Titel:
Bürgerbegehren, (formelle) Unzulässigkeit wegen fehlender stofflicher Einheit der Unterschriftslisten, aus mehreren einseitig bedruckten Seiten bestehende Unterschriftslisten ohne Benennung der Mindestelemente des Art. 18a Abs. 4 GO
Normenkette:
GO Art. 18a Abs. 4
Schlagworte:
Bürgerbegehren, (formelle) Unzulässigkeit wegen fehlender stofflicher Einheit der Unterschriftslisten, aus mehreren einseitig bedruckten Seiten bestehende Unterschriftslisten ohne Benennung der Mindestelemente des Art. 18a Abs. 4 GO
Fundstelle:
BeckRS 2021, 50148
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Kläger begehren als dessen Initiatoren und Vertretungsberechtigte die Zulassung des Bürgerbegehrens „Beendigung/Rückgängigmachung der Bauleitplanung für die Ausweisung eines ‚Sondergebietes für die Errichtung eines Bau- und Gartenfachmarkts‘ (V-Baumarkt) betreffend den südlichen Bereich des Zeißlerweges in P. …“.
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Die Kläger reichten beim Beklagten am 20. November 2020 die gesammelten Unterschriften zur Beantragung eines Bürgerentscheids gegen die Errichtung eines Baumarkts im Gemeindegebiet des Beklagten ein. Bei den Unterschriftslisten handelt es sich pro Liste um bis zu fünf inhaltlich zusammengehörige, grundsätzlich einseitig bedruckte DIN-A4-Blätter, die bei den meisten, aber nicht allen eingereichten Listen am rechten unteren Seitenrand jeweils durchnummeriert sind. Die Seiten 4 und 5 unterscheiden sich dabei nur durch die Nummerierung/Benennung der Seitenzahl, weshalb Seite 5 im gleich folgenden Teil dieses Tatbestands nicht dargestellt ist. Bei einigen, aber nicht allen Unterschriftslisten sind die Seiten 4 und 5 auf ein Blatt, sprich doppelseitig gedruckt. Bzgl. den Seiten 1 bis 3 ist dies (doppelseitiger Druck) jedoch nirgends der Fall. Im Einzelnen sind die Unterschriftslisten (soweit nicht die Nummerierung rechts unten fehlt) wie folgt gestaltet:
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Mit Bescheid vom 3. Dezember 2020 wies der Beklagte das Bürgerbegehren als unzulässig zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Marktgemeinderat in seiner Sitzung am 10. März 2020 die 1. Änderung des Flächennutzungsplans sowie die 1. Änderung des Bebauungsplans Nummer 55 b „Zeißlerweg III“ beschlossen habe. Mit dieser Änderung habe insbesondere das seinerzeit bereits festgesetzte Gewerbegebiet in ein Sondergebiet gemäß § 11 BauNVO gewandelt werden sollen, um die Errichtung eines Bau- und Gartenmarktes bauplanungsrechtlich zu ermöglichen. Am 20. November 2020 sei dem Beklagten ein Ordner mit insgesamt 76 gehefteten, mehrseitigen Unterschriftslisten übergeben worden, auf welchen sich 1.187 Unterzeichner für das o.g. Bürgerbegehren ausgesprochen hätten. Von diesen 1.187 Eintragungen seien nach Prüfung 932 als gültig gewertet worden, so dass die erforderliche Mindestunterschriftenzahl (853) erreicht worden sei. In seiner öffentlichen Sitzung am 1. Dezember 2020 habe der Marktgemeinderat mit Mehrheitsbeschluss entschieden, dass das Bürgerbegehren unzulässig sei. Die übergebenen Unterschriftslisten würden nicht den rechtlichen Vorgaben entsprechen, da es ihnen an der erforderlichen „stofflichen Einheit“ fehle. Nach §§ 4 Abs. 1, 2 Abs. 2 der Satzung zur Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden im Markt Peiting (Bürgerentscheidsatzung) - BBS - und Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO müsse ein eingereichtes Bürgerbegehren neben Antrag und Fragestellung auch eine Begründung und die Benennung der Vertreterinnen und Vertreter enthalten. Auf alle vier Elemente müsse sich der Wille der Unterzeichnenden nachweislich beziehen. Der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs folgend würden daraus für die Unterschriftslisten zwingende Vorgaben erwachsen. So genüge es zwar noch, wenn Antrag, Fragestellung, Begründung und Vertreter sich auf der Vorderseite und die Unterschriften auf Vorder- und Rückseite befinden würden. Nicht ausreichend sei es dagegen, wenn lose Listen hintereinandergeklammert und nicht auf jedem Blatt die o.g. vier Elemente bezeichnet seien. Denn es müsse ausgeschlossen sein, dass Unterschriften geleistet und erst nachträglich mit einem Text verbunden würden, mithin die Gefahr von Irrtümern oder Manipulation hervorgerufen würde. Bei den vorliegenden Unterschriftslisten sei dies - völlig ungeachtet der Frage, ob einer konkreter Verdacht auf Manipulation bestehe - nicht gewährleistet. So sei negativ festzustellen, dass die Klammerung mancher Listen wohl tatsächlich nochmals geöffnet worden sei, zumindest seien entsprechende Hinweise auf den Listen (kleine Perforierungen) ersichtlich. Weiter enthalte das eingereichte Begehren Begründungsmängel. Für die zweite Teilfragestellung (Rückgängigmachung einer möglicherweise bereits erfolgten Ausweisung eines Sondergebiets) werde keine gesonderte Begründung erbracht. Insbesondere hätten die Bürger vorliegend für den Fall der in der Fragestellung thematisierten Aufhebung oder Änderung eines bestehenden Bebauungsplans darauf hingewiesen werden müssen, dass dadurch u.U. erhebliche Schadensersatzanspräche gegen den Beklagten entstehen würden. Die Begründung könne insoweit nicht mehr als vollständig erachtet werden.
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Am 18. Dezember 2020 erhoben die Kläger vertreten durch ihre Bevollmächtigten zu 1) und 2) Klage gegen den Bescheid vom 3. Dezember 2020. Zur Begründung trug der Bevollmächtigte zu 1) mit Schriftsatz vom 4. Februar 2021 vor, dass den Klägern ein Anspruch auf Zulassung des verfahrensgegenständlichen Bürgerbegehrens zustehe. Die übergebenen Unterschriftslisten seien konform zu den gesetzlichen Vorgaben. Es sei eine „gedankliche Schnur“ erkennbar, nachdem auf den Listen oben fett gedruckt der Verweis auf die Bezeichnung des konkreten Bürgerbegehrens sowie der weitere Hinweis, dass Fragestellung, Begründung, Namen und Vollmachten der Vertretungsberechtigten auf den Seiten 1 bis 3 zu finden seien. Eine Missbrauchsgefahr sei nicht gegeben, der Bayerische Verfassungsgerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 29. August 1997 (Az. 8-VII-96) das Einsammeln von Unterschriften durch die Initiatoren nicht als Beeinträchtigung der durch Art. 7 Abs. 2 BV geschützten Abstimmungsfreiheit erachtet. Soweit dem Bürgerbegehren ein Begründungsmangel in Form eines fehlenden Hinweises auf Entschädigungsansprüche vorgeworfen werde, sei auf § 39 BauGB zu verweisen, welcher dafür einen rechtsverbindlichen Bebauungsplan zum Zeitpunkt der Einreichung des Bürgerbegehrens fordere. Der Satzungsbeschluss hinsichtlich des Bebauungsplans sei aber erst am 8. Dezember 2020 gefasst und bekannt gemacht worden. Zudem könne der Erwerber kein berechtigtes Vertrauen aufbauen, wenn ihm nicht verborgen bleiben könne, dass ein Bürgerbegehren und ggf. auch ein Bürgerentscheid gegen die Ausweisung des ihn betreffenden Sondergebiets betrieben werde.
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Die Bevollmächtigten zu 1) und 2) der Kläger beantragen,
Der Zurückweisungsbescheid des Marktes Peiting vom 03.12.2020 wird aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, das am 20.11.2020 eingereichte Bürgerbegehren „Beendigung/Rückgängigmachung der Bauleitplanung V-Baumarkt in Peiting“ zuzulassen und innerhalb von drei Monaten nach dieser Feststellung den begehrten Bürgerentscheid durchzuführen.
