Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 13.04.2021 – Ws 26/21
Titel:

Sofortige Beschwerde, Strafvollstreckungskammer, Sachverständigenberatung, Sachverständigengutachten, Gefährliche Körperverletzung, Vollstreckungsgericht, Sicherungsverwahrung, Unterbringung, Gesamtfreiheitsstrafe, Probewohnen, Kosten des Beschwerdeverfahrens, Bewährungsaussetzung, Kostenentscheidung, Beschwerdeführer, Lockerungsmaßnahmen, Aussetzungsverfahren, Führungsaufsicht, Legalprognose, Tateinheit, Sicherungsverwahrter

Schlagwort:
Sicherungsverwahrung
Vorinstanz:
LG Regensburg, Beschluss vom 03.12.2020 – SR StVK 361/20
Fundstellen:
StV 2022, 315
BeckRS 2021, 51598
LSK 2021, 51598

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Untergebrachten wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 03.12.2020 dahingehend abgeändert, dass seine mit Urteil des Landgerichts Regensburg vom 17.02.2003 (Az.: 2 KLs 138 Js 94129/02) angeordnete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung mit Wirkung zum 01.09.2021 zur Bewährung ausgesetzt wird. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen.
2. Die im Zusammenhang mit der Bewährungsaussetzung anfallenden Entscheidungen zur Führungsaufsicht und Ausgestaltung der Bewährung werden der Strafvollstreckungskammer übertragen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Untergebrachte. Die Gerichtsgebühr wird um die Hälfte ermäßigt. Die notwendigen Auslagen des Untergebrachten tragen der Untergebrachte und die Staatskasse je zur Hälfte.

Gründe

I.
1
1. Das Landgericht Regensburg hat mit Urteil vom 17.02.2003 (Az.: 2 KLs 138 Js 94129/02) unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Straubing vom 11.03.2002 in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Regensburg vom 16.07.2002 (5 Ds 134 Js 96002/01) den Beschwerdeführer wegen Vergewaltigung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit zwei rechtlich zusammentreffenden gefährlichen Körperverletzungen sowie in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, der versuchten Vergewaltigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit zwei rechtlich zusammentreffenden gefährlichen Körperverletzungen, der gefährlichen Körperverletzung sowie des sexuellen Missbrauches von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren 3 Monaten und einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren 9 Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
2
Hinsichtlich der dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalte und der Vorbelastungen des Untergebrachten wird auf Ziffer I. 1. und 2. des Beschlusses des Landgerichts Regensburg vom 03.12.2020 Bezug genommen.
3
Das urteilende Gericht ordnete sachverständig beraten aufgrund der seit dem Jugendalter eingeschliffenen, verfestigten und bis dato nicht zu beeinflussenden Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers und der deshalb in Zukunft zu erwartenden ähnlichen Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung der Opfer wegen der Gefährlichkeit des Untergebrachten für die Allgemeinheit die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an.
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Der Untergebrachte verbüßte die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen bis zum 09.11.2009 vollständig, seit 10.11.2009 wird die Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt Str. vollzogen.
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Der Beschwerdeführer befindet sich somit derzeit mehr als 11 Jahren in der Sicherungsverwahrung.
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Das Oberlandesgericht Nürnberg hat zuletzt mit Beschluss vom 16.01.2020 (Ws 914/19) die sofortige Beschwerde des Untergebrachten gegen die Nichtaussetzung und Nichterledigterklärung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung durch Beschluss des Landgerichts Regensburg vom 22.10.2019 als unbegründet verworfen. Auf beide Entscheidungen wird Bezug genommen. Der letztgenannten Entscheidung lag das externe forensisch-psychiatrische Gutachten des Sachverständigen Dr. T. W. vom 26.07.2019 zugrunde, wonach der Beschwerdeführer bedenkenlos geeignet erscheine, Lockerungen in Form von zunächst begleiteten, im weiteren Verlauf auch alleinigen zeitlich befristeten Ausgängen durchzuführen. Die Kammer sah sich daher in ihrer Entscheidung veranlasst, bei weiterem positiven Verlauf der Unterbringung die Einrichtung für Sicherungsverwahrte aufzufordern, nunmehr verstärkt weitere Lockerungen in Form begleiteter und dann unbegleiteter Ausgänge sowie gegebenenfalls Beurlaubungen zu gewähren.
