Inhalt

VG Regensburg, Urteil v. 19.10.2021 – RO 6 K 20.2120
Titel:

kein Coroan-Pflegebonus für bei einem ambulanten Betreuungsdienst Beschäftigte

Normenkette:
BayCoBoR Nr. 1, Nr. 2
Leitsätze:
1. Bei einem ambulanten Betreuungsdienst Beschäftigte haben keinen Anspruch auf Gewährung eines Corona-Pflegebonus nach der Bayerischen Corona-Pflegebonusrichtlinie.  (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt schon dann nicht vor, wenn sich der Richtliniengeber bei der Festlegung der Förderfälle von sachlichen Erwägungen hat leiten lassen.  (Rn. 35 und 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona-Pflegebonusrichtlinie, ambulanter Pflegedienst, Gleichheitssatz, Subvention, Willkürverbot
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 31.03.2022 – 6 ZB 21.2933
Fundstelle:
BeckRS 2021, 51187

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonus) abgelehnt wurde, und begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Bewilligung des CoronaPflegebonus in Höhe von 300 EUR.
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Am 19. Mai 2020 beantragte die Klägerin mittels Onlineformblättern unter Beifügung eines Identitätsnachweises und einer Arbeitgeberbescheinigung vom 19. Mai 2020 die Gewährung des Corona-Pflegebonus. Entsprechend der Arbeitgeberbescheinigung sei sie bei der C* … GmbH, einem ambulanten Betreuungsdienst (ABW), mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 25 Wochenstunden als Diplom Pädagogin beschäftigt.
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Entsprechend ihrer Angaben in den Formblättern sei die Klägerin in einem ambulanten Pflegedienst beschäftigt.
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Mit Bescheid vom 10. August 2020 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung des Corona-Pflegebonus ab.
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Zur Begründung führte der Beklagte an, dass die Zuwendung in Ausübung billigen Ermessens als freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel erfolge. Dies sei in den Vorbemerkungen der Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonusrichtlinie - CoBoR) klargestellt. Die einschlägige Förderrichtlinie sei Grundlage für die behördliche Ermessensentscheidung und für die Ausübung der den Gleichheitssatz wahrenden Verwaltungspraxis maßgeblich. Nach Nr. 2 CoBoR seien Begünstigte im Sinne dieser Richtlinie Pflegende in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten. Auch Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Notfallsanitäter und nichtärztliche Einsatzkräfte im Rettungsdienst seien Begünstigte. Ihren Antragsunterlagen zufolge sei die Antragstellerin nicht in einer in der Richtlinie genannten Einrichtung tätig gewesen, sodass der Antrag abzulehnen sei.
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Mit Schriftsatz vom 8. September 2020 hat die Klägerin am gleichen Tag Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg erheben lassen.
