Inhalt

VGH München, Urteil v. 02.12.2021 – 13 A 19.1702
Titel:

vorläufige Besitzeinweisung, Rüge der fehlenden Wertgleichheit, grobes Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung, Zuständigkeit für nachträgliche Änderungen des Flurbereinigungsgebiets

Normenketten:
FlurbG § 65, § 63
FlurbG § 8
FlurbG i.V.m. § 2 Abs. 4
BayAGFlurbG Art. 1 Abs. 3
Leitsätze:
1. Bei der Prüfung der besonderen Voraussetzungen für die im Ermessen der Flurbereinigungsbehörde liegende vorläufige Besitzeinweisung ist regelmäßig nicht näher zu untersuchen, ob die zugedachten Abfindungen wertgleich sind, weil insoweit dem Verfahren über Planwidersprüche nicht vorgegriffen werden darf.
2. Mit einem Widerspruch gegen die vorläufige Besitzeinweisung können Beteiligte nur rügen, dass eine auch nur vorübergehende Nutzung ihrer Abfindung bis zur Planausführung (§§ 61, 63 FlurbG) unzumutbar ist. Dies wäre nur der Fall, wenn entweder ein grobes Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung besteht oder unzumutbar in die Struktur des Betriebs eingegriffen worden ist.
Schlagworte:
vorläufige Besitzeinweisung, Rüge der fehlenden Wertgleichheit, grobes Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung, Zuständigkeit für nachträgliche Änderungen des Flurbereinigungsgebiets
Fundstelle:
BeckRS 2021, 49480

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit es die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu zwei Drittel zu tragen, der Beklagte zu einem Drittel. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig. Für die baren Auslagen des Gerichts wird ein Pauschsatz von 30 Euro erhoben. Das Verfahren ist gebührenpflichtig.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich als Eigentümer zahlreicher im Gebiet des Neuordnungsverfahrens K. gelegener Grundstücke gegen die vom Amt für ländliche Entwicklung O. (ALE) mit Beschluss vom 30. November 2018 angeordnete vorläufige Besitzeinweisung mit Wirkung vom 31. Dezember 2018. Das Flurbereinigungsverfahren war von der damaligen Direktion für ländliche Entwicklung R. (DLE) mit Beschluss vom 27. September 2001 (Az. A1 - V7533.2 - 753) angeordnet worden. Sein gegen den Anordnungsbeschluss vom 27. September 2001 am 11. Juli 2003 eingegangener Widerspruch vom 8. Juli 2003 wurde mit Widerspruchsbescheid der DLE vom 22. April 2004 als verspätet verworfen. Seine hiergegen erhobene Klage zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (Az. 13 A 04.1418) hat der Kläger zurückgenommen, nachdem der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft K. (TG) seine Anliegen in seiner Sitzung vom 17. Juni 2004 behandelt hatte.
2
Die Niederschrift über diese Sitzung lautet wie folgt:
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„Widerspruch F. L.“
4
Der Vorstand nimmt Kenntnis vom Schreiben des Herrn L. vom 09.06.2004 über die Besprechung vom 08.06.2004.
5
Es wurde nochmals darauf hingewiesen, dass die Einbeziehung der Flächen des Anwesens L. in das Verfahrensgebiet aus katastertechnischen Gründen erfolgte.
6
Nach eingehender Beratung fasst der Vorstand folgenden Beschluss:
7
Der Besitzstand F. L. … wird vom Abzug für die gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen (§ 47 FlurbG) freigestellt.
8
Im Zuge der Vermessung des Verfahrensgebietes werden auch die Grundstücke des Anwesens L. neu abgemarkt und vermessen.
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Die hierbei anfallenden anteiligen Vermessungskosten sind vom Besitzstand L. aufzubringen.
10
Da keine Baumaßnahmen im Bereich des Anwesens L. durchgeführt werden, wird der Besitzstand L. von weiteren Kosten freigestellt.