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Der Sachverständige, so die Kammer im Vorbeschluss, habe deutlich gemacht, dass sich der Untergebrachte auf einem therapeutisch guten Weg befindet, für eine positive Legalprognose aber noch die Erprobung in weiteren Freiheitsgraden und die Gestaltung des sozialen Empfangsraums ausstehe.
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2. Die Strafvollstreckungskammer hat mit verfahrensgegenständlichem Beschluss vom 03.12.2020 abermals die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
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Zur Begründung hat sie sich auf die Stellungnahmen der Justizvollzugsanstalt vom 10.03.2020 und 03.09.2020 sowie das Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. T. W. vom 02.08.2020 gestützt.
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Es bestehe, so die Kammer, weiterhin die konkrete Gefahr, dass im Falle der sofortigen Entlassung ohne hinreichend ausgestalteten stabilisierenden sozialen Empfangsraum und ohne praktische Etablierung in stufenweisen Lockerungsmaßnahmen der Untergebrachte ohne ein stützendes Korsett schnell in alte Verhaltensmuster zurückfallen werde und daher drohe weiterhin die Begehung schwerer Sexual und Gewaltstraftaten im Sinne der Anlasstaten. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss vom 03.12.2020 Bezug genommen.
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Gegen diesen seinem Verteidiger am 22.12.2020 zugestellten Beschluss wendet sich der Untergebrachte mit seiner am 28.12.2020 eingegangenen sofortigen Beschwerde, die er mit Schriftsatz seines Verteidigers Rechtsanwalt Dr. A. vom 19.01.2021, eingegangen am selben Tage, im Wesentlichen damit begründet, der Sachverständige gehe von einer positiven Legalprognose aus, die Kammer verkenne die gesetzlichen Anforderungen, wenn sie die Ausführungen des Sachverständigen so interpretiere, dass dieser vom Wegfall der Rückfallgefahr nur vorbehaltlich der Einhaltung von entsprechenden Weisungen oder auch vorbehaltlich der Erprobung in Lockerungsstufen ausgehe. Tatsächlich habe der Sachverständige keine Bedingung bei der Bejahung der Entlassreife aufgestellt.
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Mit weiteren Schriftsätzen des Beschwerdeführers vom 01.03., 08.03., 09.03., 15.03., 21.03., 26.03.2021 und zuletzt vom 01.04.2021 sowie seines Verteidigers Rechtsanwalt Dr. A. vom 05.03.2021 wird die Verzögerung des Lockerungsprozedere als Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
14
Der Senat hat die ergänzende gutachterliche Stellungnahme der Dr. M. V. vom 26.01.2021 zu deren Lockerungsgutachten vom 04.10.2020 angefordert, zudem die Stellungnahme der Einrichtung für Sicherungsverwahrte der JVA Str. vom 12.02.2021 zum Verlauf des Lockerungsprozedere und die Entscheidung des Landgerichts Regensburg zum Antrag auf einstweilige Anordnung der Verpflichtung zur Gewährung des Probewohnens des Beschwerdeführers vom 09.02.2021.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 24.02.2021 zu den Ausführungen der JVA Str. vom 12.02.2021 ihren Antrag aufrechterhalten und angemerkt, ein Probewohnen stehe unmittelbar bevor.
II.
16
Die statthafte (§§ 454 Abs. 3, 463 Abs. 3 StPO) sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO).
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Sie hat in der Sache auch teilweise Erfolg, da entsprechend § 454 a Abs. 1 StPO, § 67 d Abs. 2 StGB die weitere Vollstreckung der Unterbringung nach Ablauf des zu gewährenden Probewohnens ab 01.09.2021 zur Bewährung auszusetzen ist. Eine Erledigterklärung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 67 d Abs. 3 Satz 2 StGB kommt derzeit nicht in Betracht.
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1. Es besteht noch die Gefahr, dass der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.
