Titel:
Anforderungen an den Ersatz von Mietwagenkosten nach Verkehrsunfall
Normenkette:
BGB § 249, § 254 Abs. 2
Leitsatz:
Handelt es sich nicht um eine unfallbedingte Sofortanmietung, sondern wird mehr als eine Woche nach dem Unfallereignis ein Ersatzwagen angemietet, gebietet die Schadensminderungspflicht die Einholung von Vergleichsangeboten. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mietwagenkosten, Schadensminderung, Fraunhofer, Schwacke
Rechtsmittelinstanz:
LG Augsburg, Endurteil vom 11.03.2022 – 042 S 2769/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 51290
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 56,23 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.04.2021 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 1.321,36 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klägerin verlangt restliche Reparaturkosten und restliche Mietwagen kosten aus einem Verkehrsunfall vom 26.04.2019, für den die Beklagte unstreitig zu 100% eintrittspflichtig ist.
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Es liegt vor ein Gutachten vom 09.05.2019 (Anlage K 1; Bl. 18/47), das Bruttoreparaturkosten in Höhe von 9.451,65 € ausweist (Bl. 19 d.A.).
3
Weiter liegt die Reparaturrechnung vom 27.05.2019 vor (Anlage K2; Bl. 48/52 d.A.), die einen Endbetrag von 9.091,12 € ausweist (Bl. 52 d.A.).
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Die Klägerin hat vom 04.05.2019 bis 21.05.2019 bei der Firma … ein Fahrzeug angemietet zum Gesamtpreis von 1.805,13 € (Anlage K5; Bl. 55 d.A.). Auf die Mietwagenrechnung hat die Beklagte 540,00 € reguliert.
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Die Klägerin ist der Meinung, dass die um die Reinigungskosten in Höhe von 56,23 € gekürzte Reparaturkostenrechnung komplett von der Beklagten zu erstatten sei. Genauso die gesamte Mietwagenkostenrechnung, da die Schwacke-Liste eine geeignete Schätzgrundlage sei.
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Die Klägerin beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.321,36 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte ist der Meinung, dass sie die Kosten der Fahrzeugreinigung nicht zu tragen habe, da diese Kosten nicht schadensbedingt seien. Weitere Mietwagen kosten seien ebenfalls nicht zu erstatten, da die Anmietung für 18 Tage zum Betrag von 1.805,13 € nicht erforderlich gewesen sei. Von der Struktur her sei dies ein Unfallersatztarif und kein Normaltarif. Vermutlich handle es sich auch nur um ein Werkstattersatzfahrzeug und kein Selbstfahrervermietfahrzeug, da das Fahrzeug nicht bei einer gewerblichen Autovermietung angemietet wurde, sondern in der Werkstatt. Für Werkstattersatzwagen seien allenfalls Tagessätze von 20,00-30,00 € brutto zu erstatten, da diese Fahrzeuge weniger Kosten verursachen würden und zum Teil den Kunden im Normalgeschäft auch kostenlos zur Verfügung gestellt würden. Nachdem das Mietfahrzeug erst am 04.05. angemietet worden sei, habe die Klägerin auch ausreichend Zeit für die Einholung von Vergleichsangeboten gehabt und dies offensichtlich nicht wahrgenommen. Bei dem gebotenen Preisvergleich hätte sie erfahren, dass es möglich gewesen wäre zu viel günstigeren Konditionen ein Mietfahrzeug anzumieten. Bei Anmietung eines klassengleichen Fahrzeugs sei grundsätzlich auch noch 10 % Eigenersparnis zu berücksichtigen.
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Bezüglich des weiteren Sachvortrags beider Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nur in sehr geringem Umfang begründet.
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Die Kürzung der Reparaturkostenrechnung durch die Beklagte ist nicht gerechtfertigt, da konkret entsprechend der vorliegenden Reparaturkostenrechnung abgerechnet wird. Die Reparaturkostenrechnung ist sogar noch niedriger als der Gutachtensbetrag, so dass die Rechnung auf jeden Fall den Anschein der Erforderlichkeit und der Angemessenheit in sich birgt. Es waren auch Lackierungsarbeiten durchzuführen, wobei in diesem Zusammenhang immer Reinigungskosten anfallen und diese zwingend kausal mit dem Unfallereignis verbunden sind. Die Kürzung um 56,23 € war deshalb nicht berechtigt.
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Allerdings besteht kein weiterer Anspruch auf Mietwagenkosten.
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Entscheidend dafür ist, dass der Unfall selbst am 26.04.2019 war und die Anmietung erst am 04.05.2019. Es handelt sich also um keine unfallbedingte Sofortanmietung und die Schadensminderungspflicht hätte von der Klägerin die Einholung von Vergleichsangeboten erfordert. Dies ist unstreitig nicht erfolgt. Auch die pauschale Argumentation mit der Schwacke-Liste ist in diesem Fall überhaupt nicht angezeigt. Zum einen entspricht es ständiger Rechtsprechung des Amtsgerichts Dillingen, dass selbst im Fall einer unfallbedingten Sofortanmietung lediglich nach der Mittelwertlösung zwischen Schwacke-Liste und Fraunhofer-Tabelle entschieden wird. Zum zweiten liegt hier überhaupt kein Fall der unfallbedingten Sofortanmietung vor.
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Weiter hat die Klägerin keinerlei Beweis dafür angeboten, dass es sich nicht um einen Werkstattersatzwagen handelt. Für Werkstattersatzwagen werden grundsätzlich nur Tagespreise von 20,00-30,00 € anerkannt, so dass die Erstattung der Beklagten bei Ansatz von 18 Tagen Mietzeit mit 540,00 € durchaus angemessen ist.
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Im Gutachten ist ohnehin von einer Reparaturdauer von 5-6 Arbeitstagen die Rede (Bl. 19 d.A). Zudem wurde das Fahrzeug erst ab 04.05.2019 angemietet, was bedeutet, dass sich die Werkstatt ausreichend auf die Reparatur hätte vorbereiten können. Die Klägerin hat somit auch nicht nachgewiesen, warum eine Mietzeit von 18 Tagen erforderlich gewesen sein sollte.
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Nachdem das Gericht davon ausgehen muss, dass lediglich ein Werkstattersatzwagen angemietet wurde, ist weiter festzustellen, dass weder Schwacke noch Fraunhofer-Liste einschlägig sind. Diese Listen gehen von Mietfahrzeugen bei gewerblichen Autovermietungen aus und nicht von Werkstattersatzwagen. Eine Einstufung des Falles in die Listen hätte das Gericht auch gar nicht vornehmen können, da weder der Typ des Unfallwagens bekannt ist noch die Klasse des Mietfahrzeugs. Es kann nicht überprüft werden, ob ein klassengleiches Fahrzeug angemietet wurde und ob eine 10%ige Eigenersparnis noch hätte abgezogen werden müssen.
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Eine Berechtigung für weitere Mietwagenkosten ist unter keinem Gesichtspunkt gegeben.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, da das Unterliegen der Beklagten sehr geringfügig ist und keinen Kostensprung verursacht.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11 ZPO.