Titel:
Verbesserungsbeitrag für eine Wasserversorgungsanlage
Normenketten:
GO Art. 21 Abs. 2, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1
KAG Art. 5 Abs. 1
Leitsatz:
Die nachträgliche technisch dauerhafte Verbindung rechtlich getrennter öffentlicher Wasserversorgungsanlagen verstößt gegen Art. 21 Abs. 2 GO und führt zur Nichtigkeit der Stammsatzung (WAS). (Rn. 31)
Schlagworte:
Verbesserungsbeitrag, Wasserversorgungsanlage, technisch selbständige Anlagen (verneint), nichtige Stammsatzung, Beitrag, technisch selbständige Anlage, Wasserversorgung, Stammsatzung
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 28.06.2017 – Au 6 K 16.1119
Fundstelle:
BeckRS 2021, 52012
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Klage richtet sich gegen die Heranziehung zu einem Verbesserungsbeitrag für eine Wasserversorgunganlage.
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Die Beklagte betreibt eine öffentliche Wasserversorgungsanlage, an die das im Eigentum des Klägers stehende Grundstück Flurnummer … der Gemarkung Stetten angeschlossen ist. Das Gebiet der Beklagten gliedert sich in die Ortsteile Stetten (ca. 1.100 Einwohner), Erisried (ca. 270 Einwohner), Gronau (ca. 30 Einwohner), Walchs (ca. 10 Einwohner) und Wipfel (ca. 40 Einwohner); das Grundstück des Klägers liegt im Ortsteil Stetten.
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Mit einer Satzung für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung der Gemeinde Stetten (Wasserabgabesatzung - WAS/1991) vom 31. Januar 1990, rückwirkend in Kraft getreten zum 1. April 1985, wurde die Vorgängersatzung vom 24. Januar 1980 außer Kraft gesetzt und eine Stammsatzung neu geschaffen. Nach § 1 WAS/1991 betreibt die Beklagte eine öffentliche Einrichtung zur Wasserversorgung für die Gebiete Stetten und Erisried/Gronau.
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Mit Änderungsatzung vom 25. November 1998 wurde der Geltungsbereich der WAS/1991 in § 1 dahingehend eingeschränkt, dass die Beklagte eine öffentliche Einrichtung zur Wasserversorgung nur noch für den Ortsteil Stetten betreibt. Mit einer weiteren Satzung vom selben Tag wurde eine gesonderte Satzung für die öffentliche Wasserversorgung der Gemeinde Stetten für die Ortsteile Erisried und Gronau erlassen und dazu die WAS/1991 für die Ortsteile Erisried und Gronau außer Kraft gesetzt. Zudem wurden je eine Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung der Gemeinde Stetten für den Ortsteil Stetten (BGS/WAS/Stetten) sowie für die Ortsteile Erisried und Gronau (BGS/WAS/Erisried) erlassen, welche im weiteren Verlauf wiederholt abgeändert wurden. Die Beklagte verfügt seither über getrennte Stammsowie Beitrags- und Gebührensatzungen.
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Bis zum Jahr 2004 bestanden für die Ortsteile Erisried und Gronau (im Folgenden: Wasserversorgungsanlage Erisried) einerseits und den Ortsteil Stetten andererseits jeweils zwei technisch getrennte Wasserversorgungsanlagen mit eigenen Brunnen bzw. Quellen, Hochbehältern und Leitungsnetzen. Die weiteren Ortsteile Wipfel und Walchs verfügten ebenfalls über eine selbständige (private) Wasserversorgungsanlage, organisierten sich im Jahr 2005 in einer privaten Wassergemeinschaft und schlossen ihr Ortsnetz im Jahr 2006 an den Hochbehälter Erisried an.
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In den Jahren 2000 und 2003 wurden jeweils Verbesserungsbeiträge für Maßnahmen an der Versorgungsanlage Erisried erhoben.
