnbebauung in der Variante 2 ab. Hinsichtlich der Bescheidsbegründung wird auf die Ausführungen des Beklagten im Verwaltungsverfahren zur Variante 2 verwiesen.
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Für die Variante 3 (* …*) stellte der Kläger im Rahmen des Antrages auf die Erteilung eines Vorbescheides folgende Frage zur Prüfung durch den Beklagten:
„Ist das Vorbescheidsvorhaben (Wohnbebauung) wie im beiliegenden Plan dargestellt nach Art und Maß der baulichen Nutzung, sowie nach der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, genehmigungsfähig?“
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In den zur Variante 3 eingereichten Bauvorlagen (s.u.) ist ebenfalls ein Abriss des alten Brennereigebäudes vorgesehen. Sodann sollen in zweiter Reihe, hinter der in Variante 2 vorgesehenen straßenbegleitenden Bebauung mit drei mal zwei aneinandergebauten Häusern (s.o.), in einer horizontalen, über dem südlichen Weiher liegenden Reihe vier Einzelhäuser errichtet werden, mit einem Abstand zueinander von 19,1 m bzw. 16,4 m bzw. 18,4 m. Für diese vier Häuser sind wiederum je zwei Vollgeschosse sowie ein Dachgeschoss geplant. Damit ergibt sich eine Wohnfläche von 1.540 m².
Behördenakte …: Variante 3
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Der Markt … verweigerte mit Beschluss des Gemeinderats vom 11. Juli 2019 das gemeindliche Einvernehmen. Die Begründung geht nicht über das bereits zu den Varianten 1 und 2 Ausgeführte hinaus.
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Im Verwaltungsverfahren zur Variante 3 äußerte sich das Sachgebiet Natur- und Immissionsschutz und teilte mit, dass das beantragte Vorhaben aus naturschutzfachlicher und -rechtlicher Sicht abgelehnt werde. Es stelle einen Eingriff in Natur und Landschaft im Sinne des § 14 Abs. 1 BNatSchG dar. Die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts und das Landschaftsbild würden erheblich beeinträchtigt. Die geplante Wohnbebauung in zweiter Reihe würde weit in den Talraum des … reichen und es müsste in den hier vorhandenen ehemaligen Kühlweiher mit seiner Uferbegleitvegetation eingegriffen werden. Es käme zu einer massiven Versiegelung in einem bislang offenen Bereich. Diese Beeinträchtigungen seien nicht zu vermeiden und auch nicht in angemessener Frist auszugleichen oder zu ersetzen. Das geplante Vorhaben führe damit zu einer grundsätzlich verbotenen Zerstörung oder sonstigen erheblichen Beeinträchtigung einer nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG gesetzlich als Biotop geschützten natürlichen Uferbegleitvegetation.
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Mit Schreiben vom 19. Dezember 2019 teilte das Landratsamt … dem Kläger mit, für die Variante 3 (* …*) keinen positiven Vorbescheid erteilen zu können. Neben dem bereits zu den Varianten 1 und 2 Ausgeführten nahm das Landratsamt auch auf die Stellungnahme seines Sachgebietes Naturschutz Bezug.
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Daraufhin wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 22. Januar 2020 an den Beklagten und teilte mit, dass der Kläger seinen Vorbescheidsantrag nicht zurücknehmen würde, da das Bauvorhaben genehmigungsfähig sei. Über das bereits zu den Varianten 1 und 2 hinaus Gesagte führte der Klägerbevollmächtigte zu der überbaubaren Grundstücksfläche aus, dass hier eine rückwärtige Bebauung des Vorhabengrundstücks zulässig sei. Zwar lägen die westlich des Baugrundstücks befindlichen Gebäude in erster Reihe am …, andererseits habe das auf dem Vorhabengrundstück stehende alte Brennereigebäude eine Länge, welche die Bebaubarkeit der Baugrundstücke auch in zweiter Reihe rechtfertige. Auch von dem östlich an das Brennereigebäude anschließende landwirtschaftlich genutzte Gebäude lasse sich eine Bebauung in zweiter Reihe ableiten. Im Übrigen könne sich auch ein den vorgegebenen Rahmen überschreitendes Vorhaben in die Umgebung einfügen, wenn es in eine harmonische Beziehung zu der vorhandenen Bebauung trete und keine bodenrechtlich beachtlichen, ausgleichsbedürftigen Spannungen entstünden oder Unruhe in den entsprechenden Bereich hereingetragen werde. Hilfsweise für den Fall, dass der Beklagte weiterhin an seiner Ablehnung festhalte, werde beantragt, dass der Beklagte ein Innenbereichsgrundstück unterstelle und auf dieser Basis die Vorbescheidsfrage beantworte.
