Inhalt

SG München, Gerichtsbescheid v. 08.03.2021 – S 15 KR 73/20
Titel:

Kein Freistellungsanspruch gegen die Krankenkasse bei nicht genehmigtem Krankentransport

Normenketten:
BGB § 611
SGB V § 13, § 60
Leitsätze:
1. Zum öffentlich-rechtlich überprägten Dreiecksverhältnis Transportunternehmen - Kassenpatient - gesetzliche Krankenversicherung. (Rn. 23 – 25)
2. Zum Freistellungsanspruch eines Versicherten gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung im Falle einer fehlenden Genehmigung des Krankentransports. (Rn. 27 – 29)
3. Eine vertragsärztliche Verordnung ist zwingende Voraussetzung für einen Anspruch auf Kostenübernahme für Krankentransportleistungen. (Rn. 38 – 39)
Die Genehmigung der Krankentransportleistung muss vor der Fahrt erfolgen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Krankentransport, Genehmigung, Sachleistung, Freistellungsanspruch
Fundstelle:
BeckRS 2021, 4888

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

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Streitig sind Fahrtkosten in Höhe von 585,60 € (Rechnung vom 11.04.2019: Zeitraum 01.02.2019 bis 27.02.2019), 322,08 € (Rechnung vom 21.06.2019: Zeitraum 01.03.2019 bis 13.03.2019) sowie 697,84 € (Rechnung vom 11.07.2019: Zeitraum 01.01.2019 bis 31.01.2019).
2
Der im Jahre 1940 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert und dialysepflichtig. Mit Wirkung ab dem 01.07.2018 wurde Transportunternehmer D., der den Kläger bislang transportierte, vom C. (C.) rechtsgeschäftlich übernommen. Mit Verordnung vom 08.03.2019, die am 14.03.2019 bei der Beklagten einging, wurde dem Kläger eine Krankenbeförderung für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 31.12.2019 gemäß Anlage 2 der Krankentransport-Richtlinien verordnet.
3
Mit Bescheid vom 25.03.2019 wurde sodann wegen fehlender Genehmigung eine Kostenübernahme für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 13.03.2019 verweigert. Daraufhin reichte der Kläger eine weitere Verordnung vom 28.06.2019 gleichen Inhalts ein. Auf Nachfrage führte die Beklagte sodann am 10.07.2019 aus, dass die vorherige Verordnung der Krankenbeförderung vom 13.12.2017 bis zum 31.12.2018 begrenzt gewesen sei. Aus diesem Grunde seien die Genehmigungen vom 27.02.2018 bzw. vom 11.06.2018 bis zum 31.12.2018 begrenzt gewesen. Auf beiden Schreiben sei der Hinweis enthalten gewesen, dass für weitere Fahrten außerhalb dieses Zeitraums eine neue Verordnung vor Beginn der Fahrten zur Genehmigung einzureichen sei. Die neue Verordnung sei erst am 08.03.2019 ausgestellt worden und sei am 14.03.2019 eingegangen. Eine rückwirkende Genehmigung sei deshalb nicht möglich.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2019 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Beim Krankentransport würde es sich um einen Naturalleistungsanspruch handeln, den die Krankenkasse als Sach- oder Dienstleistung erbringen müsse. Der Leistungserbringer habe für die erbrachten Leistungen deshalb alleine gegenüber der Krankenkasse einen Vergütungsanspruch. Eine Vergütungsverpflichtung des Versicherten gegenüber dem Transportunternehmen bestehe daher nur, wenn er eine eigene schuldrechtliche Verpflichtung eingegangen sei.
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Hiergegen richtet sich die Klage zum Sozialgericht München vom 17.01.2020. Grundsätzlich bestehe eine Pflicht zur Vorabgenehmigung ambulanter Fahrten. In der Vergangenheit habe sich die Beklagte jedoch dazu entschieden, bei Serienbehandlungen auf die Vorabgenehmigung zu verzichten. Dieses interne Verfahren sei seitens der Beklagten im Jahr 2018 dahingehend geändert worden, dass ab diesem Zeitpunkt doch eine Vorabgenehmigungspflicht eingeführt worden sei. Ein Schreiben vom 11.06.2018, mit dem die Beklagte auf die Pflicht zur Vorabgenehmigung hingewiesen habe, habe der Kläger nie erhalten. Er sei deshalb weiter davon ausgegangen, dass wie bisher keine Vorabgenehmigung notwendig sei. Die Beklagte hätte sicherstellen müssen, dass der Kläger über die Umstellung des Genehmigungsverfahrens ausreichend informiert wird.
