Titel:
Antragsbefugnis wegen Festsetzung eines Durchfahrtsverbots für Lkw
Normenketten:
VwGO § 42, § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 5
StVO § 45 Abs. 1 S. 1, Abs. 1b Nr. 3, Nr. 4, Abs. 2
BayStrWG Art. 14, Art. 17
Leitsätze:
1. Vermieter gehören wegen der Festsetzung eines Durchfahrtsverbots für Lkw nicht zu den betroffenen Verkehrsteilnehmern, die als Verletzung eigener Rechte geltend machen können, die rechtssatzmäßigen Voraussetzungen der Verkehrsbeschränkung seien nicht gegeben. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ebenso wenig kann sich ein Grundstückseigentümer auf eine Einschränkung seines Anliegergebrauchs berufen, da dieser lediglich die Zugänglichkeit des Grundstücks zur Straße schützt, soweit eine angemessene Nutzung des Grundstückseigentums die Benutzung der Straße erfordert. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eilverfahren, verkehrsrechtliche Anordnung, Durchfahrtsverbot für Lkw, asphaltierter Flurweg, betroffenes Grundstück vermietet, fehlende Antragsbefugnis, Anliegergebrauch, Verkehrsbeschränkung, Grundstückseigentümer, Vermieter
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 21.03.2022 – 11 CS 22.57
Fundstelle:
BeckRS 2021, 49479
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer verkehrsrechtlichen Anordnung, mit der ein Durchfahrtsverbot für Lkw festgesetzt wurde.
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1. Der Antragsteller ist Eigentümer der Flurstücke Fl.Nrn. …1 und … der Gemarkung A* …, im Stadtgebiet der Stadt P* … (nachfolgend: Antragsgegnerin). Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich eines seit dem 10. Oktober 2020 rechtskräftigen Bebauungsplans, der dort ein Gewerbegebiet ausweist. Die Erschließung ist ausweislich des Bebauungsplans vom Norden her von der Straße S* … (Fl.Nr. **) kommend vorgesehen, wobei die Fl.Nr. … über die Fl.Nr. …1 erschlossen wird.
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Mit verkehrsrechtlicher Anordnung vom 21. Oktober 2021 erließ die Stadt P* … gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1b Nr. 4 StVO ein Durchfahrtsverbot für Lkw (Zeichen 253) mit dem Zusatz „landwirtschaftlicher Verkehr frei“ an den öffentlichen Verkehrsflächen Fl.Nrn. …, … und …1 der Gemarkung A* … Zur Beschilderung wurde auf die beiliegende Skizze verwiesen. Am 18. November 2021 wurden die Verkehrszeichen 253 an den benannten Stellen aufgestellt. Die Anordnung werde aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs zur Ausweisung eines Durchfahrverbots für Lkw im Bereich der Zufahrt vom Gewerbebetrieb des Antragstellers erlassen.
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Mit Schreiben vom 22. November 2021 zeigte der Bevollmächtigte des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin seine Vertretung an und forderte sie auf, die aufgestellten Verkehrszeichen zu beseitigen, damit eine Zufahrt für die im südlichen Bereich der Fl.Nr. … befindliche Lagerhalle, welche aufgrund der örtlichen Verhältnisse über Fl.Nr. … angefahren werden müsse, für Lkw ermöglicht werde. Mit Antwortschreiben vom 22. November 2021 wies der 1. Bürgermeister der Antragsgegnerin darauf hin, dass die Beschilderung auf Grund einer rechtskonformen Entscheidung im Rahmen des Straßen- und Wegerechts in Verbindung mit dem Schutz des Eigentums der Stadt P* … und zur Schadensabwendung gegenüber seinen Bürgern so handeln habe müssen. Eine Rechtsverletzung des Antragstellers sei nicht erkennbar. Ausweislich der Festsetzungen des Bebauungsplans sei eine Erschließung für die Fl.Nrn. …1 und … von Norden her über die Fl.Nr. … und eine kurze angrenzende Strecke der Fl.Nr. … festgesetzt. Die südliche Lagerhalle auf Fl.Nr. … werde baurechtswidrig genutzt, erst am 22. November 2021 sei ein entsprechender Baunutzungsänderungsantrag bei der Stadt eingegangen.
