Titel:
Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage – Kompetenzanalyse
Normenkette:
StPO § 261
Leitsatz:
Die Fülle und Qualität der Realkennzeichen, insbesondere das Detailreichtum, die Erzählweise des Zeugen, die Komplikation im Handlungsverlauf und die Selbstkorrektur, führen zu der Annahme, dass der Zeuge nur schwer in der Lage gewesen wäre, den Tatvorwurf in der konkreten Ausgestaltung widerspruchsfrei zu erfinden und über mehrere Vernehmungen hinweg im Kerngeschehen konstant vorzutragen. (Rn. 136) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beweiswürdigung, Tatvorwurf, widerspruchsfreies Erfinden, Kerngeschehen, konstantes Vortragen
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 10.02.2022 – 1 StR 437/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 48849
Tenor
I. Der Angeklagte … schuldig des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
II. Der Angeklagte … wird hierfür zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt.
III. Die Angeklagte … ist schuldig des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
IV. Die Angeklagte … wird hierfür zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt.
V. Gegen die Angeklagten wird die gesamtschuldnerische Einziehung des Wertes von 150,00 € angeordnet.
VI. Soweit das Verfahren gegen die Angeklagten eingestellt wurde, fallen die ausscheidbaren Kosten und die ausscheidbaren notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last. Im Übrigen tragen die Angeklagten die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Nebenklägers.
Angewendete Vorschriften:
Hinsichtlich des Angeklagten …
§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, Nr. 4, 239 Abs. 1, 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2, 25 Abs. 2, 52, 73, 73c StGB.
Hinsichtlich der Angeklagten He:
§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4, 239 Abs. 1, 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2, 25 Abs. 2, 52, 53, 73, 73c StGB.
Entscheidungsgründe
I. Persönliche Verhältnisse
1. Persönliche Verhältnisse des Angeklagten …
a) familiäre Verhältnisse
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Der Angeklagte wurde in der ehemaligen DDR im heutigen Mecklenburg-Vorpommern geboren. Noch im Kleinkindesalter verzog die Familie nach …. Sowohl zu seinen Eltern als auch seinem älteren Bruder hatte der Angeklagte in Kindertagen ein gutes Verhältnis. Der Angeklagte beschrieb seine frühe Kindheit als schön.
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Die Eltern des Angeklagten verstarben im Jahr 1971, vermutlich infolge eines Unfalls. Die genaue Todesursache seiner Eltern kennt der Angeklagte bis heute nicht. Der Angeklagte war bei Versterben seiner Eltern acht Jahre, sein älterer Bruder 15 Jahre alt. Die beiden Brüder wuchsen fortan in einem Kinderheim in … auf. Der ältere Bruder des Angeklagten verkraftete den Tod seiner Eltern und die Situation im Kinderheim nicht so gut und riss mehrmals aus dem Kinderheim aus. Der Bruder wurde sodann in ein Heim für schwer erziehbare Kinder gebracht. Der Angeklagte verlor in der Folge seinen Bruder aus den Augen. Als der Angeklagte nach der Wiedervereinigung seinen Bruder nochmals sah, hatten sie keinen Bezug mehr zueinander. Zu seinem Bruder hatte der Angeklagte seitdem keinen Kontakt mehr.
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Der Angeklagte hat in den ersten zwei Jahren nach dem Tod seiner Eltern die Situation nicht richtig realisiert. Erst im Alter von 14 Jahren registrierte der Angeklagte, dass sich niemand für ihn interessiert. Hierunter litt er und weinte viel.
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Üblicherweise wurden die Kinder im Kinderheim nach Vollendung des 16. Lebensjahres entlassen. Nachdem sich der Angeklagte jedoch im Kinderheim sehr engagierte und darauf bedacht war, dass den Kindern Haushaltstätigkeiten wie Kochen und das Erlernen einer eigenständigen Lebensführung beigebracht werden, bekam der Angeklagte einen Sonderstatus. Er durfte bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres im Kinderheim bleiben und bekam ausnahmsweise ein Einzelzimmer zugewiesen.
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Nach Entlassung aus dem Kinderheim mit Vollendung des 18. Lebensjahres verzog der Angeklagte in eine eigene Wohnung in ….