11
Ein Ausbau des Anliegerweges, FlstNr. 428, wird nicht durchgeführt. Die Erschließung der Flurlage „Die Mahd“ wird im Zuge der Neuverteilung geregelt.“
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Mit Beschluss vom 30. November 2018, der in der Zeit vom 14. bis zum 28. Dezember 2018 öffentlich bekannt gemacht wurde, ordnete das ALE die vorläufige Besitzeinweisung mit Wirkung vom 31. Dezember 2018 an, wobei die sofortige Vollziehung angeordnet wurde. Mit am 3. Januar 2019 eingegangenem Schreiben vom 28. Dezember 2018 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein und machte zur Begründung geltend, sein Besitzstand sei nicht in das Flurneuordnungsverfahren einbezogen und es bestehe ein grobes Missverhältnis zum Wert seiner Einlage. Weiter beantragte er, die sofortige Vollziehbarkeit aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen.
13
Nach der Zurückweisung des Widerspruchs mit Widerspruchsbescheid vom 1. August 2019 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 22. August 2019 die vorliegende Klage erhoben, die zunächst - entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrungim Widerspruchsbescheid - gegen die TG gerichtet war und nach einem gerichtlichen Hinweis mit Zustimmung der TG in eine gegen den Freistaat Bayern gerichtete Klage geändert worden ist.
14
Zur Begründung macht er in erster Linie geltend, sein Besitzstand sei nicht in das Neuordnungsverfahren einbezogen. Im Beschluss der TG vom 17. Juni 2004 sei festgehalten, dass die Einbeziehung der Flächen seines Anwesens in das Verfahrensgebiet nur aus katastertechnischen Gründen erfolgt sei, im Übrigen sei sein Besitzstand vom Abzug für die gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen freigestellt. Ihm gegenüber sei kommuniziert worden, dass sein Besitzstand vom Flurneuordnungsverfahren nicht betroffen sei. Andernfalls hätte er seine damalige Klage nicht zurückgenommen. Daher sei die vorläufige Besitzeinweisung zulasten seines Besitzstandes rechtswidrig und müsse sich der Beklagte an den Vorstandbeschluss vom 17. Juni 2004 halten. Es sei nicht gerechtfertigt, dass nachträglich Änderungen am Besitzstand durchgeführt würden, die in erster Linie nicht geplant gewesen seien bzw. dem Vorstandsbeschluss, mit dem ihm eine entsprechende Rechtssicherheit eingeräumt worden sei, widersprächen. Weiter liege offensichtlich ein grobes Missverhältnis zum Wert seiner Einlage vor bzw. werde unzumutbar in die Struktur seines Betriebes eingegriffen. Das grobe Missverhältnis ergebe sich aus dem Flurstück 427, das sich in der Einlage in seinen Besitzstand einordne. Im Rahmen der Flurneuordnung sei das Flurstück 427 vergrößert worden, so dass in seinem Besitzstand mit dem Flurstück 429 eine unbewirtschaftbare und unverhältnismäßig kleine Fläche verbleibe. Weiter seien auf den Flurstücken 321 bzw. 322 Beeinträchtigungen vorgenommen worden. Während er ursprünglich auf seinem Grundstück einen Weg gehabt habe, um seine unterliegenden Grundstücke zu erreichen, werde ihm dieser im Rahmen der Abfindung genommen. Darin sei ebenfalls ein Widerspruch gegen den Beschluss vom 14. Juni 2004 zu sehen, da ihm der nunmehrige Weg auf Flurstück 320 genommen und damit eine gemeinschaftliche bzw. öffentliche Anlage auf seinem Grundstück errichtet werde.
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Der Kläger beantragt,
16
Die vorläufige Besitzeinweisung vom 30.11.2018 mit Wirkung vom 31.12.2018 im Flurneuordnungsverfahren K. in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.08.2019 wird aufgehoben.
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Der Beklagte beantragt,
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Die Klage wird abgewiesen.