6
Der Kläger beantragt sachdienlich gefasst:
1. Der Bescheid vom 25.03.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.12.2019 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Forderung der Beigeladenen bzgl. der Kosten für die Krankenbeförderung zur Dialyse-Behandlung für den Zeitraum vom 01.01.2019 bis zum 13.03.2019 in Höhe von 1.605,52 € freizustellen.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Sie entgegnet, dass der Bewilligung des Versicherten für den Transport eine Bewilligung an den Transportdienst beiliegen würde. Diese sei seitens des Versicherten an den Transportdienst auszuhändigen, damit dieser mit der Beklagten abrechnen könne. Da für die genehmigten Zeiträume eine Abrechnung mit der Beklagten erfolgt sei, müsse das Bewilligungsschreiben auch vorgelegen haben. Der Kläger sei damit informiert gewesen.
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Vorgelegt wird das Bewilligungsschreiben vom 27.02.2018 und vom 11.06.2018.
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Im letzteren Schreiben führt die Beklagte aus: „Bitte reichen Sie für jede weitere Fahrt/jeden weiteren Transport außerhalb des genannten Genehmigungszeitraums oder zu einem anderen als dem genannten Behandler eine neue Verordnung fristgerecht vor der Fahrt zur Genehmigung ein.“! Der Kläger ließ erwidern, dass er im Ergebnis wenig in die Verfahrensabläufe eingebunden gewesen sei und nicht in der Lage gewesen war, die notwendigen Verfahrensschritte zu kontrollieren bzw. einzuleiten.
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Nach richterlichem Hinweis vom 13.07.2020 teilte der Kläger mit, dass er eine ausdrückliche Genehmigung elf Jahre lang nicht habe beantragen müssen und er das Schreiben der Beklagten vom 11.06.2018 nicht erhalten habe. Die Dialysepraxis habe die Verordnungen den Patienten ausgehändigt, diese wiederum hätten sie dann ihren Fahrern übergeben, die sie den Abrechnungsstellen weitergegeben hätten. Die Krankenkassen hätten sodann die Genehmigungen gegenüber den Patienten erteilt, die wiederum die Genehmigungen über die Fahrer an die Abrechnungsstellen weitergeleitet hätten. Er habe elf Jahre lang keinen einzigen Antrag bei der Beklagten stellen müssen. Die Beklagte habe ihn weder im vierten Quartal 2018 noch im Januar 2019 angeschrieben, dass keine Transportgenehmigung vorliegen würde. Er sei nach wie vor dialysepflichtig, dies werde sich nicht ändern und dies sei auch der Beklagten bekannt.
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Die Beigeladene berichtete am 10.09.2020, dass beim Transportunternehmen D. eine Dauergenehmigung für die regelmäßigen Transporte des Klägers vorgelegen hätte. Die Beigeladene habe das Transportunternehmen D. mit Wirkung zum 01.07.2018 rechtsgeschäftlich übernommen und sei damit in den Transportauftrag mit dem Kläger eingetreten. Seitens des Klägers habe kein Wechsel vorgelegen. Die Beigeladene sei von der Beklagten nicht darüber informiert worden, dass sie ihre Genehmigungspraxis zum Jahreswechsel 2018/2019 ändern wolle. Im Februar 2019 seien die Rechnungen von der Beklagten zurückgewiesen worden wegen fehlender Genehmigung. Der Kläger habe die Auffassung vertreten, die Beigeladene müsse die Genehmigung einholen; die Beklagte habe die Auffassung vertreten, der Kläger sei für die Beantragung zuständig.
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Die Beklagte habe die Beigeladene nicht über ein Auslaufen der erteilten Dauergenehmigungen und über die Änderung der Praxis, bei Dialyse-Dauerfahrten keine Vorabgenehmigung zu verlangen, informiert. Die Beigeladene habe weder Anlass noch Möglichkeit gehabt, eine Änderung der regelmäßigen Praxis der Beklagten oder ein Auslaufen der Genehmigung zu prüfen. Daher würde die Verweigerung der Zahlung der Rechnungen ein treuwidriges Verhalten („venire contra factum proprium“) darstellen. Mit dem Kläger sei ein konkludenter Transportvertrag geschlossen worden. Der Anspruch des Klägers ergebe sich bereits aus § 60 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).
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Die Beklagte bat die Beigeladene danach mit Schreiben vom 01.10.2020 um Vorlage der Dauergenehmigung für den Kläger. Die Beigeladene legte sodann Dauergenehmigungen gegenüber dem Kläger für die Jahre 2017 und 2018 vor, die jeweils am 23.02.2017 und 27.02.2018 rückwirkend genehmigt wurden. Der Kläger habe keine Veranlassung gehabt daran zu zweifeln, dass dieses Verfahren (rückwirkende Genehmigung zum Jahresanfang) auch im Jahre 2019 erfolgen werde.