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Im Jahr 1987 heiratete der Angeklagte seine erste Ehefrau. In der Folge bekam der Angeklagte zwei Töchter und einen Sohn. Zu seinen Kindern hat er ein gutes Verhältnis. Die Ehe wurde im Jahr 1997 geschieden, nachdem der Angeklagte seine alte Arbeitsstelle verloren hatte und er in München eine neue Tätigkeit als Geldtransporterfahrer annahm. Infolge des Pendelns kam es zu vermehrtem Streit zwischen den Eheleuten. Zu seiner geschiedenen Ehefrau hat der Angeklagte heute noch spärlichen Kontakt. Er unterstützt sie finanziell, da sie arbeitslos ist.
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Zwischenzeitlich hat der Angeklagte vier Enkelkinder, zu denen er ein gutes Verhältnis hat und Kontakt pflegt.
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Im Jahr 2000 ging der Angeklagte erneut eine Ehe ein. Diese wurde jedoch bereits 2003 wieder geschieden.
b)schulischer und beruflicher Werdegang
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Der Angeklagte … absolvierte im Alter von 16 Jahren den Hauptschulabschluss. Der Angeklagte absolvierte eine Lehre als Oberflächenveredler. Anschließend arbeitete der Angeklagte für die Dauer eines Jahres in einer Metallhärterei, sodann als Galvaniseur bis er, weil er eine Allergie auf die Chemikalien entwickelt hatte, die Tätigkeit aufgeben musste. Sodann war der Angeklagten bei verschiedenen Unternehmen, meist nur für die Dauer von ein bis zwei Jahren, als Verkäufer in einem Kaufhaus und Warenannehmer, als Geldtransporterfahrer, als Schlosser, als Tür- und Fensterreparateur, als Kfz-Mechaniker, als Handelsvertreter, als Hausmeister und als Mechaniker tätig. Nachdem der Angeklagte in den Jahren 2014-2015 als Hausmeister in einem Bordell gearbeitet hatte, schloss sich seine eigene Tätigkeit im Rotlichtmilieu an. Der Angeklagte betrieb zuletzt Prostitutionsstätten.
c) gesundheitliche Situation
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Als Kind erlitt der Angeklagte einen schweren Oberschenkelbruch. Dieser hatte zur Folge, dass seitdem ein Bein kürzer ist als das andere. Infolgedessen hat der Angeklagte nun Probleme mit seinen Knien beim längeren Stehen.
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Im Jahr 2018 erkrankte der Angeklagte an Muskelrheuma. Krankheitsbedingt war er für die Dauer eines Jahres arbeitsunfähig. Anschließend befand sich der Angeklagte für die Dauer von zwei Monaten in einer Rehabilitationsmaßnahme. Die Erkrankung ist nun weitestgehend verheilt. Der Angeklagte nimmt keine Medikamente insoweit. Nach einer durch die Erkrankung bedingten Ernährungsumstellung ist der Angeklagte nun Vegetarier.
d) finanzielle Verhältnisse
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Der Angeklagte … hat weder Schulden noch Vermögen. Er ist im Besitz eines eigenen Kfz, Audi A5, Baujahr 2012.
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Der Angeklagte befindet sich seit 09.12.2020 in dieser Sache in Untersuchungshaft. Der Angeklagte findet sich in der Justizvollzugsanstalt gut zurecht. Auch der Umgang mit den anderen Gefangenen bereitet ihm keine Probleme.
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Der Angeklagte K. ist wie folgt vorbestraft:
