Titel:
Änderungsgenehmigung Windenergieanlage – Windenergie-Erlass als normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift
Normenketten:
BlmSchG § 6 Abs. 1 Nr. 2
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5, 36 Abs. 2 S. 3
BNatSchG § 44 Abs. 1 Nr. 1
BayNatSchG Art. 43 Abs. 2 Nr. 1
Windenergie-Erlass (BayWEE 2016) Nr. 8.4.1, Anlage 3, Spalte 1
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, 154 Abs. 3
Leitsätze:
1. Für die Feststellung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos für geschützte Arten im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG müssen hinreichend konkrete fall- bzw. ortsspezifische Anhaltspunkte vorliegen. Ein gelegentlicher Aufenthalt im Gefahrenbereich und damit die zufällige Tötung einzelner Individuen reichen nicht aus. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die behördliche Einschätzungsprärogative der Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsverfahren umfasst sowohl die Erfassung des Bestands der geschützten Arten als auch die Bewertung der Gefahren, denen die Exemplare der geschützten Arten bei Realisierung des zur Genehmigung stehenden Vorhabens ausgesetzt sein würden. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. Den in einer normkonkretisierenden Verwaltungsvorschrift (Windenergie-Erlass-BayWEE) enthaltenen Aussagen kommt zwar nicht der Rang bindender rechtlicher Bestimmungen zu. Die darin aufgestellten Anforderungen an die Ermittlung artenschutzrechtlich ggf. entscheidungserheblicher Umstände sind jedoch, da sie auf landesweiten fachlichen Erkenntnissen und Erfahrungen beruhen, als ein „antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität“ anzusehen, in dem die aus fachlicher Sicht im Regelfall zu beachtenden Erfordernisse dargestellt werden. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
4. Liegen unzureichende Untersuchungen vor, kann auch im Rahmen der artenschutzrechtlichen Einschätzungsprärogative nicht beurteilt werden, ob ein artenschutzrechtlicher Verbotstatbestand erfüllt ist (vgl. BayVGH BeckRS 2017, 121570). (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
5. Für die Beantwortung der Frage, ob die Änderung eines genehmigten Vorhabens mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist, kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der Genehmigungsbehörde an. Auf den Windenergie-Erlass, der zum Zeitpunkt der ursprünglichen Genehmigung galt, kommt es demnach nicht an. (Rn. 47 – 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Klage der Standortgemeinde gegen eine immissionsschutzrechtliche (Änderungs-) Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage, Gemeindliches Einvernehmen (Ersetzung) und bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 35 BauGB, Naturschutzrechtliche Zugriffsverbote bzgl. Rotmilan und Fledermäuse, Anwendbarkeit des aktuellen Windenergie-Erlasses, Umfang der Untersuchung zu geschützten Vogelarten i.R.d. sAP nach aktuellem Windenergie-Erlass, Gondelmonitoring mit Abschaltalgorithmen zum Fledermausschutz nach aktuellem Windenergie-Erlass, Teilrücknahme des Antrags des Beigeladenen in MV mit der Folge der Unterliegenswirkung i.S.v. § 154 Abs. 3 VwGO, gemeindliches Einvernehmen, Rotmilan, Windenergie-Erlass, Tötungsrisiko, Einschätzungsprärogative, normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift, Artenschutz, Verbotstatbestand, Änderungsgenehmigung, Windenergieanlage, ökologische Bewertung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 23.03.2022 – 22 ZB 21.2317
Fundstelle:
BeckRS 2021, 51193
Tenor
I. Der Bescheid des Landratsamts T. vom 26. März 2018 (Gz. …) wird in Ziffer II Nr. 1 und in Ziffer II Nr. 2 aufgehoben, soweit Letztere nicht die Aufhebung von Buchst. C Nr. 6.1.2 des Bescheids des Landratsamtes T. vom 3. März 2016, sondern die Installation eines Kamerasystems und die Vorlage einer Auswertung über die Abschaltung der Windkraftanlage während der großflächigen Ernte oder Mahd regelt.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Beigeladene und der Beklagte je 3/8, der Kläger 1/4. Von den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Kläger 1/4.
IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche (Änderungs-)Genehmigung für eine Windenergieanlage (WEA).
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Die Beigeladene beantragte mit am 20. Oktober 2008 beim Landratsamt T. eingegangenen Antragsunterlagen die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer WEA auf dem Grundstück Fl.-Nr. 12.. der Gemarkung G. im Gemeindebereich des Klägers. Die WEA vom Typ Enercon E-82 E2 mit einer Gesamthöhe von 119,3 m und einer Nennleistung von 2 MW soll auf einer Höhe von 669 m ü.N.N. auf einer landwirtschaftlichen Fläche stehen. Südwestlich des Baugrundstücks befindet sich die nächstgelegene Ortschaft R. in einer Entfernung von ca. 470 m. Die Umgebung des Baugrundstücks stellt eine hochtal- und plateauartige Sattellage dar sowie einen Offenlandkorridor zwischen den nördlichen und südlichen Waldrändern.
3
Mit Bescheid vom 3. September 2010 lehnte das Landratsamt T. den Antrag der Beigeladenen mit der Begründung ab, dass der Kläger das gemeindliche Einvernehmen versagt habe und im Falle der Errichtung der geplanten WEA das Landschaftsbild verunstaltet würde.
4
Die Beigeladene erhob hiergegen Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg (Az. RO 7 K 10.1767). Das Verwaltungsgericht sah keine Verunstaltung des Landschaftsbilds im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB als gegeben an. Es beschloss, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Landesamts für Umwelt (LfU) Beweis zu erheben zu der Frage, welche Auswirkungen der Betrieb der WEA auf die geschützten Vogelarten, insbesondere Rotmilan, Schwarzstorch und Kornweihe, hat. Das LfU legte ein Gutachten vom 24. April 2012 mit einer Ergänzung vom 18. Oktober 2012 vor. Mit Urteil vom 6. Dezember 2012 wies das Verwaltungsgericht die Klage mit der Begründung ab, es bestehe im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos zumindest für den Rotmilan.
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Auf die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassene Berufung der Beigeladenen hin änderte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 18. Juni 2014 (Az. 22 B 13.1358) das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg ab, hob den Ablehnungsbescheid des Landratsamtes T. vom 3. September 2010 auf und verpflichtete den Beklagten, über den Antrag der Beigeladenen auf Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erneut zu entscheiden. In den Entscheidungsgründen wird vom Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die Versagung der Genehmigung auf die Verunstaltung des Landschaftsbilds (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) nicht habe gestützt werden können und die artenschutzrechtlichen Untersuchungen wegen Nichtbeachtung von Anlage 6 des Bayerischen Windkrafterlasses für die Annahme eines Tötungsverbots für besonders geschützte Tierarten nicht ausreichend seien. Die hiergegen vom Kläger erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 16. September 2014 zurückgewiesen (Az. 4 B 48.14).
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Mit Schreiben vom 10. März 2014 beantragte die Beigeladene beim Landratsamt T. - unter Aufrechterhaltung des Antrags auf Erteilung einer unbeschränkten Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der WEA - hilfsweise wenigstens die Genehmigung mit der Maßgabe zu erteilen, dass die Anlage zwischen dem 1. April und dem 31. August vom kalendarischen Sonnenaufgang bis zum kalendarischen Sonnenuntergang nicht betrieben wird.
7
In der Folgezeit wurden verschiedene Antragsunterlagen nachgereicht, u.a. mit Schreiben vom 30. Oktober 2015 eine Raumnutzungskartierung des Büros F. Partnerschaft zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung im Hinblick auf geschützte Vogelarten vom Oktober 2015. In der Unterlage des Büros F. Partnerschaft wird zur Methode der Untersuchung ausgeführt, dass vom 18. März bis 21. August 2015 an 18 Tagen Raumnnutzungskartierungen mit insgesamt 57 Beobachtungsstunden stattgefunden hätten, zwei Fixpunkte mit guter Übersicht auf den Anlagenstandort und seine Umgebung gewählt worden seien und die Beobachtungsdauer drei Stunden pro Tag bzw. einmal sechs Stunden pro Tag erfasst habe. Die Beobachtungen seien bis auf eine Ausnahme zu zweit synchron von den beiden Fixpunkten aus erfolgt.