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Die Beklagte verweist darauf, dass in der Genehmigung vom 27.02.2018 (im Gegensatz zur Genehmigung vom 23.02.2017) als Satz 2 explizit geregelt werde, dass für jeden weiteren Transport außerhalb des genannten Zeitraums vor der Fahrt eine neue Verordnung zur Genehmigung einzureichen sei.
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Die Verordnung sei bereits verspätet erst am 08.03.2019 erfolgt und sei rückwirkend zum 01.01.2019 vom behandelnden Arzt ausgestellt worden. Die Fahrten seien bereits ab dem 01.01.2019 durchgeführt worden. Es seien weder Gründe ersichtlich noch vorgetragen worden, die es dem Kläger unmöglich machen würden, im Zeitraum vom 01.01.2019 bis 13.03.2019 bei der Beklagten bzgl. der Kostenübernahme für die beabsichtigten Krankenfahrten anzufragen. Auch habe der Kläger den Beschaffungsweg nicht eingehalten, da die ablehnende Entscheidung der Beklagten (25.03.2019) nach der Selbstbeschaffung der Fahrten in der Zeit vom 01.01.2019 bis 13.03.2019 erfolgt sei. Die Beklagte sehe auch keine Beratungspflichtverletzung, da weder ein Anhaltspunkt für eine Anlassberatung noch für eine Spontanberatung bestanden habe. Die Beklagte habe bis zum 14.03.2019 nicht gewusst, dass der Kläger Krankenfahrten in Anspruch genommen habe und habe im Übrigen schriftlich am 27.02.2018 auf die Vorabgenehmigungspflicht hingewiesen.
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Der Kläger ließ erwidern, dass der Beklagten die Hauptleistung (Dialyse-Behandlung im streitgegenständlichen Zeitraum) bekannt gewesen sei. Die Beklagte habe die Genehmigung fast 15 Jahre vom Kläger nicht angefordert. Alle Beteiligten seien mit dem Prozedere des Jahres 2019 zuvor über viele Jahre einverstanden gewesen. Der Kläger würde sich im vorgerückten Alter befinden und habe administrative Tätigkeiten nicht mehr selbst durchführen können. Er habe Dritte oder seine Töchter in Anspruch nehmen müssen. Die Beklagte habe einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der nicht unberücksichtigt bleiben dürfe. Es hätte sich eine Beratungsnotwendigkeit aufgedrängt. Der Kläger habe keinen Hinweis oder keine Aufforderung erhalten, dass etwas nicht stimmen würde. Es sei unverständlich, weshalb die Beklagte nicht zeitnah bei der Beigeladenen nachgefragt habe, wo die Genehmigung bleibe.
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Nach weiterem richterlichen Hinweis vom 08.02.2021 legte der Kläger die Rechnung der Beigeladenen vom 11.07.2019 über 697,84 € bzgl. der Transportfahrten im Zeitraum vom 02.01.2019 bis 30.01.2019 und die Bestätigung der Fahrten seitens der Beigeladenen (undatiert) bzgl. der oben genannten Fahrten vor. Der Kläger habe bisher die streitgegenständlichen Rechnungen der Beigeladenen nicht bezahlt. Auch würden die für eine Genehmigungsfiktion erforderlichen Voraussetzungen (Merkzeichen aG/ BL/ H sowie Feststellung der Pflegegrade 3, 4 oder 5 bzw. Pflegestufe) nicht vorliegen.
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Die Beigeladene legte schließlich mit Schreiben vom 15.02.2021 die Dokumente vor, mit denen der Kläger die im streitgegenständlichen Zeitraum von der Beigeladenen vorgenommenen Transportfahrten bestätigte.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte des hiesigen Verfahrens Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21
Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist möglich, da die Sache keinerlei Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden angehört.
22
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden und beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Freistellung für die Transportkosten in Höhe von 1.605,52 € gegenüber der Beklagten.