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Die Bevollmächtigten des Beklagten beantragen,
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und erwiderten auf die Klage mit Schriftsatz vom 18. Februar 2021. Die Klage sei unbegründet, den Klägern stehe als Gesamtvertretern des Bürgerbegehrens kein Anspruch auf dessen Zulassung zu. Bereits in formeller Hinsicht entspreche es nicht den Formanforderungen nach Art. 18a Abs. 4 GO. Wie im Bescheid vom 3. Dezember 2020 bereits ausgeführt, müssten die vier Merkmale Antrag, Fragestellung, Begründung und Vertreterbenennung auf jeder einzelnen Unterschriftenliste bzw. jedem Blatt stehen, da sich der Wille der Unterzeichner nur so auch nachweislich auf alle diese Elemente beziehen könne. Selbst wenn man dies aber dahingestellt lassen wolle, würde zumindest eine Gestaltung wie die vorliegende nicht genügen. Die erforderlichen vier Angaben seien beim verfahrensgegenständlichen Bürgerbegehren auf drei einzelnen, lediglich einseitig bedruckten Blättern verstreut. Es fehle an einem stofflichen Zusammenhang. Besonders kritisch zu beurteilen sei dabei die jeweilige Seite 3, auf der die absolute Mehrzahl der Unterschriften enthalten sei. Diese enthalte die Benennung der vertretungsberechtigten Personen und Zeilen für die zu leistenden Unterschriften ohne jeglichen Bezug zum verfahrensgegenständlichen Bürgerbegehren. Diese konkrete Ausgestaltung leiste Irrtümern der Unterzeichner Vorschub und begünstige Manipulationen dergestalt, dass Seiten nachträglich ausgetauscht würden oder den Unterzeichnern nur die dritte Seite zur Unterschrift vorgelegt und das Begehren bloß mündlich erläutert werde. Dementsprechend sei auch § 2 Abs. 3 BBS nicht erfüllt. Weiter sei das Bürgerbegehren unzulässig, weil der Inhalt der zweiten Fragestellung überhaupt nicht eigens begründet werde. Bei einem Erfolg des Bürgerbegehrens/-entscheids würde sich die Frage stellen, ob dem Vorhabensträger Entschädigungsansprüche nicht nur nach § 39 BauGB, sondern auch nach § 42 BauGB zustehen würden. § 42 BauGB sehe eine Entschädigung vor, wenn die zulässige Nutzung eines Grundstücks aufgehoben werde. Es komme dabei nicht darauf an, ob und inwieweit der Eigentümer die zulässige Nutzung bereits ins Werk gesetzt habe. Dass der Bebauungsplan aufgehoben werden solle, ergebe sich erst aus dem am 20. November eingereichten verfahrensgegenständlichen zweiten Bürgerbegehren. Kostenauslösenden Vorbereitungshandlungen aufgrund des Satzungsbeschlusses vom 8. Dezember 2020 (Anm.: Satzungsbeschluss zur Änderung des Bebauungsplans „Zeißlerweg III“) dürfe das berechtigte Vertrauen nicht abzusprechen sein. Daher bestünden erhebliche Zweifel an der Vollständigkeit der Begründung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Verfahren M 7 K 20.6694, die vorgelegten Behördenakten sowie die Niederschrift über mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Kläger, die als Gesamtvertreter der Unterzeichner des Bürgerbegehrens gegen dessen Ablehnung im eigenen Namen unmittelbar Klage erheben können (Art.18a Abs. 8 Satz 2 GO), haben keinen Anspruch auf Zulassung des Bürgerbegehrens „Beendigung/Rückgängigmachung der Bauleitplanung für die Ausweisung eines ‚Sondergebietes für die Errichtung eines Bau- und Gartenfachmarkts‘ (V-Baumarkt) betreffend den südlichen Bereich des Zeißlerweges in Peiting (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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1. Das Bürgerbegehren bzw. der Antrag auf einen Bürgerentscheid ist bereits aus formellen Gründen unzulässig, weil die dazu beim Beklagten eingereichten Unterschriftslisten nicht den gesetzlichen Vorgaben des Art. 18a Abs. 4 Satz 1, Abs. 6 GO entsprechen.
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Nach Art. 18a Abs. 4 Satz 1 GO muss das Bürgerbegehren eine mit Ja oder Nein zu entscheidende Fragestellung und eine Begründung enthalten sowie bis zu drei Personen benennen, die berechtigt sind, die Unterzeichnenden zu vertreten.
