Titel:
Kein Abschiebungsverbot hinsichtlich Nigeria für alleinstehende, alleinerziehende Frau
Normenketten:
EMRK Art. 3
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
VwVfG § 51
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 31 Abs. 3 S. 1, § 71
Leitsätze:
1. Ein Asylfolgeantrag ist nach § 71 AsylG iVm § 51 Abs. 2 VwVfG nur zulässig, wenn der Folgeantragsteller ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen im Asylerstverfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Beantwortung der Frage, welche (Begleit-)Personen im Rahmen der Prüfung nationaler Abschiebungsverbote in die Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr einzustellen sind, ist regelmäßig im Sinne einer realitätsnahen Rückkehrsituation von einer gemeinsamen Rückkehr mit Familienangehörigen auszugehen, falls ein Asylbewerber auch in Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt, selbst dann, wenn einzelne Familienmitglieder bereits Abschiebungsschutz genießen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine erwerbsfähige, alleinstehende und alleinerziehende Frau kann, wenn kein atypischer Betreuungs- und/oder Existenzsicherungsbedarf bezüglich ihrer Kinder gegeben ist, in Nigeria ihre Existenzgrundlage und diejenige ihrer Kinder sicherstellen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht (Herkunftsland, Nigeria), unzulässiger Folgeantrag (Vortrag FGM präkludiert durch Asylerstverfahren), nationale Abschiebungsverbote (alleinerziehende Frau mit drei Kindern, verneint, keine relevante Veränderung gegenüber rkr. VG-Entscheidung im Asylerstverfahren, auch unter Berücksichtigung, Coronavirus-Pandemie), nigerianische Staatsangehörigkeit, weibliche Genitalverstümmelung, Asylfolgeantrag, alleinerziehend, präkludierter Vortrag, Abschiebungsverbot, Existenzsicherung, alleinstehende Frau, minderjähriges Kind, Nigeria
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 31.03.2022 – 13a B 22.30123
Fundstelle:
BeckRS 2021, 51207
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin ist nach Angaben ihrer Mutter nigerianische Staatsangehörige und wurde im September 2016 im Bundesgebiet geboren. Ihre Mutter reiste Anfang des Jahres 2015 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag.
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Für die Klägerin, ihre Mutter und einen im Februar 2015 geborenen Bruder wurde ein Asylerstverfahren durch Urteil des Verwaltungsgerichts München (vom 6. August 2018 - M 21 K 17.43454) rechtskräftig negativ abgeschlossen. Für einen weiteren, im Juni 2018 geborenen Bruder der Klägerin wurde nach ablehnender behördlicher Entscheidung über seinen Asylantrag auch ein Klageverfahren erfolglos abgeschlossen (VG München, U.v. 27.7.2020 - M 32 K 19.30150, rkr. seit 15.9.2020).
3
Der Vater der Klägerin wird im Ausländerzentralregister als seit 8. Juni 2017 ins Ausland verzogen geführt.
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Mit anwaltlichem Schriftsatz vom *. August 2019 wurde für die Klägerin ein Asylfolgeantrag gestellt, hilfsweise das Wiederaufgreifen des Verfahrens und ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK beantragt. Aus vorgelegten Attesten ergebe sich, dass bei der Mutter der Klägerin eine weibliche Genitalverstümmelung durchgeführt worden sei. Dies drohe auch der Klägerin im Fall der Rückkehr, da sich deren Mutter nicht dauerhaft dem sozialen Druck ihres sozialen Umfelds werde entgegenstellen können. Die Option einer selbständigen Lebensführung außerhalb des Lebensbereichs ihrer Großfamilie in einer der Großstädte Nigerias stelle sich für die Mutter der Klägerin als Alleinerziehende mit drei Kindern realistischer Weise nicht. Ein grobes Verschulden stehe der Zulässigkeit des Folgeantrags nicht entgegen, insoweit sei auf das geringe Bildungsniveau der Mutter der Klägerin und darauf hinzuweisen, dass diese vor der Geburt der Klägerin angehört worden sei.
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Die Beklagte wertete dieses Schreiben als Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG. Mit Schreiben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 5. September 2019 wurde der Bevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen, dass derzeit nicht von einer wirksamen schriftlichen Folgeantragstellung ausgegangen werden könne. Es erging die Aufforderung, innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Schreibens entweder den Grund mitzuteilen, der eine schriftliche Antragstellung nach § 71 Abs. 2 Satz 2 oder Satz 3 AsylG zulasse oder die persönliche Antragstellung der Mandantschaft in der zuständigen Außenstelle des Bundesamts zu veranlassen.
