Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 26.05.2021 – B 6 K 20.1169
Titel:

kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Duldungslücke

Normenkette:
AufenthG § 11 Abs. 1, Abs. 2, § 25b Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1, § 60a Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Sperrwirkung der Abschiebung setzt voraus, dass die Abschiebung rechtmäßig war, weil der Ausländer keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hatte und deshalb ausreisepflichtig war. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Mangel bei der Erfüllung des Integrationskriteriums „sechsjähriger ununterbrochener geduldeter oder gestatteter Aufenthalt“ (Duldungslücke) kann auch dadurch kompensiert werden, dass der Ausländer besondere Integrationsleistungen vergleichbarem Gewicht erbracht hat oder einzelne in § 25b Abs. 1 S. 2 AufenthG benannte Integrationsvoraussetzungen „übererfüllt“ und dadurch das nicht vollständig erfüllte „Regel-Merkmal“ kompensiert wird.  (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 25b AufenthG, Grunderteilungsvoraussetzung: Duldung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, Kein Duldungsanspruch während Überstellungsverfahren und während eines Petitionsverfahrens, Kompensation fehlender Voraufenthaltszeiten, Streitwert bei Klage einer Familie auf Aufenthaltserlaubnisse, Aufenthaltserlaubnis, Duldung, Titelerteilungsverbot, Petition, Integrationsleistung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 49552

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1
Die Kläger begehren die Erteilung von Aufenthaltstiteln gem. § 25b AufenthG.
2
Die seit Oktober 2011 verheirateten Kläger zu 1 und 2, die beide in ihrem Herkunftsland erfolgreich Management studiert hatten, reisten am 19.09.2014 zusammen mit ihrem älteren Sohn, dem Kläger zu 3, mit Schengenvisa der Polnischen Botschaft in Kiew, die bis 27.09.2014 gültig waren, erstmals ins Bundesgebiet ein. Dabei führten die Kläger zu 1 und 2 jeweils Personalausweise (ukrainischer „Inlandspass“) und bis 15.08.2024 gültige Reisepässe (ukrainischer „Auslandspass“) mit sich. Die Kläger zu 1 und 2 äußerten schriftlich Asylgesuche, erhielten eine Mitteilung über die Meldung als Asylsuchende und stellten am 07.10.2014 für sich und den Kläger zu 3 Asylanträge. Zur Durchführung des Asylverfahrens erhielten sie jeweils Aufenthaltsgestattungen. Ab 21.01.2015 wurde ihren die Gemeinschaftsunterkunft in … (Landkreis ...) als Wohnsitz zugewiesen. Im Bundesgebiet lebten zu diesem Zeitpunkt bereits die Mutter, eine Schwester und zwei Brüder des Klägers zu 1, die 2012 eingereist waren. Zuständige Ausländerbehörde war bis 25.10.2016 das Landratsamt … Mit Bescheid vom 13.04.2015 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) die Asylanträge als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Polen an. Dagegen ließen die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth erheben (B 1 K 15.50086) und beantragten, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung anzuordnen (B 1 S 15.50085). Mit Beschluss vom 29.04.2015 lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth den Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO ab.
3
In der Folgezeit stellte die Ausländerbehörde, die die Überstellung der Kläger nach Polen betrieb, den Klägern zu 1 bis 3 beginnend am 24.06.2015, nacheinander mehrere Grenzübertrittsbescheinigungen aus, zuletzt am 26.10.2015 bis 30.11.2015. Nachdem den Klägern am 10.07.2015 vom Gesundheitsamt … noch Reisefähigkeit bescheinigt worden war, ergab eine Untersuchung der Klägerin zu 2, die zu diesem Zeitpunkt in der 30. Woche schwanger war, im Klinikum … am 13.09.2015, dass Komplikationen bei der Schwangerschaft jedenfalls nicht ausgeschlossen werden könnten. Daraufhin wurde die für den 16.09.2015 geplante kontrollierte Landüberstellung über … storniert. Die zuständige Sachbearbeiterin hielt in den Akten fest, die Klägerin zu 2 sei nicht mehr reisefähig.
