Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 11.10.2021 – AN 2 K 21.00699
Titel:

BAföG-Rückforderung wegen rechtsmissbräuchlicher Auflösung von Bausparverträgen zugunsten der Mutter

Normenketten:
BAföG § 11 Abs. 2, § 26, § 28 Abs. 2, § 29 Abs. 1
SGB X § 45, § 50 Abs. 1
Leitsätze:
1. Überträgt ein Auszubildender Vermögen auf seine Eltern als „Gegenleistung“ für Unterhaltsleistungen, erfolgt die Vermögensverfügung im förderungsrechtlichen Sinne unentgeltlich und erweist sich im Zusammenhang mit dem Ausbildungsbeginn als rechtsmissbräuchlich; dies gilt auch bei nur freiwilligen Unterhaltszahlungen der Eltern. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein zeitlicher Abstand von gut neun Monaten zwischen der (ersten) Vermögensübertragung und der BAföG-Antragstellung steht der Annahme von Rechtsmissbräuchlichkeit nicht zwingend entgegen. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rückforderung von Ausbildungsförderung, Rechtsmissbräuchliche Vermögensübertragung, BAföG, Ausbildungsförderung, Rückforderung, rechtsmissbräuchliche Vermögensübertragung, Unterhalt, Bausparvertrag, zeitlicher Abstand
Fundstelle:
BeckRS 2021, 49185

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Ausbildungsförderung.
2
Die am … 1986 geborene Klägerin studierte seit dem Wintersemester 2009/2010 im Studiengang Soziale Arbeit (Bachelor) an der … Am 10. Oktober 2011 beantragte sie erstmals die Leistung von Ausbildungsförderung. Im Rahmen der Antragstellung für den Bewilligungszeitraum 10/2011 bis 09/2012 gab sie in dem Antragsformular an, Bank- und Sparguthaben (Zeile 103) i.H.v. 3.241,20 EUR und Bauspar- und Prämiensparguthaben (Zeile 104) i.H.v. 689,62 EUR zu haben. Angaben über das steuerlich geförderte Altersvorsorgevermögen (Zeile 105) würden nachgereicht. Hinsichtlich Vermögen (Zeile 93 bis 104), Schulden und Lasten (Zeile 107 bis 109) sowie freizustellender Vermögenswerte (Zeile 111 bis 113) nahm sie keine Eintragungen vor.
3
Mit Bescheid vom 8. Februar 2013 wurde unter Berücksichtigung nachgereichter Unterlagen zu Gunsten der Klägerin zuletzt Ausbildungsförderung i.H.v. monatlich 275,00 EUR für den Bewilligungszeitraum 10/2011 bis 09/2012 ohne Anrechnung von Vermögen bewilligt (12 Monate x 275,00 EUR = 3.300,00 EUR).
4
Am 26. Juni 2012 beantragte die Klägerin die Leistung von Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum 10/2012 bis 09/2013. Im Rahmen der Antragstellung gab sie an, Bargeld i.H.v. 2,20 EUR zu haben (Zeile 102). Die Höhe ihres Bank- und Sparguthabens bezifferte sie mit 3.696,41 EUR (Zeile 103). In Zeile 104 gab sie Bauspar- und Prämiensparvermögen i.H.v. 1.584,41 EUR und in Zeile 105 steuerlich gefördertes Altersvorsorgevermögen i.H.v. 124,08 EUR an. Hinsichtlich Vermögen, Schulden und Lasten bzw. freizustellender Vermögenswerte nahm sie keine Eintragungen vor (Zeilen 93 bis 100, 107 bis 113).
5
Mit Bescheid vom 3. Juli 2015 wurde zuletzt Ausbildungsförderung i.H.v. monatlich 608,00 EUR für den Bewilligungszeitraum 10/2012 bis 09/2013 ohne Anrechnung von Vermögen bewilligt (12 Monate x 608,00 EUR = 7.296,00 EUR).
6
Am 9. August 2013 beantragte die Klägerin die Leistung von Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum 10/2013 bis 09/2014. Im Rahmen der Antragstellung gab sie an, Bargeld i.H.v. 15,00 EUR zu haben (Zeile 102). Die Höhe ihres Bank- und Sparguthabens bezifferte sie mit 561,58 EUR (Zeile 103). In Zeile 104 gab sie Bauspar- und Prämiensparvermögen i.H.v. 992,18 EUR und in Zeile 105 steuerlich gefördertes Altersvorsorgevermögen i.H.v. 1.502,00 EUR an. Hinsichtlich Vermögen, Schulden und Lasten bzw. freizustellender Vermögenswerte nahm sie keine Eintragungen vor (Zeilen 93 bis 100, 107 bis 113).
7
Mit Bescheid vom 20. Januar 2014 wurde zuletzt Ausbildungsförderung i.H.v. monatlich 608,00 EUR für den Bewilligungszeitraum 10/2013 bis 09/2014 ohne Anrechnung von Vermögen bewilligt (12 Monate x 608,00 EUR = 7.296,00 EUR).
8
Im Rahmen des Datenabgleichs des Bundeszentralamtes für Steuern wurde am 8. Juli 2015 bekannt, dass für die Klägerin eine Kapitalertragssumme für das Jahr 2011 in Höhe von insgesamt 253,00 EUR (davon 186,00 EUR bei der … und 67,00 EUR bei der …*) gemeldet war.
9
Mit Schreiben des Beklagten vom 8. Juli 2015 wurde die Klägerin hierüber informiert und gebeten, die Vermögensangaben nachzuholen. Mit Schreiben des Beklagten vom 26. August 2015 wurde die Klägerin an das Schreiben vom 8. Juli 2015 erinnert und aufgefordert, bis zum 16. September 2015 die geforderten Erklärungen und Nachweise einzureichen. Mit Schreiben vom 8. September 2015 übersandte die Klägerin die gewünschten Unterlagen. Nach weiteren Nachforderungen des Beklagten wurden schließlich mit Schriftsatz der nunmehrigen Bevollmächtigten der Klägerin vom 26. August 2016 weitere Unterlagen übersandt und hierzu Stellung genommen.
10
Insbesondere lässt die Klägerin in dem Schriftsatz vom 23. August 2016 auf Nachfrage des Beklagten hinsichtlich des Zwecks der Umbuchung über 16.000,00 EUR am 4. Januar 2011 sinngemäß ausführen, die Beträge seien an ihre Mutter gegangen. Hierzu ergibt sich aus dem für das Giro-Konto Nr. … der Klägerin bei der … (künftig: … Bank) eingereichten Kontoverlauf, dass die Klägerin am 4. Januar 2011 drei Überweisungen i.H.v. insgesamt 16.000,00 EUR tätigte (3.000,00 EUR, 12.000,00 EUR und 1.000,00 EUR), ohne dass die Empfängerkonten aus den Unterlagen ersichtlich wären. Der überwiesene Betrag stammte aus einem zuvor durch die Klägerin gekündigten Multi-Sparplan Nr. …, welcher mit einem Betrag i.H.v. 16.141,72 EUR aufgelöst und am 4. Januar 2011 auf ihr Konto Nr. … bei der … Bank eingegangen war. Das genannte Giro-Konto wurde am 14. Februar 2011 aufgelöst.