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Am 30. September 2019 erfolgte eine persönliche Vorsprache der Mutter der Klägerin beim BAMF. Dabei gab die Mutter der Klägerin im Wesentlichen an, Nigeria sei ein unsicheres Land mit viel Kriminalität und Gewalt, hiervor wolle sie ihre Kinder beschützen. Sie habe in Nigeria keine Familie mehr. Die Großmutter und der Vater der Kinder hätten angedroht, die Klägerin zu beschneiden. Sie habe zwar glücklicherweise fast ein Jahr nichts mehr von ihm gehört, die Gefahr bestehe aber weiterhin. Die Mutter der Klägerin sei selbst beschnitten, sie wolle ihre Tochter diesen Gefahren nicht aussetzen. Der Vater der Klägerin halte sich derzeit in Italien auf.
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Am 28. Oktober 2019 wurde die Mutter der Klägerin durch das BAMF informatorisch zu den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG angehört. Dabei gab die Mutter der Klägerin u.a. an, sie habe keine Familie mehr in Nigeria. Mit dem Vater ihrer Kinder sei sie nicht mehr zusammen. Er sei nach Italien, dorthin hätte er zurückkehren müssen. Er habe jetzt eine andere Frau. Die Großeltern väterlicherseits würden in BeninCity leben, die genaue Adresse kenne sie nicht, seit einem Jahr habe sie keinen Kontakt zu ihnen. Befragt danach, wovor sie Angst habe, wenn die Klägerin nach Nigeria zurückkehren müsste, erläuterte die Mutter der Klägerin: Wenn sie jetzt mit ihren Kindern nach Nigeria zurückkehren würde, wären sie alle zusammen auf der Straße. Sie würden verhungern. Als alleinstehende Mutter von drei Kindern sei es sehr schwierig für sie. Dann müsste sie zur Familie des Vaters ihrer Kinder gehen, damit sie überhaupt eine Chance hätten zu überleben. Die Großmutter väterlicherseits würde die Klägerin beschneiden lassen, das habe sie mehrmals am Telefon gesagt. Die Kinder hätten auch keinen Zugang zu Bildung. Befragt danach, warum die Mutter der Klägerin die befürchtete Gefahr einer Beschneidung der Tochter nicht schon im früheren Asylverfahren geltend gemacht habe, erläuterte die Mutter der Klägerin sinngemäß, sie habe dabei gedacht, dass es immer nur um ihre eigenen Asylgründe gehe. Weibliche Genitalverstümmelung sei sehr schlecht, schmerzhaft und riskant. In Afrika seien es die Eltern, Vater und Mutter, die darüber entscheiden. Aber auch andere Leute würden einen Weg finden, um die Beschneidung zu veranlassen, wenn sie erfahren, dass ein Mädchen unbeschnitten ist. Die Großeltern der Klägerin könnten es auch ohne die Einwilligung der Mutter tun. Auch wenn sie nach Lagos gingen, würden die Großeltern es herausfinden und nach ihnen suchen.
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Mit Bescheid des BAMF vom 22. Januar 2020 wurde der Antrag als unzulässig abge lehnt (Ziffer 1.) und der Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 9. Mai 2017 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG abgelehnt (Ziffer 2.). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Eine Sachlagenänderung liege nicht vor, die geltend gemachte Gefahr drohe der Klägerin bereits mit der Geburt, mithin, bevor das Erstverfahren der Klägerin abgeschlossen worden sei. Die vorgelegten Atteste seien keine neuen Beweismittel, die geeignet wären, eine günstigere Entscheidung herbeizuführen. Im Übrigen sei ihre Vorlage verfristet, da sie seit 6. Juni 2019 im Besitz der Klägerseite gewesen seien, der Folgeantrag wirksam aber erst am 23. September 2019 angelegt worden sei. Im Übrigen sei der Sachvortrag präkludiert nach § 51 Abs. 2 VwVfG, da die befürchtete Beschneidung im Asylerstverfahren hätte vorgebracht werden können. Im Übrigen stehe der Klägerin und ihrer Mutter nach den Feststellungen des Asylerstverfahrens, die nicht angegriffen worden seien, interner Schutz in Nigeria zur Verfügung. Der Folgeantrag sei deshalb unzulässig. Auch die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG seien nicht gegeben. Die drohende Gefahr der Beschneidung der Klägerin durch die Familie der Mutter der Klägerin sei nicht glaubhaft, da die Mutter der Klägerin im Erstverfahren angegeben habe, keinerlei Familie mehr in Nigeria zu haben. Im Übrigen könne sich die Mutter der Klägerin „in weiten Teilen des knapp 200 Millionen Einwohner zählenden Landes niederlassen“. Der Bescheid wurde nach Aktenlage von der Beklagte am 23. Januar 2020 als Einschreiben zur Post gegeben.