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Mit Bescheid vom 20. Februar 2020 lehnte der Beklagte durch das Landratsamt … die Erteilung eines Vorbescheides für das Bauvorhaben Wohnbebauung in zweiter Reihe in der Variante 3 ab. Hinsichtlich der Bescheidsbegründung wird auf die Ausführungen des Beklagten im Verwaltungsverfahren zur Variante 3 verwiesen.
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Gegen die drei ablehnenden Bescheide hinsichtlich der drei Varianten jeweils vom 20. Februar 2020 erhob der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 18. März 2020 Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach (Variante 1 = AN 17 K 20.00498, Variante 2 = AN 17 K 20.00499, Variante 3 = AN 17 K 20.00500). Hinsichtlich des verweigerten Einvernehmens des Marktes … führt er aus, dass man sich dessen Verhalten nur durch wirtschaftliche Interessen der Gemeinde, nicht aber bauplanungsrechtliche erklären könne. Der erste Bürgermeister habe in der Vergangenheit den Wunsch geäußert, das Grundstück vom Kläger anzukaufen, um es mit intensiver Wohnbebauung zu versehen. Dass der Markt … das Grundstück frei von Bebauung halten wolle, liege schon deshalb fern, weil bereits im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens aus dem Jahr 1969 das Vorhabengrundstück korrekterweise als Innenbereichsgrundstück eingeordnet worden sei. Hinsichtlich der Variante 1 wird über das bereits im Verwaltungsverfahren Geäußerte hinaus vorgetragen, dass das ehemalige Brennereigebäude entgegen der Ansicht des Beklagten sehr wohl eine prägende, maßstabsbildende Kraft aufweise. Die Nutzungsaufgabe der Brennerei zum Zwecke der alsbaldigen Aufnahme einer neuen Nutzung bewirke nicht, dass das Grundstück seine Innenbereichsqualität einbüße. Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das bereits durch die Klägerseite im Verwaltungsverfahren Vorgebrachte verwiesen. Ergänzend erläutert der Kläger persönlich, dass es ihm bei der Umnutzung des Brennereigrundstückes darum gehe, seinem in … wohnhaften Sohn, der nach … zurückkehren wolle, Bauland zu verschaffen.
- 1.
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Die drei Vorbescheide des Beklagten vom 20. Februar 2020, Az. …, … und … werden aufgehoben.
- 2.
-
Der Beklagte wird verpflichtet, die drei am 25. Juli 2019 eingegangenen Vorbescheidsanträge positiv zu verbescheiden.