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a. Da die Unterbringung bereits mehr als 10 Jahre andauert, hängt die Fortdauer der Unterbringung nach § 67 d Abs. 3 StGB davon ab, ob eine hangbedingte Gefahr künftiger erheblicher Straftaten besteht, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Aufgrund der Ausführungen der Strafvollstreckungskammer im Beschluss vom 03.12.2020, die der Senat nach eigener Prüfung teilt, ist dies derzeit noch der Fall.
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b. Zwar führt der Sachverständigen Dr. T. W. in seinem Gutachten vom 02.08.2020 aus, dass nicht davon auszugehen sei, dass der Verwahrte weiterhin durch schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten in Erscheinung treten werde. Denn der Verwahrte habe zwischenzeitlich einen Therapieprozess durchlaufen und im Sinne der postdeliktischen Persönlichkeitsentwicklung insbesondere deutlich nachreifen können und die Persönlichkeitsstruktur habe sich im Vergleich zum Einweisungszustand weitgehend normalisiert. Die ersten Jahre seien gekennzeichnet durch Therapieverweigerung, Disziplinarmaßnahmen und insgesamt eher querulatorisches Verhalten. Erfreulicherweise habe der Proband dann allerdings eine Einstellungsänderung gegenüber der Sicherungsverwahrung erreichen können und sich zu einem Therapieprozess entschließen können. Diesen habe er zwischenzeitlich vollständig absolviert, nach den aktuellen Angaben des zuständigen Einzeltherapeuten auch mit Engagement und Erfolg. Positiv zu erwähnen sei der Umstand, dass der Untergebrachte im gesamten Unterbringungsverlauf nie durch gewalttätiges oder gar sexuell übergriffiges Verhalten aufgefallen sei. Die pathologische Persönlichkeitsstruktur sei bei ihm ausschlaggebend für die Delinquenz gewesen, die Normalisierung derselben spreche folglich für ein erheblich abnehmendes Risiko für entsprechende Straftaten. Der soziale Empfangsraum sei durch ihn ebenfalls ausführlich dargestellt und zusammenfassend gewertet worden. Er habe keine unrealistischen Ziele oder Vorstellungen, auch sei davon auszugehen, dass er in beruflicher Hinsicht für seinen Lebensunterhalt sorgen könne.
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c. Allerdings sieht der Sachverständige es als problematisch, dass der soziale Empfangsraum bislang noch nicht im Rahmen weiterreichender Lockerungsmaßnahmen habe erprobt werden können. Dies wäre seit 15.04.2020 möglich, durch die Corona-Pandemie allerdings aufgrund der Beschränkungen für die Einrichtung nicht umsetzbar gewesen. Trotz dieser misslichen Situation sei der Verwahrte mit dieser nachvollziehbaren Frustration adäquat umgegangen, habe weiter an seinen Zielen gearbeitet und den Kontakt zu allen Ebenen aufrechterhalten.
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d. Es liegt auf der Hand, dass eine umfassende und abschließende Gefahrenprognose erst dann möglich ist, wenn der Untergebrachte den vor einer Entlassung vorgesehenen Lockerungsprozess durchlaufen hat und sich der Therapieerfolg auch in diesem Rahmen bestätigt. Der Beurteilung des Verhaltens des Untergebrachten im Rahmen von Lockerungen kommt eine besondere Bedeutung zu. Diese wurden bislang nicht abschließend durchgeführt. Auch der zukünftige Empfangsraum - es ist beabsichtigt, dass der Untergebrachte in sein Elternhaus zurückkehrt - ist dabei zu berücksichtigen. Entsprechend führt die Strafvollstreckungskammer im angefochtenen Beschluss nachvollziehbar und zutreffend aus, dass dies auch und gerade angesichts der Ausführungen des Sachverständigen für eine endgültige Zukunftsprognose erforderlich ist. Es entspricht auch den Angaben des Sachverständigen Dr. W… im Gutachten vom 02.08.2020, dass Entlassungsreife erst gegeben sei, wenn die erzielten Therapieerfolge auch unter realen Belastungsbedingungen Bestand hätten. Es bedürfe hier aber sicherlich keiner langfristigen Erprobung, denn der Untergebrachte habe sich auf allen Ebenen um Kontakt in seinem sozialen Empfangsraum bemüht und hierfür auch seine seit 2013 zahlreichen Ausführungen genutzt. Ein gewisser Erprobungsumfang sei zweifelsohne notwendig, um zu sehen, wie sich der Untergebrachte real im sozialen Empfangsraum etablieren könne, insbesondere auch hinsichtlich der Arbeitstätigkeit.