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Am *. Februar 2020 erhob die Klagepartei gegen diesen Bescheid Klage zum Verwal tungsgericht München. Beantragt wurde zuletzt, 10 den Bescheid des BAMF vom 22. Januar 2020 aufzuheben, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung von Ziffer 2. dieses Bescheids ein nationales Abschiebungsverbot zu Gunsten der Klägerin festzustellen.
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Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen ausgeführt: Das BAMF habe zu Unrecht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG für nicht gegeben erachtet. Die vorgelegten Atteste stellten neue Beweismittel dar und seien nicht verfristet vorgelegt worden. Die Frist des § 51 Abs. 3 VwVfG sei unionsrechtlich nicht mehr anzuwenden. Im Übrigen hätten die Atteste dem BAMF deutlich vor Ablauf der Frist vorgelegen. Das Vorgehen des BAMF stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar. Ein grobes Verschulden der Mutter der Klägerin liege auch nicht vor, da die Mutter vor der Geburt der Klägerin angehört worden sei und nur über einen sehr geringen Bildungsstand verfüge. Schließlich sei ein Verzicht auf die obligatorische Anhörung unzulässig gewesen, da der Sachverhalt bezüglich der Asylgründe des Kindes offenkundig nicht ausreichend geklärt gewesen sei. Der Bescheid des BAMF sei deshalb im Klageverfahren aufzuheben. Hilfsweise werde geltend gemacht, dass die Entscheidung über das Wiederaufgreifen zu Abschiebungsverboten ermessensfehlerhaft erfolgt sei. Entgegen der Ansicht des Entscheiders habe die Mutter der Klägerin nicht etwa die drohende Beschneidung durch ihre Mutter geltend gemacht, sondern ausgeführt, dass ihr bei einer Rückkehr nach Nigeria keine andere Wahl bleiben würde, als sich an die Familie ihres Exfreundes, des Vaters der Kinder, zu wenden, um überleben zu können und dass dort die Beschneidung durch dessen Mutter drohe. Irritierend sei auch der Verweis auf die Ausführungen im Erstverfahren, in dem die Sachlage noch gänzlich anders gewesen sei, weil die Mutter nicht alleinerziehend gewesen sei und der jüngste Bruder noch nicht geboren gewesen sei. Die Mutter der Klägerin habe nunmehr drei Kinder zu versorgen, es sei offenkundig, dass ihr bei einer Rückkehr nach Nigeria ohne familiäres Netzwerk der Hungertod drohe.
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Ein gleichzeitig gestellter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde mit unanfechtbarem Beschluss vom 15. April 2020 (M 28 E 20.30269) abgelehnt.
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Die Beklagte äußerte sich, von der Aktenvorlage abgesehen, nicht zum Verfahren.
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Mit Beschluss vom 27. Februar 2020 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Am 20. Mai 2020, dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 29. Mai 2020, erging ein klageabweisender Gerichtsbescheid.
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Gegen den Gerichtsbescheid wurde am 11. Juni 2020 die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Zur Begründung wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass auf Grund der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie der Gesichtspunkt der Möglichkeit der Lebensunterhaltssicherung für die Klägerin durch deren alleinerziehende Mutter mit zwei weiteren Kindern grundlegend neu zu prüfen und zu bewerten sei. Mit Schriftsatz vom 24. Juni 2021 wurde für die Klagepartei ergänzend vorgetragen, insbesondere auf weitere Gerichtsentscheidungen und Erkenntnisquellen zur Situation in Nigeria, insbesondere bezüglich der Frage der Existenzsicherung von alleinstehenden Frauen, hingewiesen.