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Im Zuge von Erweiterungs- und Verbesserungsmaßnahmen im Jahr 2004 wurde eine Wasserversorgungsleitung von der Quelle Mariengrotte (Wassergenossenschaft Köngetried - Gemeinde Apfeltrach -, die am 17. September 2002 einen Wasserlieferungsvertrag mit der Beklagten geschlossen hatte) zum Hochbehälter der Wasserversorgungsanlage Stetten verlegt und eine Verbindung zum gleichzeitig neu errichteten Hochbehälter Erisried/Gronau der Wasserversorgungsanlage Erisried geschaffen. Am 19. April 2004 erließ der Gemeinderat der Beklagten eine Beitragssatzung für die Erweiterung und Verbesserung der Versorgungsanlage im Ortsteil Stetten (BS-VE/WAS/Stetten) sowie eine Änderungsatzung zur BGS/WAS/Stetten.
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Mit Vorauszahlungsbescheid vom 17. Juni 2004 erhob die Beklagte für das Grundstück des Klägers einen Verbesserungsbeitrag für die Wasserversorgungseinrichtung in Höhe von 2125,55 €.
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Im Oktober 2004 wurde die Versorgungsanlage Stetten an die neugeschaffene Leitung zur Quelle in Köngetried angeschlossen. Im November 2004 erfolgte die technische Verbindung der Versorgungsanlage Erisried an den neuen Hochbehälter Erisried/Gronau und die Leitung Köngetried-Stetten. Nach einem Aktenvermerk der Verwaltungsgemeinschaft Dirlewang im Auftrag der Beklagten vom 11. Oktober 2016 besteht zwischen der Hauptleitung Köngetried - Stetten und dem neuen Hochbehälter Erisried/Gronau seit 2004 eine feste Verbindungsleitung. Der Hochbehälter besitzt danach eine Doppelfunktion einerseits zur Wasserversorgung der Ortsteile Erisried und Gronau und andererseits als Reserve für die Notversorgung des Ortsteiles Stetten. Die Steuerung der beiden Hochbehälter in Stetten und Erisried/Gronau erfolgt zentral durch den Wasserwart der Beklagten. Die Wasserversorgungsanlagen Stetten und Erisried/Gronau seien danach „technisch miteinander verbunden“. Wenn der Tiefbrunnen der Versorgungsanlage Stetten zu wenig Wasser fördere, könne aus dem Hochbehälter in Erisried/Gronau das notwendige Wasser entnommen werden. Das Wasser aus der Quelle Köngetried fließe in der Regel zunächst in den Hochbehälter Erisried/Gronau und von dort ggf. weiter nach Stetten. Nur so könne verhindert werden, dass es zu Standwasser komme.
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Die Baumaßnahmen wurden im Jahr 2006 technisch fertig gestellt.
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Im Jahr 2007 wurde die Wasserversorgungsanlage Erisried mit allen Anlageteilen mit Wirkung zum 1. September 2007 auf eine neu gegründete privatrechtliche Genossenschaft übertragen. Nach dem Aktenvermerk der Verwaltungsgemeinschaft Dirlewang im Auftrag der Beklagten vom 11. Oktober 2016 war Anlass der „Privatisierung“, dass aufgrund der durchgeführten Baumaßnahmen die Wasserversorgungsanlagen Stetten und Erisried/Gronau technisch verbunden seien und somit nicht mehr als getrennte Wasserversorgungseinrichtungen hätten betrieben werden können. Ein Wasserlieferungsvertrag zwischen der Wasserversorgungsgenossenschaft Erisried eG und der Wassergenossenschaft Köngetried besteht nicht; die Wasserversorgungsgenossenschaft Erisried eG erwirbt das benötigte Wasser ggf. von der Beklagten.
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Mit Endabrechnungsbescheid vom 9. Februar 2009 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger den Erweiterung- und Verbesserungsbeitrag für die Wasserversorgungsanlage im Ortsteil Stetten auf 2125,55 € neu fest.
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Die gegen den Vorauszahlungsbescheid vom 17. Juni 2004 und den Endabrechnungsbescheid vom 9. Februar 2009 gerichteten Widersprüche wurden durch Widerspruchsbescheide vom 30. Juni 2016 zurückgewiesen.