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Die Klage wurde dahingehend begründet, dass die Klägerin entgegen der Darstellung des Beklagten sehr wohl die Anspruchsvoraussetzungen der Richtlinie erfülle, da die Tätigkeit im ambulanten Betreuungsdienst begünstigt sei. Dies ergebe sich aus der Richtlinie, da tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspreche und mit dieser vergleichbar sei, zum Begünstigtenkreis gehörten. Im beispielhaften Qualifikationsregister sei dazu festgestellt, dass ein
„sozialpädagogischer/sozialarbeiterischer Berufsabschluss“ begünstigt sei, ebenso wie die
ausdrückliche Bezugnahme auf „Betreuung, der zusätzlichen Betreuung und der Hauswirtschaft“. Jedenfalls sei die Arbeit der Klägerin mit der Pflegetätigkeit vergleichbar. Das nicht nur rein körperliche Pflegetätigkeiten von der Richtlinie umfasst seien, zeige die Einbeziehung sozialpädagogischer Berufsabschlüsse, ebenso wie Familienpfleger, Dorfhelfer, Heilerziehungspfleger, Heilpädagogen, Ergotherapeuten, Betreuungsassistenten etc.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 29. September 2021 wurde die Begründung dahingehend ergänzt, dass der zitierte § 71 Abs. 1,1a SGB XI auf Leistungen der häuslichen Pflegehilfe im Sinne des § 36 SGB XI verweise und dass die Vorschriften dieses Buches auch auf ambulante Betreuungseinrichtungen anzuwenden seien. § 36 Abs. 1 SGB XI spreche ausdrücklich auch die Bereiche kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen sowie Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte an. Durch die ausdrückliche gesetzliche Regelung und Festlegung als Pflegeleistung liege jedenfalls bei der Klägerin eine ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege vor und sei mit dieser vergleichbar. Die Richtlinie spreche dieser Tätigkeit ein Begünstigung zu. Der Beklagte könne sich nicht über das Gesetz bzw. die zugrunde liegenden Richtlinien hinwegsetzen. Bei der Arbeitgeberin der Klägerin handele sich um eine selbständig wirtschaftende Einrichtung, die Pflegebedürftige in ihrer Wohnung mit Leistungen der häuslichen Pflegehilfe im Sinne des § 36 SGB XI versorge. Wie ausgeführt versorge die Klägerin für ihre Arbeitgeberin Personen im Sinne des § 36 SGB XI mit o.g. Leistungen. Soweit das Gericht auf die Möglichkeit verweise, dass der Richtlinie bestimmte Einrichtungen und tätigkeitsbezogene Komponenten zugrunde gelegt werden könnten, ergebe sich daraus nicht, dass dies für einen Ausschluss der Leistung an die Klägerin spreche. Das Gericht verweise ausdrücklich auch darauf, dass entsprechend der Richtlinie tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspreche und mit dieser vergleichbar sei, auch begünstigt seien. Der ambulante Betreuungsdienst, in dem die Klägerin tätig sei, sei jedenfalls von der Richtlinie nicht ausgeschlossen. Soweit das Gericht die Zielsetzung der Honorierung des Ersatzes persönlicher Kontakte anführe und insoweit beispielhaft auf ambulante Pflegedienste verweise, gelte dies selbstverständlich auch bei den Betreuungsdiensten. Auch hier seien die Betreuungskräfte häufig die wesentlichen oder sogar einzigen Ansprechpartner der zu Betreuenden. Auch sei nachvollziehbar, dass gerade in der Situation der Pandemie Unterstützungen und Beratungen notwendiger seien als in anderen Zeiten. Der Beklagte stelle hier selbst dar, dass Pflegetätigkeiten ausgeführt würden. Er stelle aber fehlerhaft allein auf die unterschiedliche Einrichtungsart ab. Einen Ausschluss der Begünstigung einer ambulanten Betreuungseinrichtung ergebe sich aus der Richtlinie nicht. Durch den Ausschluss tatsächlich durchgeführter Pflegemaßnahmen im ambulanten Bereich verstoße der Beklagte gegen die Zielsetzung des Richtliniengebers und somit gegen das Willkürverbot. Er verweigere hier eine Förderung für ambulante Pflege auf „geistigem“ Gebiet, gewähre aber die Förderung für ambulante Pflegemaßnahmen auf „körperlichem“ Gebiet. Diese Unterscheidung sei willkürlich. Gerade die Substitution sozialer Kontakte sei der Tätigkeit der Klägerin immanent. Da die Richtlinie selbst ambulante Pflegedienste erwähne, sei die Substitution von Kontakten nicht auf den stationären Bereich der Pflege zu reduzieren. Pflege bestehe nicht allein aus Waschen oder Anziehen. Auch die Anlage 1 der Richtlinie spreche ausdrücklich von der Qualifikation eines sozialpädagogischen/sozialarbeiterischen Berufsabschluss für die Begünstigung.