1. 02.02.2000 AG MÜNCHEN (D2601) …
Rechtskräftig seit 02.03.2000
Tatbezeichnung: Untreue in Tatmehrheit mit Betrug
Datum der (letzten) Tat: 05.07.1999
Angewendete Vorschriften: STGB § 266 ABS. 1, § 263 ABS. 1, § 53
70 Tagessätze zu je 50,00 DM Geldstrafe
2. 28.06.2000 AG MÜNCHEN (D2601) …
Rechtskräftig seit 15.07.2000
Tatbezeichnung: Betrug mit Urkundenfälschung mit Urkundenunterdrückung
Datum der (letzten) Tat: 02.02.2000
Angewendete Vorschriften: STGB § 263, § 267, § 274 ABS. 1 NR. 1, § 52
40 Tagessätze zu je 50,00 DM Geldstrafe.
3. 09.09.2003 AG MÜNCHEN (D2601) …
Rechtskräftig seit 30.09.2003
Datum der (letzten) Tat: 23.05.2003
Angewendete Vorschriften: STGB § 263 ABS. 1
20 Tagessätze zu je 15,00 EUR Geldstrafe.
4. 27.04.2004 AG MÜNCHEN (D2601) …
Rechtskräftig seit 27.04.2004
Tatbezeichnung: Diebstahl
Datum der (letzten) Tat: 12.01.2004
Angewendete Vorschriften: STGB § 242 ABS. 1, § 248 a
50 Tagessätze zu je 20,00 EUR Geldstrafe.
5. 17.01.2007 AG München (D2601) …
Rechtskräftig seit 03.02.2007
Tatbezeichnung: Unterschlagung
Datum der (letzten) Tat: 30.10.2006
Angewendete Vorschriften: StGB § 246 Abs. 1
120 Tagessätze zu je 20,00 EUR Geldstrafe.
6. 16.11.2007 AG Regensburg (D3410) …
Rechtskräftig seit 16.11.2007
Tatbezeichnung: Betrug in Tatmehrheit mit versuchtem Betrug
Datum der (letzten) Tat: 08.03.2007
Angewendete Vorschriften: StGB § 263 Abs. 1, § 22, § 23, § 53, § 56
4. Monat(e) Freiheitsstrafe.
Bewährungszeit bis 15.11.2010.
Strafe erlassen mit Wirkung vom 25.01.2011.
7. 18.01.2012 AG Augsburg (D2102) …
Rechtskräftig seit 18.01.2012
Tatbezeichnung: Sachbeschädigung in vier tatmehrheitlichen Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit fahrl. Körperverletzung
Datum der (letzten) Tat: 29.07.2011
Angewendete Vorschriften: StGB § 303 Abs. 1, § 303 c, § 53, § 52, § 56, § 229, § 230 Abs. 1 7 Monat(e) Freiheitsstrafe.
Strafe erlassen mit Wirkung vom 13.05.2015
2. Persönliche Verhältnisse der Angeklagten …
a) familiäre Verhältnisse
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Die Angeklagte … ist Staatsangehörige und der deutschen Sprache kaum mächtig. Sie wurde in der … geboren. Die Angeklagte … hat drei ältere Schwestern und zwei ältere Brüder. Zu ihren mittlerweile verstorbenen Eltern hatte die Angeklagte ein gutes Verhältnis. Zu ihren Geschwistern hat die Angeklagte weiterhin ein gutes Verhältnis.
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Die Mutter der Angeklagten verstarb nach langer Dauer diverser Krankheiten im Jahr 1999. Der Vater der Angeklagten verstarb im Jahr 2016.
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Die Angeklagte heiratete im Jahr 1993 ihren Ehemann. 1994 wurde der Sohn der Angeklagten geboren. Sowohl zu ihrem getrennt lebenden Ehemann als auch zu ihrem Sohn, die beide weiter in … leben, hat die Angeklagte kaum noch Kontakt. Ihren Sohn hat sie zuletzt vor drei Jahren gesehen.
b) schulischer und beruflicher Werdegang
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Die Angeklagte … absolvierte in … sechs Jahre Grundschule, drei Jahre Hauptschule und drei Jahre Oberschule. Anschließend machte sie in einer Abendschule eine Ausbildung zur Buchhalterin. Nachdem sie jedoch sowohl die erforderliche Zeit als auch das erforderliche Geld für den Besuch von Kursen zur Vorbereitung auf die Prüfung zum Erwerb eines Qualifikationszertifikates als Buchhalterin nicht aufbringen konnte und wollte, hat sie die Tätigkeit als Buchhalterin nie ausgeübt. Parallel zu der Ausbildung arbeitete die Angeklagte tagsüber zehn Jahre lang in einer Fabrik.
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Sodann nahm die Angeklagte verschiedene kleinere Arbeitsstellen als Nageldesignerin, medizinische Masseurin, im Vertrieb und Arbeiterin in weiteren Fabriken an. Ab 2001 war die Angeklagte in … als Immobilienmaklerin beruflich tätig.