11
Darüber hinaus hatte die Klägerin ausweislich der vorgelegten Unterlagen am 21. März 2011 ihren Bausparvertrag Nr. … bei der … gekündigt und das Guthaben wie folgt aufteilen lassen: Zum einen ging am 30. März 2011 ein Betrag i.H.v. 5.250,58 EUR auf einem weiteren Bausparvertrag der Klägerin bei der … (Nr. …*) ein. Zum anderen überwies die Bausparkasse am 15. September 2011 antragsgemäß 5.287,43 EUR auf das Konto der Mutter der Klägerin.
12
Schließlich hatte die Klägerin am 27. August 2012 ihr Konto Nr. … bei der … Bank aufgelöst und einen Guthabensbetrag i.H.v. 3.451,49 EUR ebenfalls auf das Konto ihrer Mutter überwiesen.
13
Auf Nachfrage des Beklagten, aus welchem Grund die genannten Beträge auf das Konto der Mutter überwiesen worden seien, führte die Klägerin im Wesentlichen aus: Ihr damaliger Lebenspartner und Vater ihres 2008 geborenen Kindes sei 2010 ausgezogen. Sie habe fortan den Lebensunterhalt als alleinerziehende Mutter bestreiten müssen. Ihre Eltern hätten sie zwar weitestgehend unterstützt, jedoch habe deren finanzieller Rahmen nicht ausgereicht. Ihre Mutter sei 2009 arbeitslos geworden und am 1. Juli 2011 in Rente gegangen. Ihr Vater sei zu beiden Zeitpunkten bereits in Rente gewesen. Im Jahr 2000 habe ihre Mutter für sie ohne ihr Wissen zinsgünstige, längerfristige Sparkonten bei der … Bank angelegt. Als sich die finanzielle Situation der Eltern verschlechtert habe und sie ihren Lebensunterhalt aufgrund der Trennung zu ihrem Lebenspartner nicht mehr bestreiten habe können, habe die Mutter die Sparkonten auflösen müssen, um sich und sie finanziell zu unterstützen. Zu diesem Zeitpunkt habe sie bereits laut Aussage einer Mitarbeiterin des Jugendamts unter dem „Existenzminimum“ gelebt. Sie habe sich daher entschlossen, einen BAföG-Antrag zu stellen. Alle erforderlichen Unterlagen habe sie damals eingereicht bzw. nachgewiesen. Die Beträge aus dem aufgelösten Multi-Sparplan seien auf das Konto der Mutter wegen des beschriebenen finanziellen Engpasses gegangen. Diese habe sie im Jahr 2011 mit insgesamt 6.000,00 EUR für Lebensunterhalt, ihren Sohn und Studiengebühren unterstützt und habe Schulden in Höhe von 3.000,00 EUR übernommen, die sie zurückgezahlt habe.
14
Mit Bescheid vom 23. September 2016, als Einschreiben zur Post gegeben am gleichen Tag, berechnete der Beklagte die Ausbildungsförderung unter Anrechnung von Vermögenswerten neu und forderte eine Überzahlung i.H.v. 17.892,00 EUR zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Rückforderungsbescheid ergehe wegen nachträglich angerechneten Vermögens. Das öffentliche Interesse an einer sparsamen und rechtmäßigen Mittelverwendung überwiege das Interesse der Klägerin, die Leistung behalten zu dürfen, da die Klägerin die ursprünglich fehlerhafte Bewilligung wesentlich zu verantworten habe und dadurch nicht mehr belastet werde, als andere Auszubildende, die von einer Rückforderung betroffen seien. Außerdem erscheine eine Bevorzugung gegenüber anderen Auszubildenden, die bei der Antragstellung zutreffende Angaben gemacht hätten, nicht angezeigt.
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Hiergegen ließ die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. Oktober 2016, bei dem Beklagten eingegangen am 24. Oktober 2016, Widerspruch einlegen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Sie habe in ihrem Antrag auf Ausbildungsförderung alle geforderten Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht. Sie habe sämtliches Vermögen, das sie im Zeitpunkt der Antragstellung besessen habe, offengelegt. Sofern unterstellt werde, sie habe nicht mehr vorhandenes Vermögen in rechtsmissbräuchlicher Weise vor Antragstellung übertragen, um sich so unberechtigterweise zu bereichern, so sei dies ebenfalls nicht zutreffend. Eine in diesem Zusammenhang rechtsmissbräuchliche Vermögensübertragung sei nur dann zu bejahen, wenn die fragliche Vermögensverfügung zeitnah zur Antragstellung und ohne gleichwertige Gegenleistung erfolgt sei sowie im Widerspruch zu dem mit der Vermögensanrechnung verfolgten Gesetzeszweck stehe. Dann, und nur dann, könne das entsprechende Vermögen grundsätzlich dem Auszubildenden förderungsrechtlich zugerechnet werden, jedoch bedürfe es hierfür einer umfassenden und einzelfallbezogenen Abwägung, die die Belange des Auszubildenden in der Weise ausreichend berücksichtige, dass nicht jede Vermögensübertragung reflexartig als „rechtsmissbräuchlich“ qualifiziert, sondern der Vorgang in seiner Gesamtheit und orientiert an der Lebenswirklichkeit der Beteiligten bewertet werde. Vorliegend sei bereits die erforderliche zeitliche Nähe zur Antragstellung nicht gegeben. Um die Jahreswende 2009/2010 hätten sie wegen der prekären finanziellen Situation beschlossen, einen der von ihrer Mutter seinerzeit abgeschlossenen Bausparverträge aufzulösen. Von der Bank hätten sie daraufhin mit Schreiben vom 4. Januar 2010 die Auskunft erhalten, Voraussetzung für die Zuteilung sei, dass der Vertrag ein Sparguthaben von 50% der Sparsumme, mithin 5.000,00 EUR, aufweise. Angespart gewesen seien zu diesem Zeitpunkt jedoch erst 2.616,20 EUR, so dass eine Einzahlung von 2.385,00 EUR erforderlich gewesen sei. Mit Schreiben vom 7. Januar 2010 habe die Bank dann ein Angebot für einen Zwischenkredit bis zur Zuteilung auf Grundlage des Bausparvertrags gemacht. Dieser sollte i.H.v. 5.000,00 EUR geführt werden zu einer monatlichen Zinsrate von 12,71 EUR. Hiermit sollte dann der Bausparvertrag aufgefüllt werden, damit dieser ein Jahr später zur Zuteilung kommen könne. Zum Zeitpunkt der Zuteilung habe der Zwischenkredit ohne weitere Erklärung mit dem aus dem Bausparvertrag bereitgestellten Mitteln verrechnet werden sollen. Sie hätten dieses Angebot mit Erklärung vom 13. Januar 2010 angenommen. Am 15. Januar 2010 seien abredegemäß 2.385,00 EUR auf den fraglichen Bausparvertrag