Inhalt

VG München, Gerichtsbescheid v. 21.01.2021 – M 12 K 20.2447
Titel:

Bestandskraft eines Zweitbescheides

Normenketten:
BayVwVfG Art. 51
BayWoFG Art. 5 ff.
DVWoR § 2a
Leitsatz:
Ein sachlich selbstständiger Zweitbescheid in der gleichen Sache muss innerhalb der prozessualen Vorgaben beklagt werden, wenn keine Bestandskraft eintreten soll. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vormerkung, Hinterlegung, Zweitbescheid, wiederholende Verfügung, Einkommensgrenze, Wohnungsförderung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 4889

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen. 
II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.     
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Vormerkung bzw. Registrierung für eine öffentlich geförderte Wohnung durch die Beklagte.
2
Eine solche beantragte der Kläger mit Antrag vom 11. Dezember 2019, bei der Beklagten am 12. Dezember 20219 eingegangen, für seinen aus ihm und seiner Lebensgefährtin bestehenden Haushalt.
3
Mit Bescheid vom 27. Mai 2020 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die maßgebliche Einkommensgrenze für Wohnungen des III. Förderwegs betrage im Fall des Haushalts des Klägers 22.000 EUR. Das bereinigte Einkommen des Haushalts belaufe sich auf 42.047 EUR. Es seien somit die Voraussetzungen des Art. 4 BayWoFG nicht erfüllt und der Antrag daher abzulehnen.
4
Hiergegen hat sich der Kläger mit am 5. Juni 2020 bei Gericht eingegangenem und als Einspruch bezeichnetem Schriftsatz an das Bayerische Verwaltungsgericht München gewandt, ohne einen bestimmten Antrag zu stellen.
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Er führt aus, es sei ihm unverständlich, wieso sein Antrag abgelehnt wurde. Er befinde sich derzeit in Kurzarbeit und verdiene unter 1000 EUR im Hauptjob sowie 200 EUR im Nebenjob. Seine Lebensgefährtin verdiene ungefähr das gleiche, zusätzlich habe sie 60 EUR Nettoeinkommen aus einer Gewerbetätigkeit. Diese werde sie zum 1. Juli 2020 abmelden.
6
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 9. Juli 2020,
7
die Klage abzuweisen.
8
Sie führt aus, die Einkommensgrenze sei nicht eingehalten. Wenn der Haushalt des Klägers dauerhaft über weniger Einkommen verfüge, werde empfohlen, unter Vorlage entsprechender Nachweise einen neuen Antrag zu stellen.
9
Mit gerichtlichem Schreiben vom 7. August 2020, dem Kläger am 8. August 2020 zugestellt, wurden die Beteiligten zum Erlass eines Gerichtsbescheids angehört. Die Beklagte erklärte am 10. August 2020 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Der Kläger äußerte sich hierzu nicht.
10
Am 21. August 2020 legte der Kläger ohne Anmerkung die gerichtlich angeforderten aktuellen Einkommensnachweise vor, einschließlich einer Gewinn- und Verlustrechnung für den Gewerbebetrieb der Lebensgefährtin für die Periode 1-9/2019. Nachweise über eine Gewerbeabmeldung wurden nicht vorgelegt.
11
Die Beklagte legte dies als neuerlichen Antrag aus. Mit Bescheid vom 9. September 2020, am gleichen Tag zur Post gegeben, lehnte sie auch diesen Antrag ab. Das Einkommen des Haushalts überschreite weiterhin die maßgebliche Einkommensgrenze.
12
Dies teilte die Beklagte mit Schriftsatz vom 14. September 2020 dem Gericht mit. Für den Fall, dass der neue Bescheid in das Verfahren einbezogen werde, werde weiterhin Klageabweisung beantragt.
13
Der Kläger wurde mit gerichtlichem Schreiben vom 18. September 2020 dazu aufgefordert, mitzuteilen, ob er den Bescheid vom 9. September 2020 in das Klageverfahren einbeziehen wolle. Er wurde darauf hingewiesen, dass eine Einbeziehung nur innerhalb der offenen Klagefrist gegen den neuen Bescheid möglich ist. Hierauf erfolgte keine Reaktion.
14
Mit Beschluss vom 12. Januar 2020 wurde der Rechtstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Die Beteiligten wurden hierzu mit Schreiben vom 9. Juni 2020 angehört.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
