Inhalt

LG München I, Endurteil v. 21.06.2021 – 35 O 16420/20
Titel:

Schadensersatzansprüche gegen Wirtschaftsprüfer im Falle der Insolvenz der geprüften Gesellschaft

Normenketten:
BGB § 823, § 826
HGB § 316, § 317, § 323, § 332
Leitsätze:
1. Für ein schadensbegründendes Verhalten eines Wirtschaftsprüfers iSd § 826 BGB genügt es nicht, vorzutragen, dass der Insolvenzverwalter aus ex-post Sicht Feststellungen zu einer seit längerem bestehenden Überschuldung getroffen hat; vielmehr bedarf es konkreten Vortrags dazu, dass der Wirtschaftsprüfer bei der jeweiligen Abschlussprüfung und somit aus ex-ante Sicht konkrete Prüfungspflichten verletzt hat. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein unrichtiges Berichten eines Abschlussprüfers über das Ergebnis der Prüfung eines Jahresabschlusses liegt vor, wenn das mitgeteilte Ergebnis von den subjektiv-individuellen Prüfungsfeststellungen des Prüfers abweicht. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Verschweigen erheblicher Umstände im Prüfungsbericht bedeutet die Nichterwähnung von erheblichen Umständen und Sachverhalten, die dem Prüfer bei der Prüfung bekannt geworden sind und durch deren Nichterwähnung der Prüfungsbericht unvollständig oder lückenhaft wird. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wirtschaftsprüfer, Insolvenz, Emissionsprospekt, Jahresabschluss
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 21.04.2022 – 8 U 4257/21
BGH Karlsruhe vom -- – VII ZR 97/22 NZB
Fundstelle:
BeckRS 2021, 51023

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 31.431,98 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Klagepartei begehrt von dem Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Investment bei der sogenannten ….
2
Die … bestand aus der … mit Sitz in der Schweiz, der … mit Sitz in Deutschland sowie vier deutschen Vertriebsgesellschaften. Diese bestanden aus der …, der …, der … sowie der …, die Anlegern den Abschluss von Kauf- und Verwaltungsverträgen über Seefrachtcontainer anboten. Konzeptionsgemäß sollten die Anleger von den Vertriebsgesellschaften Container kaufen und Eigentum erwerben, wobei die Übergabe des Containers an die Anleger nicht vorgesehen war und durch den Abschluss eines Verwaltungsvertrags ersetzt werden sollte. Für die Dauer des Verwaltungsvertrags wurde den Anlegern ein bestimmter Mietzins garantiert. Zudem wurde den Anlegern in Aussicht gestellt, die erworbenen Container würden von den Vertriebsgesellschaften nach Ablauf des jeweiligen Verwaltungsvertrags zu einem bestimmten Rückkaufpreis angekauft werden.
3
Die Klagepartei schloss am 20.11.2015 einen Kauf- und Verwaltungsvertrag mit der … mit der Vertragsnummer … über 17 Container vom Typ ST 1512 zu einem Gesamtpreis von 32.810,00 € ab (Anlage K 11). Die Klagepartei erhielt Mietzahlungen in Höhe von 6.890,10 €.
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Über das Vermögen aller vier Vertriebsgesellschaften wurde mit Beschlüssen vom 24.07.2018 das Insolvenzverfahren eröffnet.
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Der Beklagte ist Wirtschaftsprüfer und war seit 2006 als Jahresabschlussprüfer der deutschen … bestellt.
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Die Klagepartei trägt vor, den Kaufpreis in Höhe von 32.810,00 € an die Gesellschaft gezahlt zu haben.