26
Der Beklagte beantragt,
27
Zur Begründung führt er aus, dass das Grundstück FlNr. … nicht innerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils … liege. Dieser ende mit der westlich gelegenen Wohnbebauung auf Grundstück FlNr. … Das Brennereigebäude nehme am Bebauungszusammenhang des Ortsteiles nicht mehr teil und es entstehe insoweit auch nicht der Eindruck der Geschlossenheit des Ortsteiles. Die Brennerei sei nämlich abgesetzt vom Ortsrand errichtet worden, was seinerzeit wohl bewusst geschehen sei, um einen Abstand zum eigentlichen Ort herzustellen und unzumutbare Immissionen zu vermeiden. Für eine derartige abgesetzte Errichtung von Brennereien gebe es im Landkreis … mehrere Beispiele, etwa in … oder … Im Gegensatz zur sonstigen vorhandenen Bebauung wirke die Brennerei wie ein Fremdkörper und bilde zusammen mit der landwirtschaftlichen Halle einen eigenen Komplex, was noch durch die Tatsache verdeutlicht werde, dass im Westen und Osten große Grünflächen lägen und der Ort südlich des … nicht weiterentwickelt sei. Dieser städtebaulichen Situation habe der Markt … durch die Darstellung im Flächennutzungsplan Rechnung getragen. Im alten Flächennutzungsplan sei die Fläche der Brennerei als abgesetztes Gewerbegebiet dargestellt gewesen, im neuen genehmigten, jedoch noch nicht bekannt gemachten Flächennutzungsplan sei das Grundstück als „Grünfläche, Fläche mit besonderer Bedeutung für Naturhaushalt und Landschaftsbild“ ausgewiesen. Im Übrigen stünden gemäß § 35 Abs. 2 BauGB städtebauliche Belange einer Genehmigung entgegen, da mit der Genehmigung einer Wohnnutzung an dieser Stelle ein Bezugsfall geschaffen würde, der eine ungeordnete Entwicklung zur Folge haben könne. Aus städtebaulichen Aspekten sollte das Grundstück mit einer verbindlichen Bauleitplanung geordnet werden. Hinsichtlich der Variante 3 führt der Beklagte die bereits im diesbezüglichen ablehnenden Bescheid vom 20. Februar 2020 niedergelegten naturschutzrechtlichen Belange nochmals aus.
28
Das Gericht hat die Verfahren AN 17 K 20.00498, -00499 und -00500 in der mündlichen Verhandlung am 20. Juli 2021 durch Beschluss zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
29
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und die Gerichtsakte Bezug genommen. Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung samt Augenschein am 20. Juli 2021 wird auf die Sitzungsniederschrift und die gefertigten Lichtbilder Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die gemäß § 93 Satz 1 VwGO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen sind zulässig, jedoch unbegründet. Die Ablehnung der drei beantragten Vorbescheide durch den Beklagten durch drei Bescheide jeweils vom 20. Februar 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
31
Voraussetzung für einen Anspruch auf Erteilung eines Vorbescheides ist nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 71 Satz 4 BayBO, dass dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, deren Prüfung durch die Bauaufsichtsbehörde der Kläger im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens beantragt hat. Dies waren für alle drei beantragten Varianten jeweils die Art und das Maß der baulichen Nutzung, für Variante 3 zusätzlich die Frage der überbaubaren Grundstücksfläche, also jeweils Belange des Bauplanungsrechts der §§ 29 bis 36 BauGB.
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Ein Anspruch auf Erteilung eines Vorbescheides scheidet hinsichtlich der drei zur Prüfung gestellten Varianten aus, da sich das Vorhabengrundstück in Gänze im Außenbereich nach § 35 BauGB befindet, die Vorhaben jeweils keine privilegierten im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB sind und sie öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 2, Abs. 3 BauGB beeinträchtigen.
33
1. Das Vorhabengrundstück des Klägers mit der FlNr. … (Gemarkung …*) ist nicht mehr dem Innenbereich nach § 34 BauGB, sondern dem von § 35 BauGB erfassten Außenbereich zugehörig.