19
Zur Begründung wird ausgeführt, die vorläufige Besitzeinweisung sei rechtmäßig und der Kläger durch sie nicht in seinen Rechten verletzt. Die Voraussetzungen der §§ 65 ff. FlurbG lägen vor. Eine Rüge gegen die vorläufige Besitzeinweisung könne nur dann Erfolg haben, wenn eine nur vorübergehende Nutzung der Abfindung bis zur Planausführung unzumutbar sei. Dies könne nur dann der Fall sein, wenn ein grobes Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung bestehe oder unzumutbar in die Struktur des Betriebes eingegriffen worden sei (Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 65 Rn. 20; BayVGH, B.v. 23.12.2009 - 13 AS 09. 2659). Zwar trage der Kläger pauschal vor, es bestehe offensichtlich ein grobes Missverhältnis zum Wert der Einlage bzw. werde unzumutbar in die Struktur des Betriebs eingegriffen, zu keiner dieser Fallgruppen werde jedoch stichhaltig vorgetragen. Bei einem rechnerischen Abgleich von Abfindung und Forderung liege offensichtlich kein grobes Missverhältnis vor, da nach dem vorläufigen Auszug aus dem Flurbereinigungsplan der Forderung des Klägers von 77,6125 ha und 647 293 WVZ eine Abfindung von 77,2616 ha und 647 287 WVZ gegenüberstehe und die Abweichung von sechs WVZ im Flurbereinigungsplan noch ausgeglichen werde. Die Änderung der Durchschnittswertzahl belaufe sich auf +0,1. Auch ein unzumutbarer Eingriff in die Struktur des Betriebes liege nicht vor. Bei den angeführten Flurstücken 427 und 429 sei unklar, ob er sich auf den konkreten Zuschnitt des Einlage- oder des Abfindungsflurstücks beziehe. Jedenfalls stelle das erwähnte Abfindungsflurstück 429, in dessen Besitz er eingewiesen worden sei, mit einer gut zugeschnittenen Fläche mit einer Größe von 2,69 ha keine unbewirtschaftbare und unverhältnismäßig kleine Fläche dar. Bei den Flurstücken 320, 321 und 322 sei unklar, ob der Kläger die Einlage- oder die Abfindungsflurstücke meine. Auf Abfindungsflurstück 321 befinde sich eine kleine Fläche, die er eingelegt habe, die ihm nicht mehr zugeteilt worden sei. Dasselbe gelte für einen schmalen Streifen auf dem der Stadt N. zugeteilten Weg Abfindungsflurstück 320. Vom Kläger sei ein ehemaliger Grünweg in eigener Regie ausgebaut worden. Nach seinem bei seiner Anhörung nach § 57 FlurbG ausdrücklich geäußerten Wunsch, sei dieser Weg abgemarkt und der Stadt N. als Abfindungsflurstück 320 zugeteilt worden. Dies stelle keinen Abzug nach § 47 FlurbG dar, von dem der Kläger nach dem Vorstandsbeschluss vom 17. Juni 2004 befreit sei. Vielmehr sei die Abmarkung und Zuteilung im Rahmen der generellen Neugestaltung des Verfahrensgebietes nach §§ 1, 37 FlurbG erfolgt, an der der Kläger durch Äußerung seiner Wünsche mitgewirkt habe. Im Übrigen hätten die Einlageflurstücke 320 und 417 im Eigentum der Stadt N. gestanden, seien vom Kläger aber seit Jahren bewirtschaftet worden. Im Termin zur Wunschentgegennahme vom 26. März 2018 habe er die Zuteilung der gesamten Gewannen 2273 und 2277 beantragt. Dem sei die TG nachgekommen, so dass er nunmehr die ehemaligen Wege besitze. Insgesamt sei der Besitzstand des Klägers im Wege der Flurneuordnung minimal verändert und seien seine Wünsche berücksichtigt worden.