4
Am ... 2015 brachte die Klägerin zu 2 den Kläger zu 4 zur Welt. Für ihn wurde am 12. 11.2015 von Amts wegen ein Asylverfahren eingeleitet. wurde. Nachdem am 29.10.2015 die Überstellungsfrist nach Polen abgelaufen war, hob das Bundesamt am 05.11.2015 den Bescheid vom 13.04.2015 auf und führte das Verfahren im nationalen Verfahren fort.
5
Ab 12.11.2015 erhielten die Kläger Aufenthaltsgestattungen zur Durchführung des nationalen Asylverfahrens. Vom 01.07.2016 bis 31.03.2017 war der Kläger zu 1 als Verkäufer in einem russischen Markt für osteuropäische Lebensmittel in … beschäftigt. Seit 25.10.2016 war die Regierung von Oberfranken, Zentrale Ausländerbehörde, Dienststelle Bayreuth (ZAB) zuständige Ausländerbehörde.
6
Mit Bescheid vom 30.05.2017 lehnte das Bundesamt die Anträge des Klägers zu 4 auf Anerkennung als Asylberechtigter ab, erkannte weder die Flüchtlingseigenschaft noch den subsidiären Schutzstatus zu, stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen, setzte eine Frist von 30 Tagen für das Verlassen des Bundesgebietes nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens, drohte die Abschiebung in die Ukraine an, wenn die Ausreisefrist nicht eingehalten wird und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
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Gegen diesen Bescheid ließen die Kläger zu 1 und 2 als gesetzliche Vertreter Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth erheben, die unter dem Az. B 5 K 17.32125 geführt wurde.
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Mit Bescheid vom 19.09.2017 traf die Behörde für die Kläger zu 1 bis 3 im Ergebnis die gleiche Entscheidung. Dagegen ließen die Kläger zu 1 bis 3 Klage erheben (Az. B 5 K 17.33178)
9
Am 18.10.2018 erhielt der Kläger zu 1 die Erlaubnis zu einer (Vollzeit-) Beschäftigung als Produktionshelfer bei einer Logistikfirma, die im Auftrag der … Brauerei auf deren Betriebsgelände tätig ist. Die Erlaubnis wurde am 08.04.2019, am 30.09.2019 und am 14.04.2020 verlängert und beinhaltete zuletzt die Tätigkeit als Schichtleiter mit Führungsverantwortung für 15 bis 20 Mitarbeiter in verschiedenen Logistikbereichen. Mit der Tätigkeit verdiente der Kläger zu 1 im August 2020 ca. 1.700 EUR netto im Monat. Ab 11.07.2019 arbeitete die Klägerin zu 2 in Teilzeit als Produktionshelferin im Bereich Feinsortiererung bei der gleichen Firma für ca. 400 EUR netto pro Monat. Am 19.01.2019 konnten die Kläger eine Privatwohnung in der Stadt … beziehen. Ab dem Schuljahr 2019/2020 ging der Kläger zu 3 zur Grundschule, der Kläger zu 4 besuchte eine Kindertagesstätte.
10
Mit Urteil vom 12.08.2019 wies das Verwaltungsgericht Bayreuth die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Asylklagen der Kläger von 1 bis 4 vollumfänglich ab. Das Urteil wurde am 20.09.2019 rechtskräftig.
11
Wie beim Ausreisegespräch am 22.10.2019 zugesagt, stellten sagten die Kläger zu 1 und 2 für die Kläger zu 3 und 4 Anträge auf Reisepässe, die von der ukrainischen Auslandsvertretung am 27.12.2019 mit Gültigkeit bis 27.12.2023 ausgestellt wurden.
12
Am 30.10.2019 wurde zugunsten der Kläger, die seit 22.10.2019 Grenzübertrittsbescheinigungen hatten, eine Petition beim Bayerischen Landtag eingereicht. Der Eingabe waren Schreiben der Logistikfirma, der … Brauerei und des Hausverwalters der Gemeinschaftsunterkunft in … beigefügt, der betonte, der Kläger zu 1 habe ihm eifrig dabei geholfen, die Anlage sauber zu halten. Der Arbeitgeber des Klägers zu 1 bot an, ihn weiter zu beschäftigen.