23
Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger mit der Beigeladenen einen konkludenten zivilrechtlichen Dienstleistungsvertrag (Transportvertrag) nach § 611 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abgeschlossen hat. Mit der Entgegennahme der Leistung und der Abzeichnung der Leistung hat er hingegen nicht die Verpflichtung übernommen, für die entstandenen Transportkosten aufzukommen. Ein solcher Anspruch der Beigeladenen gegenüber dem Kläger kann weder aus dem Transportvertrag noch durch eine Geschäftsführung ohne Auftrag abgeleitet werden. Denn soweit dem Versicherten gegenüber dem Leistungserbringer eine vertragliche Rechtsstellung für seinen Transport verschafft wird, soll eine Kostenbelastung für ihn gleichwohl nicht damit verbunden sein (vgl. BGHZ 89, 250, 257 ff). Das Krankentransportunternehmen ist mithin auf die Vergütungsansprüche gegen die Krankenkassen beschränkt, eine Vergütungspflicht des Versicherten besteht dagegen nur in Höhe der Zuzahlung (so auch Waßer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 60 SGB V (Stand: 15.06.2020), Rn. 156). Diese Erwägungen stehen nicht nur einer vertraglichen Vergütungspflicht des Versicherten entgegen, sondern schließen auch seine Inanspruchnahme über die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag oder des Bereicherungsrechts aus (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1998 - III ZR 223/97 -, Rn. 20, juris). Denn das Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beigeladenen ist nach der zutreffenden Auffassung des Bundesgerichtshofs öffentlich-rechtlich überprägt.
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Zudem ist der Anspruch des Klägers auf Transport akzessorisch im Hinblick auf seinen Behandlungsanspruch. Nur soweit der Kläger einen Anspruch auf Behandlung hat, hat er nach den Regelungen von § 60 SGB V einen Anspruch auf Kostentragung seitens der Beklagten. Hierbei ist der Anspruch aus § 60 SGB V kein Anspruch auf Kostenerstattung, sondern auf Sachleistung (Waßer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 60 SGB V (Stand: 15.06.2020), Rn. 149 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
25
Dies hat unmittelbare Konsequenzen für die vorliegende Fallgestaltung: Ist das Sachleistungsprinzip nicht durch die Kostenerstattung verdrängt, weil die Krankenkasse es nicht versäumt hat, eine unaufschiebbare Leistung rechtzeitig zu erbringen, oder aber eine Leistung rechtswidrig abgelehnt hat, darf die Krankenkasse nach § 13 Abs. 1 SGB V keine Kosten erstatten. In einem solchen Fall kommt eine Inanspruchnahme auf Kostenerstattung insoweit, dass der Kläger an die Beigeladene zahlt und bei der Krankenkasse Rückgriff nimmt, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 26. November 1998 - III ZR 223/97 -, Rn. 20, juris, bzgl. des Behandlungs- und Abrechnungsdreiecks Krankenhaus - Kassenpatient - Krankenkasse).
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Der Kläger macht indes mit der vorliegenden Klage alleine einen Freistellungsanspruch geltend, da der Kläger die streitigen 1.605,52 € nicht an die Beigeladene bezahlt hat. Auch dieser richtet sich nach § 13 Abs. 3 SGB V (vgl. BSG vom 30.11.2017 - B 3 KR 11/16 R = SozR 4-2500 § 37 Nr. 15 RdNr. 18).
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Ein solcher Freistellungsanspruch besteht hingegen nicht:
1. Die Beigeladene hat nach den obigen Ausführungen bereits keinen Anspruch gegen den Kläger, von dem dieser freigestellt werden müsste.
2. Die im Streit stehenden Transportkosten sind nicht dadurch entstanden, dass die Beklagte eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat oder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte.
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Wie sich aus § 13 Abs. 1 SGB V ergibt, tritt der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle des Anspruchs auf eine Sach- oder Dienstleistung; er besteht deshalb nur, soweit die selbst beschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen sind. Mit der Durchbrechung des Sachleistungsgrundsatzes (§ 2 Abs. 2 SGB V) trägt § 13 Abs. 3 SGB V dem Umstand Rechnung, dass die gesetzlichen Krankenkassen eine umfassende medizinische Versorgung ihrer Mitglieder sicherstellen müssen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 27 Abs. 1 Satz 1, § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und infolgedessen für ein Versagen des Beschaffungssystems - sei es im medizinischen Notfall (vgl. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V) oder infolge eines anderen unvorhergesehenen Mangels - einzustehen haben. Wortlaut und Zweck der Vorschrift lassen die Abweichung vom Sachleistungsprinzip nur in dem Umfang zu, in dem sie durch das Systemversagen verursacht ist (vgl. Bundessozialgericht (BSG) in SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 S. 10, 11 m.w.N). Die Bestimmung erfasst hier nur Kosten, die dem Versicherten bei regulärer Leistungserbringung nicht entstanden wären. Andere Kosten, etwa die Verpflichtung gegenüber einem anderen als dem krankenversicherungsrechtlich zulässigen Leistungserbringer oder Zahlungen, die einem Leistungserbringer ohne Rechtsgrund zugewendet werden, lösen keinen Kostenerstattungsanspruch aus, weil sonst die krankenversicherungsrechtliche Bindung an die zulässigen Formen der Leistungserbringung durch den Anspruch auf Kostenerstattung ohne weiteres durchbrochen werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 2007 - Az.: B 1 KR 14/07 m.w.N., nach juris). Voraussetzung für eine Kostenerstattung in beiden Fällen des § 13 Abs. 3 SGB V ist auch, dass zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (bei Alternative 1: Unvermögen zur rechtzeitigen Leistung; bei Alternative 2: rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Kausalzusammenhang besteht, ohne den die Bedingung des § 13 Abs. 1 SGB V für eine Ausnahme vom Sachleistungsgrundsatz nicht erfüllt ist.