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Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 10. August 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin den Corona-Pflegebonus zu bewilligen.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt der Beklagte an, dass die Klägerin entsprechend der Arbeitgeberbescheinigung in einer ambulanten Betreuungseinrichtung beschäftigt sei, welche nicht zu den begünstigten Einrichtungen im Sinne der CoBoR zähle. Anders als die begünstigten Berufsqualifikationen sei die Aufzählung der begünstigten Einrichtungen abschließend. Dies begründe sich darin, dass der Richtlinienverfasser bei der Festsetzung der begünstigten Einrichtungen im Unterschied zur Auflistung der Berufsqualifikationen diese Besonderheit sprachlich an keiner Stelle zum Ausdruck bringe. Die gewählte Formulierung weise diese Auflistung nicht als beispielhaft oder erweiterbar aus. Daraus folge, dass die Aufzählung der begünstigten Einrichtungen abschließend vorgenommen worden sei.
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Ambulante Betreuungsdienste seien auch nicht als ambulante Pflegedienste anzusehen. § 71 Abs. 1 SGB XI definiere ambulante Pflegedienste als selbstständig wirtschaftende Einrichtungen, die unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft Pflegebedürftige in ihrer Wohnung mit Leistungen der häuslichen Pflegehilfe im Sinne des § 36 SGB XI versorgten. Dagegen brächten ambulante Betreuungsdienste nach § 71 Abs. 1a SGB XI dauerhafte pflegerische Betreuungsmaßnahmen und Hilfen bei der Haushaltsführung für Pflegebedürftige. Zwar möge es gewisse Überschneidungen im Tätigkeitsfeld geben, dennoch handele es sich um gesetzlich definierte, unterschiedliche Einrichtungsarten. Ambulante Pflegedienste würden von der Corona-Pflegebonusrichtlinie umfasst, ambulante Betreuungsdienste jedoch nicht. Da die Klägerin ihre Tätigkeit nicht in einer begünstigten Einrichtung ausübe, komme es auf die konkret ausgeübte Qualifikation/Tätigkeit nicht an. Dass die Aufzählung der begünstigten Einrichtungen abschließend vorgenommen worden sei, sei bislang gerichtlich nicht beanstandet worden. Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin vortrage, dass es sich bei der Arbeitgeberin der Klägerin um eine selbstständig wirtschaftende Einrichtung handle, die Pflegebedürftige in ihrer Wohnung mit Leistungen der häuslichen Pflegehilfe im Sinne des § 36 SGB XI versorge, sei dem entgegenzuhalten, dass entsprechend der Arbeitgeberbescheinigung vom 19. Mai 2020 nicht die Tätigkeit in einem ambulanten Pflegedienst bescheinigt worden sei. Vielmehr werde die „C* … GmbH“ ausdrücklich als ambulanter Betreuungsdienst eingeordnet. Ambulante Betreuungsdienste erbrächten pflegerische Betreuungsmaßnahmen und Hilfen bei der Haushaltsführung. Die häusliche Pflegehilfe nach § 36 SGB XI beinhalte zusätzlich noch körperbezogene Pflegemaßnahmen. Das Leistungsspektrum ambulanter Pflegedienste gehe als über das von ambulanten Betreuungsdiensten hinaus, es handle sich ersichtlich um unterschiedliche Einrichtungstypen. Dem stehe auch die entsprechende Anwendung mancher Vorschriften des SGB XI für Pflegedienste auf Betreuungsdienste nicht entgegen. Da beide Einrichtungsarten ambulante Unterstützungsleistungen nach dem SGB XI erbrächten, sei dies sachgerecht. Bezogen auf die Bonusgewährung und vor dem Hintergrund von dessen Zwecksetzung sowie den weitergehenden Leistungsspektrum ambulante Pflegedienste sei die unterschiedliche Behandlung der beiden Einrichtungsarten hier jedoch sachgemäß.
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Mit Schriftsätzen vom 14. und 27. Dezember 2020 erklärten die Beteiligten ihr Einverständnis durch ein Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO.