20
Zum Einwand, der klägerische Besitzstand sei nicht in das Flurneuordnungsverfahren K. einbezogen, macht der Beklagte geltend, dessen Teilnahme sei weder Gegenstand dieses Klageverfahrens zur vorläufigen Besitzeinweisung, noch stehe sie generell zur Debatte. Unstreitig sei das Flurbereinigungsverfahren mit Beschluss vom 27. September 2001 angeordnet und der Beschluss öffentlich bekannt gemacht worden. Sein dagegen gerichteter Widerspruch sei verfristet gewesen und verworfen worden. In der Folge habe der Vorstand der TG den Beschluss vom 17. Juni 2004 getroffen. Soweit vom Kläger vorgetragen werde, ihm gegenüber sei kommuniziert worden, dass sein Besitzstand vom Flurneuordnungsverfahren nicht betroffen sei, sei diese Auffassung falsch. Der Vorstandsbeschluss als solcher zeige, wie der Besitzstand im Flurneuordnungsverfahren konkret behandelt werden sollte. Zutreffend erwähne der Kläger, dass er unter anderem vom Abzug für die gemeinschaftlichen öffentlichen Anlagen nach § 47 FlurbG freigestellt worden sei. Der Kläger habe aber durch sein Verhalten zum Ausdruck gebracht, am Flurneuordnungsverfahren teilzunehmen. Aus der Niederschrift zur nachträglichen Beiziehung nach § 8 FlurbG vom 28. Oktober 2015 ergebe sich, dass er mit einer Beiziehung seines Einlageflurstücks 415 einverstanden gewesen sei. Damit habe er sich mit den in der Niederschrift festgehaltenen Zwecken einverstanden erklärt, unter anderem, um die Ziele des Neuordnungsverfahrens möglichst vollkommen zu erreichen und unwirtschaftlich geformten Grundbesitz nach neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu gestalten. Insbesondere bei der Wunschentgegennahme am 26. März 2018 habe er umfangreich Wünsche geäußert und sich auch mit der Eintragung eines Geh- und Fahrtrechts in der Gewanne 2291 einverstanden erklärt. Den Wünschen des Klägers sei entsprochen und seine Belange von der TG berücksichtigt worden.
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Mit Schriftsatz vom 2. März 2020 hat Kläger sein Vorbringen weiter vertieft und ausgeführt, er habe lediglich aus katastertechnischen Gründen zugestimmt, in das Verfahrensgebiet der Flurbereinigung aufgenommen zu werden. Im Beschluss vom 17. Juni 2004 sei ihm zugesichert worden, dass er mit keinem Flächenabzug und keinen Kosten zu rechnen habe und dass lediglich seine Außengrenzen vom Vermessungsamt vermessen würden. Es liege somit nur eine limitierte Teilnahme am Flurbereinigungsverfahren vor. Dies ergebe sich auch aus der geführten Korrespondenz, unter anderem dem Schreiben der DLE vom 9. September 2003, wonach die Neuverteilung im gegenseitigen Einvernehmen und im Interesse des Klägers erfolgen solle. Weiter sei mitgeteilt worden, dass Kosten und ein Flächenabzug für ihn nur dann anfallen würden, soweit die Maßnahme von Vorteil sei. Zur nachträglichen Beiziehung des im Gemarkungsgebiet S. gelegenen Flurstücks 415 nach § 8 FlurbG weist er darauf hin, dass er dies lediglich unter der Voraussetzung der katastertechnischen Einbeziehung ohne Flächenabzug und Kosten getätigt habe. Aus der Niederschrift vom 19. November 2015 ergebe sich, dass für das nachträglich beigezogene Grundstück keine Flurbereinigungskosten nach § 19 FlurbG erhoben würden. Im Wunschtermin am 26. März 2018 sei nur darüber gesprochen worden, welche Grundstücke zur Abrundung der bereits arrondierten Fläche mit einbezogen werden könnten. Er habe jedoch ständig darauf hingewiesen, dass aufgrund der getroffenen Vereinbarung kein Flächenabzug und keine Kosten entstehen dürften, eine amtliche Vermessung durchgeführt werden solle und die getroffenen schriftlichen Vereinbarungen weiterhin bestünden.