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2. Am 29. November 2021 ließ der Antragsteller Klage erheben (Az.: W 6 K 21.1525), über die noch nicht entschieden ist, und zugleich im vorliegenden Eilverfahren beantragen,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, die verkehrsrechtliche Anordnung des Fahrverbots für Lkw auf Fl.Nr. … der Gemarkung A* … außer Vollzug zu setzen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Antragsteller sei durch die Anordnung verletzt. Das Grundstück Fl.Nr. … sei an die *& * G* … vermietet, welche die dort befindlichen Hallen für die Einlagerung von Waren nutze. Die Lagerhalle im südlichen Bereich, welche nur über Fl.Nr. … angefahren werden könne, müsse mehrmals wöchentlich von Lkw angefahren werden. Die dort befindliche Ware könne ansonsten nicht an die Kunden ausgeliefert werden. Die Sperre stelle einen vorsätzlichen Eingriff in den Gewerbebetrieb der *& * G* … dar. Der vorhandene Weg sei nicht beschädigt, wobei durch die Freigabe für landwirtschaftliche Fahrzeuge, die oftmals größer und schwerer als Lkw seien, eine Nichtbeschädigung des Weges gerade nicht erreicht werde. Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2021 ließ der Antragsteller ergänzen, er sei antragsbefugt, da seine Mieterin, die *& * G* …, wegen des Durchfahrtsverbots den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache moniert und Schadensersatzansprüche angekündigt habe, da ein An- und Abtransport der Waren nicht möglich sei. Zur Schadensabwehr sei es für den Antragsteller unabdingbar, dass so schnell wie möglich das Fahrverbot für Lkw aufgehoben werde.
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Die Antragsgegnerin ließ beantragen,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, die verkehrsrechtliche Anordnung sei rechtmäßig erfolgt. Der Antragsteller habe hinsichtlich der südlichen Halle auf Fl.Nr. … im Sommer dieses Jahrs erhebliche Umbaumaßnahmen vorgenommen, woraufhin er vom Landratsamt aufgefordert worden sei, einen entsprechenden Bauantrag einzureichen. In diesem Bauantrag vom 15. November 2021 habe der Antragsteller neben der Unterschreitung der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenze auch eine Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans für die östliche Grundstücksausfahrt über den als land- und forstwirtschaftlich festgesetzten öffentlichen Weg Fl.Nr. … beantragt. Der Bebauungsplan sehe jedoch eine Erschließung von Norden über Fl.Nr. … vor und nicht über Fl.Nr. …, der als landwirtschaftlicher Flurweg nicht für eine Tonnagelast von Transport-Lkw ausgelegt und deshalb nur für den landwirtschaftlichen Verkehr gewidmet sei. Das zumindest baurechtswidrige Verhalten seines Pächters müsse sich der Antragsteller zurechnen lassen. Da die Antragsgegnerin bei Benutzung der Fl.Nr. … durch Transport-Lkw eine erhebliche Gefährdung für den sonstigen Verkehr auf diesem Flurweg und Schaden an der Fahrbahn befürchten müsse, sei der Sicherheit und Ordnung der Vorzug gegeben worden. Zudem sei der Antragsteller nicht antragsbefugt, da die auf Fl.Nr. … befindlichen Lagerhallen von dem T* …unternehmen *& * G* …, welche Mieterin sei, genützt würden. Der Antragsteller stelle das Grundstück lediglich als Eigentümer zur Verfügung und könne als Privatperson schon nicht in seinen Rechten betroffen sein.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat keinen Erfolg, denn er ist bereits unzulässig. Der Antragsteller hat keine Antragsbefugnis.
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1. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die verkehrsrechtliche Anordnung vom 21. Oktober 2021 und mit Aufstellung des Verkehrszeichens 253 bekannt gemachte Verkehrsverbot anzuordnen, ist nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 5 VwGO statthaft. Nach ständiger Rechtsprechung stellen die streitbefangenen Verkehrszeichen Verwaltungsakte mit Dauerwirkung in Form einer Allgemeinverfügung dar, (vgl. BVerwG, U.v. 11.12.1996 - 11 C 10.95 -, BVerwGE 102, 316 ff.). Die Bekanntgabe eines Verkehrszeichens erfolgt als öffentliche Bekanntmachung durch Aufstellung (§§ 39 Abs. 2 und 3, 45 Abs. 4 StVO) des Verkehrszeichens. Diese Verwaltungsakte sind nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO von Gesetzes wegen sofort vollziehbar.