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Alle vier Angaben, sprich der Antrag auf Durchführung eines Bürgerentscheids (Bürgerbegehren), die mit Ja oder Nein zu entscheidende Fragestellung, die Begründung und die Benennung der Vertreterinnen oder Vertreter, müssen sich auf jeder einzelnen Unterschriftsliste selbst befinden. Die genannten vier Merkmale bilden in ihrer Summe den Gegenstand des Bürgerbegehrens im Sinn des Gesetzes, den die Gemeindebürger nach Art. 18a Abs. 5 Satz 1 GO unterzeichnen können. Auf alle vier Elemente muss sich der Wille der Unterzeichnenden nachweislich beziehen (BayVGH, B.v. 4.2.1997 - 4 CE 96.3435 - BayVBl 1997, 375 unter Verweis auf BayVGH, B.v. 8.7.1996 - 4 CE 96.2182 - juris Rn. 11). Aus der Begründung ergibt sich die Zielrichtung des Bürgerbegehrens. Die Vertreter sind für die praktische Abwicklung des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheids von großer Bedeutung. Sie vertreten die Interessen der Unterzeichner des Bürgerbegehrens gegenüber der Gemeinde. Dabei geben sie z.B. die von ihnen vertretenen Auffassungen zum Gegenstand des Bürgerentscheids der Gemeinde bekannt, damit diese sie in ihren Veröffentlichungen und Veranstaltungen darstellen kann. Die Vertreterinnen und Vertreter des Bürgerbegehrens machen die Rechte des Bürgerbegehrens auch gerichtlich geltend (vgl. dazu Art. 18 a Abs. 8 Satz 2 GO). Die Vertreter dürfen im Hinblick auf die Bedeutung ihres Amts keine „selbsternannten“ Vertreter sein, sondern bedürfen der Ermächtigung durch die Unterzeichner. Die Legitimation der Vertreter muss von den Unterzeichnern ausgehen (BayVGH, B.v. 8.7.1996 - 4 CE 96.2182 - juris Rn. 11).
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Sinn und Zweck des Formerfordernisses, dass sich alle vier o.g. Angaben auf jeder einzelnen Unterschriftsliste befinden müssen, ist es vor dem Hintergrund der mit der Unterschriftsleistung zugleich einhergehenden Bevollmächtigung der Vertreter, Streitigkeiten und Beweiserhebungen darüber, was bei der Unterschriftensammlung gesprochen wurde und wie die Unterschriften eingeholt wurden, weitestgehend zu vermeiden. Denn grundsätzlich kann und muss davon ausgegangen werden, dass ein Unterzeichner liest, was er auf der Unterschriftenliste unterschreibt (BayVGH, B.v. 4.2.1997 - 4 CE 96.3435 - BayVBl 1997, 375). Dabei genügt es, wenn Antrag, Fragestellung, Begründung und Vertreter auf der Vorderseite der Unterschriftenliste aufgeführt sind und sich die Unterschriften auf der Vorderseite und auf der Rückseite befinden. Denn es kann erwartet werden, dass der, der auf einem Blatt seine Unterschrift leistet, sich die Vorder- und die Rückseite anschaut (BayVGH, B.v. 4.2.1997, a.a.O.). Nicht ausreichend ist demgegenüber die bloße Verwendung von Einlageblättern oder die Hintereinanderklammerung loser Listen, sofern dort nicht auf jedem Blatt neben den Unterschriften auch der Antrag, die Fragestellung, die Begründung und die drei Vertreter bezeichnet sind. Für die Unterschriftenlisten können Papierbögen beliebiger Größe verwendet werden, solange für die Unterzeichner noch eindeutig erkennbar bleibt, was sie unterschreiben. Jedoch muss ausgeschlossen sein, dass Unterschriften geleistet und erst nachträglich mit einem Text verbunden werden, weil dies die Gefahr von Irrtümern bei den Unterzeichnern oder von Manipulationen durch die Organisatoren des Bürgerbegehrens hervorrufen könnte (VG Würzburg, B.v. 18.9.2000 - W 2 E 00.982 - juris Rn. 28 unter Verweis auf Hess. VGH, B. v. 25.8.1997 - 6 TZ 2989/97 - juris Rn. 4 f. und Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Stand September 2020, Nr. 13.04, 1 bb); vgl. in diesem Sinne auch BayVGH, B.v. 6.11.2000 - 4 ZE 00.3018 - juris Rn. 12).
