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ArbG München, Endurteil v. 28.07.2021 – 36 Ca 9963/20
Titel:

Gleicher Lohn für "Minijobber" bei gleicher Tätigkeit

Normenkette:
TzBfG § 4 Abs. 1 S. 1, S. 2
Leitsatz:
§ 4 Abs. 1 TzBfG untersagt ausschließlich eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung, wenn sie auf die Teilzeittätigkeit ansich zurückzuführen ist, wenn also die Dauer der Arbeitszeit Anknüpfungspunkt für die Ungleichbehandlung ist. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rettungsassistent, Differenzlohnansprüche, Stundenlohn, Vollzeitbeschäftigte, Teilzeitbeschäftigte
Rechtsmittelinstanzen:
LArbG München, Urteil vom 19.01.2022 – 10 Sa 582/21
BAG Erfurt, Urteil vom 18.01.2023 – 5 AZR 108/22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 48946

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf € 3.285,88.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Differenzlohnansprüche, die der Kläger wegen einer Benachteiligung aufgrund seiner Teilzeitbeschäftigung beansprucht.
2
Der Kläger ist seit dem 01.04.2015 bei der Beklagten als Rettungsassistent auf der Grundlage eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses tätig.
3
Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, das im Auftrag des Rettungszweckverbandes Notfallrettung betreibt sowie Krankentransporte durchführt und sonstige sanitätsdienstliche Leistungen erbringt.
4
Die Beklagte zahlt an den Kläger einen Stundenlohn von 12,00 € brutto. § 3 des Arbeitsvertrages enthält folgende Regelung:
„ § 3 Arbeitszeit, Arbeitsort
Von beiden Vertragsparteien ist ein möglichst regelmäßiger Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers gewünscht.
Die durchschnittliche Arbeitszeit beträgt 16 Stunden pro Monat. darüber hinaus kann der Arbeitnehmer im gesetzlichen Rahmen der geringfügigen Beschäftigung weitere Stunden ableisten. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich aktiv um Schichten zu kümmern.
5
Die Beklagte teilt den Kläger nicht zu Diensten ein, der Kläger erhält vielmehr einerseits ua. über WhatsApp Anfragen bezüglich zu besetzender Dienste, die nicht angenommen werden müssen und kann andererseits Wunschtermine für Einsätze selbst benennen.
6
Im Betrieb werden zudem Rettungsassistenten in Vollzeit beschäftigt, deren Stundenlohn bei mehr als 17,00 € brutto liegt. Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 15.05.2020 unter Berufung auf das TzBfG auf, rückwirkend zum 01.01.2020 den Bruttostundenlohn auf 17,00 € zu erhöhen, was von der Beklagten mit Schreiben vom 29.05.2020 zurückgewiesen wurde.
7
Der Kläger ist der Auffassung, dass er bei gleicher Arbeit aufgrund seiner geringfügigen Beschäftigung nicht so wie ein Vollzeitbeschäftigter behandelt und vergütet werde, was gegen § 4 TzBfG verstoße. Soweit die Beklagte behaupte, dass die geringfügig Beschäftigten eine freie Wahl hinsichtlich der zu leistenden Dienste hätten, sei dies für eine Ungleichbehandlung irrelevant und im Übrigen könnten auch die geringfügig Beschäftigten die Schichten nicht kurzfristig tauschen.
8
Der Kläger beantragt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, 1.732,32 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.09.2020 zu zahlen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, 238,73 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.01.2021 zu zahlen.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, 489,83 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 10.03.2021 zu zahlen.
4.
Die Beklagte wird verurteilt, 825,00 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit R20.06.2021 zu zahlen.
9
Der Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
10
Der Beklagte trägt vor, dass bei ihr verschiedene Arbeitnehmergruppen mit verschiedenen Gehaltsstrukturen bestünden. Vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer würden nach einem Schichtsystem eingeteilt und könnten nur in Ausnahmefällen ihre Dienste tauschen. Der Kläger gehöre hingegen zur zweiten Gruppe der Mitarbeiter, die die Möglichkeit hätten, ihre Dienste nach der Art der Einsätze und ihrer zeitlichen Lage frei zu wählen. Diese Mitarbeiter würden nicht eingeteilt und erhielten lediglich Anfragen, über deren Annahme sie frei entscheiden könnten. Ausgleich für diesen flexiblen Arbeitsmodus sei der geringere Stundenlohn. Die unterschiedliche Vergütung resultiere aus den unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen, weshalb die Gruppen nicht vergleichbar seien.
11
In der mündlichen Verhandlung am 02.07.2021 ergänzte die Beklagte ihr Vorbringen dahin, dass unterschieden werde zwischen hauptamtlichen Mitarbeitern mit Vollzeit- und Teilzeitverträgen, deren Dienste und Schichten durch die Beklagte eingeteilt und geplant würden sowie nebenamtlichen Mitarbeitern - in der Regel geringfügige Beschäftigte - die sich ihre Dienste entsprechend ihrer persönlichen Bedürfnisse und Dispositionen selbst aussuchen würden. Hinzukämen noch die sogenannten Springer, die den hauptamtlichen Mitarbeitern zuzuordnen seien. Die Beklagte wiederholte ihr bereits in der Güteverhandlung dem Kläger unterbreitetes Angebot, dem Kläger unter Beibehaltung des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses einen Stundenlohn von 17,00 € brutto zu bezahlen, wenn die Beklagte im Gegenzug künftig seine Einsätze einteile.
12
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens und der Rechtsausführungen wird auf die Schriftsätze des Klägers und des Beklagten jeweils nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen, §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 495, 313 Abs. 2 ZPO.