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2. Da dem Untergebrachten bislang die genannten weitergehenden Lockerungen nicht gewährt wurden und bereits absehbar ist, dass nach erfolgreichem Abschluss des Probewohnens ab 01.09.2021 Aussetzungsreife (unter Einhaltung der gutachterlich empfohlenen Weisungen) eintritt, ist ein Vorgehen entsprechend § 454 a Abs. 1 StPO angezeigt und die weitere Vollstreckung der Unterbringung zum 01.09.2021 zur Bewährung auszusetzen.
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a. § 454 a Abs. 1 StPO ermöglicht es dem Vollstreckungsgericht, die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung anzuordnen, ohne dass dies zur sofortigen Freilassung des Untergebrachten führt. Die Norm gestattet dem Gericht, den zukünftigen Entlassungszeitpunkt so festlegen, dass der Vollzugsbehörde eine angemessene Erprobung des Untergebrachten in Lockerungen möglich bleibt.
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Die Regelung des § 454 a Abs. 1 StPO ermöglicht es dem Vollstreckungsgericht aber auch, dem Freiheitsgrundrecht des Betroffenen praktische Wirksamkeit zu verleihen, ohne damit unverantwortbare Risiken auf die Allgemeinheit zu verlagern. Das Bundesverfassungsgericht betont, dass die Vollstreckungsgerichte im Aussetzungsverfahren zur gebotenen effektiven Durchsetzung dieses Rechts ihre prozessualen Möglichkeiten auszuschöpfen haben, wenn es darum geht, der Vollzugsbehörde das Gebotensein von Lockerungen deutlich zu machen, um damit eine umfassende Tatsachenplattform für die zu treffende Prognoseentscheidung zu schaffen (BVerfG Beschluss vom 30.4.2009 - 2 BvR 2009/08, NJW 2009, 1941, beck-online). So liegt der Fall hier.
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b. Bereits seit August 2020 liegen die Voraussetzungen vor, aufgrund der die dem Untergebrachten gewährten Lockerungen zügig um unbegleitete Ausgänge und Probewohnen bei seinen Eltern zu erweitern gewesen wären.
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Der Sachverständige Dr. W. empfiehlt in seinem Gutachten vom 02.08.2020 eine Erprobung, bei der nichts gegen alleinige Ausgangsformen einzuwenden sei und bei der insbesondere der soziale Empfangsraum weiter vorbereitet werden könne und veranschlagt hierfür einen Zeitraum von sechs Monaten. Diese Einschätzung wird bestätigt durch die mit dem Lockerungsgutachten vom 04.10.2020 beauftragte Sachverständige Dr. V. Diese führt unter Berücksichtigung der Vorgutachten aus, dass alleinigen Ausgängen des Untergebrachten keine zwingenden Gründe entgegenstünden, aus gutachterlicher Sicht von einer geringen Flucht- oder Missbrauchsgefahr ausgegangen werde, alleinige Ausgänge der Erprobung der erworbenen Erkenntnisse dienen würden und das Erreichen des Vollzugsziels unterstützen. Die Therapieziele im geschlossenen Setting seien erreicht, Achtsamkeit für Risikosituationen und Risikobeziehungen seien natürlich eine lebenslange Aufgabe für den Probanden, dies sei ein Prozess, der nie abgeschlossen sei. Als weitere Behandlungsmaßnahme sieht die Gutachterin allein die Erprobung in steigenden Lockerungsgraden an, wobei nach komplikationsloser Erprobungsphase im Einzelausgang von 3 Monaten das Probewohnen eingeleitet werden könne. Aus gutachterlicher Sicht könne durchaus der soziale Empfangsraum nach der Vorstellung des Probanden, d.h. das elterliche Anwesen, mit flankierenden Maßnahmen (Weisungen) als geeignet angesehen werden.