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Die Untere Naturschutzbehörde (UNB) nahm mit Schreiben vom 11. Dezember 2015 hierzu wie folgt Stellung: Die vorgenommene Raumnutzungskartierung vom Oktober 2015 genüge nicht den Vorgaben des Winderlasses und leide an erheblichen Mängeln. Von den zwei gewählten Fixpunkten weise der Fixpunkt P2 keinerlei Zugewinn an Beobachtungen gegenüber dem Fixpunkt P1 auf. Eine weitaus bessere Sicht vor allem auf das Umfeld der geplanten Anlage hätte ein Fixpunkt auf dem Galgenberg wie auch der Kuppe südlich von R. gewährleistet. Von der Beigeladenen sei das Angebot einer gemeinsamen Besprechung zum Modus der durchzuführenden Raumkartierung abgelehnt worden. Die vorgenommene Raumerfassung beschränkte sich auf einen eng gehaltenen Raum um den Anlagenstandort. Der geforderten Überprüfung der Flugkorridore zwischen Nahrungsflächen und Brutplatz und der Untersuchung im Umfeld des Bruthorstes werde die vorliegende Raumerfassung nicht gerecht. Die Ergebnisse belegten Jagd- und Überflugräume streng geschützter Vogelarten am und im Umfeld des beabsichtigten Baustandorts von Mitte März bis Ende August. Für den Rotmilan lägen Beobachtungen an sieben Kartierungstagen mit insgesamt 17 Ereignissen vor. Zusätzlich seien am 27. Juni gleichzeitig bei drei Sichtungen jeweils zwei Rotmilane erfasst worden. Auch wenn die Mehrzahl der Beobachtungen nicht direkt dem Anlagenstandort zuzuordnen seien, belegten die Beobachtungen die häufige Nutzung des Umfeldes um die geplante Anlage, wie auch das regelmäßige Queren und Überfliegen (Jagd- und Streckenflüge) des Korridors zwischen E. und R. Insbesondere die häufige Nutzung des Raums durch den Rotmilan begründe ein signifikant gegebenes Kollisionsrisiko. Im 4-km-Radius um die Anlage sei zwingend von einem Brutplatz des Rotmilans auszugehen. Dass auch 2015 der Rotmilan erfolgreich gebrütet habe, belegten - entgegen der Annahme in der Raumnutzungskartierung - Beobachtungen der UNB und diverser Gewährsleute. Weiterhin sei davon auszugehen, dass der Milan im Umfeld des P. Bergs seinen Horst habe und regelmäßig Nahrungs- und Jagdflüge über die R. er Flur hinweg zu den besonders wichtigen Nahrungsgebieten Richtung M. und G. erfolgten. Die Verbotstatbestände gemäß § 44 BNatSchG lägen nach Ansicht der UNB weiterhin insbesondere für die Art Rotmilan vor.
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Mit Bescheid vom 3. März 2016 erteilte das Landratsamt T. der Beigeladenen unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens des Klägers die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der WEA. Unter Buchst. C Nr. 6.1 ist bestimmt, dass zur Vermeidung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos hinsichtlich besonders geschützter Vogel- bzw. Fledermausarten die WEA zu folgenden Zeiten abzuschalten ist:
10
Nr. 6.1.1 In der Zeit vom 15. Februar bis 15. Oktober - von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.
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Nr. 6.1.2 In der Zeit vom 1. April bis 31. Oktober bei Windgeschwindigkeiten unter 6 m/s zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang.
12
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beigeladene und der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg, die Beigeladene am 6. April 2016 (Az. RO 7 K 16.516), der Kläger am 11. April 2016 (Az. RO 7 K 16.573).
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In den Verfahren berief sich die Beigeladene hinsichtlich des Artenschutzes darauf, dass ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für besonders geschützte Vogel- bzw. Fledermausarten nicht vorliege. Über viele Jahre hinweg hätten Erhebungen und Begutachtungen stattgefunden und über all diese Jahre hinweg habe trotz intensiver Bemühungen zahlreicher Fach- und Privatleute kein Horst gefunden werden können. Durchziehende Vögel zu Zugzeiten oder auch auf der Jagd befindliche Vögel könnten gerade kein sinnvoller Anhaltspunkt zur Prognose der Aufenthaltswahrscheinlichkeit sein. Vor diesem Hintergrund seien einzelne Sichtungen des Rotmilans irrelevant, solange sie keinen Bezug zu einem Rotmilanhorst (innerhalb der Radien 6 km bzw. 1 km) vorweisen würden. Tatsache sei, dass in den letzten 15 Jahren kein Rotmilanhorst gefunden werden habe können. Die Kritik am vorgelegten Gutachten sei nicht nur fernliegend, sondern auch überraschend. Es werde bestritten, dass ein falscher Fixpunkt gewählt worden sein solle. Vom Bayerischen Windkrafterlass werde ebenfalls nicht abgewichen. Eine großräumige und diffuse Verteilung der Nahrungshabitate außerhalb des Mindestabstands der WEA zum Brutvorkommen von 1.000 m beim Rotmilan führe nach dem Windkrafterlass in der Regel nicht zu erhöhten Aufenthaltswahrscheinlichkeiten im Nahbereich der Anlage. Vielmehr müssten die Nahrungshabitate eine räumlich gut abgrenzbare kleinere Teilmenge innerhalb der Prüfkulisse des Abstands für regelmäßig aufgesuchte Nahrungshabitate von der geplanten WEA von 6.000 m beim Rotmilan darstellen, die regelmäßig über die Anlage angeflogen würden. Dies sei hier auch nach den Ausführungen im Bescheid vom 3. März 2016 nicht der Fall.
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Der Beklagte führte in den Gerichtsverfahren bezogen auf den Rotmilan aus: Wie schon in den Winterhalbjahren 2014/15 und 2015/16 seien keine Rotmilane im Landkreis T. bzw. im Raum R. verblieben. Insbesondere der Raum R. M. mit durchschnittlichen Höhen ü.N.N. von 650 m weise für die Monate Dezember bis März regelmäßig Schneelagen auf, die ein Überwintern im genannten Gebiet grundsätzlich ausschließen würden. Demnach bestünde während des Zeitraums vom 16. Oktober bis 15. Februar kein nachvollziehbares Tötungsrisiko in Bezug auf den Rotmilan. Zur Ermittlung der im Bescheid verfügten Abschaltzeiten wurde dargelegt: Nachdem die von der Beigeladenen eingebrachte spezielle artenschutzrechtliche Prüfung trotz Nachreichens mehrerer Ergänzungen nach wie vor nicht den Anforderungen des Bayerischen Windkrafterlasses entspreche, habe der Beklagte entschieden, selbst einen geeigneten Gutachter mit der Klärung der Frage zu beauftragen, ob und ggf. zu welchen Zeiten ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko bestehe. Mit Schreiben vom 30. März 2016 habe der Beklagte ein Büro beauftragt. Die UNB habe im Frühjahr 2016 einen Bruthorst des Rotmilans nachgewiesen, der aktuell mit zwei Jungvögeln besetzt sei. Dieser Standort liege ca. 1,7 km von der geplanten WEA entfernt. Außerdem sei im Juni/Juli ein weiterer nachgewiesener bebrüteter Rotmilan-Horst im Radius von 4 km gefunden worden. Da das signifikant erhöhte Tötungsrisiko zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Landratsamt nicht ausgeschlossen werden konnte, sei eine Genehmigung mit den angefochtenen Abschaltzeiten erteilt worden, die sicherstelle, dass die WEA während der Anwesenheit des Rotmilans im Landkreis nicht im Betrieb sei. Nach Abschluss der Prüfung werde entschieden, ob bzw. in welchem Umfang künftig die im Bescheid vom 3. März 2016 festgesetzten Abschaltzeiten verringert werden könnten.
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Der Kläger vertrat in den Gerichtsverfahren folgende Auffassung bzgl. der Thematik Artenschutz: Eine Genehmigung der WEA mit lediglich eingeschränkten Zeiten sei nicht zulässig. Es mehrten sich Berichte, dass Rotmilane auch im Winter an den angestammten Plätzen verbleiben und hier überwintern würden. Dies sei als Folge der zunehmend milden Winter zu verstehen. Es ergebe sich eine ganzjährige potenzielle Gefährdung des Rotmilans.
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Mit Schreiben vom 23. Mai 2017 legte der Beklagte im Verfahren Az. RO 7 K 16.516 dem Gericht ein Unterlage „Erfassung von Großvogelarten, insbesondere des Rotmilans, im Teilraum P., E. M.-G. Z.-R.“ des beauftragten Büros G. vom 2. Mai 2017 vor. In dem Papier ist ausgeführt, dass die Erfassung der Vogelarten in Anlehnung an die Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands erfolgt sei, der Beobachtungszeitraum zwischen März und August 2016 gelegen und die Beobachtungen insbesondere von zwei Punkten mit mindestens zwei Beobachtern pro Ansitz stattgefunden hätten. Es sei an 19 Tagen beobachtet worden, jeweils zwei, drei, vier oder sechs Stunden pro Tag, insgesamt 75 Stunden lang.
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In einer Stellungnahme der UNB vom 22. Mai 2017 hierzu wird ausgeführt: In ca. 1.700 m um die Anlage sei der bereits 2014 vermutete Bruthorst nachgewiesen worden. Die Gutachter gingen aufgrund der gemachten Beobachtungen von mindestens zwei Rotmilanrevieren aus. Anfang Juli sei ein weiterer Horst im Umfeld der geplanten Anlage innerhalb des 6.000 m- bzw. 4.000 m-Radius nördlich von P. festgestellt worden. Zusätzlich ergebe sich ein Brutverdacht für das im Gutachten genannte Revier um M. östlich der geplanten Anlage. Zusammenfassend werde durch die UNB festgestellt, dass der Rotmilan im Umfeld des geplanten Anlagenstandorts von Anfang März bis Ende Oktober regelmäßige Nahrungs- und Jagdflüge unternehme. Der Raum um die Anlage charakterisiere sich durch eine Korridorlage für Großvögel. Dies betreffe im Umfeld der geplanten WEA mindestens zwei Rotmilanreviere, welche den Luftraum um die geplante Anlage regelmäßig durchfliegen würden und zur Nahrungssuche, Balz und Revierabgrenzung nutzen würden. Durch die 2016 nunmehr nachgewiesenen zwei Brutplätze sei die Nutzung der R. er Flur durch den Rotmilan zweifelsfrei belegt. Die Verbotstatbestände gemäß § 44 Abs. 1 BNatSchG lägen hinsichtlich der kollisionsgefährdeten Art Rotmilan vor. Demnach könnten aus Sicht des Beklagten die Abschaltzeiten aus dem Genehmigungsbescheid vom 3. März 2016 unter C.6 nicht verringert werden.
