Titel:
Beseitigung eines Pferdeunterstandes im Außenbereich
Normenketten:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 5, Nr. 7
BayBO Art. 76
Leitsatz:
Ein Vorhaben dient nur dann einem landwirtschaftlichen Betrieb, wenn gemessen an den Maßstäben eines vernünftigen Landwirts, der Standort sinnvoll für den Gesamtbetrieb und nach Möglichkeit in Hofnähe ist. Daran fehlt es, wenn Pferdeställe trotz vorhandenem Platz nicht an der Hofstelle errichtet werden. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beseitigungsanordnung, Pferdeunterstand im Außenbereich, Gewerbliche Vermietung von Einstellplätzen (60 Stück), Außenbereich, gewerbliche Vermietung, Pferdeunterstand, Einstellplätze, Pensionspferdehaltung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 28.03.2022 – 1 ZB 21.2964
Fundstelle:
BeckRS 2021, 49488
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die bauaufsichtliche Anordnung zur Beseitigung eines Pferdeunterstands im Außenbereich.
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Bei einer Baukontrolle am 14. September 2018 wurde festgestellt, dass der Kläger auf einer Teilfläche des Grundstücks FlNr. 1121 (...) in der Nähe des Waldrands den Boden betoniert und einen 7 x 15 m großen Unterstand mit einer Höhe von 3,5 - 4,5 m und schrägem Dach mit Vordach errichtet hat, nach vorne offen, noch nicht eingezäunt aber mit Löchern für Zaunpfosten (Bl. 10 ff. Behördenakte). Die Teilfläche des Grundstücks ist gepachtet und unstrittig im Außenbereich.
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In der Folgezeit hat das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) schriftlich, telefonisch und durch einen Augenscheinsvermerk am 4. Oktober 2018 (Bl. 21 Behördenakte), am 12. Dezember 2018 (Bl. 31 Behördenakte), am 3. Juli 2019 (Bl. 61 Behördenakte), am 2. Oktober 2019 (Bl. 154 Behördenakte) und am 11. Dezember 2019 (Bl. 173 Behördenakte) Stellung genommen. Der Kläger bewirtschafte ca. 20 ha Grünland und sei Landwirt. Er habe zwei Hofstellen mit insgesamt 65 Pferdeboxen an verschiedenen Stellen und verschiedenen Orten (eingezeichnet: Bl. 123 Behördenakte). Es handele sich vorliegend nicht um eine Pensionspferdehaltung durch den Landwirt, sondern um eine Vermietung von Pferdestandplätzen. Entsprechende Mietverträge mit den Pferdehaltern lägen vor. Lediglich einige Pferde seien Pensionspferde, die Übrigen würden von den Mietern der Standplätze/Pferdebesitzern selber versorgt und gepflegt. Der Kläger biete Heu und Stroh zum Kauf an, sorge für Wasser und kümmere sich um die Reitanlage sowie teilweise um die Koppeln. Die beim Augenschein des Amtes am 3. Juli 2019 vorhandenen ca. 35 - 45 Tiere könne der Kläger nicht selber versorgen. Zu berücksichtigen sei, dass es zu diesem Zeitpunkt 18 leere Plätze in den verschiedenen Ställen gegeben habe und der Kläger trotz Rentenalters wohl auch keinen Nachfolger habe. Die Verteilung der verschiedenen Ställe und Unterstände entspräche nicht dem Vorgehen eines vernünftigen Landwirts. Die Ausstattung zeige, dass die jeweiligen Pferdeeinsteller für ihre Boxen eigenes Gerät hätten. Insgesamt liege keine landwirtschaftliche Privilegierung des hier verfahrensgegenständlichen Vorhabens vor. Der Bereich Forsten habe außerdem wegen der geringen Entfernung zum Wald ein hohes bis mittelhohes Risiko festgestellt, dass Bäume auf den Stall fallen (Bl. 23 Behördenakte).
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Mit Schreiben vom 28. Juni 2019 hat der Bauernverband Stellung genommen (Bl. 80 Behördenakte). Der Kläger sei Landwirt mit ca. 26 ha Grünland. Das Futter werde vollständig an die 55 Pferde verfüttert und von den Einstellern ballenweise gekauft. Der Kläger sei Betriebsleiter, der sich um Pflege, Erhalt und Tierwohl kümmere und eine entsprechende Kontroll- und Leitungsfunktion habe. Die Einsteller seien keine Selbstversorger, wie sich aus Zusatzverträgen über Dienstleistungen ergäbe. Ein Leerstand liege nicht vor. Deshalb bestehe Bedarf für den hier verfahrensgegenständlichen Unterstand.