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Mit Beschluss vom 18. Oktober 2021 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Landesamtes für Pflege vom 10. August 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Bewilligung des Corona-Pflegebonus, weil sie die Voraussetzungen der einschlägigen Richtlinie in der vom Beklagten ausgeübten Verwaltungspraxis nicht erfüllt.
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1. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Bewilligung des Corona-Pflegebonus und maßgeblich für die Prüfung der Zuwendungsvoraussetzungen ist die CoronaPflegebonusrichtlinie (CoBoR) vom 30. April 2020, geändert durch Bekanntmachung vom 15. Mai 2020.
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Bei der vorliegend begehrten Zuwendung handelt es sich um eine freiwillige Leistung, die der Freistaat Bayern auf der Grundlage von und im Einklang mit Art. 44 Abs. 1 Satz 1 i.V.m.
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Art. 23 der Bayerischen Haushaltsordnung (BayHO) und den einschlägigen Förderrichtlinien gewährt. Nach der Vorbemerkung der CoBoR wird ausdrücklich klargestellt, dass der Corona-Pflegebonus eine freiwillige Leistung ist und nach Maßgabe der Richtlinie und der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Freistaates Bayern als Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel gewährt wird.
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Sind die Fördervoraussetzungen - wie hier - zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt wurde oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht - wie Gesetze oder Rechtsverordnungen - gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, einem dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.2008 - 7 B 38.08 - juris, Rn. 9; BayVGH, B.v. 7.4.2020 - 6 ZB 19.1647 - BeckRS 2020, 9635; U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.1840 - juris, Rn. 26).
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Ein Anspruch auf die Zuwendung kann im Einzelfall aus dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und dem Gleichheitssatz hergeleitet werden, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden. Die rechtliche Prüfung im vorliegenden Fall hat demnach nicht daran anzusetzen, wie die für die Zuwendungen maßgeblichen Förderrichtlinien auszulegen wären, sondern daran, welche Förderpraxis des Beklagten dem Zuwendungsbescheid zugrunde lag (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris, Rn. 27). Sollen sie vor dem Gleichheitssatz Bestand haben, müssen sich Zuwendungen aber gemeinwohlbezogen rechtfertigen lassen. Dem Norm- und Richtliniengeber stehen jedoch sachbezogene Gesichtspunkte zur Differenzierung in sehr weitem Umfang zu; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (VG München, U.v. 17.2.2021 - 31 K 20.4309 - BeckRS 2021, 3585 mit Verweis auf stRspr; vgl. z.B. BVerfG, U.v. 20.4.2004 - 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99 - juris, Rn. 61; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3, Rn. 255).
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2. Nach den dargelegten Grundsätzen steht der Klägerin kein Anspruch auf Gewährung des Corona-Pflegebonus zu. Weder die Richtlinie selbst noch ihr hier zur Ablehnung führender Vollzug sind vorliegend zu beanstanden.
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a) Die Abgrenzung des zuwendungsberechtigten Personenkreises in der durch die CoBoR vorgenommenen Art und Weise, namentlich durch eine Beschränkung auf bestimmte Einrichtungen einerseits und eine tätigkeitsbezogene Komponente andererseits, begegnet grundsätzlich keinen Bedenken, sondern erscheint vielmehr sachgerecht. Der Kreis der durch die Corona-Pflegebonusrichtlinie begünstigten Personen ist in Nr. 2 der Richtlinie näher beschrieben. Begünstigte im Sinne der Richtlinie sind danach Pflegende in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten. Ebenso begünstigt sind tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist. In stationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen sind alle Beschäftigten begünstigt, die körperlich eng an und mit Menschen mit Behinderung arbeiten. Auch Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Notfallsanitäter und nichtärztliche Einsatzkräfte im Rettungsdienst sind Begünstigte. Eine beispielhafte Auflistung der Begünstigten, orientiert an den jeweiligen Einrichtungen, findet sich in den Anlagen 1, 2 und 3 zur Richtlinie.