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Dies bedeutet einmal, dass Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung, soweit diese nicht ausnahmsweise unaufschiebbar war, nur zu ersetzen sind, wenn die Krankenkasse die Leistungsgewährung abgelehnt hatte; ein Kausalzusammenhang und damit eine Kostenerstattung scheiden aus, wenn der Versicherte sich die streitige Behandlung außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges selbst besorgt, ohne sich vorher mit seiner Krankenkasse ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten. Einer der Beschaffung vorgeschalteten Entscheidung der Krankenkasse bedarf es unabhängig davon, welcher Art die in Anspruch genommene Leistung ist und in welcher Höhe dafür Kosten anfallen (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 1997 - Az.: 1 BK 31/96 und vom 14. Dezember 2006 - Az.: B 1 KR 8/06, nach juris).
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a. Ein Kausalzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kostenübernahme und dem Krankentransport im Sinne des § 13 Abs. 3 Alternative 2 SGB V besteht nicht. Die streitgegenständliche Verordnung für Krankentransport erfolgte erst am 08.03.2019 rückwirkend zum 01.01.2019. Entsprechend ging auch der Antrag der Beigeladenen auf Kostenübernahme, der im Namen des Klägers gestellt wurde (Bl. 1 f. der Verwaltungsakte), erst am 14.03.2019 ein.
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Die ablehnende Entscheidung erging sodann erst am 25.03.2019, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die streitgegenständlichen Transportfahrten bereits durchgeführt wurden.
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Der Kläger hat sich im Verfahren nicht dazu geäußert, weshalb er erst am 08.03.2019 um eine Verordnung der Fahrten ab dem 01.01.2019 bei seinem behandelnden Arzt nachfragte. Jedenfalls wegen der verspäteten Verordnung kann das Gericht auch keine unaufschiebbare Leistung feststellen (siehe hierzu gleich unten).
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b. Unaufschiebbar im Sinne der gesetzlichen Regelung sind Leistungen, die im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich waren, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestand. Diese Fallgruppe erfasst nicht nur Notfälle i. S. d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V, bei denen ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden muss; unaufschiebbar kann auch eine zunächst nicht eilbedürftige Behandlung werden, wenn mit der Behandlung solange gewartet wird, bis die Leistung zwingend erbracht werden muss, damit der mit ihr angestrebte Erfolg noch erreicht werden kann (vgl. BSG in SozR 3-2500 § 13 Nr. 4 S. 26). Die medizinische Dringlichkeit ist indes nicht allein ausschlaggebend. Die erste Fallgruppe setzt weiter voraus, dass die Krankenkasse die in Rede stehenden Leistungen nicht rechtzeitig erbringen konnte. Davon kann im Regelfall nur ausgegangen werden, wenn sie mit dem Leistungsbegehren konfrontiert war und sich dabei ihr Unvermögen herausgestellt hat. Nur da, wo eine vorherige Einschaltung der Krankenkasse vom Versicherten nach den Umständen des Falles nicht verlangt werden konnte, kann die Unfähigkeit zur rechtzeitigen Leistungserbringung unterstellt werden. § 13 Abs. 3 SGB V will lückenlos alle Sachverhalte der berechtigten Selbstbeschaffung von Leistungen in Fällen des Systemversagens erfassen. Bei seiner Auslegung müssen deshalb die Merkmale der beiden Fallgruppen so aufeinander abgestimmt werden, dass dieser Zweck erreicht wird. Daraus folgt, dass der Kostenerstattungsanspruch mit dem Unvermögen der Krankenkasse zur rechtzeitigen Erbringung einer unaufschiebbaren Leistung nur begründet werden kann, wenn es dem Versicherten - aus medizinischen oder anderen Gründen - nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten.