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Zur Begründung seiner hiergegen gerichteten Klage führte der Kläger unter anderem aus, die Festsetzung einer Mehrwertsteuer in Höhe von 16% sei rechtswidrig. Darüber hinaus fehle es an einer wirksamen Beitragssatzung, da die BGS/WAS/Stetten vom 25. November 1998 lediglich für den Ortsteil Stetten gelte und damit eine nach Art. 21 Abs. 2 GO unzulässige Abschnittsbildung vorliege. Ein legitimer Grund für die rechtliche Trennung der ehemals einheitlichen Wasserversorgung im Jahr 1998 sei nicht ersichtlich. Darüber hinaus handle es sich aufgrund des Umfangs der Ausbaumaßnahmen (über 50% der Gesamtwasserversorgung) nicht um eine Verbesserung, sondern um die Herstellung einer neuen Wasserversorgung. Damit sei die Globalkalkulation der den Beitragsbescheiden zugrunde liegenden BGS/WAS vom 19.4.2004 fehlerhaft. Da die Herstellung einer neuen Wasserversorgungseinrichtung vorliege, hätte der gesamte Investitionsaufwand und nicht lediglich der Verbesserungsaufwand einbezogen werden müssen.
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Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 28. Juni 2017 stattgegeben und die angegriffenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass es für beide Bescheide an einer Rechtsgrundlage im Einklang mit Art. 5 KAG fehle. Die BS-VE/WAS/Stetten vom April 2004 sei nichtig, da jedenfalls die in § 6 normierten Beitragssätze den erforderlichen Investitionsaufwand mangels Berücksichtigung der Wassergäste erheblich und rechtswidrig überstiegen. Die Beitragssatzung sei unwirksam, da bei der Ermittlung des Beitragssatzes nur die Grundstücke und Geschossflächen im Ortsteil Stetten und nicht diejenigen in den Ortsteilen Erisried und Gronau herangezogen worden seien, obwohl die Vorteilslage dieselbe sei. Die mit der Schaffung einer dauerhaften Versorgungsleitung von der Quelle Mariengrotte verbundenen Vorteile kämen nicht nur dem Ortsteil Stetten, sondern auch den Ortsteilen Erisried, Gronau, Wipfel und Walchs zugute. Folglich hätten diese auch in der Kalkulation der Kosten Berücksichtigung finden müssen. Aus der Globalkalkulation der Beklagten und den auf ihrer Grundlage festgelegten Beitragssätzen folge eine Überdeckung von mindestens 20%, weil die Beklagte eine Kostenbeteiligung für Wassergäste der Ortsteilen Erisried/Gronau und Wipfel/Walchs nicht vorgesehen habe. Die Kosten der Wasserlieferungen an Wassergäste stellten keinen umlagefähigen Aufwand dar, da ihnen kein Vorteil der beitragspflichtigen Grundstückseigentümer gegenüberstehe. Die auf die Wassergäste entfallenden Kosten seien von der Beklagten nicht aufwandsmindernd berücksichtigt worden. Im Hinblick auf die Höhe der Kostenbeteiligung wäre nach Auffassung der Kammer eine Orientierung am durchschnittlichen Anteil des bezogenen Wassers notwendig, aber auch ausreichend gewesen. Da die Wassergäste nach den Angaben der Beklagten in den Jahren 2004- 2008 mindestens durchschnittlich 29% der geförderten Wassermenge bezogen hätten, wäre eine Kostenbeteiligung mindestens in diesem Umfang erforderlich gewesen. Aus der Gegenüberstellung der geplanten Investitionskosten und der nach Abzug der Kosten für die Wassergäste umlagefähigen Investitionskosten ergebe sich eine Kostenüberdeckung von 20,73%. Dieser Verstoß gegen das Kostendeckungsprinzip führe zur Nichtigkeit der Beitragssatzung. Auch die nach der Rechtsprechung des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs maßgebliche Grenze von bis zu 12% sei deutlich überschritten.
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Auf den gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts gerichteten Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Senat mit Beschluss vom 11. September 2018 die Berufung zugelassen.