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Im Jahr 2004 wanderte die Angeklagte nach … aus. Zeitgleich mit der Auswanderung erfolgte die Trennung von ihrem Ehemann. Die Angeklagte wollte in … Geld verdienen, wovon sie ihrer Familie, insbesondere ihrer herzkranken Schwester, einen Teil zukommen lassen wollte. Der Umstand, dass die Angeklagte ihre Geschwister finanziell unterstützen wollte, war auch in der Vergangenheit bereits ein Streitpunkt mit ihrem Ehemann. In …war die Angeklagte zunächst als Babysitterin für eine Familie mit drei Kindern tätig. Später arbeitete sie in einem asiatischen Supermarkt. Sie kann nur einige Wörter auf … sprechen.
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Im Sommer 2020 begann die Angeklagte in … sich zu prostituieren. Anfangs ging sie nur sporadisch der Prostitution nach. Dies steigerte sich im Laufe der Zeit.
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Nur wenige Tage vor der Tat am 27.11.2020 kam die Angeklagte … mithilfe des Angeklagten … dessen Telefonnummer sie von anderen Prostituierten erhalten hatte, nach Deutschland. Hier war die Angeklagte … bis zu ihrer Inhaftierung am … als Prostituierte in München tätig. Dabei ging sie davon aus, dass Prostitution in der Bundesrepublik Deutschland ausnahmslos verboten sei. Die Angeklagte … hat sich lediglich prostituiert, um durch das verdiente Geld ihre herzkranke Schwester, die bereits zweimal am Herzen operiert wurde, finanziell zu unterstützen. Die Angeklagte schämt sich dafür, sich prostituiert zu haben. Die Angeklagte … sollte 50 % ihrer Einnahmen und zusätzlich noch 200 € wöchentlich Miete an den Angeklagten … bezahlen.
c) ausländerrechtlicher Status
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In der Vergangenheit versuchte die Angeklagte bereits in Frankfurt einen Aufenthaltstitel für die Bundesrepublik Deutschland zu bekommen. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Sie ging daraufhin nach … zurück.
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Die Angeklagte … verfügt aktuell über keinen Aufenthaltstitel für die Bundesrepublik Deutschland und ist in Deutschland nicht amtlich gemeldet. Sie hat lediglich eine Aufenthaltserlaubnis für …. In München hat die Angeklagte keine sozialen Kontakte.
d) finanzielle und gesundheitliche Situation
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Die Angeklagte hat kein Vermögen, aber Schulden in Höhe von ca. 20.000 € bei Freunden. Diese Kredite nahm sie auf, um ihrer herzkranken Schwester zu helfen.
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Die Angeklagte konsumiert weder Alkohol noch Betäubungsmittel. Sie hat keine schweren Krankheiten.
e) Vorstrafen und Haftdaten
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Die Angeklagte … ist nicht vorbestraft.
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Die Angeklagte … wurde am … vorläufig festgenommen und befindet sich seit 19.01.2021 in dieser Sache in Untersuchungshaft.
II. Festgestellter Sachverhalt
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Der Geschädigte … verabredete sich am 27.11.2020 über die Chatplattform „WhatsApp“ mit der Angeklagten …. Dabei wurde vereinbart, dass die Angeklagte … beim Geschädigten gegen ein Entgelt von 150 € sexuelle Dienstleistungen wie Vaginal- und Oralverkehr für einen Zeitraum von einer Stunde durchführt. Aus diesem Anlass begab sich der Geschädigte gegen 22:53 Uhr zu der Wohnung der Angeklagten … in der ….
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Als der Geschädigte um ca. 22:53 Uhr in der Wohnung der Angeklagten … ankam, gab er dieser vorab die vereinbarten 150 € in bar. Nähere Absprachen, welche Dienstleistungen in dem vereinbarten Pauschalhonorar von 150 € für eine Stunde sexuelle Dienstleistungen enthalten sein sollten, wurden weder in dem vorab geführten Chatverkehr noch bei Eintreffen des Angeklagten in der Wohnung getroffen. Sodann übte die Angeklagte zunächst den Oralverkehr an dem Geschädigten … aus, bevor es einvernehmlich zum ungeschützten Vaginalverkehr zwischen dem Geschädigten und der Angeklagten … kam. Nach ca. 6 Minuten Vaginalverkehr kam der Geschädigte zum Samenerguss, wobei er auf ein Papiertaschentuch ejakulierte.