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Bei der Festlegung des begünstigten Personenkreises verfolgte der Richtliniengeber den legitimen Zweck, welcher in der Richtlinie in Nr. 1 Sätze 2 bis 7 der CoBoR niedergelegt ist und zum Ziel hat, dass mit der Gewährung des Corona-Pflegebonus das überdurchschnittliche Engagement der in Bayern in der professionellen Pflege und im Rettungsdienst und in den stationären Einrichtung der Behindertenhilfe Tätigen auch im Hinblick auf die aktuelle Corona-Pandemie auch für die Zukunft besonders gewürdigt und anerkannt werde. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege als Richtliniengeber hat dies weitergehend wie folgt präzisiert und ergänzt: „Der CoronaPflegebonus erkennt das Engagement der Pflegekräfte an, die in besonderer Weise dauerhaft und intensiv mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie konfrontiert waren. Die Pflegekräfte mussten hierbei insbesondere versuchen, die Präsenz von Angehörigen zu ersetzen, die wegen Besuchsverboten in den begünstigten Einrichtungen nicht emotional und sozial für die Betroffenen sorgen konnten. Vor allem auch dieses besondere menschliche Engagement sollte mit dem Bonus des Freistaates gewürdigt werden“ (Antwort des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege auf eine Schriftliche Anfrage des Abg. Krahl, LT-Drs. 18/11079 vom 15.1.2021, S. 2).
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Es steht im Einklang mit dieser Zielsetzung, dass der Richtliniengeber den Kreis der Begünstigten anhand bestimmter Einrichtungen und näher umrissener Qualifikationen bzw. Berufsbilder entsprechend den Ausführungen des Beklagten abgrenzt, die er mit Blick auf die beschriebene Zielsetzung für besonders relevant erachten durfte. Bei den nach der Richtlinie begünstigten stationären Einrichtungen, namentlich Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen handelt es sich sämtlich um solche, in denen der vorgenannte Grundgedanke einer Substitution der Präsenz naher Angehöriger in der Zeit pandemiebedingter, umfassender Besuchseinschränkungen ohne weiteres greift. Es ist ferner eine von sachlichen Gründen getragene Wertung des Richtliniengebers, dass er in den Kreis der Einrichtungen, in denen eine Begünstigung der Pflegenden in Betracht kommt, auch die ambulanten Pflegedienste einbezieht. Nach der Corona-Pflegebonusrichtlinie relevant sind ansonsten - vom Rettungsdienstwesen abgesehen - lediglich stationäre Einrichtungen. Die durch den Pflegebonus verfolgte Zielsetzung, besonders den „Ersatz“ persönlicher Kontakte zu würdigen, ist indessen auch im Fall ambulanter Pflegedienste gegeben. Auch insoweit handelt es sich um eine Situation, in der die Pflegekräfte häufig die wesentlichen oder sogar einzigen Ansprechpartner gerade solcher Pflegebedürftiger waren, die altersbedingt einer Risikogruppe angehören und daher von Kontaktbeschränkungen besonders betroffen waren.