22
Es liege ein grobes Missverhältnis zum Wert der Einlage vor. Die in Flurstück 424 enthaltene Dränage sei nach der Neuzuteilung nicht mehr nutzbar, da diese teilweise einem anderen Eigentümer zugeteilt werde, weshalb langfristig mit einer Überschwemmung zu rechnen wäre. Der Wert der Dränage sei nicht berücksichtigt worden, die Fläche werde nachträglich aufgrund der Überschwemmung wertlos werden. Hinsichtlich der Flurstücke 428 und 319 seien seine Wegebaukosten in Höhe von ca. 30.000 € nicht berücksichtigt worden. Hinsichtlich der Teilung des Flurstücks 428 sei seine Eigenjagd gefährdet, da keine zusammenhängende Fläche mehr bestehe. Bezüglich des Flurstücks 319 sei eine Bewirtschaftung seiner Materialentnahmegrube von der Hofstelle aus nicht mehr möglich, da an der Einmündung des Wegs 320 zum Weg 122 der vorhandene 45° Abbiegewinkel durch die Neuzuteilung in einen Abbiegewinkel von über 90° geändert worden sei, so dass ein Befahren mit landwirtschaftlichen Maschinen und mit Baufahrzeugen nicht mehr möglich sei, wodurch ein erheblicher finanzieller Nachteil entstehe.
23
Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2020 hat der Kläger eine eidesstattliche Versicherung eines ehemaligen Vorstandsmitglieds vom 24. September 2020 vorgelegt, wonach sein Besitzstand vom Flurneuordnungsverfahren K. von Anfang an ausgenommen worden sei, da dessen Flächen arrondiert seien. Es sei ihm vom Vorstand der TG versichert worden, dass er im Verfahren mit keinem Flächenabzug und keinen Kosten zu rechnen habe und lediglich seine Außengrenzen vermessen werden sollten. Auf dieser Grundlage habe er seine damalige Klage zurückgezogen. Im Laufe des Flurbereinigungsverfahrens sei immer kommuniziert worden, dass sein Besitzstand nicht im Verfahren hinzugezogen sei. Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2020 hat der Beklagte ausgeführt, auf eine etwaige Aussage des ehemaligen Vorstandsmitglieds komme es nicht an. Nachdem der klägerische Besitzstand, der unstreitig im Verfahrensgebiet liege, durch den Flurbereinigungsbeschluss wirksam in das Flurneuordnungsverfahren einbezogen und auch nachträglich nicht förmlich wieder ausgeschlossen worden sei, habe der Kläger die verfahrensrechtliche Stellung eines Teilnehmers nach § 10 Nr. 1 FlurbG.
24
Die gegen die am 11. Dezember 2019 erfolgte Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung mit Wirkung zum 31. Dezember 2019 nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage (Az. 13 A 20.1647) wurde von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 2. Dezember 2021 übereinstimmend für erledigt erklärt und das Verfahren durch Beschluss eingestellt.
25
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2021 und den Beschluss zur Berichtigung des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 2. Dezember 2021 vom 3. März 2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

26
Der klägerseitig mit Schriftsatz vom 17. September 2019 erklärte Beklagtenwechsel ist als Klageänderung zulässig, da die TG als alte Beklagte dem mit Schreiben vom 17. September 2019 ausdrücklich zugestimmt hat (§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 91 Abs. 1 VwGO) und der Freistaat Bayern als neuer Beklagter diese Zustimmung mit Schreiben vom 19. September 2019 mitsamt den bei ihm angefallenen Behördenakten, ohne dem Beklagtenwechsel zu widersprechen, vorgelegt hat (§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 91 Abs. 2 VwGO; zum Beklagtenwechsel als Klageänderung vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 91 Rn. 22).
27
Das Verfahren war insoweit in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO deklaratorisch einzustellen, als die Beteiligten es in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Zurückweisung des Widerspruchs gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit im Widerspruchsbescheid des Beklagten übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Diese teilweise übereinstimmende Erledigungserklärung führte unmittelbar zur Beendigung der Rechtshängigkeit (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, 24. Aufl. 2018, § 161 Rn. 15), so dass insoweit nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur mehr über die Kosten zu entscheiden war. Im Falle einer Teilerledigung der Hauptsache erfolgen die Verfahrenseinstellung in analoger Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO und die nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu treffende Kostenentscheidung nicht durch gesonderten Beschluss, sondern zusammen mit der Sachentscheidung über den nicht erledigten Teil im Schlussurteil (BVerwG, B.v. 7.8.1998 - 4 B 75.98 - NVwZ-RR 1999, 407 = juris Rn. 2; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 161 Rn. 19).