eingezahlt worden. Mithin sei der genannte Bausparvertrag im September 2011 zur Auszahlung fällig geworden, die Umwandlung in einen Zwischenkredit mit der Anweisung an die Bank, die letztlich auszuzahlende Summe schließlich an die Mutter auszukehren, sei jedoch bereits um die Jahreswende 2009/2010 erfolgt, mithin fast zwei Jahre vor dem Antrag auf Ausbildungsförderung. Auch verkenne die Behörde, dass ein Großteil der genannten Summe in Höhe von 5.287,43 EUR gar nicht ausbezahlt, sondern mit dem Zwischenkredit verrechnet worden sei. Dieser habe aufgenommen werde müssen, um den Bausparvertrag überhaupt zuteilungsreif werden zu lassen. Am 4. Januar 2011 seien vom aufgelösten Sparguthaben 15.000,00 EUR an ihre Mutter und 1.000,00 EUR an sie selbst gegangen. Entscheidend sei aber, dass die Verfügungen nicht rechtsmissbräuchlich getätigt worden seien. Ihre Mutter habe im Jahr 1999 ohne ihr Wissen zwei Sparkonten angelegt, deren Guthaben eigentlich eines Tages ihr hätten zugutekommen sollen. Sie sei, indem sie ihrer Mutter die vorübergehende Verwendung der genannten Geldmittel gestattet habe, einer sittlichen Pflicht nachgekommen, der sie sich schlechterdings nicht habe entziehen können. Der Mutter in einer finanziellen Krise zu verbieten, auf die von ihr selbst angelegten Ersparnisse zurückzugreifen, um einen vorübergehenden finanziellen Engpass zu überbrücken, hätte das Verhältnis zu ihrer Mutter in nicht zumutbarer Weise belastet, dies zu erwarten wäre schlicht lebensfremd. Letztendlich sei eine rechtsmissbräuchliche Vermögensverschiebung auch deshalb nicht anzunehmen, weil es sich gerade nicht um eine Verfügung ohne adäquate Gegenleistung handele. Sie habe im Laufe des Jahres 2011 Leistungen erhalten, die den Wert der ausbezahlten Sparguthaben überstiegen. So habe ihre Mutter im Laufe des Jahres 2011 monatlich 500,00 EUR an sie ausbezahlt und 3.000,00 EUR beglichen, die die Eltern ihres ehemaligen Lebensgefährten zunächst überlassen und die sie nun nach der Trennung zurückverlangt hätten. Des Weiteren habe ihre Mutter Einrichtungsgegenstände für die Wohnung und Geräte für die Wohnung wie z.B. eine Waschmaschine gekauft und habe zudem ein Auto angeschafft. Erst als die Mittel aufgebraucht gewesen seien, habe sie den Antrag auf Ausbildungsförderung gestellt. Eine Anrechnung stehe in Widerspruch zu dem mit der Vermögensanrechnung verfolgten Gesetzeszweck. Sie habe eben gerade nicht ihr Vermögen bei der Mutter „geparkt“, um in den Genuss der Ausbildungsförderung zu kommen, ohne hierfür vorhandene eigene Mittel anzutasten, sondern diese seien aufgebraucht und für ihre Lebenshaltung verwendet worden, bevor ein Antrag auf Ausbildungsförderung gestellt worden sei. Sie und ihr Sohn hätten sich mit den zur Verfügung stehenden Mitteln keineswegs einen luxuriösen Lebensstil geleistet. Dennoch sei das genannte Vermögen innerhalb eines knappen Jahres aufgebraucht gewesen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2021, den Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 17. März 2021, wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Im vorliegenden Fall sei ausweislich der dem Beklagten vorliegenden Unterlagen ausschließlich die Klägerin bei sämtlichen Konten als kontoführende Person und damit als Inhaberin der jeweiligen Forderung gegenüber den Kreditinstituten bezeichnet worden. Sie sei damit Eigentümerin dieses Vermögens und nicht ihre Mutter. Gläubiger des Anspruchs auf Auszahlung der Einlage auf dem Konto gegen das Geldinstitut sei nicht der Einzahler der Spareinlage, sondern vielmehr ausschließlich der Kontoinhaber selbst. Die Eigentümerstellung der Klägerin werde nicht dadurch beseitigt, dass ihre Mutter Gelder auf die Konten einbezahlt habe, denn nach der Rechtsprechung sei es grundsätzlich unerheblich, woher das Vermögen stamme und auf welchem Weg es gebildet worden sei. Nach der Verwaltungspraxis seien Vermögenswerte auch dann dem Vermögen des Auszubildenden zuzurechnen, wenn er sie rechtsmissbräuchlich übertragen habe. Dies sei insbesondere der Fall, wenn der Auszubildende Teile seines Vermögens unentgeltlich oder ohne gleichwertige Gegenleistung an Dritte, insbesondere an seine Eltern oder andere Verwandte, übertragen habe. Unstrittig habe die Klägerin Geldbeträge i.H.v. insgesamt 16.000,00 EUR am 4. Januar 2011, i.H.v. 5.287,43 EUR am 15. September 2011 sowie i.H.v. 3.451,49 EUR am 27. August 2012 auf ihre Mutter übertragen. Der zeitliche Zusammenhang mit der jeweiligen Antragstellung sei vorliegend offenkundig gegeben. Eine Rechtspflicht zur Übertragung des Vermögens, welches die Mutter der Klägerin habe zugutekommen lassen wollen, sei vorliegend nicht erkennbar. Vielmehr habe die Klägerin erklärt, dass die an die Mutter ausbezahlten Beträge für sie gedacht gewesen seien und ihr in Zukunft einmal zugute hätten kommen sollen. Weiterhin sei unstreitig, dass die Eltern grundsätzlich unterhaltspflichtig seien. Daher stelle die Absicht der Mutter, den von ihr grundsätzlich geschuldeten Unterhalt aus dem Vermögen der Klägerin heraus leisten zu wollen, keine adäquate Gegenleistung für den Erhalt von insgesamt 24.738,92 EUR dar. Die Übertragung von insgesamt 24.738,92 EUR stehe im Widerspruch zum Gesetzeszweck des BAföG. Es könne förderungsrechtlich nicht akzeptiert werden, dass ein Auszubildender sein ihm zuzuordnendes Vermögen an Angehörige bzw. Dritte übertrage, um sich dadurch bei der Leistungsberechnung besser zu stellen, weil er angebe, dass er das Vermögen nicht mehr besitze. Hier hätten der Klägerin die Mittel zur Verfügung gestanden und hätten ja auch weiterhin zur Verfügung stehen sollen. Die Klägerin hätte somit richtigerweise die Gelder aus den aufgelösten Konten und dem Bausparvertrag selbst für den Unterhalt während ihres Studiums verwenden müssen. Aufgrund der Missbrauchsgefahr und weil der Umstand von vermögensmindernden Schulden allein die Sphäre des Auszubildenden treffe, stelle die Rechtsprechung strenge Anforderungen an den Nachweis des Abschlusses und der Ernsthaftigkeit von Darlehensverträgen unter Familienangehörigen. Auch nach der aktuellen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes wäre für die Anerkennung von Schulden Voraussetzung, dass objektive Anhaltspunkte für das behauptete Darlehen vorhanden wären, d.h., dass sie klar und eindeutig aufgrund objektiver Anhaltspunkte von einer Unterhaltsgewährung oder einer verschleierten Schenkung abzugrenzen seien. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung scheide ein Schuldenabzug nach § 28 Abs. 3 BAföG schon wegen der hier gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus, wenn der Schuldner - aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, wie etwa der Erfüllung von Unterhaltsleistungen oder auch nur wegen familiärer Rücksichtnahme - nicht ernstlich mit der Geltendmachung der Forderung rechnen müsse. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin ernstlich mit einer Geltendmachung der ihrer Mutter gegenüber angeblich bestehenden Forderung rechnen habe müssen, insbesondere für den Fall, dass sie die dann übertragenen Beträge nicht geleistet hätte, lägen nicht vor. Im Übrigen hätte die Mutter aber auch rein rechtlich keinen durchsetzbaren Anspruch. Die Schulden seien nicht substantiiert vorgetragen. Die Klägerin habe in ihren Anträgen auf Ausbildungsförderung kein Auto angegeben. Sollte die Mutter der Klägerin ihr ein Auto gekauft haben, so wäre dies möglicherweise ebenfalls dem Vermögen der Klägerin zuzurechnen. Die Klägerin habe auch keine Schulden angegeben gehabt. Die Begleichung der 3.000,00 EUR durch die Mutter an die Eltern des ehemaligen Lebensgefährten sei nicht nachgewiesen. Dies gelte auch für die Haushaltsgegenstände. Die monatlichen Zahlungen der Mutter der Klägerin in Höhe von 500,00 EUR seien zudem grundsätzlich der Unterhaltspflicht zuzuordnen. Mithin bestehe kein Ersatzanspruch der Mutter gegenüber der Klägerin. Die Zahlung sei i.H.v. insgesamt 21.287,43 EUR (ab Antragstellung vom 10.10.2011) und i.H.v. 5.287,43 EUR (ab Antragstellung vom 9.8.2013) in zeitlichem Zusammenhang sowie rechtsgrundlos erfolgt, da keine Rückzahlungspflicht nachgewiesen worden sei, und stehe im Widerspruch zum Gesetzeszweck. Daher sei das übertragene Vermögen bei der jeweiligen Antragstellung weiterhin anzurechnen. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und der einschlägigen Kommentierung zum BAföG müsse sich die Klägerin das zu Gunsten der Mutter übertragene Guthaben daher förderungsrechtlich weiterhin zurechnen lassen, auch wenn sie an dem Tag, an dem ihr Antrag beim Amt für Ausbildungsförderung eingegangen sei, zivilrechtlich nicht mehr Inhaberin des Vermögens gewesen sei. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen, weil die Bewilligungsbescheide auf unvollständigen bzw. unrichtigen Angaben beruhten. Hier lägen die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, 3 SGB X vor, denn der Bescheid beruhe auf Angaben dahingehend, dass die Klägerin nur über ein unter dem Freibetrag nach § 29 BAföG liegendes Vermögen bzw. geringes Vermögen und demzufolge im Rahmen der §§ 27 und 28 BAföG kein bzw. kaum anrechenbares Vermögen verfüge, obwohl sie mit ihrer Unterschrift auf dem Antrag eigenhändig versichert habe, dass ihre Angaben richtig und vollständig seien. Die Überzahlung sei daher ausschließlich auf unvollständige bzw. unrichtige Angaben zurückzuführen. Hinsichtlich der Kenntnis der Rechtswidrigkeit liege zumindest grobe Fahrlässigkeit vor, denn die Klägerin habe die Nichtangabe von Vermögen wissentlich und willentlich gemacht. Sie habe gewusst bzw. hätte wissen müssen, dass die Angabe des bis kurz vor Antragstellung vorhandenen Vermögens zu einer Anrechnung auf die staatliche Ausbildungsförderung hätte führen können. Im vorliegenden Fall sei die Klägerin bereits bei der ersten Antragstellung in Zeile 118 ausdrücklich auf die Anrechnung rechtsmissbräuchlich übertragenen Vermögens hingewiesen worden. Angesichts des Grundsatzes der Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung sei eine Herausnahme entsprechender Guthaben aus der Vermögensanrechnung nicht zu rechtfertigen. Es seien keine Gründe ersichtlich, die es gerechtfertigt erscheinen ließen, die zu Unrecht gezahlte Förderung zu belassen, denn das würde zu einer offensichtlichen Besserstellung und Ungleichbehandlung gegenüber anderen Studierenden führen, die bereits bei der ersten Antragstellung vollständige Angaben gemacht hätten. Es sei auch kein Bearbeitungsfehler oder mitwirkendes Verwaltungsverschulden feststellbar. Die Bewilligungsbescheide hätten daher gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, 3 SGB X zurückgenommen werden können, die zu Unrecht erhaltenen Leistungen in Höhe von 17.892,00 EUR seien gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten.
17
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 16. April 2021, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben.
18
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 6. August 2021 begründet sie die Klage unter Wiederholung ihrer Ausführungen im Widerspruchsschreiben und legt darüber hinaus dar, dass auch eine Verwirkung des Anspruchs des Beklagten in Frage käme, nachdem seit dem Ausgangsbescheid mittlerweile fünf Jahre vergangen seien und die Klägerin in nachvollziehbarer Weise darauf vertraut habe, die Sache sei nun erledigt. Es sei durch nichts erklärlich und auch nicht zu erwarten, dass die Bearbeitung eines Widerspruchs nahezu fünf Jahre in Anspruch nehme. Die Klägerin hätte nicht mehr damit rechnen müssen, dass nun nach all den Jahren eine solche Forderung auf sie zukomme und dementsprechend auch keine Disposition hierfür getroffen.