16
Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden hierzu angehört.
II.
17
Der Einzelrichter legt den am 5. Juni 2020 eingegangenen Schriftsatz trotz der Bezeichnung als Einspruch als Klageschrift aus, da gegen den Ablehnungsbescheid vom 27. Mai 2020 nach § 68 Abs. 1 Satz 2 HS 1 VwGO i.V.m. Art. 15 Abs. 2 AGVwGO ein Widerspruch nicht statthaft ist und der Schriftsatz an das Gericht gerichtet wurde.
18
Diese ohne einen bestimmten Antrag erhobene Klage legt der Einzelrichter anhand des erkennbaren Rechtsschutzinteresses (§ 88 VwGO) dahin aus, dass der Kläger die Vormerkung für eine öffentlich geförderte Wohnung unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 27. Mai 2020 begehrt (sog. Versagungsgegenklage).
III.
19
Die so verstandene Klage ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung unzulässig.
20
Streitgegenstand des Klageverfahrens ist der behauptete Anspruch des Klägers auf Vormerkung für eine öffentlich geförderte Wohnung und die hieraus resultierende Verpflichtung der Beklagten zum Erlass eines Vormerkungsbescheids.
21
Diesem Verpflichtungsbegehren des Klägers steht die Bestandskraft des Bescheids vom 9. September 2020 entgegen, mit dem sein behaupteter Vormerkungsanspruch erneut abgelehnt wurde und der damit in gleicher Sache ergangen ist.
22
Die Beklagte hat die Vorlage der Einkommensnachweise des Klägers und dessen Lebensgefährtin zum Anlass genommen, den behaupteten Anspruch des Klägers erneut zu prüfen (vgl. Art. 51 BayVwVfG). Sie ist zu dem Ergebnis gekommen, dass auch nach den nunmehr vorgelegten Unterlagen kein Anspruch auf Vormerkung für eine öffentlich geförderte Wohnung besteht, da die Einkommensgrenzen nicht eingehalten sind. Sie hat mit Bescheid vom 9. September 2020 nach erneuter Prüfung den Antrag des Klägers wiederum in der Sache abgelehnt. Es handelt sich daher nicht um eine unbeachtliche wiederholende Verfügung, sondern um einen sachlich selbstständigen Zweitbescheid in der gleichen Sache, der seinerseits innerhalb der prozessualen Vorgaben beklagt werden kann und - wenn keine Bestandskraft eintreten soll -muss.
23
Dieser Bescheid, der ausweislich der Behördenakte am gleichen Tag zu Post gegeben wurde, gilt dem Kläger nach Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post, hier also am 12. September 2020, als bekanntgegeben.
24
Der Kläger hat diesen Bescheid, obwohl der Bescheid mit einer zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung:versehen war und der Kläger auch mit gerichtlichem Schreiben vom 18. September 2020 hierauf hingewiesen wurde, den neuerlichen Bescheid nicht in das Klageverfahren einbezogen oder erneut Klage erhoben. Der Zweitbescheid ist daher mit Ablauf des 12. Oktober 2020 bestandskräftig geworden, § 74 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 222 ff. ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB.
IV.
25
Ohne dass es darauf noch ankommt, weist der Einzelrichter darauf hin, dass nach den vorgelegten Unterlagen die Einkommensobergrenze der Einkommensstufe III (§ 2a der Durchführungsverordnung zum Wohnungsrecht) nicht eingehalten worden ist. Betreffend den Gewerbebetrieb der Lebensgefährtin wurden weder aktuellere Zahlen als die von 2019, geschweige denn ein Nachweis über die Aufgabe des Betriebs (Gewerbeabmeldung o.ä.), vorgelegt. Sofern dieser tatsächlich abgemeldet wurde oder nunmehr erheblich geringere Gewinne abwirft, erscheint es angezeigt, mit entsprechenden Nachweisen einen erneuten Antrag bei der Beklagten zu stellen.
V.
26
Nach alledem war die Klage abzuweisen. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 84 Abs. 1 Satz 3, § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 188 Satz 2 VwGO. Die Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 84 Abs. 1 Satz 3, § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.