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Zur Begründung ihrer auf die Aufhebung nur des Endabrechnungsbescheids vom 9. Februar 2009 im Umfang des Betrages von 1245,47 € beschränkten Berufung führt die Beklagte aus, das Urteil sei zwischenzeitlich unrichtig geworden, denn die Beklagte habe mit Wirkung zum 6. Dezember 2017 eine neue BGS/WAS/Stetten und eine neue BS-VE/WAS/Stetten in Kraft gesetzt. Dabei habe die Beklagte in den neu erstellten Globalkalkulationen den Bedenken des Verwaltungsgerichts hinsichtlich einer Überdeckung wegen Nichtberücksichtigung der Wassergäste umfassend Rechnung getragen und die Beitragssätze unter Berücksichtigung eines Umsatzsteuersatzes von 7% entsprechend angepasst. Mithin verfüge die Beklagte zwischenzeitlich über wirksames Satzungsrecht. Sie beantragt zuletzt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts in Ziffer II. dahingehend abzuändern, dass der Bescheid über den Erweiterung- und Verbesserungsbeitrag der Beklagten vom 9. Februar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 2016 nur insoweit aufgehoben wird, als ein 1.245,47 € übersteigender Beitrag festgesetzt wird.
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er hält das angegriffene Urteil weiterhin für zutreffend. Das nachgeschobene Satzungswerk könne den ursprünglich rechtswidrigen Bescheid nicht - auch nicht teilweise - heilen. Es bleibe der Beklagten vielmehr unbenommen, aufgrund der geänderten Satzungslage geänderte Bescheide zu erlassen, die den Kläger aber auch wieder in vollem Umfang in seine Rechte mit Widerspruchs- und Klagemöglichkeit einsetzten. Diese Rechte dürften dem Kläger nicht im Wege eines Berufungsverfahrens genommen werden. Im Übrigen würden die bereits erstinstanzlich geltend gemachten Einwendungen gegen die Richtigkeit des angegriffenen Bescheids aufrechterhalten.
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Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2021 hat der Bevollmächtigte des Klägers mitgeteilt, dass dieser am 27. Dezember 2020 verstorben sei, das Verfahren aufgrund der anwaltlichen Vertretung aber ohne Unterbrechung weitergeführt werden solle.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2021 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 2009 im Ergebnis zutreffend in vollem Umfang aufgehoben. Der Endabrechnungsbescheid vom 9. Februar 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30. Juni 2016 ist mangels einer wirksamen Rechtsgrundlage rechtswidrig und verletzt den/die Rechtsnachfolger des Klägers nicht in seinen/ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Obwohl der Kläger vor Abschluss des Berufungsverfahrens am 27. Dezember 2020 verstorben ist, war das Verfahren ohne Unterbrechung fortzusetzen. Wegen der Vertretung des Klägers durch einen nach § 67 Abs. 4 Sätze 3 und 7 i.V.m. Abs. 2 VwGO zugelassenen Prozessbevollmächtigten ist eine Unterbrechung des Verfahrens nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 239 Abs. 1 ZPO nicht eingetreten (§ 173 Satz 1 VwGO i. V.m. § 246 Abs. 1 Halbs. 1 ZPO); eine Aussetzung des Verfahrens (§ 246 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO) haben die Beteiligten nicht beantragt. Wegen der gesetzlich angeordneten Fortgeltung der Prozessvollmacht des Bevollmächtigten des Klägers (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 86 ZPO) war das Verfahren mit Wirkung für und gegen den oder die Rechtsnachfolger des verstorbenen Klägers fortzuführen (vgl. BVerwG, B.v. 24.9.2009 - 20 F 6/09 - juris Rn. 1 m.w.N.).
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2. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid vom 9. Februar 2009 hat sich durch den Tod des Klägers nicht erledigt; die Anfechtungsklage ist daher weiterhin zulässig. Der mit der Klage angegriffene Beitragsbescheid begründet keine höchstpersönliche, unlösbar mit der Person des verstorbenen Klägers verknüpfte öffentlich-rechtliche Verpflichtung, die mit seinem Tod erloschen wäre (vgl. OVG NW, U.v. 27.2.2013 - 13 A 2661/11 - juris Rn. 36; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 43 Rn. 210). Die festgesetzte Beitragspflicht beruht vielmehr auf dem Grundstückseigentum des Klägers (vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 KAG) und ist daher mit seinem Tod im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 Abs. 1 BGB) als Nachlassverbindlichkeit auf seine(n) Erben übergegangen (Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 1967 BGB).