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In einer mündlichen Verhandlung am 25. Juni 2021 wurde die Mutter der Klägerin persönlich angehört und befragt. Die Mutter der Klägerin führte darin u.a. aus, dass ihre drei Kinder den gleichen Vater hätten. Er sei aus dem Bundesgebiet ausgereist, lebe wohl in Italien und habe der Mutter der Klägerin früher mitgeteilt, dass er eine neue Partnerin habe und von ihr nichts mehr wolle. Aktuell lebe die Mutter der Klägerin im Bundesgebiet nicht in einer neuen Beziehung, sondern allein mit ihren drei Kindern.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des Klage- und Eilverfahrens und auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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In der Verwaltungsstreitsache konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25. Juni 2021 entschieden werden, obwohl für die ordnungsgemäß geladene Beklagte niemand erschienen ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
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Die Klage ist mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag zulässig, insbesondere auch im Anfechtungsantrag statthaft (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 - 1 C 4.16; U.v. 20.5.2020 - 1 C 34/19 - juris Rn. 10), jedoch im Haupt- und Hilfsantrag nicht begründet.
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Die Beklagte hat den Asylfolgeantrag der Klägerin rechtmäßig als unzulässig abgelehnt, die Aufhebung der Ziffer 1. des streitgegenständlichen Bescheids (und in der Konsequenz wegen § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG der Ziffer 2. des Bescheids) kommt mithin nicht in Betracht, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (nachfolgend 2.). Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, die Beklagte unter Aufhebung von Ziffer 2. des Bescheids zu verpflichten, zu ihren Gunsten ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und/oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO (nachfolgend 3.). Das BAMF hat den Asylfolgeantrag der Klägerin zu Recht abgelehnt.
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1. Zur Begründung wird zunächst vollumfänglich (insbesondere auch hinsichtlich des rechtlichen Rahmens und des Prüfungsmaßstabs bezüglich der § 71 AsylG i.V.m. § 51 VwVfG, § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG, § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG, § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG) auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend bleibt auszuführen:
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2. Die Beklagte hat den Asylfolgeantrag der Klägerin zu Recht als unzulässig abge lehnt.
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Soweit der Asylfolgeantrag der Klägerin auf die befürchtete Gefahr einer Genitalverstümmelung der Klägerin im Fall von deren Rückkehr nach Nigeria gestützt wird, ist dieser Vortrag nach § 71 AsylG i.V.m. § 51 Abs. 2 VwVfG präkludiert. Nach dieser Norm, auf die sich das BAMF im streitgegenständlichen Bescheid - auch - ausdrücklich berufen hat, ist ein Asylfolgeantrag nur zulässig, wenn der Folgeantragsteller ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen im Asylerstverfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf geltend zu machen.
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Vorliegend wurde das Asylerstverfahren für die im September 2016 geborene Klägerin durch rechtskräftiges Urteil des VG München vom 6. August 2018 (M 21 K 17.43454) abgeschlossen. Das Urteil erging auf Grund mündlicher Verhandlung, in der die Mutter der Klägerin persönlich angehört wurde, die Mutter der Klägerin war in diesem Gerichtsverfahren durch eine Rechtsanwältin vertreten. Schon auf Grund der von der Beklagte zutreffend angeführten Belehrungen der gesetzlichen Vertreterin der Klägerin in den Asylerstverfahren sowie der fachkundigen Vertretung durch eine Rechtsanwältin im gerichtlichen Verfahren (deren ggf. unterbliebene oder nicht hinreichende Belehrung/Beratung sich die Klägerin anrechnen lassen müsste, vgl. § 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO) greift der Vortrag der Klägerseite, der gesetzlichen Vertreterin sei wegen ihres sehr geringen Bildungsstandes und der vor der Geburt der Klägerin erfolgten Anhörung der Mutter der Klägerin in deren eigenem Asylverfahren nicht bewusst gewesen, dass in diesem Verfahren auch Gründe für die Tochter hätten vorgetragen werden können und müssen, nicht durch. Im Übrigen ergibt sich aus der Darstellung der Äußerungen der Mutter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 3. August 2018 (VG München, U.v. 6.8.2018 - M 21 K 17.43454 - UA S. 5 f.) deutlich, dass sich diese in dem Termin der Tatsache bewusst war, dass es nicht nur um ihre eigenen Rückkehrgefährdungen, sondern auch um diejenigen ihrer Kinder geht. Nachdem sie auch seinerzeit bereits von ihrem Partner/Vater der Klägerin getrennt gelebt hat, konnte sie auch nicht stillschweigend davon ausgehen, dass dieser der Klägerin Schutz vor einer Genitalverstümmelung gewährleistet hätte. Bei einer von der Mutter der Klägerin tatsächlich ernstlich befürchteten Genitalverstümmelung der Klägerin hätte sich deshalb eine Geltendmachung spätestens im genannten gerichtlichen Verfahren und dabei insbesondere in der mündlichen Verhandlung aufgedrängt.