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Der BDV-Landsiedlung hat eine Betriebs- und Tätigkeitsbeschreibung mit Datum vom 19. September 2019 erstellt (Bl. 140 Behördenakte). Die Pensionspferdehaltung bestehe seit 1996. Im Jahre 2006/2007 sei zusätzlich zu der innerorts vorhandenen eine Reitanlage mit Ställen außer Orts genehmigt und errichtet worden. Es handele sich um einen vom Kläger bewirtschafteten Grünlandbetrieb. Die Grundfutterbereitstellung erfolge durch den Kläger in jedem Stall. Die Fütterung werde mit Ausnahme von 10 Pferden im Rahmen der Vollpension durch die Einsteller vorgenommen. Der Kläger stelle den Einstreu bereit. Das Misten und Einstreuen erfolge durch die Einsteller. Die Wasserversorgung nehme der Kläger vor. Dieser kontrolliere die Zäune und sorge für Pflege und Instandhaltung der Reitplätze sowie der beiden Reithallen. Der Kläger organisiere, dass Reiterstüberl, WC und Vorräume geputzt würden. Insgesamt habe er eine Hilfskraft und einen Arbeitszeitaufwand 1861,60 Stunden jährlich.
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Der Kläger selbst hat im Verwaltungsverfahren im Oktober 2019 Stellung genommen (Bl. 164 Behördenakte). Er habe keine 15 - 18 freien Plätze, sondern nur 2 - 4. Das Bauvorhaben biete nur Platz für drei Pferde ohne Wasser und ohne Strom; es handele sich vor allem um ein Heu- und Strohlager. Seine Mieter hätten die Auskünfte gegenüber den Vertretern des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie des Landratsamts so nicht bzw. nur unter Druck erteilt. Sein Sohn werde in ein paar Jahren den Hof weiterführen. Eine Zerstückelung des Betriebs sei nicht beabsichtigt und die Feststellung bei der Ortseinsicht im Juli 2019, dass weiter sechs Gebäude abgerissen werden müssten, sei falsch.
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Mit Bescheid vom 29. Januar 2020 verpflichtete das Landratsamt den Kläger, die bauliche Anlage auf FlNr. 1121 ersatzlos innerhalb von höchstens 6 Wochen ab Bestandskraft des Bescheids zu beseitigen (Nr. 1). Die Eigentümerin des Grundstücks wurde verpflichtet, die Maßnahme zu dulden (Nr. 2). Ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,- EUR wurde für den Fall eines Verstoßes gegen Nr. 1 des Bescheids angedroht (Nr. 3) und der Eigentümerin wurde für den Fall des Zuwiderhandelns gegen die Duldungspflicht ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- EUR angedroht (Nr. 4). Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Beseitigung nach Art. 76 Satz 1 BayBO seien erfüllt. Es handele sich um ein Außenbereichsgrundstück und der Pferdestall diene keinem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des Baurechts und sei deshalb nicht nach § 35 Abs. 1 Nr.1 BauGB privilegiert. Aus Sicht des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Pfaffenhofen und aus Sicht des Fachzentrums für Pferdehaltung am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Fürstenfeldbruck liege keine Pensionstierhaltung vor, sondern eine gewerbliche Vermietung von Pferdeplätzen. Auch als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB würden die öffentlichen Belange des § 35 Abs. 3 Nr. 5, Nr. 7 und Nr. 1 BauGB beeinträchtigt, sodass die Möglichkeit einer Genehmigung nicht bestehe. Nach pflichtgemäßen Ermessen sei die Beseitigung anzuordnen.
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Der Bevollmächtigte des Klägers erhob mit Schriftsatz vom 18. Februar 2020 Klage und beantragte mit Schriftsatz vom 6. Juli 2020:9
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Der Bescheid des Beklagten vom 29. Januar 2020 wird aufgehoben.
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Der Bescheid sei rechtswidrig und der vorhandene Pferdestall/Unterstand genehmigungsfähig, da er einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb als privilegiertes Vorhaben diene. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf die außergerichtlichen Schreiben an den Beklagten verwiesen; die Schriftsätze vom 28. März 2019, 3. Juni 2019, die Stellungnahme des Bayerischen Bauernverbands vom 28. Juni 2019, der Schriftsatz vom 16. September 2019 mit Stellungnahme der BDV-Landsiedlung vom 12. September 2019 und der Schriftsatz vom 22. Oktober 2019 mit der Stellungnahme des Klägers vom 21. Oktober 2019 seien als Anlagen beigefügt. Ergänzend wurde mit Schreiben vom 23. April 2021 vorgetragen, dass der Betrieb legal sei. Der Kläger habe eine Ausbildung und versteuere alles.