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Die Angeklagte … wollte sodann das Treffen beenden und den Geschädigten aus der Wohnung werfen. Da von der vereinbarten Stunde erst ca. 6 Minuten verstrichen waren, kam es zu einem lediglich verbalen Streit zwischen dem Geschädigten und der Angeklagten …. Der Geschädigte beharrte zunächst darauf, als Gegenleistung für die bereits bezahlten 150 € die Dienste der Angeklagten … für die vereinbarte Dauer von einer Stunde in Anspruch nehmen zu können. Schließlich war er bereit, die Wohnung zu verlassen, forderte aber einen Teil des gezahlten Geldbetrages zurück. Hiervon war die Angeklagte zunächst nicht bereit. Schließlich erklärte die Angeklagte … der Geschädigte könne sich von dem auf einem Tisch liegenden Geldbetrag von 150 € nun 100 € wieder nehmen. Dies tat sie, um den Geschädigten zu beruhigen und Zeit zu gewinnen. Der Geschädigte nahm 100 € vom Tisch und steckte das Geld ein. Die Angeklagte … beobachtete dies.
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Daraufhin gab die Angeklagte … vor, die Polizei zu rufen. Tatsächlich aber rief die Angeklagte … den Angeklagten … telefonisch herbei. Auf Weisung des Angeklagten … hin schloss die Angeklagte … die Wohnungstüre ab, obwohl der Geschädigte mehrfach sagte, dass er gehen möchte. Der Geschädigte sollte dadurch gezwungen sein, vor Ort zu verbleiben bis zum Eintreffen des Angeklagten ….
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Etwa 7-8 Minuten später kam der Angeklagte … mittels eines eigenen Schlüssels in die Wohnung. Der Angeklagte … und die Angeklagte … sprachen kurz miteinander auf Englisch. Hierbei teilte die Angeklagte … dem Angeklagten …in einem nur wenige Sekunden dauernden Gespräch mit, dass der Geschädigte … für die Dienstleistungen der Angeklagten … nicht (vollständig) bezahlt habe bzw. der Geschädigte … den vereinbarten Dirnenlohn wieder an sich genommen habe. Nähere Angaben zur Höhe des streitigen Geldbetrages und zum Hergang der Auseinandersetzung zwischen der Angeklagten … und dem Geschädigten … teilte die Angeklagte … dem Angeklagten … nicht mit. Zudem äußerte die Angeklagte … gegenüber dem Angeklagten … „ficken ohne Gummi“, ohne aber nähere Ausführungen dazu zu machen, was genau aus ihrer Sicht das Problem sei.
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Der Angeklagte … meinte den Geschädigten … als einen Freier, der bereits im März oder April 2020 in einer Wohnung in der … in München als Freier aggressiv auf die Prostituierte …osging, sich anschickte, die Wohnung der Prostituierten … zu verwüsten und im weiteren Verlauf auch den Angeklagten … beschimpfte und bedrohte, wiedererkannt zu haben. Der damalige Freier äußerte Unzufriedenheit mit den Leistungen der Prostituierten … und konnte nur durch eine teilweise Rückerstattung des Dirnenlohns beschwichtigt werden. Der Angeklagte … war zum Tatzeitpunkt am … fest davon überzeugt, dass der Geschädigte …, der dem damaligen Freier optisch ähnlich sah und von der Angeklagten … einen Teil des vereinbarten Entgelts zurückgefordert hatte, mit dem damaligen Freier personenidentisch war.
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Der Geschädigte … hat sich beim Eintreffen des Angeklagten … von dem Sofa, auf dem er gesessen hatte, erhoben und stand nun wort- und bewegungslos den beiden Angeklagten zugewandt da. Er empfand die Situation angesichts des deutlich größeren und kräftigeren Angeklagten … und dessen Gesichtsausdruck als bedrohlich. Einen tätlichen Angriff gegen den Angeklagten … zog er nicht in Erwägung und machte dementsprechend auch keine Anstalten dazu.
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Der Angeklagte … dachte auch nicht, dass ein Angriff des Geschädigten … unmittelbar bevorstehe, sondern er wollte von vornherein jegliche Diskussion und jegliche Gegenwehr des Geschädigten … unterbinden. Er holte deshalb noch während des Gesprächs mit der Angeklagten … ein von ihm in die Wohnung mitgebrachtes Pfefferspray aus der Hosentasche.