34
a) Der Innenbereich definiert sich nach § 34 Abs. 1 BauGB als im Zusammenhang bebauter Ortsteil. Der Bebauungszusammenhang reicht dabei soweit, wie eine tatsächlich vorhandene Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt (BayVGH, U.v. 31.10.2013 - 1 B 13.794 - juris Rn. 13), wobei das geplante Vorhaben, dessen Zulässigkeit zu bestimmen ist, außer Betracht bleibt (schon BVerwG, U.v. 6.12.1967 - IV C 94.66 - juris Rn. 27). Ein Ortsteil ist in Abgrenzung von einer Splittersiedlung jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organisch gewachsenen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, U.v. 30.6.2015 - 4 C 5.14 - NVwZ 2015, 1767 Rn. 11). Unter Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist die tatsächliche Bebauung zu verstehen, wobei die Gründe für deren Genehmigung unerheblich sind. Es muss sich aber um Bauwerke handeln, die optisch wahrnehmbar sind, ein gewisses Gewicht besitzen und die grundsätzlich dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Die Entscheidung, ob ein Bebauungszusammenhang gegeben ist, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern auf Basis einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten berücksichtigenden Bewertung zu treffen (BVerwG, B.v. 2.4.2007 - 4 B 7/07 - juris Rn. 5). Jedoch ist ein Grundstück regelmäßig nur dann dem Innenbereich zuzuordnen, wenn es an mindestens drei Seiten von Bebauung umgeben ist (BayVGH, B.v. 3.2.2014 - 1 ZB 12.468 - juris Rn. 3).
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b) Diesen Maßstab zugrunde gelegt, handelt es sich bei dem Vorhabengrundstück des Klägers nicht mehr um ein Innenbereichsgrundstück. Zunächst bilden das auf dem Vorhabengrundstück stehende, als solches nicht mehr betriebene Brennereigebäude und die auf dem östlichen Nachbargrundstück FlNr. … stehende landwirtschaftliche Maschinenhalle mit Fahrsilo nicht für sich genommen schon einen eigenen Ortsteil, weil sie allenfalls eine aus zwei Gebäuden bestehende Splittersiedlung sind, deren Anordnung eher zufällig erscheint und die keine gewachsene Siedlungsstruktur abbilden, noch dazu die landwirtschaftliche Maschinenhalle nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dient (vgl. VGH BW, U.v. 17.10.2003 - 3 S 2298/02 - juris Rn. 24 ff., der zwar keine Mindestzahl von Gebäuden fordert, jedoch vier Gebäuden in der Regel nicht das erforderliche Gewicht für einen Ortsteil zumisst).
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Das Grundstück des Klägers nimmt auch nicht am Bebauungszusammenhang der nächstgelegenen Bebauung des Ortsteils … teil und ist insbesondere keine bloße Baulücke. So ist es allenfalls von zwei Seiten von Bebauung umgeben, einerseits durch die auf der nordwestlich liegenden FlNr. … liegenden beiden Wohnhäuser, wobei das auf der FlNr. … liegende Trafohäuschen und die auf der FlNr. … befindliche alte, baufällige Halle mit Ablagerungen im Inneren mangels Eignung zum Aufenthalt von Menschen keine maßgebliche Bebauung in diesem Sinne darstellen. Andererseits durch die sich auf der östlich liegenden FlNr. … befindliche landwirtschaftliche Maschinenhalle mit Fahrsilo, wobei deren Gewicht einerseits dadurch gemindert wird, dass sie als gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiertes Gebäude auch im Außenbereich stehen dürfte und sie zum anderen nach Osten hin isoliert steht und ihrerseits wiederum nicht in einen weiteren Bebauungszusammenhang eingegliedert ist. Zwar können auch nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierte Vorhaben zur Entwicklung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles beitragen (BVerwG, U.v. 30.6.2015 - 4 C 5/14 - juris Rn. 14), jedoch ist dies nicht zwingend