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Die Klagepartei behauptet, die … habe jedenfalls ab 2007 ein Schneeballsystem betrieben. Die deutschen operativen … seien mindestens seit dem Jahre 2007 überschuldet gewesen. Die Gelder neuer Anleger seien nicht mehr - wie vertraglich vorgesehen - für den Kauf von Containern verwendet worden, sondern für die Auszahlungen an Altanleger verwendet worden. Dies lasse sich auch aus den Zahlungsströmen innerhalb der P&R Gruppe ableiten. Denn die deutschen … hätten nur marginale Beträge an die Schweizer … in der Schweiz überwiesen. Mit diesen habe diese Gesellschaft überhaupt nicht annähend genügend Container ankaufen können, wie die deutschen … an die Anleger verkauf hätten. Aus den Insolvenzgutachten ergebe sich, dass offensichtlich in ganz großem Stil von deutschen … Container an die Anleger verkauft worden seien, die es tatsächlich nicht gegeben habe. Der Insolvenzverwalter habe festgestellt, dass die Einnahmen aus dem vorhandenen Containerbestand seit vielen Jahren nicht mehr ansatzweise ausreichten, um die Zahlungspflichten gegenüber Anlegern zu erbringen, dass seit über einem Jahrzehnt kein funktionierendes Geschäftsmodell und keine positive Fortführungsprognose bestehe, laufende Zahlungen auf Kosten der Neuanleger erfolgt seien, seit mindestens Ende der 2000er Jahre klar erkennbar gewesen sei, dass die Mieterlöse aus dem im Verhältnis zu dem kontrahierten Bestand deutlich geringeren tatsächlichen Containerbestand sowie etwaige Verkäufe von Containern am Ende der vertraglichen Mietlaufzeiten die in den Folgejahren fällig werdenden Garantiemieten und Rückkäufe nicht ansatzweise deckten, die … schon seit 2007 nicht mehr in der Lage gewesen sei, mit den Einnahmen aus der vorhandenen Containerflotte die bestehenden Verpflichtungen gegenüber den Anlegern zu decken.
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Diese Erkenntnisse ließen sich nicht im Ansatz mit den Beurteilungen des Beklagten in den Jahresabschlüssen vereinbaren. Die vom Beklagten geprüften Jahresabschlüsse seien offensichtlich unrichtig. Dies hätte der Beklagte ex ante betrachtet bei gewissenhafter Prüfung feststellen können und müssen. In den als Anlagenkonvolut K 1 vorgelegten Jahresabschlüssen der … und der … habe der Beklagte regelmäßig lückenlos bestätigt, dass die vereinbarten Mietzahlungen von der … an die Investoren erbracht worden seien und auch die Rückkäufe der Container stets vertragsgemäß abgewickelt worden seien. Bei pflichtgemäßer Tätigkeit hätte der Beklagte die Jahresabschlüsse nicht testieren dürfen und den Prüfvermerk verweigern müssen. Der Beklagte habe auch die Werthaltigkeit der Forderungen in keiner Weise überprüft.
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Zumindest seit dem Jahre 2013 sei auch aus den Revisionsberichten der … (vorgelegt als Anlagenkonvolut P) ersichtlich gewesen, dass keine positive Fortführungsprognose für die deutschen … bestand. Diese Berichte seien dem Beklagten auch bekannt gewesen, wie sich aus einer E-Mail vom 22.05.2016 (Anlage Q) ergebe.
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Hinsichtlich der Überschuldung der … sei zudem eine kombinierte Betrachtung anzustellen. Bei kombinierter Betrachtung wäre erkennbar, dass die … bereits spätestens ab dem 01.01.2011 eine Finanzierungslücke von 700 Mio. Euro gehabt hätten. Dies ergebe sich auch aus dem vorgelegten Gutachten von … (Anlage N).
11
Dem Beklagten hätten letztlich die Mietunterdeckungen auffallen müssen. Bereits im Jahr 2014 wären 418 Mio. €, im Jahr 2015 419 Mio. € an die Anleger gezahlt worden, wie sich aus den vorgelegten Performance-Reporten (Anlage „Y“) ergebe. Dem seien nur Mieteinnahmen von 228 Mio (2014) bzw. 262 Mio. (2015) € gegenübergestanden. Dies hätte dem Beklagten auffallen müssen.