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Anschließend ging der Angeklagte … zu dem vor einem Sofa stehenden Geschädigten und sprühte diesem wortlos unvermittelt mit einem Pfefferspray ins Gesicht, sodass dieser - was der Angeklagte … vorhersah und zumindest billigend in Kauf nahm - große Schmerzen in den Augen bekam und diese nicht mehr öffnen konnte. Zudem schlug der Angeklagte … dem Geschädigten mit der Faust mehrfach ins Gesicht.
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Der Angeklagte … sagte „Gib ihr das Geld zurück!“. Der Geschädigte äußerte daraufhin: „Hör auf mit dem Spray.“ Die Angeklagte … die zwei bis drei Schritte von dem Angeklagten … entfernt stand und die sowohl den Einsatz des Pfeffersprays als auch die Faustschläge gesehen hatte, realisierte spätestens in diesem Moment, dass der Angeklagte … versuchte, die vom Geschädigten wieder an sich genommenen 100 € wieder in den Besitz der Angeklagten … zu bringen.
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Zu diesem Zeitpunkt fasste die Angeklagte … in Kenntnis und Billigung des vorher vom Angeklagten … erfolgten Pfefferspray-Einsatzes und der Schläge seitens des Angeklagten … - den Entschluss, ebenfalls auf den Geschädigten … mit Gewalt einzuwirken und bei der Rückerlangung des Geldes mitzuwirken.
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Der Angeklagte … packte den Geschädigten in einer Art Polizeigriff von hinten an den Armen, zog den linken Arm des Geschädigten auf dessen Rücken und drückte mit seiner anderen Hand auf den Nacken des Geschädigten. Weiter brachte der Angeklagte … den Geschädigten derart zu Boden, dass der Geschädigte zunächst in die Hocke ging, dann mit einem oder beiden Knien den Boden berührte und schließlich mit angewinkelten Beinen zu sitzen kam. Der Geschädigte … versuchte seinen Kopf zu schützen, indem er seine Arme vor den Kopf hielt. Dort schlugen der Angeklagte … sowie die Angeklagte … - in Kenntnis und im Einverständnis mit dem Angeklagten … - den Geschädigten mit Fäusten auf dessen Oberkörper und auf den Oberkopf, sodass der Geschädigte nicht unerhebliche Schmerzen verspürte, was beide vorhersahen und zumindest billigend in Kauf nahmen. Der Geschädigte versuchte, mit seinen Händen seinen Kopf zu schützen. Dabei fragte der Angeklagte … den Geschädigten, wo dieser sein Geld hätte. Die Angeklagte … tastete die Taschen nach dem Geldbeutel des Geschädigten ab, nahm diesen letztlich aus der Gesäßtasche des Geschädigten und entnahm 150 € in bar, um diese - wie beide Angeklagte von vornherein beabsichtigten - für sich zu behalten. Der Angeklagte … und die Angeklagte … wussten dabei, dass sie auf das Geld keinen Anspruch hatten. Der Angeklagte … achtete nicht darauf, wieviel Geld die Angeklagte … dem Geschädigten … wegnahm, und hatte auch kein Interesse daran, dies zu wissen.
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Der Geschädigte erlitt infolge der Schläge eine geschlossene Nasenbeinfraktur, eine Gesichtsprellung und nicht unerhebliche Schmerzen erlitt, was der Angeklagte … ebenfalls vorhersah und zumindest billigend in Kauf nahm. Infolge der Schläge gegen die Nase erlitt der Geschädigte … eine Schiefstellung der Nase und der Geschädigte … kann auf einem Nasenloch kaum noch atmen. Eine erforderliche Operation zur Reposition der Nase ist noch ausstehend.
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Sodann packte der Angeklagte … den Geschädigten … an der Rückseite seines Pullovers, zog ihn vom Boden hoch und beförderte ihn vor die Wohnungstüre. Dort überreichte einer der Angeklagten noch auf dessen Bitte hin seinen teilweise geleerten Geldbeutel und sein Mobiltelefon.