und hier aufgrund der isolierten Anordnung der Maschinenhalle auch nicht naheliegend. Nach Süden hin grenzt das Grundstück an den … bzw. überlappt ihn teils, sodann schließt sich die freie Landschaft an. Aber auch Richtung Norden in dem Grundstücksteil, der unmittelbar südlich an den … grenzt, fehlt die Anbindung an den Bebauungszusammenhang. Direkt gegenüber, jenseits des …, befindet sich nämlich ein mit Sonnenblumen bewachsenes, aber im Übrigen unbebautes Feld und daran östlich anschließend und etwa gegenüber dem alten Brennereigebäude situiert, eine Garagenanlage, die wiederum mangels Eignung zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen keine maßstabsbildende Kraft für den Bebauungszusammenhang aufweist. Schließlich deutet auch die schiere Größe des Vorhabengrundstücks mit 10.727 m² darauf hin, dass keine bloße Baulücke mehr angenommen werden kann, wenn davon auch etwa 1.000 m² mit der alten Brennerei bebaut sind (vgl. BayVGH, U.v. 16.6.2015 - 1 B 14.2772 - juris Rn. 21, der eine unbebaute Fläche von 3.300 m² für zu groß für eine Baulücke gehalten hat). Angesichts der Größe und Einbettung in die Umgebung ist das Grundstück des Klägers einer eigenständigen, gesonderten städtebaulichen Planung und Entwicklung fähig, was die Anwendung des § 34 BauGB ausschließt, weil dieser als planersetzende Norm voraussetzt, dass die bereits vorhandene Bebauung die unerlässlichen Grenzen für die Zulässigkeit des Vorhabens setzt (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger [EZBK], BauGB, 141. EL Februar 2021, § 34 Rn. 21). Die beiden Weiher - der eine am südlichen Rand des mittleren Grundstücksteils gelegen, der andere, größere in der südwestlichen Ausbuchtung - tragen keine abweichende Bewertung. Zwar können größere Freiflächen, die aufgrund ihrer natürlichen Gegebenheiten nicht bebaubar sind, wie etwa Flüsse, Seen oder Gräben, im Einzelfall unbeachtlich für die Bejahung eines Bebauungszusammenhangs sein. Allerdings bleibt maßgeblich, ob die aufeinander folgende Bebauung noch den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt, was hier nach dem oben Gesagten gerade nicht der Fall ist (Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 34 Rn. 9 m.w.N.). Eine bloße Baulücke lässt sich auch nicht lediglich für den nördlichen, unmittelbar an den … angrenzenden Grundstücksteil und damit zugunsten der Varianten 1 und 2 annehmen, denn auch hier beträgt der Abstand der westlichen Außenwand des alten Brennereigebäudes zur westlich nächstgelegenen Wohnbebauung auf der FlNr. … gemessen anhand des Katasterauszugs noch knapp 80 m. Dem korrespondiert der im Rahmen der Augenscheinnahme gewonnene Eindruck, dass das Brennereigebäude sowohl von der Straßenseite (* …*) als auch vom rückwärtigen Teil des Vorhabengrundstücks aus betrachtet deutlich abgesetzt wirkt. Dieser Eindruck ist auch insofern plausibel, als naheliegt, dass die von der übrigen Bebauung des Ortsteils abgesetzte Errichtung, wie sie nach dem unwidersprochenen Vortrag des Beklagten auch bei anderen Brennereien im Landkreis üblich sei, bewusst zum Schutze des Innenortes vor Immissionen geschah. Zudem kommt der Straße …, soweit sie in diesem Bereich bis auf das Brennereigebäude nur einseitig bebaut ist, trennende Wirkung nach Norden hin zu (OVG SH, B.v. 20.8.2015 - 1 LA 20/15 - KommJur 2016, 78). Die in östlicher Richtung vom Vorhabengrundstück etwa 170 m entfernt von der östlichen Außenwand der Brennerei auf der FlNr. … und etwa auf gleicher Höhe wie der Kopfteil der Brennerei liegenden Wohnbebauung vermag aufgrund der großen Entfernung das Vorhabengrundstück nicht in einen die gesamte südlich des Mittelwegs liegende Zeile umfassenden Bebauungszusammenhang einzugliedern.