19
Die Klägerin beantragt wörtlich zu erkennen:
1. Der Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 23.09.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.03.2021 wird aufgehoben.
2. Die Zuziehung der Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
20
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
21
Zur Begründung nimmt er auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheids Bezug.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und auf die vorgelegte Behördenakte sowie wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Entscheidungsgründe

23
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
24
I. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 23. September 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 16. März 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
25
1. Aufgrund eines Verwaltungsakts erbrachte Leistungen sind nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückzugewähren, sofern der Verwaltungsakt aufgehoben, zurückgenommen oder widerrufen wird (Heße in Beckscher Online-Kommentar Sozialrecht, 63. Edition Stand: 1.12.2021, § 50 SGB X Rn. 16). Die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts kann - auch wenn dieser bereits bestandskräftig geworden ist - grundsätzlich nach § 45 Abs. 1 SGB X erfolgen, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X scheidet eine solche Rücknahme aber aus, wenn der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Letzteres ist gemäß § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X grundsätzlich der Fall, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Dagegen kann sich der Begünstigte gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X nicht auf Vertrauensschutz berufen, soweit der Verwaltungsakt kausal auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. In diesem Fall kann die Rücknahme auch mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgen, sofern dies binnen eines Jahres seit Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen geschieht (§ 45 Abs. 4 SGB X).
26
2. Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die angegriffene Neufestsetzung von Ausbildungsförderung mit streitgegenständlichem Bescheid vom 23. September 2016 betreffend die Bewilligungszeiträume Oktober 2011 bis September 2012, Oktober 2012 bis September 2013 und Oktober 2013 bis September 2014 auf monatlich jeweils 0,00 EUR rechtmäßig. Dasselbe gilt für die festgesetzte Rückforderung der danach zu viel geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 17.892,00 EUR.
27
a) Bei den zuletzt ergangenen Bewilligungsbescheiden des Beklagten vom 8. Februar 2013, 3. Juli 2015 und 20. Januar 2014 betreffend die bezeichneten Bewilligungszeiträume handelt es sich um begünstigende und mittlerweile bestandskräftige Verwaltungsakte.
28
b) Die Festsetzung von Ausbildungsförderung für die Bewilligungszeiträume Oktober 2011 bis September 2012, Oktober 2012 bis September 2013 und Oktober 2013 bis September 2014 mit Bescheiden vom 8. Februar 2013, 3. Juli 2015 und 20. Januar 2014 war rechtswidrig, da der Klägerin aufgrund zuzurechnenden Vermögens in den bezeichneten Bewilligungszeiträumen kein Anspruch auf Ausbildungsförderung zustand.
29
(1) Nach § 11 Abs. 1 BAföG wird Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet. Auf diesen Bedarf anzurechnen ist gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BAföG nach Maßgabe der §§ 27 bis 30 BAföG das Vermögen des Auszubildenden. Nach § 28 Abs. 2 BAföG ist hierbei grundsätzlich der Wert des Vermögens im Zeitpunkt der Antragstellung entscheidend. Entsprechend erhalten nur solche Auszubildende Ausbildungsförderung, deren Vermögen nach Maßgabe der Vorschriften über die Vermögensanrechnung nicht zu hoch ist (Winkler in Beckscher Online-Kommentar Sozialrecht, 63. Edition Stand: 1.12.2021, § 26 BAföG Rn. 1). Von dem gemäß § 26 BAföG grundsätzlich anzurechnenden Vermögen des Auszubildenden bleibt nach § 29 Abs. 1 Satz 1 BAföG ein Freibetrag anrechnungsfrei. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung (§ 29 Abs. 1 Satz 2 BAföG) sah § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG a.F. hier jeweils einen Freibetrag in Höhe von 5.200,00 EUR für den Auszubildenden selbst und einen Freibetrag in Höhe von 1.800,00 EUR für jedes Kind des Auszubildenden vor.
30
Vor Beginn der Ausbildung und Stellung des Antrags darf der Auszubildende grundsätzlich nach Belieben mit seinem Vermögen verfahren, ohne dass er dadurch einen möglichen Anspruch auf Ausbildungsförderung gefährdet. Abweichendes gilt jedoch in Fällen rechtsmissbräuchlicher Vermögensübertragungen. Durch den Auszubildenden rechtsmissbräuchlich übertragene Vermögensgegenstände werden dem Vermögen des Auszubildenden weiterhin fiktiv zugerechnet, obgleich sie im Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr vorhanden sind (vgl. hierzu im Ganzen Knoop in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Auflage 2020, § 28 Rn. 10). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt ein solcher Rechtsmissbrauch vor, wenn die Vermögensübertragung im Widerspruch zu dem mit der Vermögensanrechnung verfolgten Gesetzeszweck steht. Die fiktive Vermögensanrechnung bezweckt die Durchsetzung des Nachrangs staatlicher Ausbildungsförderung, der in § 1 BAföG verankert ist. Eine Vermögensübertragung steht dann im Widerspruch zur Nachrangigkeit der Ausbildungsförderung i.S.v. § 1 BAföG, wenn der Auszubildende Vermögen überträgt, um es der Vermögensanrechnung zu entziehen. Von einer solchen Zweckbestimmung ist grundsätzlich auszugehen, wenn der Auszubildende Vermögen auf einen Dritten überträgt, ohne eine dessen Wert entsprechende Gegenleistung zu erhalten (vgl. so zum Ganzen BVerwG, U.v. 14.3.2013 - 5 C 10/12 - juris Rn. 19). Ob der Umstand der Unentgeltlichkeit - im Sinne des Fehlens einer angemessenen bzw. werthaltigen Gegenleistung (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 25.3.2010 - 4 ME 38/10 - beck-online) - ausreichend ist, um ohne weiteres rechtsmissbräuchliches Handeln anzunehmen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. So kann etwa das Kriterium der Unentgeltlichkeit mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Antragstellung an Aussagekraft verlieren. Entsprechend ist es gerechtfertigt und im Einzelfall auch geboten, auch auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen Antragstellung und Vermögensübertragung abzustellen. Denn ein solcher Zusammenhang spricht gewichtig für einen Rechtsmissbrauch (so zum Ganzen BVerwG, U.v. 14.3.2013 - 5 C 10/12 - juris Rn. 19). Ein subjektiv verwerfliches Handeln des Auszubildenden ist hingegen nicht erforderlich (BayVGH, U.v. 28.1.2009 - 12 B 08.824 - juris Rn. 43).
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(2) Nach Anwendung dieser Grundsätze ist von einer Rechtsmissbräuchlichkeit der an die Mutter der Klägerin erfolgten Zahlungen i.H.v. insgesamt 16.000,00 EUR am 4. Januar 2011, in Höhe von 5.287,43 EUR am 15. September 2011 und in Höhe von 3.451,49 EUR am 27. August 2012 auszugehen. Dies hat förderungsrechtlich zur Folge, dass das übertragene Vermögen dem Vermögen der Klägerin fiktiv hinzuzurechnen ist.