13
Die Vorsitzende des Ausschusses für Eingaben und Beschwerden traf gegenüber dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration keine Vetoentscheidung. Deshalb erteilte die ZAB den Klägern auf ihren Antrag vom 10.12.2019 hin keine Duldungen, sondern stellte ihnen bis 29.04.2020 fortlaufend Grenzübertrittsbescheinigungen aus, weil die Behörde davon ausging, dass eine Abschiebung weder rechtlich noch tatsächlich unmöglich war. Vom 16.04.2020 bis 15.07.2020 erhielten die Kläger Duldungen, weil ihre Abschiebung wegen der Corona-Krise tatsächlich unmöglich war.
14
In seiner Sitzung vom 01.07.2020 erklärte der zuständige Parlamentsausschuss die Petition aufgrund der Stellungnahme der Staatsregierung mit der Maßgabe für erledigt, dass die Kläger für die Vorbereitung der Ausreise zur Durchführung des Visumsverfahrens ausreichend Zeit erhielten. Am 16.07.2020 erteilte die ZAB den Klägern laut Bearbeitungsblatt im Wege des Ermessens Duldungen bis 15.10.2020 bis zur freiwilligen Ausreise „gemäß der Entscheidung des Petitionsausschusses“. In einem Schreiben an die jetzige Prozessbevollmächtigte der Kläger vom 30.07.2020 führte das Landtagsamt aus, für die Klägerin zu 2, die im Rahmen des Petitionsverfahren erklärt hatte, sie wolle ab September 2020 eine fünfjährige Ausbildung zur Pflegefachfrau beginnen, komme die Beantragung eines Visums zu Ausbildungszwecken in Betracht, die übrigen Kläger könnten Visa zum Zweck des Familiennachzugs beantragen.
15
Am 22.09.2020 stellte die jetzige Prozessbevollmächtigte der Kläger einen Antrag auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen gem. § 25b AufenthG. Nachdem die Kläger am 13.10.2020 nochmals deutlich gemacht hatten, sie seien nicht mehr bereit, freiwillig auszureisen, wurden keine neuen Ermessensduldungen erteilt.
16
Nach vorheriger Anhörung lehnte die ZAB mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 20.10.2020 den Antrag auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnisse ab.
17
Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Grunderteilungsvoraussetzung eines geduldeten Aufenthalts zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung liege nicht vor. Nachdem ihre (Ermessens-) Duldungen am 15.10.2020 abgelaufen seien und nicht verlängert würden, weil die Kläger nicht länger willens seien, freiwillig auszureisen, seien sie keine geduldeten Ausländer (mehr). Außerdem mangle es an einem ununterbrochenen sechsjährigen geduldeten und gestatteten Aufenthalt im Zeitraum von der Einreise am 19.09.2014 bis zur Behördenentscheidung am 20.10.2020, weil die Kläger vom 22.10.2019 bis 29.04.2020 und seit 16.10.2020 nur über Grenzübertrittsbescheinigungen verfügt hätten. Das Fehlen dieser Regelvoraussetzung werde auch nicht durch andere, über das übliche Maß hinausgehende Integrationsleistungen kompensiert.
18
Gegen diesen Bescheid haben die Kläger mit Schriftsatz vom 30.10.2020 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erheben und beantragen lassen, den Bescheid vom 20.10.2020 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Klägern Aufenthaltserlaubnisse nach § 25b AufenthG zu erteilen.
19
Zur Begründung wird ausgeführt, zum Zeitpunkt der Antragstellung am 22.09.2020 hätten die Kläger seit der Einreise sie am 19.09.2014 sechs Jahre lang das Bundesgebiet nicht mehr verlassen. Für den Zeitraum vom 22.10.2019 bis 29.04.2020 seien ihnen zu Unrecht Grenzübertrittsbescheinigungen ausgestellt worden. Denn sie hätten, ohne dass sich die Verhältnisse geändert hätten, danach ab 16.04.2020 bis 15.10.2020 Duldungen erhalten. Davon abgesehen, seien auch Zeiten mit Grenzübertrittsbescheinigungen anrechenbar.
20
Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt und sich in der Sache nicht geäußert.
21
Mit Beschluss vom 20.11.2020 lehnte das Gericht den ebenfalls mit Schriftsatz vom 30.10.2020 gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab. Im einstweiligen Rechtsschutz sei hier nicht ein Antrag gem.§ 80 Abs. 5 VwGO, sondern ein Antrag nach § 123 VwGO statthaft (Az. B 6 S 20.1168).