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Auf die weiteren thematisierten Aspekte, insbesondere den fristgerechten Vortrag einer veränderten Sachlage oder neuer Beweismittel, die eine günstigere Entscheidung im Asylverfahren zumindest möglich erscheinen lassen, kommt es deshalb nicht mehr an. Insoweit sei lediglich darauf hingewiesen, dass der Einzelrichter schon die Rechtsauffassung der Klägerseite, bei den vorgelegten Attesten handle es sich um neue Beweismittel, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden, nicht teilt. Das Attest, das eine Aussage zur Genitalverstümmelung der Mutter der Klägerin trifft, ist nicht geeignet, eine Aussage zur Rückkehrgefährdung für die Klägerin zu treffen, wenn diese Gefahr nach Darstellung der Klägerseite nur von der Familie des Vaters der Klägerin ausgehen kann, die Mutter der Klägerin selbst aber über keine familiären Anknüpfungspunkte in Nigeria mehr verfüge. Das Attest, das die Unversehrtheit der Klägerin bestätigt, ist angesichts ihrer Geburt in Deutschland und der Einlassungen der Mutter der Klägerin eine Selbstverständlichkeit, vermag aber zum behaupteten Risiko im Heimatland nichts auszusagen.
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3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch darauf, unter Aufhebung von Ziffer 2. des streitgegenständlichen Bescheids zu ihren Gunsten wegen des im Klageverfahren insoweit allein thematisierten Aspekts der Existenzsicherung der Klägerin in Nigeria das Vorliegen der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und/oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen (nachfolgend b). Dies gilt auch unter Beachtung des Gesichtspunkts der aktuellen CoronavirusPandemie (nachfolgend c)).
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a) Zunächst ist auf die Ausführungen des Einzelrichters im Beschluss vom 15. April 2020 (M 28 E 20.30269) hinzuweisen, an denen das Gericht weiterhin festhält: 29 „Dem rechtskräftigen klageabweisenden Urteil im Asylerstverfahren der Antragstellerin (VG München, U.v. 6.8.2018 - M 21 K 17.43454) lag ein im Vergleich mit dem Folgeantragsverfahren unveränderter Sachverhalt zu Grunde. Aus den Gründen des Urteils ergibt sich zweifelsfrei, dass die seinerzeit entscheidende Einzelrichterin bei der Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG unter dem Gesichtspunkt der Existenzsicherung bereits davon ausging, dass der Partner der Mutter der Antragstellerin bzw. Vater der Antragstellerin nach Italien gegangen sei und die Mutter der Antragstellerin von ihm keine Unterstützung mehr erwarte. Ebenso zweifelsfrei ergibt sich aus dem Urteil, dass die Einzelrichterin bereits von drei Kindern der Mutter der Antragstellerin ausging. So heißt es in dem Urteil (VG München, a.a.O., UA S. 8 f.) u.a.: „Bei der Klägerin zu 1 handelt es sich um eine gesunde, junge und deshalb erwerbsfähige Frau. Selbst wenn sie weder auf familiäre Unterstützung noch auf die Hilfe eines Ehegatten oder Lebenspartners zurückgreifen kann, ist es der Klägerin zu 1. auch zuzumuten ohne fremde Unterstützung […] den Lebensunterhalt für sich und die Kläger zu 2 und 3 sowie ihr drittes Kind zu bestreiten. […] Sie kann […] den Lebensunterhalt für sich und die Kläger zu 2 und 3 sowie ihr drittes Kind sichern.“ Aus welchem Grund nunmehr bei unverändertem Sachverhalt von dieser rechtskräftigen Beurteilung abgewichen werden sollte und dürfte, wird von der Antragstellerseite nicht dargelegt.
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Insoweit bestehen auch keine - erst recht keine ernstlichen - Zweifel hinsichtlich der Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin, ein Wiederaufgreifen der Feststellungen zu nationalen Abschiebungsverboten unter dem Gesichtspunkt der notwendigen Existenzsicherung der Antragstellerin abzulehnen. Das BAMF führt insoweit im Bescheid aus, hinsichtlich der Abschiebungsverbote würde ein Bescheid gleichen Inhalts ergehen müssen, der Antragstellerin sei im Erstverfahren kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zugesprochen worden, hierzu werde auf die Ausführungen im Erstverfahren - wozu auch das genannte Urteil des VG München zu zählen ist - verwiesen. Dies lässt einen durchgreifenden Ermessensfehler nicht erkennen.