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(a) Die Vermögensübertragungen an die Mutter der Klägerin erfolgten unentgeltlich bzw. ohne Gegenleistung im förderungsrechtlichen Sinn.
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Soweit die Klägerin vorgebracht hat, im Laufe des Jahres 2011 von ihrer Mutter monatlich 500,00 EUR erhalten zu haben, stellt dies schon deshalb keine gleichwertige Gegenleistung dar, weil die insoweit darlegungsbelastete Klägerin nicht geltend gemacht hat, im Zeitpunkt der Vermögensübertragung an ihre Mutter eine entsprechende, rechtlich bindende Vereinbarung getroffen zu haben. Eine solche Vereinbarung läge auch fern, da es in diesem Fall schon unter praktischen Gesichtspunkten nähergelegen hätte, dass die Klägerin das fragliche Vermögen unmittelbar selbst eingesetzt hätte. Im Übrigen spricht vieles dafür, dass der Betrag in etwa dem entspricht, worauf die Klägerin nach §§ 1601 ff. Anspruch gehabt haben könnte. Leistungen, die Eltern einem Auszubildenden im Rahmen ihrer Unterhaltsverpflichtung erbringen, bedürfen aber keiner Gegenleistung. Überträgt ein Auszubildender daher Vermögen auf seine Eltern gerade als „Gegenleistung“ für Unterhaltsleistungen, auf die er einen gesetzlichen Anspruch besitzt, erfolgt die Vermögensverfügung im förderungsrechtlichen Sinne unentgeltlich; sie erweist sich im Zusammenhang mit dem Ausbildungsbeginn demnach als rechtsmissbräuchlich (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 2.6.2020 - Az. 12 ZB 19.1378 - juris). Entsprechendes gilt, sofern sich vorliegend ausnahmsweise keine Unterhaltsverpflichtung aus §§ 1601 ff. BGB ergeben sollte. Denn in diesem Fall würden sich die geleisteten Zahlungen mangels rechtlich verbindlicher Vereinbarung einer Gegenleistung im Zeitpunkt der Vermögensübertragung als rechtlich freiwillige Unterhaltszahlungen darstellen.
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Die insoweit darlegungsbelastete Klägerin hat auch nicht geltend gemacht, auf eine bestehende Schuld geleistet zu haben. So ist bereits keine rechtliche Verpflichtung zur Übertragung des fraglichen Vermögens vorgetragen. Es fehlt bereits an einem Vortrag dahingehend, dass ein Vertrag zwischen Tochter und Mutter geschlossen worden sei, der eine Zahlungspflicht der Klägerin vorgesehen hätte. Im Übrigen ist eine solche rechtlich bindende Verpflichtung auch nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass nach Vortrag der Klägerin, der im Übrigen nicht belegt ist, Einrichtungsgegenstände und Geräte für die Wohnung von ihrer Mutter erst nach der ersten Vermögensübertragung am 4. Januar 2011 und zwar mit den übertragenen finanziellen Mitteln erworben und ihr zur Verfügung gestellt worden sein sollen, und auch die behauptete Forderung der Eltern ihres ehemaligen Lebensgefährten von der Mutter nach der Vermögensübertragung beglichen worden sein soll. Im Zeitpunkt der Vermögensübertragung an die Mutter hatte die Klägerin damit über Eigenmittel verfügt und wäre nicht auf eine entsprechende Vereinbarung angewiesen gewesen, um Einrichtungsgegenstände und Geräte für die Wohnung zu erwerben bzw. um die behauptete Schuld gegenüber den Eltern ihres ehemaligen Lebensgefährten zu begleichen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände liegt es vielmehr nahe, dass die Klägerin ihr Bankvermögen auch deshalb reduziert hat, um eine Anrechnung im Rahmen eines zukünftigen Antrags auf Ausbildungsförderung zu vermeiden.
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Eine sittliche Verpflichtung der Klägerin, ihrer Mutter in einem wirtschaftlichen Engpass „unter die Arme zu greifen“, kann ausbildungsförderungsrechtlich nicht berücksichtigt werden, da dies dem Grundsatz des Nachrangs der staatlichen Ausbildungsförderung (§ 1 BAföG) widerspräche (so zutreffend VG München, U.v.8.3.2012 - M 15 K 11.466 - BeckRS 2012, 50628). Im Übrigen weist der Einkommensteuerbescheid der Eltern der Klägerin für 2009 Einkünfte der Mutter aus Kapitalvermögen in Höhe von 2.064, 00 EUR aus (Bl. 13 der Behördenakte). Dies entspricht selbst bei Annahme einer nach derzeitigen Maßstäben vergleichsweise hohen Rendite von 5% einem Vermögensstamm in Höhe von über 40.000,00 EUR. Noch höhere Vermögenswerte ergeben sich bei der Annahme geringerer Renditen. Insoweit bestehen erhebliche Zweifel, dass die Mutter der Klägerin auf das übertragene Vermögen für ihren Lebensunterhalt angewiesen war, zumal die Klägerin zu etwaigem Vermögen ihrer Mutter keine Angaben gemacht hat.