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Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 12. Februar 2021:
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Es handele sich um eine Vermietung von Einstellplätzen. Nach Angaben der Mieter müssten diese auch Einzäunung und Strom sicherstellen, auf die beigefügte E-Mail und den Mietvertrag vom 29. April 2020/2. September 2018 werde verwiesen.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte und die Niederschrift über den Augenschein und die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
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Der Bescheid vom 29. Januar 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S.1 VwGO. Der Kläger ist zur Beseitigung des Unterstands verpflichtet, da es sich nicht um ein privilegiertes Vorhaben handelt, dass dem landwirtschaftlichen Betrieb dient. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen. Ergänzend gilt folgendes:
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1. Der hier verfahrensgegenständliche Pferdeunterstand auf einer Teilfläche der FlNr. 1121 ist kein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Unstrittig ist der Kläger Landwirt. Vorliegend handelt es sich aber nicht um eine Pensionspferdehaltung, sondern bereits vom Umfang des Betriebs her um eine gewerbliche Vermietung von über 50 - 60 Stellplätzen an vier Standorten mit Reitplatz und Halle, verbunden mit dem Angebot einiger Dienstleistungen, wie die Pflege der Reitanlage, die Reinigung einiger Räume und Verkauf von Heu und Stroh. Lediglich ca. 10 Pensionspferde werden vollversorgt.
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2. Der Vortrag des Klägers, die beim Augenschein in dem verfahrensgegenständlichen Gebäude untergestellten beiden Pferde seien Pensionspferde, nebenerwerbstypisch und von der Landwirtschaft mitgezogen, führt nicht zu einer landwirtschaftlichen Privilegierung des Unterstands. Zum einen ist hier nach dem Ergebnis des Augenscheins und der mündlichen Verhandlung die Pensionspferdehaltung von einigen Tieren hier als Teil des Gewerbebetriebs diesem untergeordnet. Zum anderen ist unter Berücksichtigung des vorhandenen Bestands für eine Pensionspferdehaltung von 2 Pferden kein weiterer Stall mit Heulager und Koppel erforderlich. Ungeachtet dessen, ob in den sonstigen Ställen und Unterständen ein Leerstand vorhanden ist, berechtigt die Pensionspferdehaltung von zwei weiteren Pferden nicht dazu, weitere Ställe zu bauen, da der Kläger ausreichend über gewerblich genutzte Einstellplätze verfügt. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass er deutlich mehr Pensionspferde habe als im Verfahren behauptet worden sei, ist dieser Vortrag nicht schlüssig. Auch bei Unterstützung durch eine Hilfskraft ist die zeitintensive Vollversorgung einschließlich Reinigung der Boxen und Pflege der Pferde nur in sehr geringem Umfang möglich, so dass erhebliche Zweifel am Tatsachengehalt der entsprechenden Angaben des Klägers bestehen.
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3. Ungeachtet dessen fehlt es vorliegend außerdem an der tatbestandlichen Vo raussetzung des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, dass das Vorhaben dem landwirtschaftlichen Betrieb dient. Nach dem Ergebnis des Augenscheins und den fachlichen Stellungnahmen des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist insbesondere an der ausgelagerten Hofstelle ausreichend Platz, wenn tatsächlich Bedarf für einen weiteren Unterstand oder ein Heu-/Strohlager bestehen sollte. Das Grundstück an der innerörtlichen Hofstelle 1, FlNr. 958, erstreckt sich im Anschluss an den bebauten Bereich noch geschätzt 70 m Richtung Nordwesten und bietet ausreichend Platz; diesbezüglich stellt sich bereits die Frage, warum ein weiterer Standort, Hofstelle 2, erforderlich war. Dort wiederum ist auf den zur Hofstellen gehörenden Flurnummern ebenfalls ausreichend Platz für Erweiterungen. Die Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung, er habe an beiden Hofstellen keinen Platz mehr ist danach schlicht falsch.
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Ein Vorhaben dient nur dann einem landwirtschaftlichen Betrieb, wenn gemessen an den Maßstäben eines vernünftigen Landwirts, der Standort sinnvoll für den Gesamtbetrieb und nach Möglichkeit in Hofnähe ist. Daran fehlt es, wenn Pferdeställe trotz vorhandenem Platz nicht an der Hofstelle errichtet werden. Wenn - wie hier - der Bau mangels Bedarf, wegen der Entfernung zur Betriebsstätte mit den Ställen, wegen des festgestellten Leerstands und nach den Maßstäben eines vernünftigen Landwirts nicht mehr dem landwirtschaftlichen Betrieb dient, liegt keine Privilegierung vor.
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4. Das Vorhaben im Außenbereich beeinträchtigt sowohl durch den massiven Unterstand als auch durch die vom Bescheid nicht miterfassten Pfosten für die Koppel die öffentlichen Belange des § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB, Landschaftspflege, Bodenschutz und Naturschutz sowie die natürliche Eigenart der Landschaft, und § 35 Abs. 3 Nr.7 BauGB, Gefahr der Entstehung einer Splittersiedlung.
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5. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 76 Satz 1 BayBO liegen nach alledem zweifelsfrei vor. Die Beseitigung der Anlage ist nach pflichtgemäßem Ermessen erfolgt, da auf andere Weise kein rechtmäßiger Zustand hergestellt werden kann.
Die Klage war mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.