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Dass der Richtliniengeber damit die ansonsten in der Richtlinie verfolgte Beschränkung auf stationäre Einrichtungen durchbricht, zeigt, dass bei der Abgrenzung des begünstigten Personenkreises nicht schematisch, sondern nach sachbezogenen Kriterien vorgegangen wird. Das hier insbesondere relevante, ergänzende Kriterium, wonach tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist, ebenso begünstigt sind (Nr. 2 Satz 2 CoBoR), zeugt ebenso von einer sachgerechten und in Grenzen auch der Einzelfallgerechtigkeit verpflichteten Festlegung des begünstigten Personenkreises. Insgesamt ist daher der sehr weite Spielraum des Richtliniengebers, den Kreis der Begünstigten der finanziellen Zuwendung nach sachlichen Gesichtspunkten abzugrenzen, nicht überschritten. Der Richtliniengeber und mit ihm die Vollzugsbehörde sind daher insbesondere auch befugt, die mit der Zuwendung in besonderer Weise zu würdigende soziale Substitutionsfunktion der Pflegenden gerade auch typisierend-einrichtungsbezogen und weiterhin an bestimmten Qualifikationen orientiert zu erfassen und darauf in ihrer Abgrenzung der Zuwendungsberechtigten abzustellen (zu Vorstehendem: VG München, U.v. 17.2.2021 - 31 K 20.4309 - BeckRS 2021, 3585). Für die Begünstigung kommt es damit nicht auf ein erhöhtes Infektionsrisiko oder die Erschwernisse bzw. Herausforderungen, welchen sich Pflegende oder sonstige in den entsprechenden Einrichtungen Tätige aufgrund der pandemiebedingten Situation gegenübersahen, wie etwa erhöhte Vorsichts- oder Hygienemaßnahmen, sondern vielmehr auf die zusätzlich zu leistende Substitution sozialer Kontakte im stationären Bereich der Pflege an. Die Entscheidung des Richtliniengebers, nur Beschäftigte in stationären Einrichtung sowie im ambulanten Bereich ausschließlich Pflegedienste zu fördern, ist rechtlich somit nicht zu beanstanden. Dabei ist der dem Richtliniengeber zustehende sehr weite Ermessensspielraum hinsichtlich der Auswahl der Begünstigten nicht überschritten. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz scheidet aufgrund der nicht gleichen Tätigkeitsfelder ambulanter Pflegedienste und ambulanter Betreuungsdienste von vornherein aus. Soweit die Klägerseite anführt, auch Beschäftigte in ambulanten Betreuungsdiensten hätten wegfallende soziale Kontakte mindestens im gleichen Maße wie in ambulanten Pflegediensten Tätige substituiert und müssten daher ebenfalls als Begünstigte angesehen werden, verkennt die Klägerseite die Grundsätze des Subventionsrechts. Es kommt gerade nicht ausschließlich darauf an, dass die Klägerin auch soziale Kontakte substituiert hat - was durch das Gericht nicht in Zweifel gezogen wird - und dadurch dem Zweck der Richtlinie entsprechend auch dem Grunde nach in den begünstigten Personenkreis hätte mit einbezogen werden können. Über den bloßen Zweck der Richtlinie hinaus ist nach dem oben Ausgeführtem nämlich der Begünstigtenkreis darüber hinaus auf Beschäftigte in einer abgeschlossenen Anzahl von Einrichtungstypen begrenzt worden. Eine willkürliche Nichtberücksichtigung ambulanter Betreuungsdienste gegenüber mit im Vergleich zu ihnen zusätzlich zur Substitution sozialer Kontakte mit grundpflegerischen Aufgaben befassten ambulanten Pflegediensten ist nicht festzustellen. Es ist mithin nicht so, dass lediglich auf die Substitution sozialer Kontakte abzustellen wäre, ohne das Vorliegen einer von der Richtlinie genannten Einrichtung festzustellen. Sofern man, vergleichbar der klägerischen Argumentation, vom Erfordernis einer von der Richtlinie benannten Einrichtung absähe, ginge die ausdrückliche Auflistung der begünstigten Einrichtungen in der Richtlinie im Ergebnis ins Leere. Dies war vom Richtliniengeber ersichtlich nicht gewollt.
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b) Auch die Förderpraxis des Beklagten auf Grundlage der Richtlinie begegnet keinen Bedenken. Dies gilt insbesondere auch für die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises aufgrund dessen Beschäftigung in vom Richtliniengeber konkret benannten Einrichtungen (Nr. 2 Satz 1 CoBoR). Dies führt hier letztlich dazu, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die Zuerkennung und Auszahlung des Pflegebonus geltend machen kann.