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Angemerkt sei schließlich noch, dass ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu Gunsten der Antragstellerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt der befürchteten Genitalverstümmelung in Betracht kommt, da insoweit - unbeschadet einer bislang eher vagen tatsächlichen Glaubhaftmachung der von den Großeltern väterlicherseits behauptet ausgehenden Gefahr - die mögliche Verweisung auf internen Schutz einer alsbald und konkret i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG drohenden Gefahr entgegen stehen würde.“
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b) Auch unter Würdigung der aktuellen Sach- und Rechtslage im maßgeblichen Zeit punkt der mündlichen Verhandlung besteht kein Anspruch der Klägerin auf die - ausnahmsweise - Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots unter dem Gesichtspunkt der Existenzsicherung der Klagepartei im Fall von deren Rückkehr nach Nigeria (vgl. zum diesbezüglichen Prüfungsmaßstab des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK: BVerwG, U.v. 4.7.2019 - 1 C 45/18 - juris Rn. 12 sowie BayVGH, U.v. 6.7.2020 - 13a B 18.32817 - juris Rn. 41 ff., jeweils m.w.N.; liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht vor, können auch die hinsichtlich allgemeiner Gefahren im Zielstaat bestehenden, höheren Anforderungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG [in verfassungskonformer Auslegung] nicht erfüllt sein, vgl. BayVGH, U.v. 6.7.2020 - 13a B 18.32817 - juris Rn. 37 m.w.N.; zur diesbezüglichen Unmöglichkeit einer grundsätzlichen Klärung sowie zur Notwendigkeit der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls vgl. BayVGH, B.v. 15.7.2019 - 10 ZB 19.32520 - juris Rn. 4).
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Nach neuester obergerichtlicher Rechtsprechung ist für die Beantwortung der Frage, welche (Begleit-)Personen im Rahmen der Prüfung nationaler Abschiebungsverbote in die Gefahrenprognose bei hypothetischer Rückkehr einzustellen sind, regelmäßig im Sinne einer realitätsnahen Rückkehrsituation von einer gemeinsamen Rückkehr mit Familienangehörigen auszugehen, falls ein Asylbewerber auch in Deutschland mit ihnen als Familie zusammenlebt, selbst dann, wenn einzelne Familienmitglieder bereits Abschiebungsschutz genießen (BVerwG, U.v. 4.7.2019 - 1 C 45.18 u.a. - juris; vgl. zur früheren Diskussion um diese Frage: OVG NRW, U.v. 18.6.2019 - 13 A 3741/18.A - juris Rn. 76 m.w.N.).
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Vorliegend hat das Gericht keine Erkenntnisse dazu, dass die Mutter der Klägerin im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung mit dem Vater ihrer drei Kinder oder einem anderen Partner im Bundesgebiet in einer familiären Lebensgemeinschaft leben würde. Es ist deshalb im Zweifel von einer Rückkehr der Klägerin mit ihrer Mutter und ihren beiden Geschwistern nach Nigeria auszugehen.
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Das Gericht geht, gemessen an den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln, davon aus, dass auch eine alleinstehende Frau mit drei Kindern im konkreten Alter der Klägerin und ihrer beiden Geschwister, die wie die Mutter der Klägerin - wenn auch ggf. mangels hinreichender Schul- und/oder Berufsausbildung und wegen der erforderlichen Betreuungsleistungen nur niedrigschwellig im informellen Bereich - einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann, im Regelfall die Existenz dieser Personen noch in einer dem o.g. Maßstab genügenden Weise sichern kann; dass vorliegend ein atypischer Betreuungs- und/oder Existenzsicherungsbedarf bezüglich der Klägerin oder ihrer Geschwister gegeben sein könnte, wurde schon nicht geltend gemacht.