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3. Der angegriffene Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheids ist jedoch rechtswidrig und verletzt den/die Rechtsnachfolger des Klägers daher in seinen/ihren Rechten; die Aufhebung des Bescheids durch das Verwaltungsgericht ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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a) Nach Art. 5 Abs. 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte durch den Erlass ihrer Beitragssatzung für die Erweiterung und Verbesserung der Wasserversorgungsanlage im Ortsteil Stetten vom 5. Dezember 2017 (BS-VE/WAS/Stetten) Gebrauch gemacht.
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b) Die BS-VE/WAS/Stetten ist jedoch keine taugliche Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid, weil bereits die maßgebliche Stammsatzung - die Wasserabgabesatzung der Beklagten für den Ortsteil Stetten vom 25. November 1998 (WAS/Stetten) - wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig ist und daher die Voraussetzungen für eine Erhebung von Verbesserungsbeiträgen nicht vorlagen.
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aa) Voraussetzung für den Erlass einer Verbesserungsbeitragssatzung ist, dass der Zugang zu einer Einrichtung öffentlich-rechtlich und auch das Benutzungsverhältnis durch eine so genannte Stamm- oder Benutzungssatzung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 der Gemeindeordnung (GO) geregelt ist. Denn nur wer auf ortsrechtlicher Grundlage das Recht hat, eine dem öffentlichen Recht unterstellte, also gewidmete Einrichtung in Anspruch zu nehmen, kann die Vorteile nutzen, die die Einrichtung bietet (vgl. BayVGH, U.v. 27.9.2018 - 20 N 17.1760 - juris Rn. 23, B.v. 15.1.2007 - 23 CS 06.3315 - juris Rn. 25; U.v. 19.2.2003 - 23 B 02.1109 - juris Rn. 24; U.v. 28.1.1999 - 23 B 97.1150 - juris Rn. 35; U.v. 10.11.1998 - 23 B 97.503 - juris Rn. 24; U.v. 4.3.1988 - 23 B 87.1700 - BeckRS 1988, 07872). Die hier maßgebliche Stammsatzung - die WAS/Stetten in der Fassung vom 25. November 1998 - ist aber deshalb nichtig, weil sie gegen die zwingende Bestimmung des Art. 21 Abs. 2 GO verstößt, wonach nur technisch selbständige Anlagen der Gemeinde, die demselben Zweck dienen, einzelne rechtlich selbständige Einrichtungen bilden können. Nach Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GO in der seit dem 1. April 1992 gültigen Fassung (vgl. GVBl. 1992, S. 26) hat die Gemeinde zwar ein echtes Wahlrecht, ob sie technisch selbständige Anlagen rechtlich getrennt oder als Einheit behandeln will (vgl. BayVGH, U.v. 2.10.2013 - 20 N 13.411 - juris Rn. 15 m.w.N.; Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Stand 02/2021, Art. 21 Rn. 30; Stepanek in BeckOK Kommunalrecht Bayern, Art. 21 GO Rn. 14). Das setzt aber voraus, dass mehrere technisch getrennte Anlagen vorhanden sind, die demselben Zweck dienen. Eine „technische Trennung“ liegt nur dann vor, wenn die betroffenen Anlagen ihren jeweiligen Zweck in tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich selbständig und ohne (nicht nur vorübergehende) gemeinsame Nutzung einzelner Anlagenteile erfüllen (vgl. Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO, Stand 02/2021, Art. 21 Rn. 30; Wachsmuth, PdK Bayern, Stand 06/2021, Art. 21 GO Nr. 5.1). Das ist hier jedenfalls seit 2004 nicht (mehr) der Fall.