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(b) Das Kriterium der Unentgeltlichkeit im förderrechtlichen Sinn ist vorliegend auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls hinreichend aussagekräftig, um rechtsmissbräuchliche Vermögensverfügungen anzunehmen. Zwar liegen zwischen der Vermögensübertragung vom 4. Januar 2011 und der ersten Antragstellung vom 10. Oktober 2011 gut neun Monate, während zur Konkretisierung des Begriffs des zeitlichen Zusammenhangs oftmals ein Zeitraum von bis zu sechs oder sieben Monaten angenommen wird (vgl. VG Würzburg, U.v. 15.06.2016 - W 3 K 15.139 - BeckRS 2016, 53704). Zwar spricht ein (enger) zeitlicher Zusammenhang zwischen Vermögensübertragung und Antragstellung wie ausgeführt gewichtig für die Annahme von Rechtsmissbrauch (BVerwG U.v. 14.3.2013 - 5 C 10/12 - juris Rn. 19). Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss aber nicht, dass ein zeitlicher Abstand von hier gut neun Monaten (zwingend) der Annahme von Rechtsmissbräuchlichkeit entgegenstehen würde (vgl. VGH München Urt. v. 23.4.2008 - 12 B 06.1397, BeckRS 2009, 32006, Rn. 32). Entscheidend ist hier aber, dass die Umstände des Einzelfalls auch unter Berücksichtigung des dargestellten zeitlichen Abstands für die Annahme von Rechtsmissbräuchlichkeit sprechen. So liegt im Ausgangspunkt mit dem zeitlichen Abstand von gut neun Monaten noch keine besonders aussagekräftige Abweichung von dem oftmals angenommenen (engen) zeitlichen Zusammenhang von sechs bis sieben Monaten vor. Dies gilt umso mehr, als die fragliche Zeitspanne lediglich die Vermögensverfügungen vom 4. Januar 2011 betreffen, während die übrigen Vermögensverfügungen vom 15. September 2011 bzw. 27. August 2012 einen besonders engen zeitlichen Zusammenhang zur Antragstellung vom 10. Oktober 2011 aufweisen bzw. sogar nach Erstantragsstellung erfolgt sind. Jedenfalls spricht hier aber für die Annahme von Rechtsmissbräuchlichkeit, dass sämtliche Vermögensverfügungen zu einem Zeitpunkt erfolgten, in dem die Klägerin längst - nämlich seit dem Wintersemester 2009/2010 - ihr Studium aufgenommen hatte. In diesem Zusammenhang ist ein Widerspruch der Vermögensverfügung gegenüber dem gesetzlichen Nachrang von Ausbildungsförderung auch dann indiziert, wenn Vermögen im Zusammenhang mit einer in naher Zukunft aufzunehmenden förderungsfähigen Ausbildung übertragen wird, mag die Aufnahme der Ausbildung auch noch nicht mit letzter Sicherheit feststehen (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 26.9.2018 - 4 LA 367/17 - NJW 2018, 3798 - Rn. 7). Dies gilt erst Recht, wenn die Aufnahme der förderungsfähigen Ausbildung nicht lediglich in naher Zukunft bevorsteht, sondern - wie hier - längst erfolgt ist. Bereits im Zeitpunkt der Vermögensübertragung am 4. Januar 2011 musste es sich der Klägerin zumindest aufdrängen, dass sie für ihr weiteres Studium auf ihre finanziellen Rücklagen angewiesen sein würde. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin sinngemäß vorgebracht hat, Auslöser der Vermögensübertragung sei gewesen, dass sich die finanzielle Situation der Eltern verschlechtert habe. Danach konnte die Klägerin bereits im Zeitpunkt der Vermögensverfügungen am 4. Januar 2011 nicht davon ausgehen, dass sie von ihren Eltern nachhaltig finanziell unterstützt werden könnte. Dies wird zudem durch das sinngemäße Vorbringen der Klägerin bestätigt, wonach sie ihr Vermögen nicht bei der Mutter „geparkt“ habe, um - ohne vorhandenes Vermögen anzutasten - in den Genuss von Ausbildungsförderung zu kommen. Vielmehr sei das Vermögen bereits innerhalb eines knappen Jahres aufgebraucht und für ihre Lebenshaltung verwendet worden, bevor sie den Antrag auf Ausbildungsförderung gestellt habe. Danach haben auch die fraglichen Vermögensverfügungen vom 4. Januar 2011 die finanzielle Situation der Eltern nicht nachhaltig verbessert. Nach alledem stellen sich auch die Vermögensübertragungen vom 4. Januar 2011 als rechtsmissbräuchlich dar. Denn die Klägerin hat ohne rechtliche Verpflichtung sowie ohne rechtlich wirksame Vereinbarung einer Gegenleistung eigenes Vermögen auf ihre Mutter übertragen, obwohl sie aus den genannten Gründen davon ausgehen musste, auf das weggegebene Vermögen zur Finanzierung ihres weiteren Studiums angewiesen zu sein.
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Auch soweit die Vermögensübertragung vom 15. September 2011 in Frage steht, ergibt sich nichts anderes. Zwar hat die Klägerin insoweit geltend gemacht, die Entscheidung zur Vermögensübertragung sei insoweit bereits zum Jahreswechsel 2009/2010 gefallen. Danach mag in diesem Zeitpunkt bereits eine entsprechende Planung erfolgt sein. Jedoch ist die förderungsrechtlich maßgebliche, tatsächliche Vermögensübertragung auch auf Grundlage des klägerischen Vortrags erst am 15. September 2011 erfolgt, also in einem besonders engen zeitlichen Zusammenhang mit der Antragstellung vom 10. Oktober 2011. Auch ist weder geltend gemacht noch ersichtlich, dass die etwaige ursprüngliche Planung angesichts des Umstands, dass die Klägerin nunmehr davon ausgehen musste, auf ihr Vermögen zur weiteren Finanzierung ihres Studiums angewiesen zu sein, nicht wieder hätte rückgängig gemacht werden können.
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(3) Nach alledem zeigt sich auch rechnerisch die Rechtswidrigkeit der jeweiligen Bewilligungsbescheide.
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(a) In diesem Zusammenhang geht das Gericht davon aus, dass am 4. Januar 2011 insgesamt 16.000,00 EUR und nicht nur 15.000,00 EUR an die Mutter der Klägerin übertragen wurden.
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Zwar trifft für den Fall der Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts grundsätzlich die Behörde die Feststellungslast bzw. materielle Beweislast hinsichtlich der Frage der Rechtswidrigkeit, so dass die Unerweislichkeit der Rechtswidrigkeit regelmäßig zu ihren Lasten geht. Hingegen trägt allein der Auszubildende die Feststellungslast bzw. materielle Beweislast, sofern er den streitgegenständlichen Bescheid arglistig erwirkt hat oder ohne hinreichende Gründe nicht zur Aufklärung von Vorgängen in seiner Sphäre beiträgt, soweit ihm dies zumutbar ist. Die Alternative der unterlassenen Aufklärung ist nur dann einschlägig, sofern der Auszubildende es unterlässt, bei der Aufklärung eines in seinen Verantwortungsbereich fallenden tatsächlichen Umstands mitzuwirken, obwohl dies für ihn möglich und zumutbar ist (vgl. so zum Ganzen BayVGH B.v. 9.5.2017 - 12 C 17.678 - BeckRS 2017, 114439 Rn. 58).
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Nach diesen Maßstäben ist hier davon auszugehen, dass die Klägerin am 4. Januar 2011 insgesamt 16.000,00 EUR auf das Konto ihrer Mutter überwiesen hat. Insoweit erscheint bereits das Vorbringen der Klägerin widersprüchlich. So hat die Klägerin - anwaltlich vertreten - im Verwaltungsverfahren zunächst ausdrücklich sinngemäß vortragen lassen, sie habe am 4. Januar 2011 insgesamt 16.000,00 EUR auf ihre Mutter übertragen, um sodann im Widerspruchs- und Klageverfahren geltend zu machen, ihre Mutter habe 15.000,00 EUR erhalten, während sie sich weitere 1.000,00 EUR selbst überwiesen habe. Jedenfalls aber ist die Klägerin insoweit der ihr obliegenden Feststellungslast bzw. materielle Beweislast nicht ausreichend nachgekommen. Denn zum einen handelt es sich bei den fraglichen Überweisungsbeträgen um einen Umstand in ihrer Sphäre bzw. in ihrem Verantwortungsbereich. Zum anderen wäre es der Klägerin leicht möglich und ohne weiteres zumutbar gewesen, die Frage durch Vorlage des einschlägigen Kontoauszugs oder durch Vorlage einer entsprechenden Bankbestätigung aufzuklären. Entsprechendes ist jedoch nicht geschehen.