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Mit Schreiben vom 28. August 2017 brachte die Beigeladene zum Gutachten vom 2. Mai 2017 vor, nach den Vorgaben des Windenergieerlasses sei kein erhöhtes Tötungsrisiko gegeben. Im engeren Prüfbereich von 1,5 km bestehe kein Brutvorkommen. Es sei demnach davon auszugehen, dass kein signifikant erhöhtes Tötungs- und Verletzungsrisiko vorliege. Dasselbe gelte für regelmäßig aufgesuchte Aufenthaltsorte; denn innerhalb eines Radius von 4.000 m habe ein regelmäßig aufgesuchter Aufenthaltsort nicht identifiziert werden können. Nahrungsflächen im Abstand um die Anlage im Umkreis zwischen 4.000 m und 6.000 m seien ebenso vorhanden wie innerhalb des Radius von 4.000 m. Richtig führe die UNB aus, dass Nahrungsflächen vom Horst aus gesehen sowohl diesseits wie auch jenseits der geplanten WEA reichlich vorhanden seien, aber eben nicht nur dort. Es fehle deshalb schon an den Voraussetzungen für ein regelmäßig aufgesuchtes Nahrungshabitat im Prüfbereich. Der Beklagte würde verkennen, dass bei einer großräumigen und diffusen Verteilung von Nahrungshabitaten wie hier in der Regel keine erhöhte Aufenthaltswahrscheinlichkeit vorliege. Eine Ausnahme von dieser Regel habe der Beklagte bis zum heutigen Tage nicht begründen können. Selbst wenn hier die Vorgaben des Bayerischen Windenergieerlasses einschlägig wären, lägen die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes nach Ziffer 8.4 des Bayerischen Windenergieerlasses vor. Zum anderen seien die Vorgaben des Windenergieerlasses zweifelhaft und unzutreffend. Die geänderten Anforderungen des neuen Windenergieerlasses würden längst nicht mehr wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen. Nach dem aktuellen Stand von Forschung und Wissenschaft bestünde gerade kein Tötungsrisiko.
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Mit Urteil vom 21. September 2017 wies das Verwaltungsgericht Regensburg die Klage des Klägers im Verfahren Az. RO 7 K 16.573 ab. Auf die Begründung der Entscheidung wird Bezug genommen. Am 3. November 2017 stellte der Kläger hiergegen Antrag auf Zulassung der Berufung (Az. 22 ZB 17.2220).
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In der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht Regensburg am 21. September 2017 über die Klage der Beigeladenen gegen den Bescheid des Landratsamtes T. vom 3. März 2016 (Az. RO 7 K 16.516) wurde das Verfahren im Hinblick auf eine zugesicherte Bescheidsänderung von den Hauptbeteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt und durch das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 21. September 2017 eingestellt.
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Mit Datum vom 26. März 2018 erließ das Landratsamt T. folgenden Änderungsbescheid gegenüber der Beigeladenen:
"I. Der Fa. A. GmbH (…) wird die Genehmigung erteilt, auf den Grundstück Fl. Nr. 1242 der Gemarkung G. Markt M. eine Windkraftanlage der Marke Enercon Typ E-82 E2 (2 MW) zu errichten und betreiben. Die Genehmigung erlischt, wenn (…).
II. Der Bescheid des Landratsamtes T. vom 03.03.2016 - Az. 170/5-23/SW wird wie folgt geändert:
1. Die Nebenbestimmung unter Buchst. C Ziffer 6.1.1 enthält folgende Neufassung:
6.1.1 Zur Vermeidung des signifikant erhöhten Tötungsrisikos für den Rotmilan ist die Windkraftanlage für zwei Tage während des Tages bei großflächiger Ernte oder Mahd im Bereich des 300 m Radius um die Windkraftanlage (…) abzuschalten.
2. Die Nebenbestimmung unter Buchst. C Ziffer 6.1.2 enthält folgende Neufassung:
Zur Fassung des 300 m Radius um die Windkraftanlage ist ein 360°-Kamerasystem vor Inbetriebnahme der Windkraftanlage zu installieren. Über die Abschaltung der Windkraftanlage während der großflächigen Ernte oder Mahd ist dem Landratsamt T. zum 30.06. und zum 31.12. jeden Jahres unaufgefordert eine Auswertung vorzulegen.
3. Die Nebenbestimmung unter Ziffer 6.2 enthält folgende Neufassung:
6.2 Gondelmonitoring/Fledermäuse
6.2.1 Das Monitoring ist über einen Zeitraum von zwei Jahren durchzuführen. Das Monitoring kann bei laufendem Betrieb unter engmaschiger Überwachung erfolgen. Sobald Fledermausrufe mittels des installierten Aufzeichnungsgeräts nachgewiesen werden, ist durch die installierte Abschalteinrichtung ein Abschaltalgorithmus in Kraft zu setzen. Der zeitliche Ablauf des Gondelmonitorings und der monitoringbegleitenden Abschaltalgorithmen wird wie folgt festgelegt:
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Zeitraum
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Abschaltung
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1. Jahr
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01.04.-30.09.
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Abschaltung Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang
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01.10-31.10.
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Abschaltung 1 h vor Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang
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01.11.-15.11.
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Abschaltung Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang
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Abschaltung bei Windgeschwindigkeiten <6 m/s
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Auswertung und ggfs. Vorschläge zu einem verfeinerten Algorithmus durch einen Sachverständigen und Vorlage bei der Naturschutzbehörde bis Ende Januar des Folgejahres; Festlegen des Algorithmus und der Abschaltwindgeschwindigkeiten durch die Naturschutzbehörde aufgrund der Monitoringergebnisse aus dem 1. Jahr
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2. Jahr
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Mit Algorithmus wie im 1. Jahr oder auf Basis des ersten Messjahres neu festgelegten Algorithmus
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Auswertung des Monitorings und Vorschläge zum Algorithmus durch einen Sachverständigen und Vorlage bei der Naturschutzbehörde bis Ende Januar des Folgejahres; Festlegen des Algorithmus und der Abschaltwindgeschwindigkeit durch die Naturschutzbehörde aufgrund der Monitoringergebnisse aus dem 1. + 2. Jahr
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Ausnahme: Bei Temperaturen unter <8° und Starkregen über >4 mm/h ist eine Abschaltung nicht erforderlich.
Die Erfassung ist mittels eines an der Gondel der WKA installierten Aufzeichnungsgeräts (Batcorder, Anabat) durchzuführen, welches die Möglichkeit der artgenauen Auswertung bieten. Die Auswahl des geeigneten Geräts, die anzuwendenden Methoden und Einstellungen sind nach den vom Bayerischen Landesamt für Umwelt herausgegebenen „Fachlichen Erläuterungen zum Winderlass Bayern - Stand: April 2013“ vorzunehmen bzw. auszuführen. Die kontinuierliche Erfassung der Fledermausaktivitäten ist über 2 Jahre fortzuführen.
6.2.2 Die Daten des Lautaufzeichnungsgeräts sind von einem fachspezifischen Büro, das in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde auszuwählen ist, auswerten zu lassen. Die Aufzeichnungen sind jeweils am 10. Juni (für den Aufzeichnungszeitraum 01.04.-31.05.) am 10. August (für die Zeit vom 01.06.-31.07.) und 10. November (für den Zeitraum 01.08.-31.10.) vorzulegen.
6.2.3 Ab dem 3. Jahr wird aufgrund der Ergebnisse ein Abschaltalgorithmus neu festgelegt, bzw. kann auf eine Abschaltung verzichtet werden.
Im Übrigen bleibt der Bescheid unverändert.