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Bei der Schaffung des Art. 18a GO wurde bewusst auf die Einführung sogenannter Amtslisten und auf die Eintragung nur in Amtsräumen verzichtet. Daher ist die hierdurch entstehende Missbrauchsgefahr (vgl. insoweit BayVerfGH v. 29.8.1997, BayVBl. 1997, 622/623) so gering wie möglich zu halten. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn die stoffliche Einheit der Unterschriftenliste derart gewahrt wird, dass es sich um ein einziges (ggf. auch doppelseitig bedrucktes) Blatt Papier handelt. Andernfalls müsste gegebenenfalls Beweis darüber erhoben werden, ob alle Unterschriftenlisten vor Beginn der Unterschriftensammlung ordnungsgemäß verklammert waren, ob diese Klammern nicht vor, während oder nach der Sammlung gelöst worden sein könnten, um die stoffliche Einheit vorübergehend aufzuheben und den unterschreibenden Gemeindebürger im Unklaren darüber zu lassen, was er unterzeichnet. Insofern ist das Merkmal eines Bürgerbegehrens, dass alle vier Elemente (Antrag, Frage, Begründung, Vertreterbenennung) auf jeder Liste vorhanden sein müssen, dahingehend zu präzisieren, dass sie ohne weiteres nachweislich während des gesamten Zeitraums vom Beginn der Unterschriftensammlung bis zur Einreichung des Bürgerbegehrens auf jeder Liste vorhanden waren. Dies ist jedoch mit der die Missbrauchsgefahr eingrenzenden notwendigen Sicherheit nur dann gegeben, wenn die stoffliche Einheit der Unterschriftenlisten im Sinne des Vorhandenseins eines einzigen (ggf. doppelseitig gedruckten) Blattes Papier gegeben ist (VG Würzburg, B.v. 18.9.2000 - W 2 E 00.982 - juris Rn. 32) bzw. - was im Ergebnis auf dasselbe hinausläuft - jedes (ggf. doppelseitig bedruckte) Blatt bei mehrblättrigen Listen die vier Elemente enthält.
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Auf dieser Grundlage hat die Beklagte § 2 Abs. 3 BBS erlassen. Hiernach können Unterschriftenlisten doppelseitig gestaltet sein, wenn die Rückseite als Fortsetzung des Textes der Vorderseite klar erkennbar ist und sofern auf der Rückseite ebenfalls entweder der Antrag, die Fragestellung, die Begründung und die Vertretungsberechtigten aufgeführt sind oder sichtbar auf diese auf der Vorderseite aufgeführten Angaben verwiesen wird.
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Diesen Vorgaben des Art. 18a Abs. 4 Satz 1 BayGO wie auch des § 2 Abs. 3 BBS - der keine über die „höherrangige“ Regelung des Art. 18a Abs. 4 Satz 1 BayGO hinausgehende Anforderungen formuliert, sondern diese präzisiert - werden die eingereichten Unterschriftslisten nicht gerecht. Durch die Verwendung von bloß einseitig bedruckten, lose zusammengeklammerten Blättern wird die eben erläuterte, notwendige stoffliche Einheit gerade nicht gewahrt. Evident wird dies gerade bei der von den Klägern verwendeten Seite 3 von 5 des Begehrens (s.o.). Hier könnten, wie die Bevollmächtigten des Beklagten zutreffend ausführen, erhebliche Manipulationen vorgenommen werden, etwa indem den Bürgern zunächst eine anderslautende Fragestellung/und oder Begründung auf den Seiten 1 und 2 vorgelegt und nach erfolgter Unterschrift, aber vor Einreichung des Begehrens die Seiten 1 und 2 ausgetauscht und wieder mit Seite 3 „verklammert“ werden. Ob vorliegend tatsächlich solche Manipulationen vorgenommen wurden - wofür im Übrigen nichts ersichtlich ist - spielt dabei keine Rolle. Allein eine entsprechende abstrakte Gefahr bzw. die fehlende Gewähr, dass keine Manipulationen möglich sind, führen den oben Erwägungen folgend zur fehlenden formellen Zulässigkeit des Bürgerbegehens.
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2. Die Klage war daher mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO abzuweisen.
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3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.