34
Dem Kläger war es durchaus möglich und zumutbar, eine Entscheidung der Beklagten Anfang des Jahres herbeizuführen. Ihm musste bewusst sein, dass er noch keine Transport-Verordnung für das Jahr 2019 hatte, als er die streitgegenständlichen Transporte durchführen ließ. Er vertraute (widerrechtlich, s. u.) darauf, dass die Transporte noch rückwirkend von der Beklagten übernommen würden. Hätte er die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum kontaktiert, wäre ihm mitgeteilt worden, dass die für die Genehmigung erforderliche Verordnung noch fehlt. Eine Kontaktaufnahme der Beklagten war nach allem zumutbar, zumal diese auch hätte telefonisch durchgeführt werden können.
35
c. Die Beklagte hat die Kostenübernahme auch nicht rechtswidrig verweigert. Die Kostenübernahme richtet sich nach § 60 SGB V in der hier gültigen Fassung ab dem 01.01.2019. Dieser lautet in seinen maßgeblichen Absätzen 1 bis 3 wie folgt:
„(1) Die Krankenkasse übernimmt nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte nach § 133 (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall. Die Krankenkasse übernimmt Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 festgelegt hat. Die Übernahme von Fahrkosten nach Satz 3 und nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 für Fahrten zur ambulanten Behandlung erfolgt nur nach vorheriger Genehmigung durch die Krankenkasse. Für Krankenfahrten zur ambulanten Behandlung gilt die Genehmigung nach Satz 4 als erteilt, wenn eine der folgenden Voraussetzungen vorliegt:
1. ein Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“, 2. eine Einstufung gemäß § 15 des Elften Buches in den Pflegegrad 3, 4 oder 5, bei Einstufung in den Pflegegrad 3 zusätzlich eine dauerhafte Beeinträchtigung der Mobilität, oder
3. bis zum 31. Dezember 2016 eine Einstufung in die Pflegestufe 2 gemäß § 15 des Elften Buches in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung und seit dem 1. Januar 2017 mindestens eine Einstufung in den Pflegegrad 3.
(2) Die Krankenkasse übernimmt die Fahrkosten in Höhe des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages je Fahrt übersteigenden Betrages
1.
bei Leistungen, die stationär erbracht werden; dies gilt bei einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus nur, wenn die Verlegung aus zwingenden medizinischen Gründen erforderlich ist, oder bei einer mit Einwilligung der Krankenkasse erfolgten Verlegung in ein wohnortnahes Krankenhaus,
2.
bei Rettungsfahrten zum Krankenhaus auch dann, wenn eine stationäre Behandlung nicht erforderlich ist,
3.
bei anderen Fahrten von Versicherten, die während der Fahrt einer fachlichen Betreuung oder der besonderen Einrichtungen eines Krankenkraftwagens bedürfen oder bei denen dies auf Grund ihres Zustandes zu erwarten ist (Krankentransport),
4.
bei Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten Krankenbehandlung sowie zu einer Behandlung nach § 115a oder § 115b, wenn dadurch eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung (§ 39) vermieden oder verkürzt wird oder diese nicht ausführbar ist, wie bei einer stationären Krankenhausbehandlung.“
36
Soweit Fahrten nach Satz 1 von Rettungsdiensten durchgeführt werden, zieht die Krankenkasse die Zuzahlung in Höhe des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages je Fahrt von dem Versicherten ein.
37
(3) Als Fahrkosten werden anerkannt
1.
bei Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels der Fahrpreis unter Ausschöpfen von Fahrpreisermäßigungen,
2.
bei Benutzung eines Taxis oder Mietwagens, wenn ein öffentliches Verkehrsmittel nicht benutzt werden kann, der nach § 133 berechnungsfähige Betrag,
3.
bei Benutzung eines Krankenkraftwagens oder Rettungsfahrzeugs, wenn ein öffentliches Verkehrsmittel, ein Taxi oder ein Mietwagen nicht benutzt werden kann, der nach § 133 berechnungsfähige Betrag,
4.
bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer den jeweils auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung, höchstens jedoch die Kosten, die bei Inanspruchnahme des nach Nummer 1 bis 3 erforderlichen Transportmittels entstanden wären.
38
Der Anspruch des Klägers scheitert vorliegend bereits daran, dass für den streitgegenständlichen Zeitraum keine Genehmigung vorliegt. Das Gericht geht auch nicht davon aus, dass der Kläger von der Genehmigungspflicht keine Kenntnis hatte, da er mit Bescheid vom 11.06.2018 darüber informiert wurde und er das Beiblatt für die Beigeladene an diese ausgehändigt hat. Zudem wurde der Kläger zuvor mit Bescheid vom 27.02.2018 darauf hingewiesen, dass für Transporte außerhalb des genehmigten Zeitraums bis zum 31.12.2018, d.h. auch für den Zeitraum ab dem 01.01.2019, vor der Fahrt eine neue Verordnung zur Genehmigung einzureichen ist. Die Beklagte hat insoweit abweichend vom Wortlaut von § 60 Abs. 1 S. 4 SGB V (zugunsten des Klägers) nicht auf die Genehmigung (die erst am 25.03.2019 erfolgte), sondern auf die Einreichung der Verordnung abgestellt. Entsprechend verweigerte sie die Zahlung der Transportkosten nur bis zum 13.03.2019 (Vortag zur Einreichung der Verordnung) und nicht bis zum 24.03.2019 (Vortag der Genehmigungsentscheidung).