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Nach alldem führt die vorzunehmende umfassende Bewertung des hier zu entscheidenden Sachverhaltes (BVerwG, B.v. 2.4.2007 - 4 B 7/07 - juris Rn. 5) nach Ansicht der Kammer dazu, dass das Vorhabengrundstück FlNr. … nicht mehr Teil des Bebauungszusammenhangs des Ortsteils … ist, weil es nicht mehr am Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnimmt. Deshalb beurteilt sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der zur Prüfung gestellten Vorhaben nach § 35 BauGB, der das Bauen im Außenbereich regelt.
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2. Bei den durch den Kläger im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens zur Prüfung gestellten Wohnbauvorhaben in drei Varianten handelt es sich sämtlich nicht um privilegierte Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB. Auch handelt es sich insbesondere hinsichtlich der Variante 1 nicht um ein begünstigtes Vorhaben nach § 35 Abs. 4 BauGB. Die Nr. 1 des § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB scheidet schon deshalb aus, weil nichts dafür spricht, dass die vor 2013 betriebene Schnapsbrennerei einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dient. Zwar liegt nahe, dass die zur Herstellung des Alkohols benötigten Kartoffeln von Landwirten als den ehemaligen Brennereigenossen angeliefert wurden, jedoch würde dies allein keine dienende Funktion begründen. Im Übrigen ist der Betrieb der Schnapsbrennerei seit 2013 eingestellt und wurde sie von 2013 - 2018 als Unterstellhalle für Maschinen genutzt, weshalb kein Gebäude im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB (§ 35 Abs. 4 Satz 1 Nr.1 BauGB) mehr vorliegt. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB erfasst nämlich nur die erstmalige Nutzungsänderung, nachfolgende Nutzungsänderungen unterfallen dann § 35 Abs. 2 BauGB (Söfker in Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, 52. Ed. 1.2.2020, § 35 Rn. 124). Die übrigen Nummern des § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB und die Voraussetzungen des Satzes 2 sind offensichtlich nicht einschlägig.
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Damit beurteilt sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der drei Varianten nach § 35 Abs. 2 BauGB als sogenannte sonstige Vorhaben.
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3. Alle drei im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens zur Prüfung gestellten Varianten beeinträchtigen öffentliche Belange gemäß § 35 Abs. 2, Abs. 3 BauGB und sind damit bauplanungsrechtlich unzulässig.
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a) Zunächst widersprechen sie allesamt den Darstellungen des Flächennutzungsplanes, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Der aktuelle Flächennutzungsplan des Marktes … in der Fassung vom 28. November 2019 - Ausfertigung am 2. Juli 2020, ortsübliche Bekanntmachung der Genehmigung des Landratsamtes … am 3. Juli 2020 (§ 6 Abs. 5 Sätze 1 und 2 BauGB) - sieht für das Vorhabengrundstück eine allgemeine Grünfläche sowie eine solche mit besonderer Bedeutung für Naturhaushalt und Ortsbild vor. Überdies sind für den Bereich der beiden Weiher sowie etwas nördlich über den kleineren Weiher hinausgehend und südlich des alten Brennereigebäudes vorgesehen: „Grünordnerische Maßnahmen im Siedlungsbereich anstreben, Grünverbindungen erhalten und entwickeln“. Die aktuelle Fassung des Flächennutzungsplanes war der Entscheidung über die Verpflichtungsklagen auch zugrunde zu legen, da maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt insofern die letzte mündliche Verhandlung ist (Lechner in Busse/Knaus, BayBO, 141. EL März 2021, Art. 68 Rn. 653).