22
Während bereits ihre Abschiebung lief, ließen die Kläger am 18.12.2020 beantragen, den Beklagten zu verpflichten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen (Az. B 6 E 20.1420). Diesen Antrag lehnte das Gericht mit der Begründung ab, für einen sechsjährigen geduldeten oder gestatteten Aufenthalt fehle der Zeitraum während des laufenden Petitionsverfahrens als sie nur über Grenzübertrittsbescheinigungen verfügt hätten.
23
Nach Mitteilung des Beklagten wurden die Kläger am 18.12.2020 nach Kiew abgeschoben.
24
Auf Aufforderung des Gerichts hin benannte die Prozessbevollmächtigte am 11.05.2021 die aktuelle ladungsfähige Anschrift der Kläger in der Ukraine.
25
Für die weiteren Einzelheiten des Sachund Streitstandes wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 12.05.2021, die Gerichtsakte und die Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

26
Die Klage, die zulässig, aber unbegründet ist, wird abgewiesen.
27
A) Die Klage ist zulässig.
28
I. Der Rechtsbehelf genügt zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts den Anforderungen, die gem. § 108 Abs. 1 VwGO an die Erhebung einer Klage zu stellen sind. Insbesondere sind die Kläger ordnungsgemäß bezeichnet, seit die Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 11.05.2021 ihre aktuelle ladungsfähige Anschrift in der Ukraine mitgeteilt hat (vgl. dazu BVerwG, U. v. 11.04.1999 - 1 C 24/97 - NJW 1999, 2608/2609f.).
29
II. Die Kläger haben auch mit Erfolg ein Rechtsschutzbedürfnis geltend gemacht. Ihre Prozessbevollmächtigte hat in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts versichert, die Kläger hätten ihr noch vor wenigen Tagen ausdrücklich erklärt, auch nachdem sie am 18.12.2020 in die Ukraine abgeschoben worden seien, hielten sie an ihrer Klage fest.
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B) Die Klage ist aber unbegründet.
31
Gem. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, soweit die Ablehnung des Verwaltungsaktes rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist.
32
Die Ablehnung der Erteilung der am 22.09.2020 beantragten Aufenthaltstitel ist nicht rechtswidrig, weil die Kläger zu 1 bis 4 keinen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen gem. § 25b AufenthG haben.
33
I) Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG an den Kläger zu 1 ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 11 Abs. 2 Satz 2 und 3 AufenthG ausgeschlossen, weil zu seinen Lasten das Titelerteilungsverbot eingreift.
34
1. Gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG ist gegen einen Ausländer, der abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen, infolgedessen ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, kein Aufenthaltstitel erteilt werden darf. Knüpft das Einreise- und Aufenthaltsverbot an die Abschiebung an, soll es zusammen mit der Abschiebungsandrohung unter der aufschiebenden Bedingung der Abschiebung erlassen werden und ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 und 3 AufenthG).
35
Gegenüber dem Kläger zu 1 besteht ein wirksames Einreise- und Aufenthaltsverbot. Das Bundesamt befristete in Ziff. 6 des Bescheides vom 19.09.2017 das gegenüber dem Kläger zu 1 verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG a. F auf 30 Monate ab der Abschiebung. In dieser vor der Abschiebung erlassenen Befristungsentscheidung ist der konstitutive Erlass eines befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbots zu sehen (BVerwG, U. v. 21.08.2018 - 1 C 21.17 - BVerwGE 162, 382 = InfAuslR 2019, 3 jew. Rn. 25).
36
2. Die Sperrwirkung der Abschiebung greift allerdings nicht bereits dann ein, wenn der Ausländer abgeschoben wurde, sondern setzt voraus, dass die Abschiebung rechtmäßig war, weil der Ausländer keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hatte und deshalb ausreisepflichtig war (BVerwG, U. v. 16.07.2002 - 1 C 8.02 - BVerwGE 116, 378/384 = InfAuslR 2003, 50/ 51 zum insoweit vergleichbaren § 8 Abs. 2 Satz 2 AuslG).