39
Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden: Ein Anspruch auf Kostenübernahme für Krankentransportleistungen setzt eine entsprechende vertragsärztliche Verordnung voraus. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB V wird die ärztliche Behandlung von Ärzten erbracht. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie grundsätzlich nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt angeordnet und von ihm verantwortet werden. Nach § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V umfasst die vertragsärztliche Versorgung auch die Verordnung von Krankentransporten; schon nach dem Wortlaut der Vorschrift ist danach eine ärztliche Verordnung auch für die Versorgung mit Krankentransporten erforderlich. Erst durch die vertragsärztliche Verordnung wird das der Versicherten durch §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 60 SGB V gewährte Rahmenrecht auf Versorgung mit Krankentransportleistungen zu einem Anspruch auf die Kostenübernahme für die Benutzung des vom Vertragsarzt bestimmten Fahrzeugs in dem von ihm bestimmten Umfang konkretisiert. Daraus folgt, dass der Versicherten ohne eine (ordnungsgemäße) vertragsärztliche Verordnung bzw. vor einer solchen Verordnung (noch) kein Anspruch auf die begehrte Krankentransportleistung bzw. die Kostenübernahme hierfür zusteht (so allgemein zum Anspruch des Versicherten für alle krankenversicherungsrechtlichen Leistungen: BSG, 1. Senat, Urteil vom 9. Juni 1998, B 1 KR 18/96 R [Kunsthoden] sowie für die Arzneimittelversorgung auch 3. Senat, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 KR 13/08 R, jeweils zitiert nach juris). Dies schließt es leistungsrechtlich aus, die Kostenübernahme für Krankentransportleistungen zuzusprechen, bevor eine ärztliche Verordnung vorliegt, aus der sich die zwingende medizinische Notwendigkeit der Benutzung eines bestimmten Fahrzeuges und die erforderliche Frequenz der Transportfahrten ergeben (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Oktober 2011 - L 9 KR 212/11 B ER -, Rn. 4, juris). Die Verordnung selbst erfolgte hingegen erst am 08.03.2019. Zusätzlich setzt der Leistungsanspruch voraus, dass der Versicherte die Krankenkasse von der medizinischen Notwendigkeit des Transports mit einem bestimmten Fahrzeug und der erforderlichen Transportfrequenz nach vertragsärztlicher Verordnung in Kenntnis setzt und ihr damit die Möglichkeit einräumt, über diesen Anspruch vor der Inanspruchnahme der Transportleistung zu entscheiden (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Oktober 2011 - L 9 KR 212/11 B ER -, Rn. 5, juris). Dieses Inkenntnissetzen erfolgte aber erst am 14.03.2019.
40
d. Die Genehmigung muss nach allem grundsätzlich vor der Fahrt erteilt werden (Waßer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl., § 60 SGB V (Stand: 01.01.2016), Rn. 74). Etwas anders gilt nach der neuen Gesetzeslage ab dem 01.01.2019 nur, wenn die Ausnahmetatbestände einer fingierten Genehmigung (§ 60 Abs. 1 S. 5 SGB V) vorliegen. Diese sind ein Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“, eine Einstufung gemäß § 15 des Elften Buches in den Pflegegrad 3, 4 oder 5, bei Einstufung in den Pflegegrad 3 zusätzlich eine dauerhafte Beeinträchtigung der Mobilität, oder bis zum 31. Dezember 2016 eine Einstufung in die Pflegestufe 2 gemäß § 15 des Elften Buches in der am 31. Dezember 2016 geltenden Fassung und seit dem 1. Januar 2017 mindestens eine Einstufung in den Pflegegrad 3.
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Diese Voraussetzungen (Merkzeichen „aG“, „Bl“ oder „H“, eine Einstufung gemäß § 15 des Elften Buches in den Pflegegrad 3, 4 oder 5) liegen gem. der Auskunft des Klägerbevollmächtigten vom 02.03.2021 nicht vor.