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Mit der Festsetzung einer allgemeinen Grünfläche sowie einer Grünfläche mit besonderer Bedeutung für Naturhaushalt und Ortsbild für das gesamte Vorhabengrundstück hat der beigeladenen Markt … seine planerischen Vorstellungen derart konkretisiert, dass keine Wohnbebauung und -nutzung stattfinden soll. Der Festsetzung wohnt auch keine abgeschwächte Aussagekraft inne (BayVGH, U.v. 8.8.2019 - 2 B 19.457 - juris Rn. 25). Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der zusätzlichen Festsetzung der grünordnerischen Maßnahmen im „Siedlungsbereich“. Die Formulierung, dass grünordnerische Maßnahmen im Siedlungsbereich „angestrebt“ werden sollen, ist schwächer als die eindeutige Festsetzung der gesamten Fläche des Vorhabengrundstücks als Grünfläche mit besonderer Bedeutung für Naturhaushalt und Ortsbild und vermag diese als Grundsatzentscheidung nicht zu verdrängen. Das folgt zusätzlich als Umkehrschluss aus den im Flächennutzungsplan für Wohnbauflächen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 BauNVO), gemischte Bauflächen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 BauNVO) und weitere Flächen genutzten eindeutigen Kennzeichnungen - farblich rosa markierte Flächen mit einem „W“ für Wohnbauflächen und farblich braun unterlegte Flächen mit einem „M“ für gemischte Bauflächen -, mit denen das Vorhabengrundstück gerade nicht versehen ist.
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b) Darüber hinaus lassen die drei zur Prüfung gestellten Varianten die Verfestigung bzw. Entstehung einer Splittersiedlung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB befürchten, weil mit einer grundsätzlich unerwünschten Zersiedelung des Außenbereichs zu rechnen ist. Der Begriff der Splittersiedlung meint eine zusammenhangslose oder unorganische Streubebauung zum einen durch Wohngebäude, aber auch sonstige, dem Aufenthalt von Menschen dienende Anlagen (BayVGH, U.v. 8.8.2019 - 2 B 19.457 - juris Rn. 26; Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 35 Rn. 93). Deren Entstehung kann auch durch die Ausuferung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils in den Außenbereich hinein zu befürchten sein, etwa wenn ein bereits im Zusammenhang bebauter Ortsteil durch Bebauung eines Zwischenraums zu einer vorhandenen Splittersiedlung erweitert würde (BVerwG, B.v. 11.10.1999 - 4 B 77/99 - juris Os. 1 und Rn. 6). Auf die Anordnung der Gebäude kommt es dabei nicht an, auch eine äußerlich geordnete Anordnung hindert nicht die Annahme einer Splittersiedlung (Söfker in EZBK, BauGB, 141. EL Februar 2021, § 35 Rn. 104). Insbesondere der Aspekt der negativen Vorbildwirkung des Vorhabens spricht für eine Einleitung der Zersiedelung, wobei bereits die erste Errichtung eines Wohngebäudes oder die Umnutzung in ein Wohngebäude genügt (Söfker in EZBK, BauGB, 141. EL Februar 2021, § 35 Rn. 107 f.). Für den Tatbestand des Befürchtens einer Splittersiedlung reicht es aus, dass die Gründe, die dem Vorhaben entgegengehalten werden, an Überzeugungskraft einbüßen würden, wenn das jetzt beantragte Vorhaben nicht aus eben den Gründen versagt würde. Mit der Versagung der Genehmigung „soll bereits den Anfängen gewehrt werden“ (BVerwG, B.v. 8.4.2014 - 4 B 5.14 - juris Rn. 8).
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Hinsichtlich der Variante 1 - des geplanten Teilumbaus des Kopfes des alten Brennereigebäudes und der damit einhergehenden Umnutzung in ein Wohngebäude - ist nach den oben genannten Maßstäben die Verfestigung des aus dem Brennereigebäude bestehenden Siedlungssplitters zu befürchten (vgl. BVerwG, U.v. 14.4.2000 - 4 C 5/99 - NVwZ 2000, 1048, 1050 für den Umbau einer Bootshütte mit Aufenthaltsraum zu einem Wochenendhaus). Mit der Variante 1 hielte auf dem dem Außenbereich zuzuordnenden Vorhabengrundstück erstmals eine dauerhafte Wohnnutzung Einzug und brächte eine negative Vorbildwirkung für die Zulassung weiterer Wohngebäude, insbesondere im Rahmen einer an den … anschließenden straßenseitigen und mindestens zweireihigen Bebauung, die die Lücke bis zum westlichen Nachbargrundstück FlNr. … schließen würde, mit sich. Dies wiederum führte zu einem Ausufern des Innenbereichs bis wenigstens einschließlich des alten Brennereigebäudes, was § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB gerade verhindern soll und nur kann, wenn „den Anfängen [des Ausuferns] gewehrt [wird]“ (BVerwG, B.v. 8.4.2014 - 4 B 5.14 - juris Rn. 8).