37
Die Abschiebung des Klägers zu 1 am 18.12.2020 hat gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ein Titelerteilungsverbot von 30 Monaten ab dem Tag der Abschiebung bewirkt. Der Kläger zu 1 hatte zum Zeitpunkt der Abschiebung am 18.12.2020 keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und war deshalb gem. § 50 Abs. 1 Alt. 1 AufenthG ausreisepflichtig.
38
a) Gem.§ 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat.
39
Ob ein Kläger ein geduldeter Ausländer i.S. d. § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist, richtet sich danach, ob ihm eine rechtswirksame Duldung erteilt worden ist oder ob er einen Rechtsanspruch auf Duldung hat, weil die Abschiebung gem. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist bzw. nur die Erteilung einer Duldung gem. § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG ermessensgerecht ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzung ist die Entscheidung in der Tatsacheninstanz. Deshalb braucht der Duldungsstatus nicht bereits bei der Antragstellung vorzuliegen (BVerwG, U. v. 18.12.2019 - 1 C 34.18 - BVerwGE 167, 211 = InfAuslR 2020, 189 Rn. 23f.). Umgekehrt reicht es aber nicht aus, wenn der Ausländer zwar bei Antragstellung geduldet war, aber nicht mehr, wenn das Gericht entscheidet (OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 04.03.2020 - OVG 6 S 10/20 - juris Rn. 8f. zum insoweit vergleichbaren § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG).
40
aa) Der Kläger zu 1 verfügte zwar noch über eine (Ermessens-) Duldung, als am 22.09.2020 der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gestellt wurde, seit 16.10.2020 besaß er aber keine wirksame Duldung mehr.
41
bb) Auch einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Duldung hatte der Kläger zu 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht.
42
aaa) Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist.
43
Anders als noch Mitte des Jahres 2020, als (Sammel-) Abschiebungen in die Ukraine wegen der Corona-Pandemie nicht durchgeführt werden konnten und der Kläger zu 1 deshalb vom 16.04.2020 bis 15.07.2020 eine Duldung erhalten hatte, konnte für den 18.12.2020 eine Sammelrückführung per Charterflug organisiert werden. Außerdem besaß der Kläger den für die Einreise in die Ukraine nötigen gültigen Reisepass (Auswärtiges Amt, Lagebericht Ukraine, Stand Januar 2020, S. 20). Schließlich durfte die Behörde als ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Reisefähigkeit i. S. d. § 82 Abs. 4 Satz 1 Alt. 2 AufenthG anordnen, dass er sich einem PCR-Test unterzieht (OVG Lüneburg, B.v.28.01. 2021 - 10 LA 12/21 - juris Rn.19).
44
bbb) Gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, wenn die Abschiebung aus rechtlichen Gründen unmöglich ist.
45
Aus rechtlichen Gründen kann für die Dauer eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eine für den Status eines geduldeten Ausländers i.S. v. § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG ausreichende (Verfahrens-) Duldung erteilt werden, wenn eine Aussetzung der Abschiebung notwendig ist, um die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen und tatsächlich gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Dauer des Verfahrens aufrechtzuerhalten und so sicherzustellen, dass eine aufenthaltsrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zugutekommen kann. Eine Verfahrensduldung kommt allerdings dann nicht in Betracht, wenn ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG beantragt hat, die nach § 25b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erforderlichen Voraufenthaltszeiten noch nicht erfüllt, ohne dass dies erheblichen Klärungsbedarf aufwirft (BVerwG, U. v. 18.12.2019 - 1 C 34.18 - BVerwGE 167, 21 = InfAuslR 2020, 189 jew. Rn. 28 - 30).
46
Nach diesen rechtlichen Vorgaben hat der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Verfahrensduldung, weil er die Voraufenthaltszeiten nicht in vollem Umfang zurückgelegt hat.
47
Gem. § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG voraus, dass der Ausländer, wenn er mit einem minderjährigen ledigen Kind in häuslicher Gemeinschaft lebt, sich seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufgehalten hat.
48
Nach dem Wortlaut der Vorschrift reicht es deshalb nicht aus, wenn der Ausländer sich zwar physisch im Bundesgebiet aufhält, aber nur über Grenzübertrittsbescheinigungen verfügt (OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 04.03.2020 - OVG 6 S 10/20 - juris Rn. 5).