28
Im Übrigen blieb die Klage gegen die vorläufige Besitzeinweisung in der Sache ohne Erfolg und war daher abzuweisen, da die vorläufige Besitzeinweisung in der Fassung des Widerspruchsbescheids und den in der mündlichen Verhandlung vom Beklagten zugesicherten Änderungen nicht rechtswidrig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
29
Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG können die Beteiligten in den Besitz der neuen Grundstücke vorläufig eingewiesen werden, wenn deren Grenzen in die Örtlichkeit übertragen worden sind und endgültige Nachweise für Fläche und Wert der neuen Grundstücke vorliegen sowie das Verhältnis der Abfindung zu dem von jedem Beteiligten Eingebrachten feststeht. Angeordnet wird die vorläufige Besitzeinweisung gemäß § 65 Abs. 2 Satz 1 FlurbG von der Flurbereinigungsbehörde, in Bayern nach § 2 Abs. 4 FlurbG i.V.m. Art. 1 Abs. 3 BayAGFlurbG dem ALE (siehe hierzu Linke in Linke/Mayr, AGFlurbG, 2012, Art. 1 Rn. 9).
30
Einwände gegen das Vorliegen der vorstehend genannten formalen Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 Satz 1 FlurbG für die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung hat der Kläger nicht erhoben. Er wendet sich hinsichtlich der von ihm geltend gemachten Rügen zu seinen Einlage- und Abfindungsflurstücken durchweg gegen die Gestaltung seiner Abfindung, die insbesondere gegen die Abfindungsgrundsätze des § 44 FlurbG verstoßen soll. Vor allem macht er geltend, aufgrund des Beschlusses des Vorstands der TG vom 14. Juni 2004 nicht (mehr) Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens zu sein bzw. es liege nur eine „limitierte Teilnahme“ am Flurbereinigungsverfahren vor.
31
Bei der Prüfung der besonderen Voraussetzungen für die im Ermessen der Flurbereinigungsbehörde liegende vorläufige Besitzeinweisung ist im Übrigen regelmäßig nicht näher zu untersuchen, ob die zugedachten Abfindungen wertgleich sind, weil insoweit dem Verfahren über Planwidersprüche nicht vorgegriffen werden darf (vgl. BVerwG, B.v. 12.11.2010 - 9 B 41.10 - juris Rn. 4 m.w.N; BVerwG, U.v. 30.10.1979 - 5 C 40.79 - BVerwGE 59, 79/85; BayVGH, B.v. 5.9.2019 - 13 AS 19.820 - juris Rn. 29; BayVGH, B.v. 8.6.2011 - 13 AS 11.1027 - juris Rn. 12). Mit einem Widerspruch gegen die vorläufige Besitzeinweisung können Beteiligte also nicht vorab die Wertgleichheit der Abfindung rügen, sondern nur, eine auch nur vorübergehende Nutzung ihrer Abfindung bis zur Planausführung (§§ 61, 63 FlurbG) sei unzumutbar. Dies wäre nur der Fall, wenn entweder ein grobes Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung besteht oder unzumutbar in die Struktur des Betriebs eingegriffen worden ist (BVerwG, B.v. 12.11.2010 - 9 B 41.10 - juris Rn. 4 m.w.N.; BayVGH, B.v. 5.9.2019 - 13 AS 19.820 - juris Rn. 29; BayVGH, B.v. 23.6.2017 - 13 AS 16.2546 - juris Rn. 44; BayVGH, B.v. 11.5.2017 - 13 AS 17.246 - juris Rn. 29; BayVGH, B.v. 24.6.2014 - 13 AS 14.717 - juris Rn. 25 BayVGH, B.v. 8.6.2011 - 13 AS 11.1027 - juris Rn. 12; vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 65 Rn. 20 m.w.N.).