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(b) Soweit die Klägerseite betreffend der Vermögensübertragung am 15. September 2011 der Auffassung ist, dass vom Betrag in Höhe von 5.287,43 EUR wirtschaftlich betrachtet 2.385,00 EUR abzuziehen seien, da diese zunächst zum Auffüllen des Bausparvertrags eingesetzt werden hätten müssen, ist darauf hinzuweisen, dass auch bei Abzug dieses Betrags das anzurechnende Vermögen den Gesamtbedarf der Klägerin übersteigt, sodass sich selbst bei Berücksichtigung dieses Umstands keine BAföG-Leistungen für sie errechneten.
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c) Die Klägerin kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Zwar mag sie auf die Bewilligung der Ausbildungsförderung vertraut haben. Jedoch war dieses Vertrauen nicht schutzwürdig, da die Bewilligung von Ausbildungsförderung auf Angaben der Klägerin beruhte, die in wesentlichen Fragen zumindest grob fahrlässig unrichtig bzw. unvollständig waren. Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, weil er schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (BVerwG, U.v.14.3 2013 - 5 C 10/12 - NVwZ-RR 2013, 689 Rn. 24). Hier stellt sich der Sachverhalt so dar, dass die Klägerin ohne rechtliche Verpflichtung und ohne rechtlich bindende Vereinbarung einer Gegenleistung während ihrer laufenden Ausbildung Vermögen an ihre Mutter übertragen hat, obwohl es sich ihr hätte aufdrängen müssen, dass sie auf das weggegebene Vermögen zur weiteren Finanzierung ihres Studiums angewiesen sein würde. Entsprechend musste es sich der Klägerin im Zeitpunkt der jeweiligen Antragstellung mindestens aufdrängen, dass auch das der Mutter übertragene Vermögen bei Antragstellung anzugeben war. Jedenfalls musste es sich der Klägerin aber ohne weiteres aufdrängen, dass das übertragene Vermögen auch angesichts des erheblichen Werts für die Frage der Bewilligung von Ausbildungsförderung eine maßgebliche Rolle spielen könnte. Entsprechend liegt grobe Fahrlässigkeit zumindest darin, dass die Klägerin das übertragene Vermögen weder im Vorfeld der Antragstellung - etwa durch die Frage, ob das übertragene Vermögen anzugeben sei - noch im Rahmen der Antragstellung thematisiert hat. Zudem war auf den von ihr unterschriebenen Antragsformularen jeweils in Fettdruck darauf hingewiesen, dass Vermögensübertragungen ohne Gegenleistung in zeitlichem Zusammenhang mit der Aufnahme der förderungsfähigen Ausbildung bzw. der Stellung des Antrags auf Ausbildungsförderung oder während der förderungsfähigen Ausbildung als rechtsmissbräuchliche Vermögensübertragung gelten können.
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d) Auch die Jahresfrist nach § 45 Abs. 4 SGB X ist eingehalten, so dass die Rückforderung aufgrund fehlerhafter Angaben im Sinne von § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X auch mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgen konnte.
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e) Schließlich sind auch die Ermessenserwägungen des Beklagten nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO), den Bewilligungsbescheid auch mit Wirkung für die Vergangenheit der Sache nach zurückzunehmen, indem die Ausbildungsförderung auf Null festgesetzt wurde. Zwar besteht insoweit auch mangels einer § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG vergleichbaren Vorschrift kein intendiertes Ermessen hinsichtlich der Rücknahme (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2013 - 5 C 10/12 - NStZ-RR 2013, 689 Rn. 30 ff.). Jedoch war sich der Beklagte hier zum einen des ihm eingeräumten Ermessens bewusst. Zum anderen hat er das Interesse der Klägerin am Bestand des Bewilligungsbescheids mit dem staatlichen Rücknahmeinteresse unter den Gesichtspunkten der Gleichbehandlung und fehlendem Verwaltungsverschulden ohne Ermessensfehler abgewogen. Bei der Rückforderung nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X handelt es sich schließlich um eine gebundene Entscheidung.
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f) Die angegriffene Neufestsetzung von Ausbildungsförderung mit streitgegenständlichem Bescheid vom 23. September 2016 betreffend die Bewilligungszeiträume Oktober 2011 bis September 2012, Oktober 2012 bis September 2013 und Oktober 2013 bis September 2014 auf monatlich jeweils 0,00 EUR erweist sich nach alledem als rechtmäßig. Gleiches gilt für den festgesetzten Rückforderungsbetrag. Auch insoweit sind Berechnungsfehler weder vorgetragen noch ersichtlich.
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g) Schließlich kann vorliegend auch nicht von Verwirkung ausgegangen werden. Denn eine solche erfordert das Vorliegen eines Zeit- und eines Umstandsmoments. Bezüglich des Zeitmoments ist erforderlich, dass ein erheblicher Zeitablauf eingetreten ist. Das Umstandsmoment ist insbesondere dann erfüllt, wenn der Auszubildende durch ein bestimmtes, in der Regel aktives Verhalten der Behörde darauf vertrauen durfte, die Leistungen behalten zu dürfen und sich infolge seines Vertrauens so eingerichtet hat, dass eine Rückforderung unzumutbar wäre. Allein das Schweigen bzw. eine Untätigkeit der Behörde führt grundsätzlich nicht zur Verwirkung (vgl. hierzu im Ganzen Steinweg in Ramsauer/Stallbaum/Steinweg, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 20 Rn. 17 f.; VG Augsburg, B.v. 5.2.2015 - Au 3 K 14.933 - juris Rn. 50). Unter Berücksichtigung dieser Umstände scheidet vorliegend eine Verwirkung aus. Der Beklagte hat vorliegend zwar erst im Jahr 2021 den Widerspruchsbescheid erlassen, ist mithin also fast fünf Jahre untätig geblieben. Dagegen hat er keinen Vertrauenstatbestand gesetzt, insbesondere nicht durch aktives Verhalten. Es sind (außer dem bloßen Zeitablauf bzw. dem Zeitmoment) keine Umstände vorgetragen oder ersichtlich, aus denen die Klägerin hätte schließen können, dass der Beklagte auf eine Rückforderung bzw. auf die Verbescheidung ihres Widerspruchs verzichten würde.
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Nach alledem war die Klage abzuweisen.
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.