49
Der Kläger zu 1, der zunächst mit einem und seit 29.10.2015 mit zwei minderjährigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft lebte, hielt sich vom 19.09.2014 bis 18.12.2020 und damit mehr sechs Jahre tatsächlich im Bundesgebiet auf. Sein Aufenthalt war jedoch in dieser Zeitspanne nicht mindestens sechs Jahre bis zu dem für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt gestattet oder geduldet. Denn der Kläger zu 1 war vom 29.04.2015 bis 15.09.2015 (ca. vier Monate und zwei Wochen), vom 22.10.2019 bis 15.05.2020 (ca. fünf Monate und drei Wochen) sowie vom 16.10.2020 bis 18.12.2020 (ca. zwei Monate) d.h. insgesamt über 12 Monate, weder gestattet noch geduldet, sein geduldeter oder gestatteter Aufenthalt war unterbrochen und währte nicht bis zur Abschiebung bzw. bis zur Entscheidung des Gerichts.
50
Zum einen besaß der Kläger zu 1 im Zeitraum vom 29.04.2015 bis 12.11.2015 weder eine Aufenthaltsgestattung noch eine Duldung, sondern nur für die Zeit ab 24.06.2015 Grenzübertrittsbescheinigungen. Auch ein Rechtsanspruch auf Duldung stand ihm nicht durchgehend, sondern erst ab 15.09.2015 zu.
51
Nachdem die Aufenthaltsgestattung des Klägers zu 1 gem. § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AsylG wegen der Vollziehbarkeit der in Ziff.2 des Bescheides des Bundesamtes verfügten Abschiebungsanordnung erloschen und seine Abschiebung nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 29.04.2015 nicht länger gem. § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG unzulässig war, war die Überstellung des Klägers zu 1 nach Polen, die der Beklagte betrieb, anfangs weder rechtlich noch tatsächlich unmöglich. Der geplanten kontrollierten Überstellung auf dem Landweg auch des Klägers zu 1 stand jedoch ab 15.09.2015 entgegen, dass die Klägerin zu 2, die von ihm ein Kind erwartete, ab diesem Zeitpunkt Abschiebungsschutz gemäß § 60a Abs. 2 Satz1 Alt. 2 AufenthG i.V. m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG genoss. Die gesetzgeberische Wertung, die § 3 Abs. 1 Satz 1 MuSchG zugrunde liegt, dass werdende Mütter wegen der psychischen und physischen Belastungen in dieser Zeit sechs Wochen vor der Entbindung nicht mehr beschäftigt werden dürfen, setzt auch zwangsweisen Rückführungen eine zeitliche Grenze (OVG Bautzen, B. v. 07.05.2019 - 3 B 102/19 - InfAuslR 2019, 325 Rn. 14). Da zu erwarten war, dass der Kläger als ihr Ehemann, der mit ihr in häuslicher Gemeinschaft lebte, sie in der Zeit im erforderlichen Umfang unterstützen würde, stand auch ihm aus Art. 6 GG ein Duldungsanspruch zu. Für die Zeit zuvor ergab sich hingegen kein Anspruch auf eine Duldung wegen der Schwangerschaft der Klägerin zu 2, weil für diesen Zeitraum keine Gefahrenlage für die Mutter und das ungeborene Kind (Risikoschwangerschaft) bestand und die Klägerin zu 2 auch nicht aus sonstigen Gründen auf die Hilfe des Klägers zu 1 angewiesen war, sondern nach dem Arztbrief des Klinikums … vom 13.09.2015 eine „intakte“ Schwangerschaft vorgelegen hatte (OVG Bautzen, a. a. O. Rn. 13). Dagegen umfasste der Duldungsanspruch in Anlehnung an das achtwöchige Beschäftigungsverbot nach der Geburt (§ 3 Abs. 2 Satz 1 MuSchG) auch den Zeitraum bis zur ersten Erteilung einer Aufenthaltsgestattung für das (nationale) Asylverfahren am 12.11.2015.