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Auch wenn ferner keine hinreichend belastbaren Anhaltspunkte dafür bekannt wurden, dass die Mutter der Klägerin im Fall der Rückkehr nach Nigeria noch über familiärverwandtschaftliche Anknüpfungspunkte verfügen würde, woraus ihr im Hinblick auf die Existenzsicherung zusätzliche Hilfestellung erwachsen könnte, ist nach Überzeugung des Gerichts nicht zu befürchten, dass die im Rahmen der Rückkehrprognose zu berücksichtigenden Personen im Fall ihrer Rückkehr im Hinblick auf ihre Existenzsicherung über die Schwierigkeiten hinaus, mit denen sich der ganz überwiegende Teil der nigerianischen Bevölkerung diesbezüglich konfrontiert sieht, in eine ernstliche Notlage geraten könnten. Insbesondere wurde nichts dazu bekannt, dass die Mutter der Klägerin in ihrer Erwerbsfähigkeit eingeschränkt wäre. Schon wegen des letzteren Aspekts ist auch unter Berücksichtigung der zweifellos schwierigen wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Bedingungen, die aber für den Großteil der Bevölkerung Nigerias bestehen (vgl. hierzu: EASO Country of Origin Information Report - Nigeria - Key socioeconomic indicators, November 2018; Auswärtiges Amt, Lagebericht Nigeria, Stand September 2019, Seite 21 f.), die Befürchtung nicht gerechtfertigt, für die im Rahmen der Rückkehrprognose zu berücksichtigenden Personen könnte in Nigeria keine zumindest auf niedrigem Niveau existenzsichernde Lebensgrundlage geschaffen werden und sie wären deshalb, wie es für die Annahme eines Abschiebungsverbots erforderlich wäre, im Fall der Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald einer hinreichend schweren existenziellen Gefahrenlage ausgesetzt (vgl. in ähnlichen Einzelfällen Alleinstehender: VG Würzburg, GB v. 1.7.2020 - W 8 K 20.30151 - juris Rn. 22; VG Würzburg, U.v. 22.3.2019 - W 10 K 17.33732 - juris Rn. 48; VG Aachen, B.v. 14.2.2019 - 2 L 1865/18.A - juris Rn. 22; VG Würzburg, U.v. 6.12.2018 - W 10 K 17.32175 - juris Rn. 29; VG Augsburg, B.v. 13.6.2017 - Au 7 S 17.33192 - juris Rn. 30; B.v. 8.6.2017 - Au 7 S 17.32413 - juris Rn. 28; VG Bayreuth, B.v. 4.4.2017 - B 4 S 17.30876 - juris Rn. 34; VG Minden, U.v. 14.3.2017 - 10 K 2413/16.A - juris Rn. 34 ff.; zu alleinstehenden/alleinerziehenden Frauen: VG Saarlouis, U.v. 24.8.2020 - 3 K 1819/19 - juris Rn. 6 m.w.N.; vgl. in ähnlichen Einzelfällen von Familien: VG Augsburg, U.v. 20.2.2020 - Au 9 K 17.35117 - juris Rn. 46 f.; VG Würzburg, U.v. 11.10.2019 - W 10 K 19.30833 - juris Rn. 19 ff.; VG Köln, B.v. 22.5.2019 - 12 L 702/19.A - juris Rn. 17 ff.; VG Düsseldorf, U.v. 5.3.2019 - 27 K 9058/17.A - juris; VG Augsburg, U.v. 21.11.2018 - Au 7 K 17.35340 - juris Rn. 50; VG Augsburg, U.v. 23.3.2017 - Au 7 K 16.30983 - juris Rn. 48; VG München, U.v. 11.3.2015 - M 21 K 13.30899 - UA S. 38 ff.).
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Im Ergebnis gleichlautend hat inzwischen im Übrigen auch der für das Asylverfahren des Bruders der Klägerin zuständige Einzelrichter im Urteil über dessen Asylantrag entschieden (VG München, U.v. 27.7.2020 - M 32 K 19.30150, rkr. seit 15.9.2020).
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Hinzu kommt, dass es der Klägerin und ihrer Mutter auch zumutbar ist, durch eine freiwillige Rückkehr nach Nigeria die nicht unerheblichen finanziellen und logistischen Leistungen aus nationalen und europäischen Start- und Rückkehrhilfen sowie von Reintegrationsprogrammen in Anspruch zu nehmen (vgl. u.a. gemeinsames Informationsangebot des BAMF und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) unter https://www.returningfromgermany.de/de/countries/nigeria, über das die Klagepartei auch bereits mit der Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids informiert wurde sowie grundsätzlich: BVerwG, U.v. 15.4.1997 - 9 C 38/96 - juris Rn. 27). Nach überschlägiger Berechnung kann die Familie der Klägerin dabei aus Landes- und Bundesprogrammen allein Barmittel in Höhe von mehr als 5.000 € erlangen, hinzu treten nicht unerhebliche Sachmittel, z.B. für die Anmietung einer Unterkunft in Nigeria und schließlich Reintegrationsleistungen für die Mutter der Klägerin, um einfacher eine Erwerbsmöglichkeit erlangen zu können. Hierdurch wird es der Klagepartei im Zweifel deutlich erleichtert und ermöglicht, sich in Nigeria wieder eine Existenzgrundlage zu schaffen (vgl. auch: VG Düsseldorf, U.v. 15.12.2020 - 27 K 2264/18.A - juris Rn. 55 ff.).