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Mit den Prüfberichten des Beklagten sei von den jeweiligen … Containerinvestmentprogramm auf vielfältige Weise gegenüber Anlageinteressenten beworben worden.
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Die vorgelegten Unterlagen (Anlagen K1, K 3, 4, 5, 6) hätten für die Klagepartei die Grundlage für die Bewertung des Containerinvestments als eine sichere, risikoarme Investition gebildet und hätten so eine Vertrauensbasis geschaffen, da er auf die Richtigkeit und die ordnungsgemäße Durchführung der Prüfberichte vertraut hätte. Dem Beklagten sei bekannt gewesen, dass der Jahresabschluss und sein damit verbundener Prüfbericht für Anlageinteressenten ein entscheidungserheblicher Faktor bezüglich eventueller Containerankäufe sein würden.
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Die Klagepartei meint, ihr stünden Ansprüche aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sowie aus Delikt nach § 826 BGB sowie § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 332 Abs. 1 HGB zu.
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Die Klagepartei beantragt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 25.919,90 € zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit Rechtshängigkeit  Zug um Zug gegen Abtretung aller Rechte und Ansprüche aus dam Kauf- und Verwaltungsvertrag mit der … vom 20.11.2015.
2. Der Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.033,00 € freizustellen.
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klagepartei von etwaigen Rückforderungen, insbesondere der erhaltenen Ausschüttungen (Mieteinnahmen) seitens der Insolvenzverwalter aus dem Kauf- und Verwaltungsvertrags mit der … vom 20.11.2015, freizustellen.
4. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme der Abtretung der Rechte und Ansprüche aus dem Kauf- und Verwaltungsvertrag mit der … vom 20.11.2015, in Verzug befindet.
5. Es wird festgestellt, dass die Klageforderung zu 1. auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Beklagten beruht.
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Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
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Der Beklagte rügt den klägerischen Sachvortrag als unsubstantiiert und ins Blaue hinein aufgestellt.
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Er trägt vor, die vom Beklagten stets gewissenhaft geprüften Jahresabschlüsse seien nicht unrichtig. Insbesondere habe der Beklagte die von der schweizerischen … ausgestellten Rechnungen für Containerverkäufe pflichtgemäß in Stichproben geprüft und dabei keine Auffälligkeiten festgestellt. Er habe außerdem in Stichproben die von der schweizerischen … erworbenen Container, die zur Unterscheidung mit Nummern versehen gewesen sein, mit der Anzahl der von den Investoren erworbenen Containern entsprechend den abgeschlossenen Kauf- und Verwaltungsverträgen abgestimmt und anhand der im … hinterlegten Nummern - ebenfalls in Stichproben - die jeweilige Existenz der Container sowie die damit verbundenen Übereignungsvorgänge nachvollzogen. Auch dabei habe der Beklagte keine Auffälligkeiten feststellen können, insbesondere nicht das Fehlen von Containern. Der Beklagte habe sich insbesondere auch anlässlich der Jahresabschlussprüfungen der hier streitgegenständlichen … nicht anders als bei allen anderen … - auch von dem Bestehen der Garantiemietansprüche anhand von Stichproben überzeugt.
19
Der Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die Klagepartei die in Bezug genommenen Jahresabschlüsse, die Bestätigungsvermerke des Beklagten sowie die in den Anlagen K 3 bis K 6 vorgelegten Unterlagen vor Unterzeichnung der streitgegenständlichen Investments gelesen, inhaltlich zur Kenntnis genommen und seiner jeweiligen Zeichnungsentscheidung zugrunde gelegt hat. Dies gelte erst recht hinsichtlich nicht vorgelegter Prüfberichte bzw. Gutachten des Beklagten.