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Nachdem der Angeklagte … von der Angeklagten … die Hälfte ihrer Einnahmen zuzüglich 200 € wöchentlich ausbezahlt bekommen sollte, hatte der Angeklagte bei der Tat auch ein eigenes finanzielles Interesse daran, der Angeklagten … zum Rückerhalt ihres Geld zu verhelfen.
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Eine Verständigung nach § 257c StPO hat nicht stattgefunden.
1. Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten …
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Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten … beruhen auf den Angaben des Angeklagten … denen zu misstrauen die Kammer insoweit keine Veranlassung hatte, und dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 23.06.2021.
2. Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten …
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Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten … beruhen auf den Angaben der Angeklagten …, denen zu misstrauen die Kammer insoweit ebenfalls keinen Anlass hatte, und dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 23.06.2021. Die Angaben der Angeklagten … zu ihrem Aufenthaltsstatus decken sich mit der Aussage der Zeugin … hierzu.
3. Feststellungen zum Tatgeschehen
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Die Feststellungen zu dem Tatgeschehen, wie unter II. dargelegt, beruhen auf den Einlassungen der Angeklagten … und … auf den Aussagen der Zeugen … und … den in Augenschein genommenen Lichtbildern Bl. 23-36 Rückseite d.A., dem in Augenschein genommenen Handyvideo, den verlesenen Chat-Nachrichten des Geschädigten … mit der Angeklagten … Bl. 27 Rückseite - Bl. 30 Rückseite d.A. sowie dem verlesenen Arztbericht des Geschädigten … Bl. 373-374 sowie dem Bericht des Vorsitzenden über das Formblatt zur Operationsvorbereitung Bl. 375 d.A. Weiter wurde der sichergestellte Rock der Angeklagten … in Augenschein genommen und der Aktenvermerk des K35 vom 29.06.2021 (Bl. 622-623 d.A.) verlesen.
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Im Einzelnen waren die nachfolgenden Erwägungen für die Überzeugungsbildung der Kammer bestimmend:
a) Einlassungen der Angeklagten
aa) Einlassung des Angeklagten …
(1) Einlassung im Rahmen der Haftbefehlseröffnung gegenüber dem Ermittlungsrichter am 09.12.2020
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Die Zeugen … sagten aus, der Angeklagte … habe im Rahmen seiner Haftbefehlseröffnung Angaben zu der bis dato unbekannten Mitbeschuldigte gemacht. Sie sei eine ca. 45 Jahre alte …. Er wisse nur den Künstlernamen …. Seiner Kenntnis nach sei sie derzeit aufhältig im Etablissemen ….
(2) Einlassung im Rahmen der Hauptverhandlung
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Im Rahmen der Hauptverhandlung verlas der Verteidiger für seinen Mandanten folgende schriftliche Erklärung, deren Inhalt (Fehler so im Original):
„Vorab ist festzustellen, dass der Angeklagte … über das seinem Eintreffen vorausgegangene Geschehen in der Wohnung der Angeklagten … am 27.11.2020 nichts aus eigener Wahrnehmung berichten kann. Es wird zum besseren Verständnis des folgenden Geschehensablaufs jedoch eingeräumt, dass der Angeklagte … die Angeklagte … kannte und wusste, dass sie am 27.11.2020 der Prostitution nachging. Der Angeklagte … selbst betreibt eine Prostitutionsstätte unter der Bezeichnung … im Anwesen ….
Der Angeklagte … wurde zu einem ihm nicht mehr erinnerlichen Zeitpunkt am späten Abend des 27.11.2020 von der Angeklagten … telefonisch darüber informiert, dass sie Probleme mit einem Freier habe. Aufgebracht berichtete die Angeklagte … ihm entweder in einem Telefonat oder einer Sprachnachricht sehr kurzer, nicht näher spezifizierbarer Zeitdauer, dass der Freier ihr das - wörtlich - „ganze Geld“ weggenommen habe. Diese Information quittierte der Angeklagte …mit den Worten „Schließ die Tür ab, ich komme sofort!“ (sinngemäß). Sodann fuhr der Angeklagte … unverzüglich von seinem Aufenthaltsort im Anwesen … in München zur Wohnung der Angeklagten … um ihr bei der Wiederbeschaffung des „ganzen Geldes“ behilflich zu sein; nach seiner Erinnerung vermochte er die Wegstrecke von ungefähr mit seinem Auto in ca. zehn bis 15 Minuten zurückzulegen. Er ging dabei davon aus, dass der Freier der Angeklagten … entweder den für die mit der Angeklagten … vereinbarten sexuellen Dienstleistung geschuldeten Dirnenlohn oder sogar ihr gesamtes, in der Wohnung aufbewahrtes Geld weggenommen haben könnte.