Entscheidungsgründe

13
Die zum zuständigen Arbeitsgericht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger wird nicht im Sinne des § 4 Abs. 1 TzBfG aufgrund seiner Teilzeitbeschäftigung schlechter behandelt bzw. schlechter bezahlt.
I.
14
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG dürfen Teilzeitbeschäftigte wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Aus dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und 2 des § 4 Abs. 1 TzBfG und der Gesetzesbegründung folgt, dass § 4 Abs. 1 TzBfG ein einheitliches Verbot der sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung wegen der Teilzeitarbeit enthält. Dem steht der Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG nicht entgegen. Daraus, dass dort nicht ausdrücklich eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung bei der Gewährung von Arbeitsentgelt oder anderen teilbaren geldwerten Leistungen zugelassen ist, kann nicht gefolgert werden, § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG verbiete ausnahmslos eine Ungleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten beim Arbeitsentgelt, vgl. BAG, Urteil vom 05. November 2003 - 5 AZR 8/03 mwNachw.
15
§ 4 Abs. 1 TzBfG untersagt ausschließlich eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung, wenn sie auf die Teilzeittätigkeit ansich zurückzuführen ist, wenn also die Dauer der Arbeitszeit Anknüpfungspunkt für die Ungleichbehandlung ist, vgl Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl., § 4 TzBfG, Rz.34.
16
Hieran fehlt es bereits im zu entscheidenden Rechtsstreit nach Auffassung des Gerichts. Die Beklagte differenziert in Bezug auf den Stundenlohn nicht nach vollzeitbeschäftigten und teilzeitbeschäftigten Mitarbeitern, sondern nach Mitarbeitern, deren Arbeitseinätze und Schichten sie selbst plant und vorbestimmt und solchen, die ihre Einsätze selbst wählen und planen können und damit in ihrer Arbeitszeitgestaltung frei und flexibel sind. Unbestritten beschäftigt sie Mitarbeiter in Teilzeit mit derselben Stundenlohnvergütung von 17,00 € brutto wie Vollzeitarbeitnehmer, sie hat dies auch dem geringfügig beschäftigten Kläger wiederholt angeboten, knüpft diesen Stundenlohn jedoch an die Art und Weise der Arbeitszuteilung und die eigene Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechtes an.
II.
17
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 91 ZPO.
18
2. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO.
19
3. Gegen diese Entscheidung kann der Kläger Berufung einlegen. Auf anliegende Rechtsmittelbelehrungwird verwiesen.