52
Zum zweiten verfügte der Kläger zu 1 vom 22.10.2019 bis 15.04.2020 über keine wirksame Duldung, bevor den Klägern aus tatsächlichen Gründen wegen der Corona-Pandemie Duldungen erteilt wurden. Er hatte für diesen Zeitabschnitt auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Duldung, nachdem er nach Eintritt der Rechtskraft des ablehnenden Asylurteils am 21.09.2019 vollziehbar ausreisepflichtig geworden war, und durfte nach fruchtlosem Ablauf der vom Bundesamt gesetzten Ausreisefrist abgeschoben werden, weil die Abschiebung nicht gem. § 60a Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG aus rechtlichen Gründen auszusetzen war.
53
Zwar war zu seinen Gunsten am 30.10.2019 eine Petition beim Bayerischen Landtag eingelegt worden. Daraus ergab sich jedoch kein Duldungsgrund.
54
Das Petitionsrecht gem. Art. 17 GG, Art. 115 BV gibt dem Petenten nur das Recht, dass das Parlament die Eingabe entgegennimmt und darüber entscheidet, aber keinen gebundenen Anspruch gem. § 60a Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG darauf, dass der ausländische Petent während des laufenden Eingabeverfahrens geduldet wird (allg. Ansicht; statt aller OVG Lüneburg, B. v. 24.06.2003 - juris Rn. 3; Gordzielik/Huber, in: Huber/Mantel, AufenthG/AsylG, 3. Aufl. 2021, § 60a AufenthG Rn. 31). Auch einen Anspruch auf die Erteilung einer Ermessensduldung gem. § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG für die Zeit des Petitionsverfahrens als einzig ermessensgerechter Entscheidung hatte der Kläger zu 1 nicht. Es entspricht zwar bayerischer Verwaltungspraxis, wie dem Gericht aus anderen Verfahren bekannt ist, dass einem ausländischen Petenten, letztlich aus Respekt vor dem Verfassungsorgan Landtag, eine Duldung erteilt wird, wenn der Petitionsausschuss nach Eingang der Eingabe sein Veto gegen aufenthaltsbeendende Maßnahmen während des anhängigen Verfahrens einlegt. Von ihrem Veto machte die Ausschussvorsitzende, was die Petition des Klägers zu 1 angeht, aber keinen Gebrauch.
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Zum dritten hatte der Kläger zu 1 ab 16.10.2020 bis zu seiner Abschiebung am 18.12.2020 keine wirksame Duldung mehr und hatte auch keinen Anspruch auf Erteilung.
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Zwar war die Erteilung einer Duldung nicht wegen des Antrages auf Aufenthaltserlaubnis vom 22.09.2020 ausgeschlossen, weil die Fiktionswirkung gem. § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nicht eingetreten ist. Der Kläger zu 1 hielt sich vom zum Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Erlasses des Bescheides am 20.10.2020 und damit auch ab 16.10.2020 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf.
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Er hatte aber einerseits keinen gebundenen Anspruch auf Erteilung einer Duldung. Nachdem der Beklagte am 13.10.2020 einen Antrag auf Luftabschiebung gestellt hatte, dem das Landesamt für Asyl und Rückführungen am 26.11.2020 entsprach, war die Abschiebung, die sich lediglich aus organisatorischen Gründen auf den 18.12.2020 verzögerte, weil die Kläger nicht mehr auf den Sammelcharter, der am 24.11.2020 in die Ukraine startete, gebucht werden konnten, nicht tatsächlich unmöglich i.S. v. § 60a Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 AufenthG (Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 60a AufenthG Rn. 22). Auch die Erteilung weiterer Ermessensduldungen kam nicht in Betracht. Die Duldungen im Wege des Ermessens nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG waren zuvor entsprechend dem Beschluss des Petitionsausschusses vom 01.07.2020 nur erteilt worden, um dem Kläger zu 1 die freiwillige Ausreise zu ermöglichen. Beim Ausreisegespräch am 13.10.2020 hatte der Kläger zu 1 jedoch deutlich gemacht, nicht mehr länger freiwillig ausreisen zu wollen.
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Diese Duldungslücken sind nicht wegen ihres Bagatellcharakters als unschädlich zu bewerten (zu diesem Argument vgl. BVerwG, U. v. 18.12.2019 - 1 C 34.18 - BVerwGE 167, 211 = InfAuslR 2020, 190 Rn. 49 - 51). Denn sie klafften nicht nur einige Tage, sondern summierten sich auf mehr als ein Jahr.