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Dem Antragsteller steht jedoch nicht die erforderliche Antragsbefugnis (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO) zu. Zwar hat er vortragen lassen, dass er der Eigentümer des östlich der Fl.Nr. … gelegenen Grundstücks Fl.Nr. … ist. Dieses Grundstück wird jedoch nicht vom Antragsteller selbst genutzt, sondern ist an eine juristische Person, die dort ein T* …unternehmen betreibt und die Lagerhallen nutzt, vermietet. Folglich gehört der Antragsteller hinsichtlich der streitgegenständlichen Verkehrsbeschränkung nicht zu den betroffenen Verkehrsteilnehmern, die als Verletzung eigener Rechte geltend machen können, die rechtssatzmäßigen Voraussetzungen der Verkehrsbeschränkung seien nicht gegeben (vgl. BVerwG vom 3.6.1982 Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 12; vom 27.1.1993 BVerwGE 92, 32); denn die durch das Durchfahrtverbot untersagten T* … werden nicht durch den hiesigen Antragsteller durchgeführt. Soweit der Antragsteller auf privatrechtliche Vereinbarungen mit der *& * G* … als seiner Mieterin verweist, ändert dies hieran nichts, da es sich lediglich um eine vertragliche Beziehung inter partes zwischen den Vertragsparteien handelt. Nachdem der Antragsteller als Eigentümer das Grundstück der *& * G* … zur Verfügung stellt, kann er auch nicht geltend machen, durch die streitgegenständliche Verkehrsbeschränkung im Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt zu werden.
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Ebenso wenig kann sich der Antragsteller als Grundstückseigentümer auf eine Einschränkung seines Anliegergebrauchs (Art. 17, 14 des Bayerischen Straßen und Wegegesetzes - BayStrWG, sog. gesteigerter Gemeingebrauch als Rechtsinstitut des einfachen Rechts) berufen, da dieser lediglich die Zugänglichkeit des Grundstücks zur Straße schützt, soweit eine angemessene Nutzung des Grundstückseigentums die Benutzung der Straße erfordert. Nicht geschützt wird jedoch vor Einschränkungen und Erschwernissen der Zufahrtsmöglichkeit für ein innerörtliches Grundstück. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Erschließung der Fl.Nr. … im Bebauungsplan abschließend geregelt wurde und demnach eine (weitere) Zuwegung von Osten her nicht vorgesehen ist.
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Es wurde weder dargelegt noch ist ersichtlich, dass der Antragsteller in eigenen Rechten berührt sein könnte. Zwar könnte der Antragsteller als Verkehrsteilnehmer eine Verletzung seiner Rechte aus dem Durchfahrtsverbot geltend machen. Jedoch betrifft das Durchfahrtsverbot lediglich Fahrzeuge ab 3,5 t Gewicht. Es ist schon nicht ersichtlich, dass der Antragsteller überhaupt als Verkehrsteilnehmer die Fl.Nr. … nutzt. Denn bei dem Flurweg Fl.Nr. … handelt es sich weder um eine Verbindungs- noch um eine Erschließungsstraße. Die Fl.Nr. … führt aus dem Ort heraus, kreuzt Richtung Süden die Fl.Nr. … und mündet in die Fl.Nr. …, welche ihrerseits einen weiten Bogen im Uhrzeigersinn um den Ortsteil A* … schlägt und in die Ortschaft wieder hineinmündet. Ausweislich der Luftbilder werden über diese Flurwege ausschließlich Ackerflächen erschlossen, die Wege führen wieder nach A* … zurück. Darüber hinaus untersagt die verfahrensgegenständliche Anordnung nicht die Befahrung mit Kraftfahrzeugen allgemein, sondern lediglich mit Kraftfahrzeugen über 3,5 t Gewicht. Es ist nicht vorgetragen, dass der Antragsteller überhaupt diese Art von Fahrzeugen nutzen würde.
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2. Auch wenn es darauf nicht ankommt, weist das Gericht der Vollständigkeit halber auf Folgendes hin:
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Es bestehen erhebliche Bedenken, soweit die vorliegende verkehrsrechtliche Anordnung auf § 45 Abs. 1b Nr. 4 StVO gestützt wurde. Nach dieser Vorschrift treffen Straßenverkehrsbehörden die notwendigen Anordnungen „zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung in diesen Bereichen“, also in Fußgängerbereichen und verkehrsberuhigten Bereichen i.S.d. § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 StVO. Auch lässt sich der Anordnung selbst keine hinreichende Begründung entnehmen. Zudem scheinen die weiteren dort benannten Flurnummern nicht zutreffend zu sein. Ungeachtet dessen sei aber darauf hinzuweisen, dass nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin der verfahrensgegenständliche Weg Fl.Nr. … nur für den landwirtschaftlichen Verkehr gewidmet ist. Eine solche Widmung würde die Nutzung des Weges für den gewerblichen An- und Abtransportverkehr wohl ohnehin verbieten und bei Zuwiderhandlungen den Erlass einer entsprechenden Anordnung nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO rechtfertigen.
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3. Der Antrag war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Der sich so nach Nr. 46.15 ergebende Streitwert von 5.000,00 EUR war nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.