22
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 15. April 2018 Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg erhoben. Zur Begründung wird ausgeführt: Es werde bestritten, dass die vom Beklagten im Bescheid vom 26. März 2018 vorgesehenen Schutzmaßnahmen für bedrohte Tierarten geeignet seien, das offensichtlich bestehende signifikante Tötungsrisiko als entgegenstehenden öffentlichen Belangen nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB i.V.m. § 44 Abs. 1 BNatSchG auszuschließen. Insoweit sei der grundlegende Bescheid vom 3. März 2016 wiederum Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung auch in diesem Verfahren, weil der hier angegriffene Bescheid auf diese Entscheidung vom 3. März 2016 aufbaue und diese ergänze bzw. sie modifiziere. Die aus hiesiger Sicht fehlerhafte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts (Aktenzeichen RO 7 K 16.573) vom 21. September 2017 sei nicht rechtskräftig, weil der Kläger insoweit Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt habe und dieses Verfahren beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof noch anhängig sei. Der Beklagte verneine zu Unrecht das Vorliegen des Verbotstatbestands des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. Der Beklagte führe unzutreffend an, dass ein signifikantes Tötungsrisiko nicht gegeben sei, weil der Beklagte Abschaltzeiten für die Windkraftanlage für zwei Tage während des Tages bei großflächiger Ernte oder Mahd im Bereich des 300 Meter-Radius um die WEA auf den dortigen Grundstücken verfügt habe. Hierbei solle ein Kamerasystem installiert werden, das diesen Bereich überwache. Unter Ziffer II. Nr. 1.2 räume die UNB ein, dass im Bereich der WEA ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für Rotmilan vorliege. Bereits im vorangegangenen Verfahren sei gerügt worden, dass die Erkenntnisse des Büros G. unzureichend und unvollständig seien. Die Untersuchungen erfüllten auch nicht die Voraussetzungen, die der Bayerische Windkrafterlass vorgebe. Im Antragsverfahren zur Zulassung der Berufung sei gerügt worden, dass das Gericht 1. Instanz es unterlassen habe, die Abweichungen der Vorgaben des Bayerischen Windenergieerlasses in Verbindung mit der Bezugnahme auf die „Arteninformation zur sap“ rechtlich zu würdigen. Hierbei hätte das Gericht feststellen müssen, dass im vorliegenden Fall erhebliche Abweichungen stattgefunden hätten. Gerade in diesen Fällen führe dies zur Rechtswidrigkeit des Genehmigungsbescheids. Insoweit werde auf die entsprechende Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juni 2017, Az. 22 B 15.2365, und die dortige Begründung Bezug genommen. Völlig unbehelflich seien die vom Beklagten verfügten Abschaltmaßnahmen im Zusammenhang mit einem zu installierenden Kamerasystem. Es lägen keine belastbaren Prüfergebnisse dieses Systems vor, die die Wirksamkeit und Zuverlässigkeit einer derartigen Installation beweisen würden. Im Übrigen handele es sich bei dem relevanten Gebiet um das Jagdhabitat der Rotmilane, das auch außerhalb der Bearbeitung der Wiesen und Felder von Rotmilanen stark frequentiert werde. Insoweit werde auf die Erkenntnisse des LfU, die Gewährsleute und Förster, die in den vorangegangenen Verfahren zu diesem Thema gehört worden seien, verwiesen. Des Weiteren sei für jedermann festzustellen, dass Rotmilane grundsätzlich bei jeder Art der Bearbeitung der Wiesen und Felder verstärkt anzutreffen seien. Dies gelte selbst dann, wenn Landwirte täglich zur Versorgung des Viehs auch nur kleinere Teile der Wiesen mähten. Der Beklagte fordere allerdings nur eine Einstellung des Betriebs bei großflächiger Ernte oder Mahd. Auch der Bereich von 300 m um die WEA sei zu gering bemessen angesichts eines engen Prüfbereichs von 1.500 m nach der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten. Ein Rotmilan benötige gerade mal 8-9 Sekunden (Normalflug, nicht Sturzflug), um von einer Entfernung von 300 m in den Bereich der WEA zu gelangen. Offensichtlich solle die Abschaltung der Anlage automatisch erfolgen. Auch hier werde bestritten, dass die Kameraanlage diese Funktion fehlerfrei erfülle. In diesem Zusammenhang werde auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. März 2016 verwiesen (Az. 22 B 14.1875, 22 B 14.186), die nach wie vor Aktualität besitze. Dort sei u.a. die Frage der automatischen Abschaltung von Windenergieanlagen mittels angebrachter Kamera erörtert und die Tauglichkeit der Maßnahme verneint worden. Im Übrigen wird auf den Vortrag in den bisherigen Verfahren Bezug genommen.
den Bescheid des Landratsamtes T. vom 26. März 2018, mit dem der Beigeladenen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage auf den Grundstück Fl.-Nr. 12.. der Gemarkung G. Markt M. erteilt wurde, aufzuheben.
24
Das Landratsamt T. beantragt für den Beklagten,
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Zur Begründung wird ausgeführt: In der mündlichen Verhandlung am 21. September 2017 in der Streitsache RO 7 K 16.516 sei ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko verneint worden. Im Übrigen werde im Windenergieerlass als mögliche Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahme ausdrücklich unter Punkt 8.4.3 Buchstabe d bei Rotmilanvorkommen die Abschaltung für mindestens zwei Tage während des Tages bei großflächiger Ernte oder Mahd um die Anlagen genannt. Soweit die Abschaltung der Anlage mittels der Kameraanlage bezweifelt werde, sei festzustellen, dass nach Ziffer II.2 des streitgegenständlichen Bescheids eine Auswertung über die Abschaltung der Anlage zum 30. Juni und zum 31. Dezember vorzulegen sei. Durch die Vorlage der Auswertung sei die Überwachung der Nebenbestimmung sichergestellt. Aus der Arbeitshilfe „Vogelschutz und Windenergienutzung“ des LfU vom Februar 2021 ergebe sich kein neuer Sachstand.
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Die Beigeladene, die ursprünglich mit Schriftsätzen vom 5. Juli und 20. September 2018 vollumfängliche Klageabweisung beantragt hat, beantragt zuletzt in der mündlichen Verhandlung:
„Die Klage wird abgewiesen, soweit sie sich über II Nr. 1 und 2 hinaus mit dem Ziel der Aufhebung auch gegen die weiteren Bestimmungen des Bescheids richtet.“
27
Zu dem Antrag in der mündlichen Verhandlung wird von Seiten der Beigeladenen erläutert, dass damit hinsichtlich Ziffer II Nrn. 1 und 2 des streitgegenständlichen Änderungsbescheids keinen Antrag gestellt sei. In der Sache führt die Beigeladene aus: Belange des Artenschutzes stünden dem Vorhaben nicht entgegen. Für den Grundlagenbescheid gelte dies schon wegen der verfügten Abschaltzeiten, für den Änderungsbescheid im Hinblick auf die neu verfügten Auflagen und die im Gerichtsverfahren vorgelegte Einschätzung der UNB vom 30. Januar 2019, der gefolgt werde. Die Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen, die der Änderungsbescheid vorsehe, entsprächen nicht nur dem Windenergieerlass, sondern auch dem Helgoländer Papier und stellten geeignete Maßnahmen dar. Vor diesem Hintergrund sei es völlig ausreichend, wenn die Beigeladene das Umfeld der WEA von Mai bis August mit Kameras überwache und bei einer Mahd die Anlage tagsüber abschalte, dies protokolliere und das Protokoll der Genehmigungsbehörde vorlege. Soweit bestritten werde, dass die im streitgegenständlichen Bescheid vorgesehenen Schutzmaßnahmen geeignet seien, das vermeintlich bestehende signifikante Tötungsrisiko auszuschließen, fehle es an Argumenten hierfür. Ohne nähere Begründung werde pauschal behauptet, dass die Erkenntnisse des Büro G. unzureichend seien und die Untersuchung nicht die Voraussetzungen erfülle, die der Bayerische Windkrafterlass vorgebe. Soweit vorgebracht werde, dass die Abschaltmaßnahmen unbehelflich seien, werde ins Blaue hinein behauptet, dass keine belastbaren Prüfergebnisse dieses Systems vorlägen. Das Gegenteil sei der Fall. Die Baugenehmigung schreibe kein spezielles System vor. Die Beigeladene habe allerdings für ein Kamerasystem plädiert, welches die Überwachung des Raums auch aus der Ferne sicherstelle. Selbstverständlich sei dieses System erprobt. Die zu installierenden Kameras sollten die Umgebung der WEA im Umkreis bis ca. 400 m um die WEA erfassen und seien dazu auch in der Lage. Solche Systeme existierten seit Jahrzehnten. Die Aufnahmen des Umfelds würden vom Kamerasystem gespeichert (beispielsweise alle 15 Minuten) und könnten über einen sehr langen Zeitraum (über ein Jahr) den Behörden zur Verfügung gestellt werden. Gleichzeitig gebe dieses System dem Betriebsführer der Anlage die Möglichkeit, das Umfeld zu überwachen und bei einer Grasernte die Anlage beispielsweise für zwei Tage abzuschalten. Entsprechende Betriebsstilllegungen seien nichts Ungewöhnliches, es gebe zahlreiche Erfahrungen mit dieser Vorgehensweise. Dem Betriebsführer obliege dabei die Pflicht, im Zeitraum möglicher Ernten das Umfeld noch näher in Augenschein zu nehmen und auch mit ansässigen Landwirten in Kontakt zu treten, um die Abschaltung abzustimmen. Dabei dienten die Kameras stets als Nachweis. Dass es sich bei dem relevanten Gebiet nicht um ein Jagdhabitat der Rotmilane handele, sei seit Jahren klar. Soweit vorgetragen werde, dass Rotmilane grundsätzlich bei jeder Art der Bearbeitung der Wiesen und Felder verstärkt anzutreffen seien, sei das gerade der Grund, weshalb es eine erhöhte Aufenthaltswahrscheinlichkeit im relevanten Bereich nicht gebe. Der gesamte großräumige Bereich um die WEA sowie den Ort R. und M. herum bestehe aus Feldflächen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedlich bewirtschaftet würden. Es lasse sich deshalb nicht sagen, wo, wann, welche sog. Hotspots entstünden. Das Landratsamt habe nach vielen Jahren der naturschutzfachlichen Erkenntnissammlung und Einholung verschiedensten Informationen und Fachgutachten im Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative endgültig festgestellt, dass im relevanten Bereich keine erhöhte Aufenthaltswahrscheinlichkeit bestehe. Von Beigeladenenseite wird ferner darauf hingewiesen, dass das LfU eine aktuelle „Arbeitshilfe Vogelschutz und Windenergienutzung“ herausgegeben habe, die Fachfragen des Bayerischen Windenergieerlasses beantworte. Die Arbeitshilfe belege, dass ein Tötungsrisiko der Genehmigung nicht entgegenstehe. Schließlich sei noch zu beachten, dass der Rotmilan mittlerweile von der sog. „Roten Liste“ gestrichen worden sei.