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Darüber hinaus wird der Mangel bei der Erfüllung des Integrationskriteriums „sechsjähriger ununterbrochener geduldeter oder gestatteter Aufenthalt“ nicht dadurch kompensiert, dass der Kläger zu 1 andere benannte Integrationskriterien „übererfüllt“ oder dass andere im Gesetz nicht genannte Integrationsindizien vorliegen (zu diesen Maßstäben BVerwG, a.a.O., Rn. 49).
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Der Kläger zu 1 erfüllte zwar die weiteren gesetzlichen Regelvoraussetzungen zum Nachweis seiner nachhaltigen Integration gem. § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 - 5 AufenthG : Er sicherte den Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft mit den übrigen Klägern überwiegend durch Erwerbstätigkeit und es ist aufgrund seiner bisherigen Erwerbsbiographie im Bundesgebiet und der Beschäftigungszusage seines bisherigen Arbeitgebers zu erwarten, dass ihm er ihn auch künftig würde bestreiten können. Anhaltspunkte dafür, dass er sich nicht zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekannte und ihm hiesige Rechts- und Gesellschaftsordnung und die Lebensverhältnisse nicht in ihren Grundzügen geläufig war, liegen nicht vor. Deutschkenntnisse auf dem Niveau B 2 hat er durch ein entsprechendes Zertifikat vom 18.07.2015 nachgewiesen; sein älterer Sohn, der Kläger zu 3, kam seiner Schulpflicht tatsächlich nach. Damit hat der Kläger die übrigen Regelvoraussetzungen zwar ausreichend, aber nicht in einem das Übliche übersteigenden Ausmaß erfüllt.
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Auch andere Indizien für eine Integration, die nicht in § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG genannt sind, liegen nicht vor. Insbesondere ergibt sich aus den Anlagen zur Petition lediglich, dass der Kläger zu 1 dem Hausverwalter engagiert dabei geholfen hat, die Gemeinschaftsunterkunftsanlage sauber zu halten. Dadurch wird der Mangel bei der Erfüllung des gesetzlichen Kriteriums des gestatteten, geduldeten oder erlaubten Aufenthalts nicht ausgeglichen.
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II) Für die Klägerin zu 2 gilt ebenfalls das Titelerteilungsverbot gem. § 11 Abs., 1 Satz 1 AufenthG. Auch ihre Abschiebung war rechtmäßig, weil sie keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hatte und deshalb ausreisepflichtig war. Ein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25b AufenthG scheitert auch bei ihr an der fehlenden Voraufenthaltszeit gem. § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG. Ein abgeleiteter Anspruch gem. § 25b Abs. 4 Satz 1 AufenthG kommt nicht in Betracht, weil ihr Ehemann kein Begünstigter i. S. der. Norm ist. Die im Ermessen der Ausländerbehörde stehende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16a Abs. 1 Satz 1 AufenthG, um eine Ausbildung zur Pflegefachfrau zu beginnen, kommt nicht in Betracht, weil unanfechtbar abgelehnten Asylbewerbern gem. § 10 Abs. 3 Satz 1 und 3 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis vor der Ausreise nur nach Maßgabe der §§ 23 bis 26 AufenthG oder im Falle eines Anspruchs erteilt werden darf. Schließlich stand der Abschiebung auch nicht eine Ausbildungsduldung entgegen, weil sich die Pläne der Klägerin zu 2, eine Ausbildung zur Pflegefachfrau zu absolvieren, noch nicht konkretisiert hatten.
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III) Auch zu Lasten des Klägers zu 3 wirkt das Titelerteilungsverbot gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG. Nichts Anderes gilt für den Kläger zu 4. Anders als die Kläger zu 1 und 2 vorgebracht haben, war seine Abschiebung auch nicht aus tatsächlichen Gründen unmöglich. Denn die ukrainischen Behörden sahen seinen am 27.12.2019 ausgestellten Reisepass trotz des Schreibfehlers bei der Wiedergabe des Namens gegenüber den deutschen Behörden als gültig an, so dass der Kläger zu 4 einen gültigen Pass besaß.
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C) Als unterliegender Teil tragen die Kläger gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO § 711 ZPO.