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3. Schließlich kann das Gericht auch nicht erkennen, dass vorliegend für einen Kostenausgleich eine Genehmigung wegen Treuwidrigkeit („venire contra factum proprium“) nicht notwendig gewesen wäre oder wegen Beratungsmangels das Eintreten der Genehmigungswirkung vorverlegt werden müsste.
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a. Die Beklagte hat sich nicht treuwidrig verhalten, insbesondere hat ihr vorangegangenes Verhalten dem Kläger keinen Anlass gegeben, dass der Kläger glauben durfte, dass eine Verordnung oder eine Genehmigung nicht erforderlich wäre. Vielmehr hat sie bereits mit Bescheid vom 27.02.2018 darauf hingewiesen, dass vor der ersten Fahrt nach dem 31.12.2018 eine neue Verordnung zur Genehmigung einzureichen sei. Der Kläger war auch trotz seines hohen Alters geschäftsfähig und imstande, den Inhalt des Schreibens zu verstehen. Er stand und steht nicht unter Betreuung. Entsprechend wusste er um den Rechtsrahmen bzgl. der Kostenerstattung der Transportfahrten nach dem 31.12.2018. Gleichwohl hat er sich erst im März 2018 um eine neue Verordnung bemüht, ohne dem Gericht darzulegen, aus welchen Gründen diese Verspätung entstand.
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b. Es liegt auch kein Beratungsmangel vor, der zu einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch führen würde. Den Versicherungsträger trifft die Pflicht zur Belehrung und Beratung eines Versicherten grundsätzlich nur dann, wenn dieser sich mit einem entsprechenden Ersuchen an ihn gewendet hat. Dies ist vorliegend unterblieben.
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Ausnahmsweise besteht aber über ausdrücklich gestellte Fragen hinaus eine Verpflichtung zur „Spontanberatung“. Hierbei sind alle Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Der Leistungsträger muss also auch über ausdrücklich gestellte Fragen hinaus informieren, wenn sie sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und von jedem verständigen Versicherten hätten genutzt werden können. Auf derartige „nahe liegende Gestaltungsmöglichkeiten“ (BSG 26.10.1982 - 12 RK 37/81 = SozR 1200 § 14 Nr. 13 = SGb 1984, 250; BSG 17.4.1986 - 7 RAr 81/84 = BSGE 60, 79, 86 = SozR 4100 § 100 Nr. 11 = NZA 1987, 68) muss auch hingewiesen werden, wenn unklar ist, ob der Versicherte genügend Mittel hat, die Möglichkeit auch tatsächlich zu nutzen (BSG 27.9.1983 - 12 RK 44/82 = SozR 1200 § 14 Nr. 15, LS 1 = DAngVers 1984, 198 Anm. Finke) oder wenn sich der Versicherte trotz rechtskundiger Beratung evident unzweckmäßig verhält oder wenn die ihm erkennbar drohenden Nachteile besonders schwerwiegend sind (BSG Urt. v. 25.8.1993 - 13 RJ 43/92, SozR 3 - 5750 Art. 2 § 6 Nr. 7 = Breith 1994, 662; zitiert nach KassKomm/Spellbrink, 111. EL September 2020, SGB I § 14 Rn. 22).
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Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar hat die Beklagte über die Inanspruchnahme der Dialyse Kenntnis davon erlangt, dass der Kläger immer noch dialysepflichtig ist. Auch wurde der Ausgleich für die Transportkosten in der Vergangenheit großzügig und zugunsten des Klägers rechtswidrig (die Genehmigungspflichtigkeit galt auch schon in der Rechtlage 2018) vorgenommen. Jedoch konnte die Beklagte nicht ersehen, ob der Kläger tatsächlich auch im neuen Jahr noch auf Transporthilfe angewiesen ist oder sich z. B. privat behelfen konnte. Diese Information (dass der Kläger wie in den Vorjahren auf die Transporthilfe angewiesen ist) lag ihr erst mit Vorlage der Verordnung vom März 2019 vor. Eine Beratung „ins Blaue“ dahingehend zu fordern, dass die Beklagte alle Versicherten anruft oder anschreibt, die in der Vergangenheit dialysepflichtig waren und immer noch sind, ob die Nebenleistung „Transport“ immer noch benötigt wird, wäre eine überspannte Anforderung an die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie durfte daher darauf vertrauen, dass die Hinweise in den Leistungsbescheiden des Jahres 2018 eine ausreichende Information bzgl. der veränderten Handhabung der Beklagten sind.
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Die entsprechenden Hinweise in den Bescheiden wurden auch nicht „versteckt“ oder „unverständlich“ platziert und der Kläger hätte jederzeit durch telefonische Rückfrage weitere Klarheit erlangen können.
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Nach allem ist die Klage abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.