28
Unter dem 27. April 2018 hat die Beigeladene beim Landratsamt T. beantragt, die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheids vom 3. März 2016 in seiner Fassung vom 26. März 2018 anzuordnen. Der Antrag ist vom Landratsamt T. mit Schreiben vom 20. Mai 2018 abgelehnt worden.
29
Mit Beschluss vom 16. Juli 2018 (Az. 22 ZB 17.2220) setzte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Zulassungsverfahren gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 21. September 2017 (Az. RO 7 K 16.573) bis zum rechtskräftigen Abschluss des von der Klägerin gegen den Bescheid des Landratsamtes T. vom 26. März 2018 anhängig gemachten Klageverfahrens aus.
30
Am 28. November 2018 hat die Beigeladene beim Verwaltungsgericht Regensburg um vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich der sofortigen Vollziehung des Bescheids des Landratsamtes T. vom 26. März 2018 nachgesucht, über den mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 27. Februar 2019 (Az. RO 7 S 18.1947) entschieden wurde. Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.
31
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten im vorliegenden Verfahren und in den Verfahren RO 7 K 10.1767, RO 7 K 16.516, RO 7 K 16.573, RO 7 K 18.550 und RO 7 S 18.1947 sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang teilweise begründet.
33
Der Kläger wird durch die angegriffene immissionsschutzrechtliche Genehmigung in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), soweit der streitgegenständliche Änderungsbescheid durch die in Ziffer II Nr. 1 erfolgte Neufassung der Nebenbestimmung von C Nr. 6.1.1 des Ausgangsbescheids vom 3. März 2016 einen Betrieb der WEA ohne die ursprünglich in C Nr. 6.1.1 enthaltene Nebenbestimmung zur Abschaltung der WEA in der Zeit vom 15. Februar bis 15. Oktober von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang regelt. Die Neuregelungen zum Fledermausschutz (Aufhebung von Buchst. C 6.1.2 des Ausgangsbescheids vom 3. März 2016 durch Ziffer II Nr. 2 des streitgegenständlichen Änderungsbescheids und Neufassung von Buchst. C Nr. 6.2 des Ausgangsbescheids vom 3. März 2016 durch Ziffer II. Nr. 3 des streitgegenständlichen Änderungsbescheids) führen hingegen nicht zu einer Rechtverletzung des Klägers (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
34
Als verletzte Rechte des Klägers als Standortgemeinde kommen vorliegend die bauplanungsrechtlichen Belange nach den §§ 29 ff. BauGB in Betracht, die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zum Prüfumfang im immissionsschutzrechtlichen Verfahren gehören. Der Kläger als Standortgemeinde hatte im immissionsschutzrechtlichen Verfahren nach § 36 Abs. 1 Satz 2 BauGB über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens im Rahmen der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB zu entscheiden. Das vom Kläger verweigerte gemeindliche Einvernehmen wurde mit der Ausgangsgenehmigung des Landratsamtes T. vom 3. März 2016 ersetzt. Der Beklagte darf nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB ein rechtswidrig versagtes baurechtliches Einvernehmen der Gemeinde ersetzen. Dies setzt aber voraus, dass das Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist, d.h. dass die Voraussetzungen des § 35 BauGB in vollem Umfang eingehalten worden sind. Daraus folgt, dass der Kläger eine Verletzung des § 35 BauGB in vollem Umfang rügen kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2010 - 4 C 7/09 -; BVerwG, U.v. 1.7.2010 - 4 C 4.08 - jeweils juris). Das gilt unzweifelhaft auch im Hinblick auf eine spätere Abänderung der Ausgangsgenehmigung, mit der das Einvernehmen der Gemeinde ersetzt wurde. Der Kläger kann somit einfordern, dass der Bescheid des Landratsamtes T. vom 3. Juni 2016 in der mit Bescheid vom 26. März 2018 geänderten Fassung den bauplanungsrechtlichen Vorgaben des § 35 BauGB genügt. Der Kläger hat somit das ihm nach § 36 BauGB zustehende Recht, dass auch die geänderte Genehmigung die artenschutzrechtlichen Verbote i.S.d. § 44 BNatSchG beachtet, die nach dem Prüfprogramm des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG zugleich Belange des Naturschutzes i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB sind (vgl. zu Letzterem BVerwG, U.v. 27.6.2013 - 4 C 1.12; BVerwG, U.v. 20.5.2010 - 4 C 7/09; BVerwG, U.v. 1.7.2010 - 4 C 4.08 - jeweils juris).
35
Gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist es verboten, wildlebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Zu diesen Tieren gehört unzweifelhaft der Rotmilan, unabhängig davon, dass er aktuell nicht mehr auf der „Roten Liste BRD“ steht. Das Zugriffsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG ist individuenbezogen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der Tatbestand des Tötungsverbots trotz seines Individuenbezugs aber nur dann erfüllt, wenn sich durch das Vorhaben das Kollisionsrisiko für geschützte Tiere in signifikanter Weise erhöht (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.2008 - 9A 3/06 - juris). Ausschlaggebend ist, ob die Gefahr von Kollisionen nicht in einem Risikobereich verbleibt, der mit der Errichtung von WEA im Außenbereich immer verbunden ist und der dem allgemeinen Risiko für das Individuum vergleichbar ist, Opfer eines Naturgeschehens zu werden (vgl. BVerwG, U.v. 9.7.2008 - 9 A 14/07 - juris). Für die Feststellung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos für geschützte Arten im Sinne des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG müssen hinreichend konkrete fall- bzw. ortsspezifische Anhaltspunkte vorliegen. Ein gelegentlicher Aufenthalt im Gefahrenbereich und damit die zufällige Tötung einzelner Individuen reichen nicht aus. Vielmehr sind z.B. regelmäßige Aufenthalte nachzuweisen, die die Tötungswahrscheinlichkeit signifikant erhöhen. Ob ein signifikant erhöhtes Risiko vorliegt, ist jeweils im Einzelfall in Bezug auf die Lage der WEA, die jeweiligen Artvorkommen und die Biologie der Arten (Schlagrisiko) zu klären.
36
Bei der Beurteilung dieser Frage gelten die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätze zur naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative der Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsverfahren entsprechend (vgl. BVerwG, U.v. 9.7.2008 - 9 A 14/07; U.v. 12.8.2009 - 9 A 64/07; U.v. 14.4.2010 - 9 A 5/08 - jeweils juris). Dabei bezieht sich die behördliche Einschätzungsprärogative sowohl auf die Erfassung des Bestands der geschützten Arten als auch auf die Bewertung der Gefahren, denen die Exemplare der geschützten Arten bei Realisierung des zur Genehmigung stehenden Vorhabens ausgesetzt sein würden. Grund für die Zuerkennung einer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative ist der Umstand, dass es im Bereich des Naturschutzes regelmäßig um ökologische Bewertungen und Einschätzungen geht, für die normkonkretisierende Maßstäbe fehlen. Die Einräumung einer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative führt zu einer Rücknahme gerichtlicher Kontrolldichte. Naturschutzfachliche Einschätzungen sind von den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit hinzunehmen, sofern sie im konkreten Einzelfall vertretbar sind und sie nicht auf einem Bewertungsverfahren beruhen, das sich als unzulängliches oder gar ungeeignetes Mittel erweist, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden (BVerwG, U.v. 9.7.2008 - 9 A 14.07 - juris). Das Gericht bleibt verpflichtet zu prüfen, ob im Gesamtergebnis die artenschutzrechtlichen Untersuchungen sowohl in ihrem methodischen Vorgehen als auch in ihrer Ermittlungstiefe ausreichten, um die Behörde in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände sachgerecht zu überprüfen. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob die rechtlichen Grenzen des behördlichen Einschätzungsspielraums gewahrt sind (BVerwG, U.v. 9.7.2008 - 9 A 14.07 - juris).