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bb) Vorliegend hatte die Beklagte im Jahr 1998 die bis dahin in einer einheitlichen Wasserabgabesatzung geregelte öffentliche Wasserversorgungseinrichtung im Gemeindegebiet aufgrund technisch voneinander getrennter Versorgungsanlagen im Ortsteil Stetten einerseits und in den Ortsteilen Erisried/Gronau andererseits aufgeteilt: Seitdem existiert eine Stammsatzung für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung im Ortsteil Stetten (WAS/Stetten) und eine weitere Stammsatzung für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung in den Ortsteilen Erisried und Gronau (WAS/Erisried/Gronau). Unbeschadet der rechtlichen Zulässigkeit dieser getrennten Behandlung bei Erlass der Stammsatzungen am 25. November 1998 sind die beiden Wasserversorgungsanlagen Stetten und Erisried/Gronau nach Aktenlage und den Ausführungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung spätestens seit dem 4. November 2004 technisch miteinander verbunden. Wie die Beklagte mit Aktenvermerk vom 11. Oktober 2016 dargelegt hat, wurde der Bau einer Wasserversorgungsleitung von den Quellen in Köngetried bis zum Ortsteil Stetten (als Kernbestandteil der streitgegenständlichen Verbesserungsmaßnahme) deshalb favorisiert, weil dadurch auch die Notversorgung für den Ortsteil Erisried - der etwa auf halber Strecke des Leitungsverlaufs zwischen Köngetried und Stetten liegt - sichergestellt werden konnte. Die Wasserversorgungsleitung führt am neuerrichteten Hochbehälter Erisried vorbei und ist mit diesem fest verbunden. Der Hochbehälter Erisried erfüllt nach Aussage der Beklagten ausdrücklich eine Doppelfunktion einerseits zur Wasserversorgung der Ortsteile Erisried und Gronau und andererseits zur „Notversorgung“ des Ortsteils Stetten mit Lösch-, aber auch Trinkwasser, wenn aus dem vorhandenen Tiefbrunnen im Ortsteil Stetten zu wenig Wasser gefördert werden kann. Die Steuerung der beiden Hochbehälter in Stetten und Erisried erfolgt zentral durch den Wasserwart der Beklagten. Zudem hat die Beklagte die mit Wirkung zum 1. September 2007 erfolgte Übertragung der „Wasserversorgungsanlage Erisried/Gronau“ auf eine privatrechtliche Genossenschaft ausdrücklich damit begründet, dass aufgrund der durchgeführten Baumaßnahmen die beiden Wasserversorgungsanlagen Stetten und Erisried/Gronau „technisch miteinander verbunden“ seien. Zwischen dem aus Köngetried bezogenen Quellwasser und dem Hochbehälter Erisried besteht nach Darstellung der Beklagten ein ständiger Wasseraustausch, um die Entstehung von Standwasser zu verhindern. Schließlich ist das von der Quelle Köngetried bezogene Wasser nach einer Aufstellung der Beklagten und den unwidersprochenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zwischen 2004 und 2008 in erheblichem Umfang (das Verwaltungsgericht hat im Durchschnitt etwa ein Drittel der geförderten Wassermenge ermittelt) nicht der Wasserversorgungseinrichtung für den Ortsteil Stetten, sondern den anderen Ortsteilen der Beklagten zugute gekommen. Insofern bestehen keine Zweifel daran, dass die Wasserversorgungseinrichtungen im Gebiet der Beklagten in nicht nur vorübergehender Weise durch gemeinsam genutzte Anlagenteile - insbesondere die Versorgungsleitung Köngetried-Stetten, das Pumpwerk an der Quelle Köngetried und den Hochbehälter Erisried - miteinander verbunden sind und es sich daher nicht um „technisch selbständige“ Anlagen i.S.d. Art. 21 Abs. 2 GO handelt. Danach verstößt die der VE-BS/WAS/Stetten zugrunde liegende Stammsatzung WAS/Stetten, die ausdrücklich nur die Wasserversorgung im Ortsteil Stetten betrifft und die Wasserversorgungseinrichtungen der anderen Ortsteile der Beklagten ausklammert, gegen höherrangiges Recht und ist nichtig.