32
Ein grobes Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 17.8.1988 - 5 C 78.84 - RzF 86 zu § 44 Abs. 1 FlurbG) aus einem schwerwiegenden Abfindungsmangel. Dieser kann etwa in einer überproportionalen Flächenmehrung von Böden in einer Qualität liegen, die so nicht eingelegt wurde. Grundsätzlich kommen jedoch alle Umstände, die die Grundsätze der Abfindung nach §§ 44 ff. FlurbG berühren, in Betracht, wenn sie ein entsprechendes Gewicht aufweisen. Ein gravierendes Abfindungsdefizit in diesem Sinn kann durchschlagen und bereits die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Besitzeinweisung beeinträchtigen (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2019 - 13 AS 19.820 - juris Rn. 30; BayVGH, B.v. 24.6.2014 - 13 AS 14.717 - juris Rn. 28).
33
Aus dem klägerischen Vortrag ergibt sich nicht, dass die vorstehend dargelegten „engen“ Voraussetzung für einen Erfolg seines Rechtsbehelfs gegen die vorläufige Besitzeinweisung nach § 65 FlurbG vorliegen. Ein grobes Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung ist nach dem vorläufigen Auszug aus dem Flurbereinigungsplan nicht gegeben. Danach steht der Forderung des Klägers von 77,6125 ha und 647 293 WVZ eine Abfindung von 77,2616 ha und 647 287 WVZ gegenüber, wobei die Abweichung von sechs WVZ im Flurbereinigungsplan noch ausgeglichen werden soll. Die Änderung der Durchschnittswertzahl beläuft sich auf +0,1.
34
Im Hinblick darauf, dass im Verfahren der vorläufigen Besitzeinweisung dem Verfahren über Planwidersprüche nicht vorgegriffen werden darf, wird bei der Prüfung der besonderen Voraussetzungen für die im Ermessen der Flurbereinigungsbehörde liegende vorläufige Besitzeinweisung regelmäßig nicht näher untersucht, ob die zugedachten Abfindungen wertgleich sind (BVerwG, U.v. 30.10.1979 - 5 C 40.79 - BVerwGE 59, 79/85), so dass den vom Kläger im einzelnen angeführten Rügen zu Einzelflurstücken keine durchgreifende Bedeutung zukommt. Soweit er den Verlust der Nutzbarkeit bzw. des Unterhalts der auf Flurstück 424 vorhandenen Drainage rügt, ist der Beklagte diesem Einwand dadurch nachgekommen, dass er eine Übergangsregelung zur Sicherstellung von Instandsetzungs- und Unterhaltungsarbeiten zugesagt hat. Hinsichtlich der Eigenjagd trifft deren befürchtete Gefährdung aufgrund der Zuteilung des Wegs Einlageflurstück 320 an die Stadt nicht zu, da nach § 5 Abs. 2 BJagdG u.a. Wege den Zusammenhang eines Jagdbezirkes nicht unterbrechen. Im Übrigen betreffen die geltend gemachten Nachteile Fragen der Gestaltung der Flurneuordnung und sind daher in erster Linie in einem Verfahren gegen den Flurbereinigungsplan geltend zu machen. Insbesondere sind sie nicht derart gravierend, dass für den Kläger auch nur die vorübergehende Nutzung des ihm zugewiesenen Besitzstands unzumutbar wäre.
35
Auch ein unzumutbarer Eingriff in die Struktur des Betriebes ist nicht gegeben. Dass hier die Betriebsstruktur unter Missachtung des § 44 Abs. 5 FlurbG geändert werde, ist hinsichtlich der vom Kläger im einzelnen erhobenen Rügen zu den Einzelflurstücken nicht erkennbar. Auch lässt sich dies der Widerspruchskarte nicht entnehmen, wonach dem Kläger sein bisheriger Besitzstand im Wesentlichen wieder zugeteilt wird. Im Verhältnis zur Größe des Besitzstands sind die vorgesehenen Änderungen in der Abfindung als eher untergeordnet anzusehen. Jedenfalls erscheinen sie vom Umfang her nicht geeignet, einen unzumutbaren Eingriff in die Betriebsstruktur zu bewirken.