37
Art und Umfang, Methodik und Untersuchungstiefe der zur Ermittlung der artenschutzrechtlichen Betroffenheiten erforderlichen Maßnahmen lassen sich nach der Rechtsprechung mangels normativer Festlegung nur allgemein umschreiben; sie hängen wesentlich von den naturräumlichen Gegebenheiten des Einzelfalles ab (BVerwG, B.v. 18.6.2007 - 9 VR 13.06; U.v. 9.7.2008 - 9 A 14.07 - jeweils juris). Angesichts der Weite und relativen Unbestimmtheit der rechtlichen Vorgaben, anhand derer sich beurteilt, welche Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung zur Vermeidung eines Verstoßes gegen § 44 BNatSchG im Vorfeld der Genehmigung von Windkraftanlagen durchzuführen sind, hat das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz in seiner Eigenschaft als oberste Naturschutzbehörde auf Landesebene (Art. 43 Abs. 2 Nr. 1 BayNatSchG) mit den im Einvernehmen mit den weiteren in ihrem Aufgabenbereich berührten Ministerien herausgegebenen Hinweisen zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen Art und Weise der insoweit gebotenen Erhebungen näher konkretisiert. Den in dieser Verwaltungsvorschrift enthaltenen Aussagen kommt zwar nicht der Rang bindender rechtlicher Bestimmungen zu. Die darin aufgestellten Anforderungen an die Ermittlung artenschutzrechtlich ggf. entscheidungserheblicher Umstände sind jedoch, da sie auf landesweiten fachlichen Erkenntnissen und Erfahrungen beruhen, als ein „antizipiertes Sachverständigengutachten von hoher Qualität“ anzusehen, in dem die aus fachlicher Sicht im Regelfall zu beachtenden Erfordernisse dargestellt werden; von diesen Vorgaben darf nicht ohne fachlichen Grund und ohne gleichwertigen Ersatz abgewichen werden (BayVGH, U.v. 18.6.2014 - 22 B 13.1358 - juris). Dies ist auch aus Gründen der Gleichbehandlung und Rechtssicherheit geboten.
38
In Anwendung dieser Grundsätze hat das Landratsamt T. von seiner artenschutzrechtlichen Einschätzungsprärogative fehlerhaft Gebrauch gemacht, indem es im streitgegenständlichen Änderungsbescheid davon ausgegangen ist, dass für den Rotmilan in der Zeit vom 15. Februar bis 15. Oktober von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang kein signifikant erhöhtes Tötungsrisikos im Hinblick auf das Zugriffsverbot des § 44 Abs. 1 BNatSchG besteht. Denn die Beurteilung der Frage des signifikant erhöhten Tötungsrisikos für den Rotmilan durch den Betrieb der geplanten WEA erfolgte nicht unter hinreichender Beachtung der aktuell geltenden Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in der gemeinsamen Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien des Innern, für Bau und Verkehr, für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie, für Umwelt und Verbraucherschutz, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für Gesundheit und Pflege vom 19. Juli 2016 (Windenergie-Erlass - BayWEE).
39
Der Windenergie-Erlass in dieser Fassung (im Folgenden: Windenergie-Erlass 2016) trat nach seiner Nr. 12 Satz 1 ab 1. September 2016, also vor Erlass des streitgegenständlichen Änderungsbescheids vom 26. März 2018, in Kraft und enthält in Nr. 8.4 Hinweise zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP).
40
Gemäß Anlage 3, Spalte 1 des Windenergie-Erlasses 2016 zählt der Rotmilan zu den grundsätzlich kollisionsgefährdeten Vogelarten. Nach Nr. 8.4.1 Windenergie-Erlass 2016 richtet sich der Untersuchungsumfang danach, ob die relevanten Arten im Gebiet aktuell vorkommen. Grundlage sind die vorhandenen Verbreitungsdaten. Nur wenn begründete Anhaltspunkte für das Vorkommen schlag- oder störungssensibler Arten vorliegen, sind weitergehende Kartierungen vor Ort erforderlich. Die Untersuchungen sollten die avifaunistisch bedeutsamen Abschnitte des Jahres umfassen - z.B. Brut-, Nahrungsgebiet, Korridor, Schlaf- oder Sammelplatz. Sie sind mit dem Ziel durchzuführen, die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten im Bereich der Anlage abschätzen zu können. Die in Anlage 3, Spalte 2 des Windenergie-Erlasses 2016 angegebenen Abstände beschreiben die empfohlenen Abstände von Windkraftanlagen zu Brutplätzen. Diese betragen nach dem Windenergie-Erlass 2016 für den Rotmilan 1.500 m (engerer Prüfbereich). Hieraus lässt sich nach der Konzeption des Erlasses eine Art von widerleglicher Vermutung für ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko entnehmen, wenn innerhalb des „engeren Prüfbereichs“ das Brutvorkommen einer kollisionsgefährdeten Art festgestellt wird. Es ist von einem Verstoß gegen des Tötungsverbot auszugehen, sofern sich im konkreten Einzelfall nicht der Nachweis der Meidung des Gefährdungsbereichs der zu beurteilenden Anlage oder eines nur seltenen Aufenthalts von Individuen der betroffenen Spezies dort führen lässt (vgl. BayVGH, U.v. 29.3.2016 - 22 B 14.1875 und 22 B 14.1876 - juris). Ist im engeren Prüfbereich kein Brutvorkommen festzustellen, hat die Behörde den weiteren Prüfbereich in den Blick zu nehmen. In Anlage 3, Spalte 2 des Windenergie-Erlasses 2016 sind Prüfbereiche mit Abständen von 4.000 m angegeben, in denen zu prüfen ist, ob regelmäßig aufgesuchte Nahrungshabitate der betreffenden Art vorhanden sind. Eine großräumige und diffuse Verteilung der Nahrungshabitate außerhalb des engeren Prüfbereichs führt nach den Bestimmungen des Windenergie-Erlasses 2016 in der Regel nicht zu erhöhten Aufenthaltswahrscheinlichkeiten im Nahbereich einer Anlage. Vielmehr müssen die Nahrungshabitate eine räumlich gut abgrenzbare kleinere Teilmenge innerhalb der Prüfkulisse des weiteren Prüfbereichs darstellen, die regelmäßig über die Anlage angeflogen werden. Für den Fall, dass die den weiteren Prüfbereich festlegenden Abstände für die jeweilige Art überschritten werden, ist davon auszugehen, dass kein signifikant erhöhtes Tötungs- bzw. Verletzungsrisiko besteht. Für den Fall, dass diese Abstände unterschritten werden, ist eine nähere Betrachtung erforderlich.
41
Methodenhinweise für die Untersuchungen, die Grundlage für die vorstehende, vom Windenergie-Erlass vorgegebene Beurteilung sind, gibt der Windenergie-Erlass 2016 in Anlage 5. Dort heißt es:
„Die Untersuchungen konzentrieren sich auf den Prüfbereich im Umfeld der geplanten Anlage und erfolgen von „Fixpunkten“ aus. Darüber hinaus sollen die Untersuchungen über den engeren Prüfbereich hinaus Hinweise auf die regelmäßigen Flugkorridore zwischen Brutplatz und anderen regelmäßigen Aufenthaltsorten wie Nahrungshabitaten u.ä. liefern. Sie sollen Aufschluss geben über a) die Dauer von Flugbewegungen im Umkreis der Anlagen,
b) gegebenenfalls den Anteil der Flugdauer,
c) das Vorhandensein von Schlüsselhabitaten für die relevanten Arten wie Rastplätze, Schlafplätze, besondere Nahrungshabitate im Umfeld der WEA,
d) die relative Raumnutzung im Gebiet.