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cc) Hier handelt es sich auch nicht um den Fall einer Wasserversorgungsanlage, die unterschiedlichen Rechtsträgern zuzuordnen und deshalb vom Anwendungsbereich des Art. 21 Abs. 2 GO nicht umfasst wäre (vgl. dazu BayVGH, B.v. 2.7.2019 - 20 ZB 18.1040 - juris Rn. 4 m.w.N.). Insofern kann dahingestellt bleiben, ob die Übertragung der Wasserversorgungseinrichtungen der Ortsteile Erisried und Gronau mit allen Anlageteilen mit Wirkung zum 1. September 2007 auf eine neu gegründete privatrechtliche Genossenschaft vor dem Hintergrund des Art. 57 Abs. 2 Satz 1 GO und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur materiellen Privatisierung von Selbstverwaltungsangelegenheiten (vgl. BVerwG, U.v. 27.5.2009 - 8 C 10/08 - juris Rn. 29 ff.) überhaupt wirksam ist; jedenfalls erfolgte die Übertragung erst im Jahr 2007 und damit zeitlich erst nach Herstellung der technischen Verbindung zwischen den Wasserversorgungseinrichtungen Stetten und Erisried/Gronau im Jahr 2004. Im Zeitpunkt der beabsichtigten „Privatisierung“ der Anlage Erisried/Gronau lag somit bereits eine einheitliche Anlage der Beklagten i.S.d. Art. 21 Abs. 2 GO vor; die Stammsatzungen der bis 2004 getrennten Wasserversorgungseinrichtungen (WAS/Stetten und WAS/Erisried/Gronau) waren damit wegen Verstoßes gegen zwingendes Recht nichtig. Die danach erfolgte rechtliche Aufspaltung der technisch weiterhin einheitlichen Versorgungsanlage kann - unabhängig von ihrer Rechtswirksamkeit - nicht dazu führen, dass nichtiges Satzungsrecht wieder in Geltung erwächst, da anderenfalls der in Art. 21 Abs. 2 GO verankerte Grundsatz der einheitlichen Behandlung technisch unselbständiger Anlagen umgangen würde.
33
c) Da die Erhebung von Abgaben für leitungsgebundene öffentliche Einrichtungen ohne eine wirksame öffentlich-rechtliche Regelung des Zugangs zu dieser Einrichtung und deren Benutzung (Stammsatzung) unzulässig ist (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2007 - 23 CS 06.3315 - juris Rn. 25; U.v. 19.2.2003 - 23 B 02.1109 - juris Rn. 24; U.v. 28.1.1999 - 23 B 97.1150 - juris Rn. 35; U.v. 10.11.1998 - 23 B 97.503 - juris Rn. 24; U.v. 4.3.1988 - 23 B 87.1700 - BeckRS 1988, 07872), konnte die Beklagte keine wirksame Abgabesatzung für die Erhebung von Beiträgen für die Erweiterung und Verbesserung der Versorgungsanlage im Ortsteil Stetten erlassen. Der mit der Klage angegriffene Beitragsbescheid ist damit mangels wirksamer Rechtsgrundlage unwirksam und vom Verwaltungsgericht zu Recht in vollem Umfang aufgehoben worden.
34
Ob darüber hinaus der Beschrieb der Verbesserungsmaßnahmen in § 1 der VEBS/WAS/Stetten („Neubau einer Hauptleitung vom Pumpwerk Köngetried zum Hochbehälter Stetten; Neubau eines Pumpwerks in Köngetried mit anteiliger Installation; Sanierung des Hochbehälters Stetten“) den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen gerecht wird (vgl. dazu etwa BayVGH, U.v. 11.3.2010 - 20 B 09.1890 - juris Rn. 25; B.v. 7.5.2007 - 23 CS 07.833 - juris Rn. 6), erscheint in Ermangelung einer zum Gegenstand der Satzung gemachten Maßnahmenbeschreibung oder Kalkulation zwar zweifelhaft, bedarf nach dem Vorstehenden aber keiner Entscheidung mehr.
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4. Die Kosten der erfolglosen Berufung trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Beklagte.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.