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c) Auch die Auswirkungen der weltweiten Coronavirus-Pandemie und die aus der möglichen Ansteckung mit dem SARS-CoV-2-Virus resultierende Gefahr einer COVID-19-Erkrankung im Heimatland vermögen hieran nichts zu ändern.
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aa) Unter dem Gesichtspunkt eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist festzustellen, dass es sich dabei sowohl unter krankheitsbezogenen Aspekten als auch unter Berücksichtigung der allgemeine Versorgungslage der Bevölkerung in Nigeria um eine Gefahr handelt, der die dortige Bevölkerung - wie im Übrigen die Bevölkerung weltweit - allgemein ausgesetzt ist, so dass diese Gefahr aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nicht zu rechtfertigen vermag. Abschiebungsschutz könnte in einer solchen Konstellation in verfassungskonformer Anwendung und unter Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG nur dann gewährt werden, wenn der Ausländer im Abschiebezielstaat (entweder aufgrund der allgemeinen Verhältnisse oder aufgrund von Besonderheiten des Einzelfalls) mit hoher Wahrscheinlichkeit landesweit einer extrem zugespitzten Gefahrenlage ausgesetzt wäre, wenn mit anderen Worten der betroffene Ausländer im Fall seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001, 1 C 5/01 - juris Rn. 16; U.v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 - juris Rn. 16 m.w.N.; U.v. 29.9.2011 - 10 C 24/10 - juris Rn. 19). Selbst bei Annahme geringer Testkapazitäten, nur eingeschränkt verlässlicher Infektionszahlen und einer nicht unwesentlichen Dunkelziffer lassen sich die Voraussetzungen einer solchen landesweiten Extremgefahr aus der allgemein bekannten und anlässlich der durchgeführten mündlichen Verhandlung aktuell erhobenen Datenlage zum Infektionsgeschehen in Nigeria (vgl. insbesondere die Erhebungen der Johns Hopkins University of Medicine, https://coronavirus.jhu.edu/ sowie des Nigeria Centre for Disease Control, https://www.ncdc.gov.ng/) zweifelsfrei nicht herleiten. Hinzu kommt, dass selbst bei Annahme eines hohen Ansteckungsrisikos in Nigeria zu berücksichtigen wäre, dass hieraus - unbeschadet der Berücksichtigung von Behandlungsmöglichkeiten im Heimatland - noch nicht auf eine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder gar tödlichen Verlaufs einer COVID-19-Erkrankung geschlossen werden könnte, da es nach den bisherigen Erkenntnissen, zumal in der Altersgruppe der Klagepartei, bei der Mehrzahl der COVID-19-Erkrankten zu milden oder allenfalls moderaten Krankheitsverläufen kommt.
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bb) Auch unter dem Gesichtspunkt eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bzw. der Möglichkeit für die Klagepartei, am Ort internen Schutzes ihre Existenz zu sichern, begründet die Coronavirus-Pandemie keinen Anspruch für die Klagepartei. Zweifelsfrei wird auch die nigerianische Wirtschaft von den Auswirkungen der weltweiten Pandemie getroffen und können - für die Klagepartei unmittelbar noch relevanter - die Möglichkeiten der Bevölkerung, im informellen Bereich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, durch staatliche Maßnahmen des Infektionsschutzes und/oder faktische Einschränkungen des öffentlichen Lebens erschwert werden. Aus den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismitteln sowie allgemein bekannten Medienberichten kann indes nach dem Aufheben der vorübergehenden und nicht landesweit gleich strikten Ausgangsbeschränkungen kein hinreichend tragfähiger Anhaltspunkt dafür hergeleitet werden, dass sich Wirtschaft und Versorgungslage der Bevölkerung in Nigeria insgesamt oder auch nur in bestimmten Regionen infolge der Pandemie derart verschlechtert hätten, dass es der Klagepartei nicht (mehr) gelingen könnte, das Existenzminimum in einer dem o.g. Maßstab genügenden Weise zu sichern (vgl. auch: VG Würzburg, GB v. 1.7.2020 - W 8 K 20.30151 - juris Rn. 35; U.v. 8.6.2020 - W 8 K 20.30044 - juris Rn. 56; VG Cottbus, B.v. 29.5.2020 - 9 L 226/20.A - juris Rn. 18).
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Die (gerichtskostenfreie, § 83 b AsylG) Klage war deshalb abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.