20
An der Erstellung der als Anlage K 3 vorgelegten Werbematerialien und an der als Anlage K 4 vorgelegten … bzw. deren Inhalt habe der Beklagte nicht mitgewirkt; die Unterlagen seien ihm unbekannt. Gleiches gelte für die Anlagen K 5 und K 6. Mit Ausnahme der Testate der Jahresabschlüsse sei der Beklagte im Übrigen in keiner der vorgelegten Unterlagen namentlich genannt, sodass insoweit kein Vertrauenstatbestand, hierdurch geschaffen worden sein könne. Der Beklagte habe auch von einer vermeintlichen Werbung mit seinen Prüfungsberichten und Bestätigungsvermerken/Testaten seitens von … nichts gewusst.
21
Der Beklagte bestreitet, dass die Klagepartei die vorgetragene Kaufpreiszahlung für die streitgegenständliche Investition tatsächlich an die Verkäuferin geleistet haben. Er bestreitet mit Nichtwissen, dass die Verkäuferin der Container ihre Vertragspflicht zur Übereignung der Kaufgegenstände nicht erfüllt habe. Er hält die Klage auch der Höhe nach für unschlüssig.
22
Soweit sich die Klagepartei auf eine erkennbare Überschuldung der … berufe und dies durch das Insolvenzgutachten oder das Gutachten von … (Anlage N) begründen wolle, bliebe der Pflichtenkreis des Beklagten als Abschlussprüfer unberücksichtigt. Der Beklagte rügt, dass die Klagepartei nicht dargelegt habe, welchen konkreten Fehler der Beklagte als Abschlussprüfer begangen hätte. Die Klagepartei würde nicht darlegen, weshalb und woraus dem Beklagten konkret der Containerfehlbestand und eine behauptete Überschuldung der Gesellschaften hätte ersichtlich werden müssen.
23
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 15.02.2021 (Bl. 63/65 d.A.) auf den Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Die Einzelrichterin hat mündlich zur Sache verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll vom 10.05.2021 wird Bezug genommen.
24
Zur Ergänzung des Sachvortrags wird im Übrigen auf sämtliche Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

25
Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
26
Die Klagepartei hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz. Ein Anspruch besteht weder aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (I.), noch aus § 826 BGB (II.) oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 332 HGB (III.), noch bestehen Ansprüche aus Prospekthaftung (IV).
I.
27
Die Klagepartei hat keine Ansprüche aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, da sie nicht in den Schutzbereich der zwischen der jeweiligen … und dem Beklagten bestehenden Prüfverträge einbezogen ist.
28
1. Unstreitig haben die deutschen … den Beklagten als Abschlussprüfer beauftragt.
29
2. Aus einem Prüfvertrag, der eine obligatorische oder freiwillige Jahresabschlussprüfung nach den Maßstäben der §§ 316, 317 HGB zum Gegenstand hat, haftet der Wirtschaftsprüfer gemäß § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB nur der zu prüfenden Gesellschaft und den mit ihr verbundenen Unternehmen (vgl. BGH - Urteil vom 21.11.2018 - VII ZR 3/18). Nach der gesetzgeberische Intention des § 323 HGB ist das Haftungsrisiko des Wirtschaftsprüfers angemessen zu begrenzen. Die Einbeziehung einer unbestimmten Vielzahl von Gläubigern in den Schutzbereich des Auftrages läuft diesem Gesetzeszweck entgegen.
30
Aus einem Vertrag zwischen Auftraggeber und einem Experten kann zwar der durch ein unrichtiges Gutachten (Testat) geschädigte Kreditgeber, Bürge, Käufer o.ä. Schadensersatzansprüche herleiten, wenn sich aus den Umständen des Falles hinreichende Anhaltspunkte für einen auf Drittschutz gerichteten Parteiwillen ergeben. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für etwaige vertragliche Regelungen in dem Prüfauftrag, die entgegen dem vorstehenden Grundsatz dazu führen würden, dass die Anleger in den Schutzbereich einbezogen werden sollten. Dies wird auch von der Klagepartei nicht vorgetragen. Einzelheiten des Inhalts der Prüfaufträge sind nicht bekannt. Insbesondere sind die relevanten Prüfaufträge nicht vorgelegt worden.
31
3. Zudem müsste der Dritte das Gutachten, den Bericht oder den Prospekt regelmäßig vor seiner Entscheidung angefordert und von dessen Inhalt Kenntnis genommen haben. Das Vertrauen auf die bloße Existenz des Gutachtens genügt nicht.
32
Vorliegend ist weder vorgetragen, dass die Klagepartei vor Abschluss der streitgegenständlichen Kauf- und Verwaltungsverträge durch den Beklagten testierte vorangegangene Jahresabschlüsse der streitgegenständlichen … überhaupt zur Kenntnis genommen habe. Zu den konkreten Umständen der Kaufentscheidung fehlt es an jeglichem Sachvortrag.
33
Welche Prüfberichte genau die Klagepartei wann und auf welche Weise vor Abschluss ihrer Kauf- und Verwaltungsverträge ihrer Kaufentscheidung zur Grundlage gemacht habe, wird nicht ansatzweise vorgetragen. Vielmehr trägt die Klagepartei selbst vor, es sei ihr nicht erinnerlich, welche Vermarktungsunterlagen von … sie wann erhalten und gelesen habe. Da die Klagepartei, deren persönliches Erscheinen zum Termin angeordnet war, nicht erschien, konnte sie hierzu auch nicht zur Aufklärung des Sachverhalts vom Gericht befragt werden.
II.
34
Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung stehen der Klagepartei ebenfalls nicht zu.
35
1. Ein Anspruch aus § 826 BGB käme dann in Betracht, wenn die vom Beklagten erteilten Bestätigungsvermerke unter den Jahresabschlüssen nicht nur unrichtig wären, sondern er insoweit seine Aufgaben als Wirtschaftsprüfer nachlässig erledigt hätte, zum Beispiel durch unzureichende Ermittlungen oder durch Angaben ins Blaue hinein, und dabei eine Rücksichtslosigkeit an den Tag gelegt hätte, die angesichts der Bedeutung der Bestätigungsvermerke für die Entscheidung Dritter als gewissenlos erschiene (vgl. BGH - Urteil vom 12.03.2020 - VII ZR 236/19).
36
Sowohl nachlässiges als auch rücksichtsloses Verhalten können dem Beklagten jedoch nur dann vorgeworfen werden, wenn er persönlich als Handelnder überhaupt in Erscheinung getreten ist, was allenfalls im Rahmen seiner Bestätigungsvermerke der Fall ist.
37
Insoweit mangelt es indes schon an jeglichem substantiierten klägerischen Sachvortrag für ein nachlässiges als auch rücksichtsloses Verhalten des Beklagten.
38
Die Klagepartei begründet die vermeintliche Nachlässigkeit damit, dass der Beklagte bei der Prüfung nicht erkannt habe, dass die deutschen P&R Gesellschaften mindestens seit 2007 überschuldet gewesen seien und ein Schneeballsystem betrieben hätten, obwohl dies vom Insolvenzverwalter durchaus festgestellt werden konnte.
39
Für ein Verhalten des Beklagten im Sinne des § 826 BGB genügt es aber nicht, vorzutragen, dass der Insolvenzverwalter aus ex post Sicht diese Feststellungen getroffen hat. Konkreter Vortrag dazu, dass der Beklagte bei der jeweiligen Abschlussprüfung und somit aus ex ante Sicht konkrete Prüfungspflichten verletzt hat, liegt nicht vor. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte schon nach dem Wortlaut der Bestätigungsvermerke „im Rahmen der Prüfung die Wirksamkeit des rechnungslegungsbezogenen internen Kontrollsystems sowie Nachweise für die Angaben in Buchführung, Jahresabschluss und Lagebericht überwiegend auf der Basis von Stichproben beurteilt“ (Hervorhebungen durch das Gericht). Diese nur stichprobenartige Prüfung unterscheidet sich aber grundlegend von der umfassenden Prüfung, die vom Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Gutachtenserstattung vorzunehmen ist. Die Feststellungen des Insolvenzverwalters können daher nicht gleichgesetzt werden mit den Feststellungen des Beklagten im Rahmen seiner Abschlussprüfung aus ex ante Sicht.
40
Grenzen sind der Haftung des Abschlussprüfers auch nach der Rechtsprechung dort gesetzt, wo er auf die Richtigkeit von Zahlen berechtigterweise vertrauen konnte und der Quelle eine Fälschung der Zahlen nicht offensichtlich zutrauen musste (OLG München Urt. v. 12.11.2009 - 23 U 2516/09; MüKoHGB/Ebke HGB § 323 Rn. 106). Eine Prüfpflicht im Hinblick auf strafbares Verhalten bürdet die Rechtsprechung dem Abschlussprüfer ebenfalls nicht auf, vielmehr ist eine solche nur bei hinreichenden Anhaltspunkten angezeigt (OLG Düsseldorf WPK-Mitt. 1996, 340, 342; LG Hamburg WM 1999, 139, 142).
41
Auch im übrigen mangelt es an substantiiertem Vortrag. Soweit sich die Klagepartei auf das Gutachten von … (Anlage N) oder die Revisionsberichte (Anlage P) beruft, trägt die Klagepartei nicht konkret vor, welche Fehler der Beklagte begangen haben soll. 2.
42
Jedenfalls scheitert der deliktische Schadensersatzanspruch an der fehlenden Kausalität der Testate des Beklagten für die Kaufentscheidung der Klagepartei.
43
Insoweit gilt das schon oben in Ziffer 1.3. Gesagte.
44
Soweit die Klagepartei ihre Kaufentscheidung auf sogenannte „Emissionsprospekte“ gestützt haben will, war festzustellen, dass solche Prospekte gar nicht vorgelegt wurden. Bei der Anlage K 3 handelt es sich nämlich lediglich um den „Report/Perfomance“ 2014 und den „Report/Performance“ 2015. Zudem wird der Beklagte weder darin noch in dem als Anlage K 4 bzw. Anlage F vorgelegten … sowie dem … und in dem als Anlage K 5 vorgelegt einen „Invest-Report“ vom 17.09.2012 der UBK GmbH und der als Anlage K 6 vorgelegten Kopie einer angeblichen Seite aus dem Internetauftritt der …, die der Klagepartei ebenfalls als Entscheidungsgrundlage gedient haben sollen, überhaupt namentlich erwähnt oder sonst identifizierbar. Es wird darin lediglich im Allgemeinen auf Gutachten von „Wirtschaftsprüfern“ zur Bestätigung der vollständigen vertragskonformen Abwicklung durch die Gesellschaften Bezug genommen.
45
Unabhängig von der Frage, ob die Klagepartei diese Unterlagen überhaupt vor Abschluss der Kauf- und Verwaltungsverträge tatsächlich zur Kenntnis genommen hat - wovon angesichts des vagen Sachvortrags nicht ohne Weiteres ausgegangen werden kann - können sie mangels Erwähnung des Beklagten auch keine Vertrauenstatbestände der Klageseite in ihn entfaltet haben.
III.
46
Der Klagepartei stehen auch keine Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 i.V.m. § 332 Abs. 1 HGB zu.
47
Voraussetzung dafür ist gemäß § 332 Abs. 1 HGB, dass ein Abschlussprüfer unrichtig über das Ergebnis der Prüfung (u.a.) eines Jahresabschlusses berichtet, im Prüfungsbericht erhebliche Umstände verschweigt oder einen inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerk erteilt.
48
Ein unrichtiges Berichten liegt vor, wenn das mitgeteilte Ergebnis von den subjektiv-individuellen Prüfungsfeststellungen des Prüfers abweicht (vgl. Klinger, in: MüKo, HGB, 4. Auflage 2020, § 332 HGB Rn. 19). Dazu trägt die Klagepartei aber nicht konkret vor.
49
Ein Verschweigen erheblicher Umstände bedeutet die Nichterwähnung von erheblichen Umständen und Sachverhalten, die dem Prüfer bei der Prüfung bekannt geworden sind und durch deren Nichterwähnung der Prüfungsbericht unvollständig oder lückenhaft wird (vgl. Klinger, in: MüKo, HGB, 4. Auflage 2020, § 332 HGB Rn. 27). Auch dazu trägt die Klagepartei nicht substantiiert vor.
50
Voraussetzung für die Erteilung eines unrichtigen Bestätigungsvermerks ist, dass dieser nicht mit dem Ergebnis der Prüfung übereinstimmt, der konkrete Bestätigungsvermerk also nach dem Prüfungsergebnis, so wie es sich für den Prüfer subjektiv darstellt, nicht hätte erteilt werden dürfen (vgl. Klinger, in: MüKo, HGB, 4. Auflage 2020, § 332 HGB Rn. 29). Das behauptet die Klagepartei schon gar nicht. Jedenfalls steht diesem Tatbestandsmerkmal entgegen, dass die Klagepartei behauptet, der Beklagte hätte nicht gewissenhaft geprüft und eine Insolvenzreife nicht erkannt, obwohl er sie hätte erkennen müssen.
51
Im Ergebnis kommt ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 332 Abs. 1 HGB daher nicht in Betracht.
IV.
52
Der Klagepartei steht auch kein Anspruch auf Schadensersatz aus Prospekthaftung zu.
53
Eine (Prospekt-)Haftung gegenüber Anlegern ist nur dann anzunehmen, wenn der Wirtschaftsprüfer über die Rolle des Abschlussprüfers hinaus auch gegenüber potenziellen Anlegern in dem Prospekt die Gewähr für die Richtigkeit seines Vermerks übernimmt. Der Vertrauenstatbestand muss sich aus dem Prospekt ergeben, sofern nicht die Mitwirkung an der Prospektgestaltung auf andere Weise nach außen hervorgetreten ist. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn das Testat eigens für die Prospektveröffentlichung gefertigt worden ist. In einem solchen Fall handelt es sich um keinen Bestätigungsvermerk i.S.d. § 322 HGB, sondern um ein qualifiziertes Testat über den Prospekt selbst mit werbender Funktion (vgl. BGH, Hinweisbeschluss v. 21.11.2018 - VI ZR 232/17).
54
Nach diesen Maßstäben scheidet eine Haftung des Beklagten aus, da der Beklagte keine eigenen Prospekterklärungen, sondern nur gesetzlich vorgeschriebene Prüftestate gegenüber der jeweiligen … erteilt hat. Nach dem eigenen Vortrag der Klagepartei übernahm der Beklagte die Durchführung von Pflichtprüfungen nach §§ 316 ff. HGB und die Erstellung von Bestätigungsvermerken nach § 322 HGB. Diese beziehen sich auf den jeweiligen Jahresabschluss und nicht auf den Emissionsprospekt als solchen und sind damit nicht als Testat mit werbender Funktion für die Prospektveröffentlichung gefertigt worden. Dass der Beklagte über die Rolle des Abschlussprüfers hinaus Prospektverantwortung übernehmen wollte, wird von der Klagepartei schon nicht vorgetragen.
55
Im übrigen würde es auch hier an der Kausalität fehlen. Die Klagepartei trägt im übrigen zur Kausalität selbst vor, sich nicht daran erinnern zu können, welche Vermarktungsunterlagen sie vor dem Vertragsschluss erhalten habe.
56
Die Klage war damit insgesamt abzuweisen.
B.
57
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.