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Nach der schriftsätzlich dargelegten Förderpraxis des Beklagten ergibt sich eine Begünstigung nach der CoBoR bei Vorliegen von zwei kumulativ zu erfüllenden Kriterien: In einem ersten Schritt müssen pflegende Personen für eine Begünstigung in bestimmten abschließend aufgezählten Einrichtungen tätig sein (Nr. 2 Satz 1 CoBoR). Ist dies der Fall, müssen bestimmte tätigkeitsbezogene Merkmale erfüllt werden, d.h. die Personen müssen - differenziert nach Einrichtungstyp - eine bestimmte Qualifikation aufweisen oder jedenfalls in einem bestimmten Berufsbild konkret tätig sein (Nr. 2 Satz 3 bis 5, Anlagen 1 bis 3 CoBoR).
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Ergänzend sind in dieser Stufe gemäß Nr. 2 Satz 2 CoBoR tatsächlich in der Pflege Tätige ebenso begünstigt, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist.
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Nach dem Vorbringen des Beklagten und auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerseite sowie der Erkenntnis des Gerichts aufgrund der Vielzahl vergleichbarer Klageverfahren wurden nach Überzeugung des Gerichts in der Förderpraxis im ambulanten Bereich ausschließlich Pflegedienste mit dem Pflegebonus bedacht und andere ambulante Einrichtungen als solche bewusst und der CoBoR folgend gerade im Hinblick auf die oben dargestellte, typisierend-einrichtungsbezogene besondere Substitutionsfunktion Pflegender gerade in stationären Einrichtungen nicht mit dem Corona-Pflegebonus bedacht (vgl. auch HessVGH, B.v. 4.2.2021 - 10 B 2762/20 - juris, Rn. 11 und 14 zu einer Corona-Soforthilfe).
31
Soweit in einzelnen Fällen offenbar Mitarbeiter in ambulanten und teilstationären Einrichtungen außerhalb der Pflegedienste im Widerspruch zur Richtlinie und zur gängigen Förderpraxis gleichwohl den Corona-Pflegebonus erhalten haben, begründet keine andere Förderpraxis. Denn es ist nicht erkennbar, dass der Urheber der CoBoR eine solche richtlinienwidrige Abweichung gebilligt oder geduldet hätte. Die Verwaltungsvorschriften antizipieren die Verwaltungspraxis insoweit, als sie eine generalisierende Willenserklärung der die Richtlinien erlassenden Behörde enthalten, eine unbestimmte Vielzahl künftiger Fälle in einer bestimmten Weise zu behandeln. Weichen die Behörden in Einzelfällen ohne rechtfertigenden Grund von einer Richtlinie ab, könnte eine stillschweigende Aufgabe oder eine Änderung der Verwaltungspraxis nur angenommen werden, wenn dies von der für die Richtlinie verantwortlichen Stelle - hier dem zuständigen Ministerium (Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege) - in seinem Willen aufgenommen und von diesem bewusst gebilligt und geduldet worden wäre (NdsOVG, U.v. 3.2.2021 - 10 LC 149/20 - juris, Rn. 44). Hierfür ist nichts ersichtlich oder vorgetragen.
32
Vielmehr hat der Beklagte gerichtsbekannt zur Sicherstellung einer einheitlichen Verwaltungspraxis zunächst nur eindeutige Fallkonstellationen verbeschieden und Sachbearbeiter angewiesen, nicht zentral geklärte Fallgruppen zurückzustellen. Erst nach interner Klärung sind demnach entsprechende Handlungsanweisungen erstellt und die Mitarbeiter diesbezüglich geschult worden.
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Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden und lässt jedenfalls nicht die Schlussfolgerung zu, dass sich eine richtlinienabweichende Verwaltungspraxis herausgebildet hätte. Der Beklagte hat die Möglichkeit, in solchen Fällen von den Aufhebungsvorschriften der Art. 48 ff. BayVwVfG, namentlich der Rücknahmebefugnis des Art. 48 BayVwVfG, Gebrauch zu machen, damit rechtswidrige Bewilligungen des CoronaPflegebonus rückgängig zu machen und entsprechende Auszahlungen zurückzufordern (Art. 49a BayVwVfG). Dass er diese Möglichkeit erkannt hat und auch tatsächlich in Erwägung zieht, hat der Beklagte in anderen vergleichbaren Verfahren hinreichend bekundet.