Es sollen Fixpunkte ausgewählt werden, die eine gute Übersicht auf den Anlagenstandort und seine Umgebung mit bekannten oder potentiellen Neststandorten erlauben. (…) Bei guter Einsehbarkeit des Geländes sollten wenigstens zwei Fixpunkte gewählt werden (…). Die Untersuchung soll den gesamten Zeitraum der Brutperiode von der Balz bis zur Bettelflugperiode der Jungvögel umfassen. Die Untersuchungszeiten werden an die Brutzeiten der kollisionsgefährdeten Vogelarten angepasst und dauern mit Ausnahme phänologisch besonders früh brütender Vogelarten in der Regel von Mitte März bis Ende August. Ein Umfang von 18 Untersuchungstagen wird im Regelfall als ausreichend erachtet, in besonders konfliktträchtigen Gebieten mit mehreren kollisionsgefährdeten oder schwer zu untersuchenden Arten (…) sollte die Zahl der Untersuchungstage auf 25 erhöht werden. Die Beobachtungsdauer sollte mindestens sechs Stunden pro Tag umfassen. Die Beobachtungszeiten richten sich nach den täglichen Hauptaktivitätszeiten der untersuchten Arten. Sie können an den frühen Vormittags- oder Nachmittagsstunden durchgeführt werden oder unter Aussparung der Mittagszeit, 12 bis 14:00 Uhr, auf Vor- und Nachmittag verteilt werden. (…) Bei Arten, die sehr unterschiedliche Aktivitätszeiten aufweisen - tagaktiv, dämmerungsaktiv, früher Brutbeginn im Jahr -, Arten mit langen Fütterungsintervallen oder wenn mehrere relevante Arten gleichzeitig vorkommen, kann noch mehr als die minimale Beobachtungsdauer nötig sein und der Untersuchungsaufwand erhöht sich entsprechend. Pro Fixpunkt sind mindestens 108 Stunden vorzusehen, d.h. im Mittel drei Beobachtungstage je Monat, die je nach Aktivitätsphase der Vögel aufgeteilt werden können: z.B. für die Balz zweimal sechs Stunden, für den Horstbau dreimal sechs Stunden, für die Brut und frühe Aufzucht dreimal sechs Stunden, für die späte Aufzucht fünfmal sechs Stunden und für die Bettelflugperiode fünfmal sechs Stunden. (…) Die gleichzeitige Beobachtung von zwei oder mehr Punkten wird empfohlen, um die Flugbewegungen präziser aufzeichnen zu können (…). Je weniger die geplanten Anlagen überflogen werden, umso geringer ist das Kollisionsrisiko. Bei häufigeren Aufenthalten im Bereich der Anlage muss von einem erhöhten Kollisionsrisiko ausgegangen werden.“
42
Hiervon ausgehend ist die zuletzt im streitgegenständlichen Änderungsbescheid zum Ausdruck kommende Einschätzung der UNB, in der Zeit vom 15. Februar bis 15. Oktober von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang bestehe bei der im Änderungsbescheid vorgesehen Auflage kein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für den Rotmilan, zu beanstanden, weil dieser Einschätzung keine Untersuchungen zugrunde liegen, die den Anforderungen des aktuellen Windenergie-Erlasses genügen. Dieser sieht im Minimum Beobachtungen der Vögel von sechs Stunden pro Tag bzw. 108 Stunden pro Fixpunkt insgesamt vor. Im Rahmen der Untersuchungen durch das Büro G., auf die sich das Landratsamt im Wesentlichen stützt, fanden aber lediglich Beobachtungen über einen Zeitraum von insgesamt 75 Stunden (an 19 Tagen) statt und lediglich zweimal sechs Stunden pro Tag, im Übrigen nur zwei, drei oder vier Stunden pro Tag. Die Raumnutzungskartierung des Büros F. fußt auf 18 Beobachtungstagen mit insgesamt nur 57 Beobachtungsstunden und mit nur drei Stunden pro Tag bzw. einmal sechs Stunden pro Tag. Damit werden die Mindestanforderung der in Anlage 5 des Windenergie-Erlasses 2016 vorgesehenen Erfassungsmethode nicht berücksichtigt. Zudem ist festzustellen, dass laut aktuellem Windenergie-Erlass 2016 die Mittagszeit, 12 bis 14:00 Uhr, auszusparen ist, die Beobachtungszeiten, die den Gutachten des Büros G. und F. zugrunde liegen, aber auch (teilweise) während dieser Zeit erfolgten (vgl. dazu auch die Stellungnahme der UNB vom 22.5.2017).
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Die artenschutzrechtliche Einschätzungsprärogative der UNB beruht deshalb auf unzureichenden Untersuchungen. Auf einer solchen Grundlage kann grundsätzlich nicht beurteilt werden, ob ein artenschutzrechtlicher Verbotstatbestand erfüllt ist (BayVGH, B.v. 31.7.2017 - 22 ZB 17.1033 - juris).
44
Zwar kann von den Vorgaben des Windenergie-Erlasses 2016 abgewichen werden, dies aber nur bei fachlichem Grund und gleichwertigem Ersatz. Für eine solche Ausnahme wurde vonseiten des Landratsamtes nichts vorgetragen, auch nicht in der mündlichen Verhandlung. Das Gutachten des Büros G. bleibt ebenso wie das des Büros F. derart deutlich hinter der nach dem Windenergie-Erlass geforderten Mindestbeobachtungszeit (pro Tag und in der Gesamtsumme) zurück, dass eine Vergleichbarkeit fernliegt. Dies folgt auch aus einem Vergleich mit den Beobachtungszeiten, die die Hinweise zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen in der gemeinsamen Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien des Innern, für Wissenschaft, Forschung und Kunst, der Finanzen, für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie, für Umwelt und Gesundheit sowie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 20. Dezember 2011 (im Folgenden „Windkrafterlass 2011“) vorsehen. Denn die danach vorgegebenen Beobachtungszeiten von je drei Stunden pro Tag und insgesamt 54 Stunden wurden im aktuellen Windenergie-Erlass um das Doppelte angehoben. Grund hierfür dürften - wie sich aus der Vorbemerkung unter Nr. 1 ergibt - veränderte Rahmenbedingungen bzw. Erfahrungen aus der Praxis gewesen sein, die eine Überarbeitung des Windkrafterlasses 2011 notwendig werden ließen. Dass das Gutachten des LfU vom 24. April 2012 keine geeignete Beurteilungsgrundlage darstellt, ist im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Juni 2014 ausgeführt worden (Az. 22 B 13.1358), auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen wird. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen kann deshalb nicht von einem gleichwertigen Ersatz durch die vorstehenden Untersuchungen ausgegangen werden. Die UNB als Fachstelle mit Einschätzungsprärogative hat einen gleichwertigen Ersatz in der mündlichen Verhandlung auch nicht geltend gemacht.
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Soweit die Beigeladenenseite auf die aktuelle Arbeitshilfe Vogelschutz und Windenergienutzung verweist und argumentiert, dass sich daraus kein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko ergibt, ist dieser Vortrag völlig pauschal und unsubstantiiert. Im Übrigen vermindert die aktuelle Arbeitshilfe nicht den laut aktuellem Windenergie-Erlass 2016 nötigen Untersuchungsumfang; das kann sie auch nicht, da dafür der Erlass als vorgehendes Werk geändert werden müsste.
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Das Landratsamt T. kann sich nicht darauf berufen, ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko sei wegen der durch den Änderungsbescheid erfolgten Neufassung der Nebenbestimmung Buchst. C Nr. 6.1.2 ausgeschlossen, wonach die WEA für zwei Tage während des Tages bei großflächiger Ernte oder Mahd im Bereich des 300 m Radius um die WEA abzuschalten ist. Denn die Beurteilung der Geeignetheit dieser Maßnahme, die im Windenergie-Erlass als Vermeidungs- bzw. Minimierungsmaßnahme angesprochen wird (Nr. 8.4.3 Buchst. b), setzt zunächst voraus, dass eine hinreichend aussagekräftige Untersuchung i.S.d. aktuellen Windenergie-Erlasses 2016 vorliegt, was, wie dargelegt, nicht der Fall ist.
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Ein Abstellen auf den Windkrafterlass 2011 kommt nicht in Betracht. Der Windkrafterlass 2011, der - im Unterschied zum vorgenannten Windenergie-Erlass aus dem Jahr 2016 - in Anlage 6 lediglich eine Beobachtungsdauer von drei Stunden pro Tag und insgesamt nur 54 Stunden pro Beobachtungspunkt vorsieht, findet auf den hier zu entscheidenden Fall nämlich keine Anwendung. Der Windkrafterlass 2011 ist gemäß Nr. 12 Satz 2 des aktuellen Windenergie-Erlasses 2016 mit Ablauf des 31. August 2016 außer Kraft getreten und konnte somit als Beurteilungsgrundlage zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids, 26. März 2018, nicht mehr herangezogen werden. Übergangsregelungen sind im aktuellen Windenergie-Erlass 2016 nicht vorgesehen, dieser ist nach dessen Nr. 12 Satz 1 ab 1. September 2016 anzuwenden. Dem stehen auch Vertrauensgesichtspunkte nicht entgegen. Das Gericht macht sich die folgenden Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in der Entscheidung vom 27. November 2017 (22 CS 17.1574 - juris Rn. 59) zu Eigen:
„Der Umstand, dass der Auftrag für das Gutachten vom 25. April 2016 noch unter der Geltung des Windkrafterlasses Bayern 2011 erteilt wurde und es der Behörde vor dem in der Nummer 12 Satz 1 BayWEE bezeichneten Stichtag zuging, hindert es nicht, diese Ausarbeitung am Windenergie-Erlass vom 19. Juli 2016 zu messen. Denn Veränderungen, die im Laufe eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens hinsichtlich der Anforderungen eintreten, denen eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung genügen muss, sind rechtlich beachtlich, ohne dass sich der Genehmigungsbewerber - abgesehen von dem in Art. 83 Abs. 1 BayBO geregelten Sonderfall - auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes berufen kann (vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2017 - 22 ZB 17.1033 - juris Rn. 18, betreffend die parallel gelagerte Fallgestaltung, dass der Auftrag für eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung noch vor dem Inkrafttreten des Windkrafterlasses Bayern 2011 erteilt wurde, diese Verwaltungsvorschrift in dem für die behördliche und gerichtliche Prüfung maßgeblichen Zeitpunkt jedoch bereits anwendbar war). Dies steht mit verfassungsrechtlichen Erfordernissen in Einklang. Denn auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte darf der Normgeber grundsätzlich mit Wirkung für die Zukunft einwirken (BayVerfGH, E.v. 9.5.2016 - Vf. 14-VII-14 u. a. - NVwZ 2016, 999 Rn. 153); der verwaltungsinterne Richtliniengeber unterliegt insoweit keinen strengeren Beschränkungen. Da es für die Beantwortung der Frage, ob ein Vorhaben mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist, auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der Genehmigungsbehörde über den Antrag ankommt, plant der Genehmigungsbewerber auch nach Einleitung des Genehmigungsverfahrens auf eigenes Risiko; er muss jederzeit damit rechnen, dass die Zulassung seines Vorhabens an einer Änderung der Sach- und Rechtslage scheitert (BayVerfGH, E.v. 9.5.2016 a.a.O. Rn. 154). Das gilt insbesondere für Vorhaben im Außenbereich, deren Zulässigkeit von dem Nichtentgegenstehen bzw. der Nichtbeeinträchtigung öffentlicher Belange abhängt, deren Reichweite bei Beginn der Planung nur bedingt absehbar ist (BayVerfGH, E.v. 9.5.2016 a.a.O. Rn. 154). Auch vor veränderten Anforderungen an die Ermittlung des für die Ausübung des naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraums maßgeblichen Sachverhalts ist der Genehmigungsbewerber deshalb nicht geschützt. Ein besonderer Vertrauensschutz ergibt sich auch nicht daraus, dass die Planung einer Windkraftanlage mit erheblichem Aufwand verbunden sein kann (BayVerfGH, E.v. 9.5.2016 a.a.O. Rn. 154).“
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Zwar trat - im Unterschied zum Sachverhalt, der der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zugrunde liegt - im vorliegenden Fall der neue Windenergie-Erlass 2016 nicht vor, sondern erst nach Erlass des Genehmigungsbescheids vom 3. März 2016 in Kraft. Aufgrund des Änderungsbescheids vom 26. März 2018 wurde dieser Ausgangsbescheid aber teilweise wieder aufgehoben, so dass sich die Änderungsentscheidung an der Sachlage zum Zeitpunkt ihres Erlasses messen lassen muss. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Genehmigungsumfang des Bescheids vom 26. März 2018; denn dieser gewährt aufgrund der Aufhebung der im Ausgangsbescheid unter Buchst. C Nr. 6.1.1 verfügten Nebenbestimmung zur Abschaltung der WEA (in der Zeit vom 15. Februar bis 15. Oktober von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang) insoweit einen unbeschränkten Betrieb (abgesehen von der neuen Nebenbestimmung zur Abschaltung der WEA im Falle einer großflächigen Ernte oder Mahd im 300 m Radius). In einer solchen Situation muss die Behörde den zum Zeitpunkt der Änderungsentscheidung geltenden Windenergie-Erlass 2016 berücksichtigen und der Kläger einfordern können, dass dessen Vorgaben, insbesondere auch zu den Untersuchungsmethoden, beachtet werden. Dem Landratsamt standen damit im Hinblick auf den Rotmilan keine ausreichenden Untersuchungen zur Verfügung, um (auch unter Berücksichtigung der neuen Nebenbestimmung) in der Zeit vom 15. Februar bis 15. Oktober von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang von einem Nichtvorliegen des artenschutzrechtlichen Verbotstatbestands ausgehen zu können. Die Anfechtungsklage des Klägers gegen die Änderungsgenehmigung ist insoweit erfolgreich, weshalb Ziffer II Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids aufzuheben war. Die dadurch bedingte Aufhebung dieser Ziffer durch das Gericht (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) hat zwangsläufig auch die Aufhebung der in Ziffer II Nr. 1 vorgesehenen Abschaltung der WEA für zwei Tage während des Tages bei großflächiger Ernte oder Mahd zur Folge, unabhängig davon, ob darin eine Rechtsverletzung des Klägers liegt; denn diese Regelung steht in untrennbarem Zusammenhang mit der durch Ziffer II Nr. 1 zugleich erfolgten Aufhebung der Nr. 6.1.1 des Ausgangsbescheids vom 3. März 2016, so dass dieser die Grundlage entzogen und deshalb in der Konsequenz ebenso aufzuheben war. Die Abschaltzeiten zu Tagzeiten während großflächiger Ernte oder Mahd machen keinen Sinn, wenn aufgrund der gerichtlichen Aufhebung der Ziffer II Nr. 1 des streitgegenständlichen Änderungsbescheids die Anlage gemäß Ausgangsbescheid vom 3. März 2016 betrieben werden muss, nämlich in der Form, dass die WEA in der Zeit von 15. Februar bis 31. Oktober von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang abzuschalten ist.
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Hinsichtlich Ziffer II Nr. 2 des angefochtenen Änderungsbescheids ist festzustellen: Diese sieht eine Neufassung der Nebenbestimmung Buchst. C Nr. 6.1.2 des Ausgangsbescheids vom 3. März 2016 vor. Die ursprüngliche Nebenbestimmung, wonach zur Vermeidung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos hinsichtlich besonders geschützter Fledermausarten in der Zeit vom 1. April bis 31. Oktober bei Windgeschwindigkeiten unter 6 m/sek. zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang die WEA abzuschalten ist, enthält durch den Änderungsbescheid eine Neufassung. Unter Buchst. C Nr. 6.1.2 ist nunmehr die Nebenbestimmung vorgesehen, dass zur Sicherstellung der im Änderungsbescheid vorgesehenen Nebenbestimmung zur Abschaltung der Anlage für zwei Tage während des Tages bei großflächiger Ernte oder Mahd die Installation eines Kamerasystems und die Vorlage einer Auswertung über die Abschaltung der Windkraftanlage während der großflächigen Ernte oder Mahd notwendig ist. Mit dieser Neufassung geht eine Aufhebung der bisherigen im Ausgangsbescheid enthaltenen Nebenbestimmung einher, die zum Schutz von Fledermäusen Abschaltzeiten in der Zeit vom 1. April bis 31. Oktober bei Windgeschwindigkeiten unter 6 m/sek. zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang festlegte. Gegen die Aufhebung dieser Nebenbestimmung durch den Änderungsbescheid bestehen mit Blick auf das Zugriffsverbot in § 44 Abs. 1 BNatSchG keine durchgreifenden Bedenken. Der Kläger hat insoweit nichts Konkretes bzw. Substantiiertes vorgetragen. Im Übrigen beruft sich der Beklagte zu Recht darauf, dass ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko jedenfalls ausgeschlossen werden kann angesichts der im Änderungsbescheid verfügten Auflagen zu Gondelmonitoring und Abschaltzeiten (vgl. Ziffer II Nr. 3 des Änderungsbescheids, die die Nebenbestimmung unter Buchst. C. Nr. 6.2 des Ausgangsbescheids vom 3. März 2016 neu fasst). Diese Vermeidungsmaßnahme ist im Windenergie-Erlass 2016 sowie in der Arbeitshilfe „Fledermausschutz und Windkraft Teile 1-3“ vorgesehen, um ein u.U. bestehendes signifikantes Tötungsrisiko unter die Erheblichkeitsschwelle abzusenken (vgl. 8.4.2 c) bb) des Windenergie-Erlasses 2016). Soweit der Kläger unter Verweis auf eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs die Geeignetheit des Kamerasystems (Ziffer II Nr. 2 des angefochtenen Änderungsbescheids) in Frage stellt, bedarf dies keiner näheren Würdigung. Das Kamerasystem dient der Umsetzung der Nebenbestimmung Ziffer II. Nr. 1 des angefochtenen Änderungsbescheids. Da diese durch das Gericht aufzuheben war, fällt auch die damit untrennbar zusammenhängende Grundlage für die Nebenbestimmung Ziffer II. Nr. 2 des Änderungsbescheids weg, so dass - unabhängig von der Rechtsverletzung des Klägers dadurch - auch diese zwangsläufig aufzuheben war. Angesichts des nach dieser Entscheidung nur gestatteten Betriebs gemäß dem Ausgangsbescheid vom 3. März 2016 (nämlich in der Zeit vom 15. Februar bis 15. Oktober von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang) besteht für die Nebenbestimmung Ziffer II Nr. 2 keine Grundlage mehr.
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Die Klage gegen die im Änderungsbescheid vorgesehenen Neuregelungen zum Fledermausschutz hat damit keinen Erfolg.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Nachdem die Beigeladene einen Antrag zur Sache gestellt hat, wurde auch ihr eine anteilige Kostenlast auferlegt. Soweit sie mit ihrem Antrag obsiegt, entsprach es im Hinblick auf das Kostenrisiko durch die Antragsstellung (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten anteilig für erstattungsfähig zu erklären. Der Beteiligung der Beigeladenen an den Verfahrenskosten nach § 154 Abs. 3 VwGO steht die in der mündlichen Verhandlung geänderte Antragstellung nicht entgegen. Die Beigeladene hat mit Schriftsätzen vom 5. Juli und 20. September 2018 vollumfänglich, ohne Vorbehalt und auch nicht nur in Form einer Ankündigung Klageabweisung beantragt. Die Änderung in der mündlichen Verhandlung stellt damit eine Teilrücknahme des ursprünglichen unbeschränkten Klageabweisungsantrags dar, weshalb sich die Beigeladene unter Anwendung des Rechtsgedanken des § 155 Abs. 2 VwGO auch insoweit einer Kostentragungspflicht nicht (nachträglich) entziehen kann und insoweit als Unterliegende i.S.v. § 154 Abs. 3 VwGO anzusehen ist (vgl. Olbertz in Schoch/Schneider, VwGO, 40. EL 2021, Rn. 15 zu § 154; Rennert in Eyermann, VwGO, 13. Auflage, Rn. 9 zu § 154).
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.