36
Schließlich vermag auch die Berufung darauf, dass der Kläger wegen des Beschlusses des Vorstands der TG vom 14. Juni 2004 nicht (mehr) Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens sei bzw. nur eine limitierte Teilnahme im Flurbereinigungsverfahren vorliege, wegen der Bestandskraft des Flurbereinigungsbeschlusses der DLE vom 27. September 2001 nicht durchzugreifen. Dass der Anordnungsbeschluss nichtig sei, macht der Kläger nicht geltend und es ist dafür auch nichts ersichtlich. Selbst wenn man den Vorstandsbeschluss der TG vom 17. Juni 2004 als Herausnahme aus dem Verfahren verstehen wollte, hätte dies nicht durch die TG erfolgen können, sondern ausschließlich durch die damalige DLE bzw. mittlerweile durch das ALE, da für geringfügige oder erhebliche Änderungen des Flurbereinigungsgebiets nach § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FlurbG in Bayern nach § 2 Abs. 4 FlurbG i.V.m. Art. 1 Abs. 3 BayAGFlurbG die Ämter für ländliche Entwicklung zuständig sind (siehe hierzu Linke in Linke/Mayr, AGFlurbG, 2012, Art. 1 Rn. 9). Im Übrigen ist der Beschluss auch inhaltlich nicht als Ausschluss aus dem Verfahren zu verstehen, sondern im Kern nur als Zusicherung der Freistellung von Abzügen nach § 47 FlurbG, die aber durch die angegriffene vorläufige Besitzeinweisung nicht betroffen ist.
37
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrensteils zur Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit und deren Behandlung im Widerspruchsbescheid des Beklagten auf § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Insoweit entspricht es der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen, der mit der Aufhebung des Widerspruchsbescheids bezüglich der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit in der vorläufigen Besitzeinweisung in tatsächlicher Hinsicht die Erledigung herbeigeführt hat. Zudem wäre die Klage insoweit voraussichtlich erfolgreich gewesen, da der Kläger hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit keinen Widerspruch erhoben, sondern einen Antrag nach § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO gestellt hat, zumal unabhängig von der umstrittenen Rechtsnatur einer behördlichen Vollziehbarkeitsanordnung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO als Rechtsbehelf neben dem Antrag nach § 80 Abs. 4 VwGO allein ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, nicht aber ein Widerspruch nach § 68 VwGO statthaft gewesen wäre.
38
Die Kostenentscheidung beruht im Übrigen auf § 147 Abs. 1 FlurbG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
39
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit in III. des Tenors folgt gemäß § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
40
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
41
Insoweit wurde mit Beschlüssen vom 3. und 8. März 2022 nach Anhörung der Beteiligten mit gerichtlichem Schreiben vom 2. Februar 2022, zu der sich keiner der Beteiligten äußerte, sowohl der schriftlich niedergelegte Tenor des Urteils in Ziffern III. und IV. als auch das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 2. Dezember 2022 dahingehend berichtigt, dass die Abwendungsbefugnis für den jeweiligen Vollstreckungsschuldner durch eine Sicherheitsleistung des Vollstreckungsgläubigers ausgeschlossen wird und die Revision nicht zugelassen wird. Im Tenorierungsformular war versehentlich die Option „Die Revision wird zugelassen“ statt „Die Revision wird nicht zugelassen“ angekreuzt worden, obwohl offensichtlich im vorliegenden Rechtsstreit keiner der abschließend genannten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Das Urteilsformular war im Nachhinein lediglich wie ausgefüllt in das Protokoll über die mündliche Verhandlung übernommen worden. Die Berichtigung der offenbaren Unrichtigkeiten des Protokolls erfolgte auf der Grundlage von § 105 VwGO i.V.m. § 164 Abs. 1 ZPO und die Berichtigung des Urteilstenors aufgrund von § 118 Abs. 1 VwGO.