Inhalt

VGH München, Beschluss v. 23.08.2021 – 12 CE 21.2141
Titel:

Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs für Begehren auf Unterlassung der Durchführung eines Vergabeverfahrens 

Normenketten:
SGB VIII § 13
GVG § 17a
GWB § 97 Abs. 6, § 155, § 156 Abs. 1, § 158 Abs. 2
Leitsatz:
Für das auf Bestimmungen des SGB VIII gestützte Begehren, die Durchführung eines Vergabeverfahrens zu unterlassen, ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. (Rn. 1 – 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
vorläufige Untersagung, Vergabeverfahren, Vorabentscheidung, Kinder- und Jugendhilfe, Jugendhilfeverfahren, Verwaltungsrechtsweg, abdrängende Sonderzuweisung, Vergabekammer
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 22.07.2021 – M 18 E 21.2712
Fundstelle:
BeckRS 2021, 50994

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 22. Juli 2021 - M 18 E 21.2712 - wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Aufwendungen selbst.
III. Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1
Die zulässige Beschwerde, mit der der Antragsgegner sich in einem auf die vorläufige Untersagung der Vergabe von Jugendhilfeleistungen in Form der Schulsozialarbeit (§ 13 SGB VIII) gerichteten Eilverfahren (§ 123 VwGO) gegen die Vorabentscheidung des Verwaltungsgerichts München vom 22. Juli 2021 über die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs (§ 17a Abs. 3 Satz 2 GVG) wendet und sein Begehren weiterverfolgt, unter Aufhebung der streitgegenständlichen Entscheidung die Feststellung der Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs zu erwirken, bleibt ohne Erfolg (§ 17a Abs. 4 Satz 3 i.V.m. §§ 146 ff. VwGO).
2
1. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für die vorliegende Streitsache der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet ist. Die Beziehungen zwischen einem Leistungserbringer und dem Jugendhilfeträger im jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis sind unstreitig öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. BayVGH, B.v. 19.6.2018 - 12 C 18.313 - juris, Rn. 7). Eine abdrängende Sonderzuweisung nach §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB liegt entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht vor.
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a) Gemäß § 156 Abs. 2 GWB können zwar Rechte aus § 97 Abs. 6 GWB sowie sonstige Ansprüche gegen Auftraggeber, die auf die Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren gerichtet sind, nur vor den Vergabekammern und dem Beschwerdegericht geltend gemacht werden. Vorliegend steht jedoch - worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat - weder ein Anspruch des Antragstellers auf Einhaltung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren nach § 97 Abs. 6 GWB noch die Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren in Streit. Der Antragsteller begehrt vielmehr - gestützt auf Bestimmungen des SGB VIII - die Unterlassung der Durchführung eines Vergabeverfahrens überhaupt.
4
b) Eine solche Feststellung indes lässt sich in einem Vergabenachprüfungsverfahren von vornherein nicht erreichen. Die Abwendung der Durchführung eines Vergabeverfahrens an sich, ist kein Rechtsschutzziel, welches in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren zulässiger Weise verfolgt werden könnte (OLG Düsseldorf, B.v. 13.5.2015 - VII-Verg 38/14 - juris, Rn. 30; OLG Brandenburg, B.v. 3.11.2011 - Verg W 4/11 - juris; VG Münster, U.v. 18.8.2004 - 9 L 970/04 - juris, Rn. 8). Ein vergaberechtlicher Anspruch, eine Auftragsvergabe durch Aufhebung der Ausschreibung zu verhindern, besteht nicht. Nachprüfungsverfahren haben allein den Zweck, dass Aufträge - ordnungsgemäß - erteilt werden, nicht aber, dass die Auftragserteilung überhaupt verhindert wird (vgl. OLG Brandenburg, B.v. 3.11.2011 - Verg W 4/11 - juris, m.w.N.).
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c) Die Rüge, ein Vergabeverfahren habe erst gar nicht durchgeführt werden dürfen, kann daher von vornherein nur vor dem Verwaltungsgericht erhoben werden (so zutreffend auch bereits Schweigler, JAmt 2019, 290 [292]). Daran vermag entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragsgegners weder der Umstand, dass vorliegend bereits ein Vergabeverfahren begonnen hat und derzeit noch andauert, noch die Tatsache, dass der Vergabekammer grundsätzlich eine umfassende Prüfungskompetenz (vgl. BayVGH, B.v. 26.04.2019 - 12 C 19.621 - juris, Rn. 6) zukommt, etwas zu ändern. Die Auffassung des Antragsgegnerbevollmächtigen würde angesichts der eindeutigen Rechtsprechung der Beschwerdegerichte vielmehr geradewegs darauf hinauslaufen, dass der Antragsteller entgegen der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) rechtsschutzlos gestellt wäre. Zur Vermeidung weiterer unnötiger Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen (vgl. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
6
Die Beschwerde ist deshalb zurückzuweisen. Aufgrund des anhängigen Eilverfahrens ergeht die Entscheidung ohne weitere Gewährung rechtlichen Gehörs.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO i.V.m. § 188 Satz 2 VwGO.
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3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der weiteren Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht liegen nicht vor (§ 17a Abs. 4 Sätze 4 und 5 GVG).
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4. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar (vgl. BVerwG, B.v. 16.3.1994 - 4 B 223.93 -, NVwZ 1994, 782).