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Wie die Einrichtung für Sicherungsverwahrung der Justizvollzugsanstalt Str. in ihrer Stellungnahme vom 12.02.2021 mitgeteilt hat, hat die Sachverständige Dr. V. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 26.01.2021 mitgeteilt, dass der therapeutische Prozess bereits zum Zeitpunkt der Begutachtung abgeschlossen gewesen, der soziale Empfangsraum realistisch und nachvollziehbar geplant sei, eine Vielzahl begleiteter Ausgänge zugrunde liege und ein aus prognostischer Sicht geeigneter Helferkreis etabliert sei.
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Entsprechend hat die Einrichtung für Sicherungsverwahrung der Justizvollzugsanstalt Str. in ihrer Stellungnahme vom 12.02.2021 mitgeteilt, dass nunmehr ein dreimonatiges Probewohnen geplant sei, wobei der Verwahrte engmaschig betreut werden solle. Ein Abschluss der Erprobung erscheine ab Mai 2021 denkbar.
30
c. Gleichwohl wurden bislang die gebotenen Lockerungen nicht gewährt, ohne dass dem hinreichende Hinderungsgründe entgegenstehen. Zwar ist es nachvollziehbar, dass derzeit aufgrund der wegen der Covid-19-Pandemie angeordneten Quarantänemaßnahmen für in die Anstalt kommende Untergebrachte die Gewährung unbegleiteter Ausgänge, wenn überhaupt, nur mit Schwierigkeiten umsetzbar ist. In diesem Fall hat die Anstalt aber zu prüfen, ob andere Maßnahmen geeignet sind und gefahrenprognostisch vertretbar sind. Aus diesem Grund ist die Anstalt schließlich im Februar auch zu dem Ergebnis gekommen, das erforderliche Probewohnen auch ohne vorherige Erprobung bei unbegleiteten Ausgängen durchzuführen. Eine Umsetzung hat bislang aber nicht stattgefunden, wie der Untergebrachte mit Schreiben vom 26.03.2021 mitgeteilt hat. Die gegenwärtige Situation stellt sich demnach so dar, dass dem Untergebrachten die für seine Resozialisierung notwendigen Lockerungsmaßnahmen derzeit auf nicht absehbare Zeit nicht gewährt werden.
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d. Es ist bereits jetzt absehbar, dass nach erfolgreichem Abschluss des Probewohnens ab 01.09.2021 die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung gemäß § 67 d Abs. 2 Satz 1 vorliegen.
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Nach den Angaben der Sachverständigen Dr. V. ist der therapeutische Prozess abgeschlossen und das Probewohnen für drei Monate zu veranschlagen. Aufgrund der bislang erreichten Therapieziele spricht alles dafür, dass der Untergebrachte auch das Probewohnen erfolgreich abschließen können wird und damit zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird.
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Damit ist bereits jetzt die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zum 01.09.2021 zur Bewährung auszusetzen.
34
e. Sollten bis dahin Umstände eintreten oder bekannt werden, aufgrund derer die Aussetzung zur Bewährung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht mehr verantwortet werden kann, kann diese bis zur Entlassung des Untergebrachten wieder aufgehoben werden. Es ist also am Untergebrachten, die Chance zu nutzen und am erfolgreichen Abschluss des Entlassungsprozedere engagiert mitzuwirken.
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3. Die weitere Unterbringung ist auch angesichts ihres bereits mehr als elf Jahre andauernden Vollzugs und des damit verbundenen Gewichts des grundrechtlichen Freiheitsrechts des Untergebrachten verhältnismäßig, zumal ihm nunmehr eine konkrete Entlassperspektive eröffnet wird.
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4. Die Erledigung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung kommt derzeit noch nicht in Betracht, da die Voraussetzungen nach § 67 d Abs. 3 Satz 1 StGB nicht vorliegen, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt.
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5. Die weitere Ausgestaltung der Bewährungs-/Führungsaufsicht - insbesondere die Anordnung von Auflagen und Weisungen - wird der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing überlassen.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, 4 StPO.