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Dem Gericht ist über die festgestellte Verwaltungspraxis hinaus eine erweiternde Auslegung der Richtlinie versagt, wie dies die Klägerseite im Rahmen der Klagebegründung jedoch vornimmt. Für die Entscheidung kommt es nämlich nicht darauf an, ob es zu der festgestellten Verwaltungspraxis Alternativen gäbe und auch die Tätigkeit in ambulanten und teilstationären Einrichtungen hätte über die ambulanten Pflegedienste hinaus gefördert werden können. Bildet - wie hier - die Willkürgrenze den gerichtlichen Prüfungsmaßstab, kommt es nicht darauf an, ob es zu der festgestellten Verwaltungspraxis Alternativen gibt.
35
Willkür ist aber bereits dann zu verneinen, wenn sich der Beklagte bei der Festlegung der Förderfälle von sachlichen Erwägungen hat leiten lassen. Dies ist wie ausgeführt hier der Fall, weil die Unterscheidung zwischen grundsätzlich zu fördernden stationären und grundsätzlich - mit Ausnahme der Pflegedienste - nicht zu fördernden ambulanten und teilstationären Einrichtungen vertretbar und angesichts des Förderzwecks nachvollziehbar ist (vgl. etwa VG München, U.v. 17.2.2021 - M 31 K 20.4944 - juris, Rn. 39; M 31 K 20.4504 - juris, Rn. 34; M 31 K 20.5587 - juris, Rn. 33, vgl. auch schon VG Würzburg, U.v. 8.2.2021 - W 8 K 20.1567 - BeckRS 2021, 2886). Für den Schluss auf eine willkürliche Fassung oder Handhabung der Förderrichtlinien bestehen unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten keine triftigen Anhaltspunkte. Die Nichtförderung der Klägerin mangels Einsatzes in einer stationären Einrichtung oder ambulanten Pflegeeinrichtung ist gemessen an den Vorgaben der CoBoR nicht sachwidrig.
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Gerade unter Heranziehung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verbietet sich vorliegend sogar die Gewährung des Corona-Pflegebonus zu Gunsten der Klägerin.
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Der Beklagte hat nämlich durch die regelmäßige Wiederholung dieser Förderentscheidung eine bestimmte Förderpraxis entwickelt und vergleichbare Anträge, die aufgrund der Arbeitgeberbescheinigung lediglich eine Tätigkeit in einer ambulanten oder teilstationären Einrichtung - mit Ausnahme von Pflegediensten - nachweisen konnten, ebenfalls negativ verbeschieden. Diese Praxis bindet ihn bei vergleichbaren Entscheidungen auch in Parallelverfahren und ist Maßstab für deren gerichtliche Kontrolle. Dabei kann das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG eben auch zu Lasten von Zuwendungsempfängern Anwendung finden. Versagt eine Behörde - wie hier regelmäßig - die Bewilligung bei einer nicht von der Richtlinie umfassten Tätigkeit, so verletzt sie das Gleichbehandlungsgebot in seiner objektiv-rechtlichen Funktion, wenn sie sich im Einzelfall über diese Praxis hinwegsetzt und trotz Fehlens der ansonsten geforderten Voraussetzungen die Leistung gewährt, so dass in einem solchen Fall die Entscheidung wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG rechtswidrig wäre (BVerwG, U.v. 23.4.2003 - 3 C 25/02 - NVwZ 2003, 1384).
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Damit liegen bei der Klägerin die in der CoBoR dargelegten Zuwendungsvoraussetzungen, wie sie vom Beklagten in ständiger Verwaltungspraxis vollzogen werden, nicht vor.
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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.