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Die zur Prüfung gestellte Variante 2 - Abriss des alten Brennereigebäudes und straßenseitige Errichtung dreier aus je zwei versetzt hintereinander gebauten Häusern bestehender Häusergruppen - lässt die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten, weil mit und durch sie der im Zusammenhang bebaute Ortsteil unter Inanspruchnahme des Außenbereiches bis hin zur auf der östlich des Vorhabengrundstücks auf der FlNr. … liegenden landwirtschaftlichen Maschinenhalle verlängert würde. Auch würde die Verwirklichung der Variante 2 erneut eine negative Vorbildwirkung auslösen, da in Folge die Argumente gegen eine Bebauung in dritter Reihe, wie sie mit der Variante 3 angedacht ist, erheblich an Überzeugungskraft verlieren würden. Denn dann ließe sich argumentieren, dass das gesamte Vorhabengrundstück bis zur natürlichen Südgrenze des … in den Innenbereich einbezogen wird (vgl. BayVGH, B.v. 12.2.2019 - 15 ZB 18.255 - juris Rn. 7).
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Was die Variante 3 mit ihrer Bebauung in dritter Reihe hinter den drei Hausgruppen der Variante 2 und bis auf die Höhe des Nordufers des kleineren Weihers und an das Ostufer des größeren Weihers heranreichend anbelangt, so ließe auch ihre Realisierung die Zersiedelung des Außenbereichs befürchten, weil die vier vorgesehenen Einfamilienhäuser zusammenhangslos zur nächstgelegenen Wohnbebauung des Innenbereichs auf der FlNr. … mitten in den Außenbereich gesetzt würden. Die negative Vorbildwirkung ist offensichtlich, weil das Vorhabengrundstück so dem Außenbereich entzogen und die Tür für seine vollständige Bebauung weit geöffnet würde.
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Der Variante 3 steht im Übrigen, ohne dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankommt, der öffentliche Belang des Naturschutzes gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegen, weil die Bebauung in dritter Reihe in das Biotop „Auwald und Gewässer-Begleitgehölz am … bei …“ (Biotopteilflächen Nr. …*) hineinragt. Die nur für die Variante 3 im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens zur Prüfung gestellte Frage nach der zulässiger Weise überbaubaren Grundstücksfläche ist hinfällig, nachdem das Vorhaben bereits nach Art und Maß nicht zulässig ist. Im Übrigen ist anzumerken, dass sie selbst im Falle einer angenommenen Innenbereichslage so wie geplant nicht zulässig wäre, da sie mit der vorgesehenen Bebauung in dritter Reihe eine faktische Baugrenze überschreitet.
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4. Soweit der Kläger im Verwaltungsverfahren hilfsweise für den Fall, dass der Beklagte an seiner Ablehnung festhalte, beantragt hat, dass die Vorbescheidsfragen auf Basis eines unterstellten Innenbereichsgrundstücks zu beantworten sind, war darüber nicht zu entscheiden. Es liegt nämlich ein Außenbereichsgrundstück vor (s.o.) und weder der Beklagte noch das Verwaltungsgericht sind verpflichtet, abstrakte Rechtsgutachten zu nicht entscheidungserheblichen Fragen zu erstellen.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Dem Beigeladenen waren dessen Kosten nicht aus Billigkeitsgründen zu erstatten, da er keinen eigenen Antrag gestellt und sich somit nicht dem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO