Inhalt

FG Nürnberg, Urteil v. 20.07.2021 – 1 K 1388/19
Titel:

Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung zugunsten einer im Ausland ansässigen Konzernmutter

Normenketten:
KStG § 14
SGB V § 129
FGO § 139 Abs. 3 S. 3
Leitsätze:
1. Eine vGA kann auch ohne Zufluss beim Gesellschafter gegeben sein, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Das "Nahestehen" in diesem Sinne kann familien-, gesellschafts-, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein. (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nicht branchenüblich, dass Umsätze aus Parallelimporten einer im Ausland ansässigen Konzernmutter stets gesondert in die Provision / Marge der nationalen Vertriebsgesellschaft einfließen müssen. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Verdeckte Gewinnausschüttung
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – I R 41/21
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
EFG 2022, 962
IStR 2022, 858
DStRE 2023, 376
LSK 2021, 50865
BeckRS 2021, 50865

Tenor

1. Unter Abänderung der Körperschaftsteueränderungsbescheide für die Veranlagungszeiträume 2006 - 2010, jeweils vom 20.09.2017, und der Einspruchsentscheidung vom 27.06.2019 wird die Körperschaftsteuer für 2006 auf xx €, für 2007 auf xx €, für 2008 auf xx €, für 2009 auf xx € und für 2010 auf xx € herabgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Das Urteil ist wegen der zu erstattenden Aufwendungen der Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Aufwendungen der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Streitig ist der Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) zugunsten einer im Ausland ansässigen Konzernmutter.
2
Die Klägerin ist eine GmbH, die die Gründung, den Erwerb und die Beteiligung an gewerblichen Unternehmen in Deutschland sowie deren Verwaltung und die Erbringung von Dienstleistungen für diese Unternehmen zum Unternehmensgegenstand hat. Die Gesellschaft bestimmt nach einheitlichen Richtlinien die Unternehmenspolitik ihrer deutschen Beteiligungsgesellschaften, an welchen ihr eine Stimmrechtsmehrheit zusteht. Anteilseigner der Klägerin sind zu 77% die A1-AG (Ausland) und zu 23% die Konzernmuttergesellschaft A2-AG (Ausland).
3
Sie ist Organträgerin der A3-GmbH. Diese hat die Herstellung, Verarbeitung und den Vertrieb von Produkten und anderer damit verwandter Produkte zum Unternehmensgegenstand. Da zwischen der A3-GMBH als beherrschtem Unternehmen und der Klägerin als herrschendem Unternehmen am 05.12.1996 ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen wurde, besteht zwischen den Gesellschaften ein Organschaftsverhältnis im Sinne des § 14 KStG.
4
Als Vertriebspartner der A -Gruppe, der für den Vertrieb von Originalprodukten des Konzerns in Deutschland zuständig ist, war A3-GMBH auch in den Streitjahren wirtschaftlich durch sog. „Parallelimporte“ belastet. Hierbei werden Originalprodukte (keine Nachahmerprodukte) von sog. Parallelimporteuren bei Großhändlern in EU-Mitgliedsstaaten mit einem niedrigeren Preisniveau (z.B. Rumänien) aufgekauft und sodann in ein Land mit einem hohen Preisniveau (z.B. Deutschland) exportiert. Dort werden sie von den Parallelimporteuren, die im Inland als Konkurrenten von A3-GMBH in Erscheinung treten, an entsprechenden Einrichtungen verkauft, wobei sich die günstigeren Einkaufskonditionen in einem niedrigeren Verkaufspreis niederschlagen.
5
Die Veranlagungen zur Körperschaftsteuer 2006 bis 2010 erfolgten unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
6
Im Rahmen einer Außenprüfung, die sich auf die Streitjahre erstreckte, erfasste die Betriebsprüfung bzgl. A3-GMBH in Zusammenhang mit den Parallelimporten vGA in Höhe von xx T€ (2006), xx T€ (2007), xx T€ (2008), xx T€ (2009) und xx T€ (2010). Die Prüfer kamen zu der Feststellung, dass die von den Vertriebsgesellschaften (hier: A3-GMBH) durchgeführte Vermarktung des Originalproduktes auch den Parallelimporteuren und mithin mittelbar der in der Ausland belegenen Muttergesellschaft nutze, da deren Umsatz / Gewinn durch den Verkauf der Originalprodukte insgesamt erhöht werde. Da A3-GMBH insofern keine Vergütung von den Parallelimporteuren bzw. der Muttergesellschaft erhalte, liege eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) vor. Hinsichtlich der Berechnungen verwies der Bp-Bericht auf den Teilbericht des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) vom 10.01.2017 (Anlage 6, Seite 8).
7
Das Finanzamt schloss sich der Auffassung der Betriebsprüfung (vgl. BP-Bericht vom 24.07.2017) an und erließ am 20.09.2017 für die Streitjahre geänderte Körperschaftsteuerbescheide, in denen es die Körperschaftsteuer für 2006 auf xx €, für 2007 auf xx €, für 2008 auf xx €, für 2009 auf xx €, und für 2010 auf xx € festsetzte.
8
Die hiergegen fristgerecht am 13.10.2017 eingelegten Einsprüche wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 27.06.2019 (Aufgabe zur Post am 27.09.2019) als unbegründet zurück.
9
Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht am 22.10.2019 Klage erhoben.
10
Zur Begründung hat sie vorgetragen, bei den Parallelimporteuren handele es sich um mit A nichtverbundene Unternehmen, auf die der Konzern keinen Einfluss habe. Sie seien im Verhältnis zu den Herstellern und deren Vertriebsgesellschaften fremde Dritte und würden in keiner Weise durch die Unternehmen kontrolliert oder auch nur beeinflusst.
11
Für inländische Abnehmer bestünde gemäß § 129 SGB V im Sinne der Kostendämpfung im Gesundheitswesen die Verpflichtung, einen gewissen Anteil an Originalprodukten von den Parallelimporteuren zu beziehen und vergünstigt an die Kunden in Deutschland abzugeben. Auf die Entscheidung, ob ein parallel importiertes Produkt oder ein über die inländische Vertriebsgesellschaft des Herstellers (hier: A3-GMBH) bezogenes Produkt abgegeben werde, habe der anordnende Beteiligte - anders als bei Nachahmerprodukte - keinen Einfluss; diese Entscheidung treffe alleine die jeweiligen Abnehmer.
12
Die Parallelimporte würden einen Umsatzrückgang der deutschen Vertriebsgesellschaften (hier: A3-GMBH) bewirken. Versuche, die Marktmacht der Parallelimporteure zu beschränken, seien in der Vergangenheit wiederholt am EU-Wettbewerbsrecht und den europarechtlichen Normen zum freien Warenverkehr gescheitert.
13
Die Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) lägen nicht vor.
14
1. Insbesondere hätten weder eine Vermögensminderung noch eine verhinderte Vermögensmehrung vorgelegen.
1.1. Fehlen einer Vermögensminderung
15
Die bloße Tatsache, dass A3-GMBH aufgrund der Parallelimporte einen Umsatzrückgang verzeichne, stelle keine Vermögensminderung im Sinne einer vGA dar. Es lägen weder Rechtshandlungen noch rein tatsächliche Handlungen vor, die der deutschen Vertriebsgesellschaft zuzurechnen seien und die bei ihr zu einem Absatzrückgang geführt hätten. Der entgangene Umsatz sei nicht durch ein verbundenes Unternehmen, sondern durch den als Wettbewerber auftretenden Parallelimporteur verursacht worden.
16
A3-GMBH habe auch keinen Marketingaufwand getragen, der nicht ohnehin erforderlich gewesen wäre, um den im Inland selbst erzielten Umsatz zu fördern. Zielpersonen von A3-GMBH seien ausschließlich die anordneten Beteiligten, die aber ihrerseits keinen Einfluss darauf hätten, ob die jeweilige Abnehmerin das von A3-GMBH selbst vermarktete oder ein von einem Parallelimporteur bei der Abnehmerin beworbenes und an diese verkauftes Originalprodukt für die Abgabe an den Kunden auswähle. Es sei A3-GMBH daher nicht möglich, die eigenen Kosten durch die Zahl oder die Auswahl der von den Außendienstmitarbeitern aufgesuchten Beteiligten zu senken. Ein Interesse, Parallelimporte zu fördern, bestehe für A3-GMBH nicht; die Wirkungen der Marketingaktivitäten in Bezug auf die Parallelimporte seien lediglich ein unerwünschter - aber unvermeidlicher - Reflex, der im Wirtschaftsleben regelmäßig auftrete.
1.2. Verhinderte Vermögensmehrung
17
A3-GMBH habe keine fremdübliche Vergütung von der Konzernmutter einfordern können, die mittelbar durch das höhere Verkaufsvolumen in Deutschland unter Einschluss des Parallelimportes profitiert habe. Hierfür habe es an einer Rechtsgrundlage gefehlt.
1.3. Bonussystem
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Hieran ändere auch die Bonusvergütung der im Außendienst Beschäftigten nichts.
19
Der Bonus, bei der die von den Abnehmern veräußerten Parallelimporte im Regelfall mitberücksichtigt würden, mache den wesentlich kleineren Teil der Vergütung eines Außendienstmitarbeiters aus. Der Umsatz stelle in diesem Rahmen lediglich eine von mehreren Komponenten dar. Die Einbeziehung der Parallelimporte für die Berechnung der Zielvorgaben und deren Erreichung sei Marktstandard für Handelsvertreter; dem könne sich A nicht entziehen.
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2. Zudem fehle es an einer Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis.
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Da der entgangene Umsatz durch Wettbewerber verursacht worden sei, könne dieser nicht in vorgenanntem Sinne durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst worden sein.
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Insbesondere habe es A3-GMBH nicht in fremdunüblicher - und damit durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasster - Weise unterlassen, einen Ausgleichsanspruch für den Fall zu vereinbaren, dass der Mutterkonzern Produkte auf dem deutschen Markt über ausländische Vertriebsgesellschaften absetze, die an deutsche Parallelimporteure liefern würden. Hypothetische Ausgleichsansprüche würden zudem dem Fremdvergleichsgrundsatz widersprechen. Es liege auch keine Überlassung von Informationen oder Geschäftschancen vor, für die ein fremder Dritter ein Entgelt gezahlt hätte.
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3. Es sei sachgerecht, die Vergütung der Vertriebstochter A3-GMBH nur aufgrund der von ihr vertriebenen Produkte zu bemessen, weil die von ihr geschuldete Leistung in Marketing und Vertrieb bestehe. Der ihr für die Produkte berechnete Einkaufspreis führe zu der vereinbarten und angemessenen Vergütung unter Berücksichtigung eines im Budgetprozess antizipierten Umfangs von Parallelimporten. Es widerspreche dem verwirklichten Sachverhalt, hier von einer Gewinnverschiebung zu sprechen, da der Hersteller in keiner Weise in das Marktgeschehen eingreife. Das Risiko der Parallelimporte sei durch die Gesetzgebung, den Markt und das zu anderen Märkten bestehende Preisgefälle verursacht, das sich fremde Dritte zu Nutzen machten.
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A3-GMBH sei in den Streitjahren fremdüblich mit einer Nettomarge von 6,0 - 6,5% des von ihr erzielten Umsatzes vergütet worden. Diese Marge bewege sich deutlich oberhalb des Medians der Vergleichsunternehmen und sei von der hier beteiligten Bundesbetriebsprüfung in zahlreichen Fällen als fremdüblich anerkannt worden, wobei die Parallelimporte mit dieser Marge abgegolten gewesen seien. Das Finanzamt habe nicht dargelegt, weshalb dies für A3-GMBH nicht gelten solle.
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Es sei zu bedenken, dass in den vorgenannten Umsätzen auch nicht unerhebliche Produktverkäufe enthalten seien, die auf Verschreibungen von Beteiligten zurückzuführen seien, die vom Außendienst der A3-GMBH nicht besucht worden seien. Diese Umsätze seien aus der Bemessungsgrundlage für die Vergütung auszuschließen.
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4. Der mit Z GmbH geschlossene Co-Promotion Vertrag vom 30.09./11.10.2005 und der mit XGmbH für das Produkt 1 bzw. 2 geschlossene Mitvertriebsvertrag (Datum unbekannt), auf die sich das Finanzamt berufe, seien nicht typisch gewesen. So hätten die für den Streitzeitraum mit den Firmen Y-GmbH & Co. KG (Vertrag vom 02.03.2005) und X-GmbH (Verträge vom 07.05.2007 und vom 18./21.08.2009) gültigen Mitvertriebsverträge keine Klauseln enthalten, denen zu Folge Parallelimporte zwingend zu einer höheren Vergütung geführt hätten.
5. Unzutreffende Bemessung der Marge
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Im Übrigen gehe das Finanzamt von unzutreffenden Berechnungsgrundlagen aus. Insbesondere seien die vom Finanzamt herangezogenen Daten von xx nicht hinreichend aussagekräftig. Teilweise habe es seine Berechnungsgrundlagen auch nicht offengelegt; dies gelte insbesondere insoweit, als es Ermittlungsergebnisse, die bei anderen Steuerpflichtigen gewonnen worden seien, habe einfließen lassen. Insofern würden die von der Betriebsprüfung angesetzten Berechnungsgrundlagen zudem einem Verwertungsverbot unterliegen.
28
Die Klägerin hat beantragt
1. die Körperschaftsteuerbescheide für 2006 bis 2010 vom 20.09.2017, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.06.2019, dahingehend zu ändern, dass die verdeckten Gewinnabführungen von A3-GMBH an die A1-AG (Ausland) wegen unterbliebenen Vergütungen für Marketingleistungen im Zusammenhang mit Parallelimporten entfallen.
2. Für den Fall der Klageabweisung: Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
29
Das Finanzamt hat Klageabweisung und ggf. die Zulassung der Revision beantragt.
30
Zur Begründung hat es ausgeführt, das Phänomen der Parallelimporte sei nicht mit einem Umsatzrückgang aus sonstigen Gründen vergleichbar, da sich hier andere Auswirkungen auf den Gewinn der Vertragsparteien ergeben würden. Insofern sei eine Reduzierung des wirtschaftlichen Sachverhalts auf die reinen Inlandsumsätze unzulässig und bilde nicht die gesamte Wertschöpfungskette ab. Im Fremdvergleich würden fremde Dritte für den Fall des Auftretens von Parallelimporten eine Vergütung vereinbaren. Da dies vorliegend nicht geschehen sei, seien die Tatbestandsmerkmale der verhinderten Vermögensmehrung und der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung verwirklicht und es liege eine vGA vor.
31
Hierbei sei auf die Konzernmutter abzustellen, die eine möglichst große Menge ihrer Produkte im Inland absetzen wolle. Für diese spiele es keine Rolle, ob sie ihre Produkte über in- oder ausländische Vertriebsgesellschaften in den Markt einführe. Obgleich der Konzern durch die Importprodukte3 einen geringeren Reingewinn als mit den auf dem originären Vertriebsweg in Handel gelangten Produkten erziele, generiere er dennoch einen Gewinn. Es sei mithin angebracht, auch insofern eine Vergütung an die inländische Vertriebsgesellschaft, die den Gesamtabsatz fördere, zu entrichten. Entscheidend sei, wie der nach Parallelimporten verbleibende Konzerngewinn unter den beteiligten Konzernunternehmen (ausländische Muttergesellschaft und inländische Vertriebstochter) aufgeteilt werde.
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A3-GMBH habe mit Z GmbH am 30.09./11.10.2005 einen Co-Promotionsvertrag geschlossen, bei dem die mit Parallelimporten erzielten Umsätze bei der Berechnung der Vergütung mit einbezogen würden. Im Geschäftsverkehr mit einem fremden Dritten solle mithin der gesamte Vermarktungserfolg und nicht nur der aus dem Direktvertrieb im Inland vergütet werden. Es halte somit dem Fremdvergleich nicht Stand, wenn dem konzernverbundenen Vertriebsunternehmen, welches für dieses Produkt auch Marketingleistungen erbringe, keine separate Vergütung in Bezug auf Parallelimporte gewährt würde. Die von der Klägerin vorgelegten Verträge mit Y und Xstünden dem nicht entgegen, denn diese Verträge hätten Produkte betroffen, die unter einem anderen Namen (3 bzw. 4) und zu einem identischen Preis vertrieben worden seien - dies sei nicht die Problematik der Parallelimporte. Als branchentypische Vereinbarung werde der Vertrag mit Xvom August 2009 angesehen, der eine klare Absprache hinsichtlich der Parallelimporte enthalte.
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Auch im Rahmen der Vergütung der im Außendienst Tätigen würden die Parallelimporte miteinbezogen. Dies geschehe in der Weise, dass ein ausgezahlter Bonus sich nach dem Umsatz richte. Durch die Einbeziehung der Parallelimporte werde sichergestellt, dass der Vermarkungserfolg, der eintrete, sobald ein Beteiligter ein A -Produkt anordnet, korrekt abgebildet werde. Dies zeige, dass unter Dritten die Umsätze aus den Parallelimporten mit in die Preisverhandlungen einbezogen würden.
34
Die Aufgabe der A3-GMBH innerhalb des Konzerns bestehe darin, A -Produkte im Inland zu bewerben und im Markt einzuführen. Der Handel sei dazu nur ein Annex. Dabei könne A3-GMBH beim anordneten Beteiligten nur das jeweilige A -Produkt als solches bewerben und dem Beteiligten empfehlen, dieses zu verschreiben. Ordert der Beteiligte das Produkt, sei der Erfolg der Vermarktungsbemühungen der Klägerin eingetreten. Auf die freie Entscheidung der Abnehmerin, auf ein Import-Produkt zurückzugreifen, komme es nicht mehr an.
35
Damit liege eine Leistungsbeziehung zwischen der Konzerngesellschaft und der Klägerin vor, die jedoch nicht hinreichend vergütet werde; dies stelle eine verhinderte Vermögensmehrung dar.
36
Dieser Vorgang sei auch durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Die Konzernmutter habe ein großes Interesse an einem Tätigwerden der A3-GMBH, selbst für den hypothetischen Fall, dass die inländischen Konzernumsätze ausschließlich über Parallelimporte erzielt würden.
37
An den ermittelten Berechnungsgrundlagen und den Berechnungen selbst werde festgehalten. Die Institution führe repräsentative Erhebungen in der gesamten Branche durch und liefere so wichtige und zutreffende Daten für die Branche. Diese statistischen Daten seien belastbar und würden von der Finanzverwaltung ungeprüft übernommen. Aus allgemein zugänglichen Jahresabschlüssen und Betriebsprüfungen bei Parallelimporteuren seien die zugrunde gelegten Spannen und Auf- bzw. Abschläge ersichtlich.
38
Wegen der Einzelheiten wird auf die Finanzgerichtsakten, die dem Finanzgericht vorliegenden Akten des Finanzamts und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 20.07.2021 verwiesen.

Entscheidungsgründe

39
Die Klägerin hat mit ihrer Klage Erfolg, da im Zusammenhang mit den Parallelimporten die Voraussetzungen für eine vGA nicht vorlagen.
40
Unter einer vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat die Rechtsprechung die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28.01.2004 I R 50/03, BStBl II 2005, 524).
41
Eine vGA kann auch ohne Zufluss beim Gesellschafter gegeben sein, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Das „Nahestehen“ in diesem Sinne kann familien-, gesellschafts-, schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein (BFH-Urteil vom 06.12.2005 VIII R 70/04, BFH/NV 2006, 722).
42
Eine verhinderte Vermögensmehrung ist gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft für eine von ihr erbrachte Leistung kein angemessenes Entgelt erhält.
43
Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist gegeben, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer die verhinderte Vermögensmehrung gegenüber einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht hingenommen hätte. Für die Frage, ob eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung vorliegt, ist ein Fremdvergleich durchzuführen.
44
Diese Voraussetzungen einer vGA sind im vorliegenden Streitfall nicht erfüllt. Das Finanzamt hat den Nachweis im Sinne eines Fremdvergleichs nicht erbracht, dass einem nicht gesellschaftlich mit dem A Konzern verbundenen (ggf. fiktiver) Händler, der - vergleichbar mit A3-GMBH - ausschließlich A Produkte im Inland vertreibt, im Hinblick auf Parallelimporte seitens des A -Konzerns eine höhere Gewinnmarge als A3-GMBH eingeräumt worden wäre.
1. Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung
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1.1. In Zusammenhang mit den Parallelimporten hat A3-GMBH - wenn auch in geringerem Umfang als vom Finanzamt unterstellt - eine Vermögensminderung erlitten.
46
1.1.1. Eine durch die Parallelimporte verursachte Vermögensminderung ist insofern festzustellen, als A3-GMBH branchenübliche Bonuszahlungen an die Außendienstmitarbeiter zu leisten hatte, bei deren Berechnung die Abnehmer-Umsätze aus Parallelimporten anteilig eingeflossen sind.
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1.1.2. Im Übrigen hat A3-GMBH die von ihr getragenen Aufwendungen im Eigeninteresse getätigt. Das Marketingkonzept von A3-GMBH erforderte den Einsatz von Handelsvertretern, die die Kundschaft vom Vorteil der A -Produkte gegenüber anderen Konkurrenzprodukten überzeugen sollten. Dieser Aufwand fiel unabhängig davon an, ob vom beratenen Beteiligten tatsächlich ein A -Produkt verordnet wurde oder ob die Abnehmer den Kunden mit Nachahmerprodukten oder mit einem Originalprodukt eines Parallelimporteurs ausstattete.
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1.1.3. Soweit A3-GMBH aufgrund der Parallelimporte einen Umsatzrückgang zu erleiden hatte, stellte dies keine Vermögensminderung im Sinne einer vGA dar. Die Umsatzeinbuße war nämlich nicht durch ein verbundenes Unternehmen veranlasst, sondern durch ein Konkurrenzunternehmen, dem gegenüber weder A3-GMBH noch der Mutterkonzern eine rechtliche Verpflichtung eingegangen war.
49
1.2. Eine verhinderte Vermögensmehrung zugunsten der Konzernmutter ist hingegen nicht ersichtlich.
50
Das Marketingkonzept von A3-GMBH bestand im Streitzeitraum darin, durch die im Außendienst tätigen Mitarbeiter dahingehend auf die Kundschaft einzuwirken, dass diese bevorzugt A -Produkte in Auftrag geben.
51
A3-GMBH trug die dafür anfallenden Kosten im Eigeninteresse, da die Gesellschaft auf diese Weise den eigenen Umsatz, der ausschließlich aus A -Produkten generiert wurde, steigern wollte. Soweit von dieser Marketingmaßnahme auch Parallelimporteure profitierten, handelte es sich um einen bloßen Reflex, der den Eigeninteressen von A3-GMBH entgegenstand. Der Parallelimport erfolgte auch nicht im Interesse der ausländischen Konzernmutter: Die Parallelimporteure exportierten die Produkte aus Drittstaaten mit einem niedrigeren Preisniveau. Zur Wahrung der Gewinnspanne der nationalen Händler war der Mutterkonzern regelmäßig gezwungen, bereits die Drittländer zu einem niedrigeren Abgabepreis zu beliefern. In der Folge war die Gewinnspanne für A für die im Parallelhandel ins Inland gelangten Originalprodukte niedriger als bei den Produkten, die direkt über die inländische Vertriebsgesellschaft A3-GMBH in Deutschland vertrieben wurden. Aufgrund der Struktur der Versorgung in Deutschland ist auch nicht davon auszugehen, dass der reduzierte Abgabepreis zu einer vermehrten Verordnung durch die Kundschaft oder zu einer höheren Abgabemenge von A -Produkten durch die Abnehmer geführt hätte.
52
2. Sowohl die vom Finanzamt behaupteten als auch die vom Finanzgericht erkannte (s.o.) Vermögensminderung fanden ihre Veranlassung jedoch nicht im Gesellschaftsverhältnis.
53
2.1. A3-GMBH konnte sich auf keine vertragliche oder rechtliche Grundlage berufen, die ihr eine höhere Provision für eine auf Parallelimporte zurückzuführende Erhöhung des im Inland erzielten Verkaufsvolumens der Muttergesellschaft verschafft hätte. Zwar erbrachte A3-GMBH durch ihre Vermarktungsaktivitäten Leistungen gegenüber der Konzernmutter, die sich im Inland mittelbar auch im Absatz in Form von veräußerten Parallelimporten niederschlugen, jedoch hatte A3-GMBH kein Druckmittel gegenüber der Konzernmutter, um hierfür eine Vergütung einzufordern. Diese schwache Verhandlungsposition war allerdings nicht auf die Gesellschaftsverhältnisse im A -Konzern zurückzuführen; auch einem fremden Dritten hätte insofern keine erfolgversprechende Verhandlungsposition zugestanden.
54
Das Gericht folgt insofern nicht der Argumentation des Finanzamts, der zu Folge es branchenüblich sei, dass die Umsätze aus Parallelimporten stets gesondert in die Provision / Marge der nationalen Vertriebsgesellschaft einfließen müssten. Soweit es sich hierbei auf den mit Z GmbH geschlossene Co-Promotion Vertrag beruft, hat die Klägerin durch Vorlage der im Streitzeitraum mit den Firmen YGmbH & Co. KG und X-GmbH geschlossenen Mitvertriebsverträge den Nachweis geführt, dass eine solche Vereinbarung in den hier relevanten Vergleichsgruppen nicht der Regelfall war. Eine branchenübliche Verfahrensweise, der zu Folge A3-GMBH innerhalb des A -Konzerns auch eine Vergütung für den Verkauf von Produkten hätte einfordern können, die im Rahmen des Parallelimports ins Inland gelangt sind, kann das Gericht mithin nicht feststellen.
55
2.2. Der aufgrund der Parallelimporte geminderte Umsatz von A3-GMBH war dem Tätigwerden der Parallelimporteure, die am Markt als Wettbewerber auftraten, geschuldet. Diese wiesen nach dem Kenntnisstand des Gerichts keine wirtschaftliche, gesellschaftsrechtliche oder vergleichbare Verbindung zum A -Konzern auf; das Finanzamt hat dies auch nicht behauptet und auch keinen entsprechenden Nachweis geführt.
56
2.3 Der Vertrieb von Parallelimporten lag nach Überzeugung des Senats auch nicht im Interesse der Muttergesellschaft. Wegen der höheren Gewinnspanne hatte diese vielmehr ein großes Interesse daran gehabt, dass die Vermarktung ihrer Produkte auf dem für das Inland eingerichteten Vertriebsweg erfolgt. Die Entscheidungen der Europäischen Kommission und des EuGH zeigen, dass die europäischen Grundfreiheiten der Klägerin - wie auch den anderen Konzernen - weitgehend jedoch keine Möglichkeiten einräumten, den für sie missliebigen Vertriebsweg der Parallelimporteure innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten wirksam zu schließen.
57
2.4. In diesem Zusammenhang ist es auch unbeachtlich, dass A3-GMBH bei der Vergütung seiner Außendienstmitarbeiter im Rahmen des Bonussystems die von den Abnehmern veräußerten Parallelimporte in branchenüblicher Weise mitberücksichtigt hat, da verschiedene Aspekte mit der jeweiligen Vergütung honoriert werden sollten:
58
Während mit der Vergütung für A3-GMBH zulässigerweise primär der Vertrieb von A -Produkten über den im Konzern installierten Absatzweg vergütet werden sollte, berücksichtigte die Vergütung der Außendienstmitarbeiter, dass die Kundschaft zur Verordnung von A -Produkten bewegt werden konnte, unabhängig davon, aus welcher Bezugsquelle der Abnehmer die Kunden / Patienten letztendlich beliefert wurden.
59
Ergänzend ist hierzu anzumerken, dass das Finanzamt nicht den für eine vGA erforderlichen Nachweis geführt hat, dass die der A3-GMBH in den Streitjahren eingeräumte Marge in Höhe von 6% - 6,5% nicht auch eine Kompensation der aus Parallelimporten resultierenden Umsätze beinhaltete; hierfür spricht, dass diese Marge im branchenvergleich zwar als fremdüblich, jedoch als überdurchschnittlich anzusehen ist.
60
3. Der erkennende Senat sieht zudem die vom Finanzamt angesetzten vGA-Beträge der Höhe nach als nicht nachgewiesen bzw. hinreichend glaubhaft gemacht an.
61
3.1. Soweit sich die Beteiligten im Rahmen der Betriebsprüfung dahingehend geeinigt haben, dass A3-GMBH in den Streitjahren fremdüblich mit einer Nettomarge von 6,0 - 6,5% des von ihr erzielten Umsatzes vergütet worden sei, hat das Finanzamt keine Anhaltspunkte dargelegt, aus denen zu schließen wäre, dass diese Marge - die nach unbestrittenem Vortrag der Klägerin deutlich oberhalb des Medians der Vergleichsunternehmen liegt und von der Finanzverwaltung in zahlreichen Fällen als fremdüblich anerkannt wurde - nicht auch die Parallelimporte in den Streitjahren abgegolten hat.
62
3.2. Soweit es sich diesbezüglich auf veröffentlichte Marktstudien stützt, ist zu bedenken, dass es sich hierbei um privat veranlasste, ggf. interessensorientierte Marktforschungsberichte handelt, die die Finanzverwaltung ohne weitere Überprüfung ihren Berechnungen zu Grunde gelegt hat. Den Beweiswert dieser Berichte stuft der erkennende Senat daher als sehr niedrig und als nicht relevant ein.
63
3.3. Bei seinen Berechnungen hat das Finanzamt Erkenntnisse aus der Prüfung anderer Steuerpflichtiger der Branche einfließen lassen. Hierbei hat es seine Erkenntnisquellen jedoch unter Berufung auf das Steuergeheimnis nicht offengelegt. Nachdem das Finanzamt insofern dem Aufklärungsersuchen der Klägerin nicht nachgekommen ist und sich zu den geäußerten Zweifeln an dem Zahlenmaterial nicht substantiiert geäußert hat, kann seitens des Gerichts keine Überprüfung dieser Daten erfolgen. Den für den Ansatz einer vGA erforderlichen Nachweis hat das Finanzamt mithin bzgl. des betragsmäßigen Ansatzes der behaupteten vGA nicht erbracht.
4. Steuerberechnung
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Die Kosten des Verfahrens hat das Finanzamt zu tragen, da es im Klageverfahren unterlegen ist (§ 135 Abs. 1 FGO).
65
Die Tätigkeit eines Bevollmächtigten im Vorverfahren diente der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).
66
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten der Klägerin sowie die Abwendungsbefugnis, der von Amts wegen zu erfolgen hat, ergibt sich aus den §§ 151 Abs. 1 Satz 1 FGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
67
Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen, da es sich um eine bisher ungeklärte Rechtsfrage mit großer wirtschaftliche Bedeutung handelt, die mit ihrer Breitenwirkung über das hier gegenständliche Klageverfahren hinausgreift.