Am Anwesen … in München eingetroffen, betrat der Angeklagte … das Apartment … sodann mit dem ihm zur Verfügung stehenden Schlüssel, ohne sich zuvor etwa durch das Betätigen der Klingel an Haus- oder Wohnungstür bemerkbar zu machen. Die Angeklagte … berichtete dem Angeklagten … in einer Mischung aus gebrochenem Deutsch und Englisch, der Kunde habe ihr das Geld weggenommen, wobei sie auf die neben dem Bett befindliche Matratze zeigte. Der Angeklagte … ging ab diesem Zeitpunkt davon aus, dass der später als der Zeuge … identifizierte Freier der Angeklagten … (lediglich) den Dirnenlohn weggenommen habe. Die Angeklagte … schilderte dem Angeklagten … weiter, dass der Zeuge … ihr das Geld erst dann hätte wiedergeben wollen, wenn sie mit ihm den Geschlechtsverkehr abermals „ohne Gummi“ ausführe. Dieser Forderung habe die Angeklagte … keine Folge gegeben.
Anlass an den Ausführungen der Angeklagten … zu zweifeln, sah der Angeklagte … nicht. Ihm ist die Angeklagte … seit längerer Zeit aufgrund einer Zusammenarbeit im Bereich der (legalen) Prostitutionsausübung bekannt; Zweifel an ihrer Redlichkeit, insbesondere an der Richtigkeit ihrer Äußerungen - ganz gleich in welchem Kontext - begründete die Angeklagte … bisher nie. So ging der Angeklagte … auch im vorliegenden Fall davon aus, dass die Angaben der - freilich sehr aufgebrachten - Angeklagten … zutreffen.
Mit diesem Kenntnisstand wandte sich der Angeklagte … dem auf einem Sofa sitzenden Zeugen … zu und sprühte ihm - wie in der Anklageschrift vom 19.02.2021 zutreffend geschildert - das mitgeführte und während des kurzen infomotorischen Gesprächs mit der Angeklagten … einsatzbereit gemachte Tierabwehrspray ins Gesicht. Daraufhin begann der Zeuge … zu schreien und hielt sich beide Hände vor das Gesicht. Als er daraufhin aufstand, stießen ihn beide Angeklagten zu Boden, um ihn am Verlassen der Wohnung zu hindern. Dies war jedenfalls die Intention des Angeklagten …. Der Angeklagte … vermutet, dass der Zeuge … sich die Verletzung an der Nase zugezogen hat, als er durch den Sturz mit dem Kopf auf die Kante des gegenüber des Sofas befindlichen Bettes aufschlug. Den Faustschlag auf die Nase, wie in der Anklageschrift aber vorgeworfen, versetzte der Angeklagte … den Zeugen … jedenfalls nicht. Der Zeuge … lag nun auf dem Bauch auf dem Boden zwischen dem Sofa und dem Bett, wobei sein Kopf in Richtung der Wohnungseingangstür zeigte. Sodann kniete sich der Angeklagte … links neben den Zeugen … und drehte dessen rechten Arm mittels sog. „Polizeigriff“ nach hinten. Der linke Arm des Zeugen … war frei, allerdings in der Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt, weil der Angeklagte … dicht neben dem Zeugen … kniete. Dabei forderte der Angeklagte … den Zeugen … mehrfach, mindestens dreimal dazu auf, der Angeklagten … das Geld zurückzugeben. Erinnerlich verwendete der Angeklagte … dabei folgende Formulierung: „Gib ihr das Geld zurück!“ - Nicht ausschließbar, jedoch nicht konkret erinnerlich belegte der Angeklagte … den Zeugen … zudem mit einigen Kraftausdrücken. Am wahrscheinlichsten werden dabei Formulierungen wie „Drecksau“ oder „Schwein“ gewesen sein. Auch die Angeklagte … forderte den Zeugen … mehrfach zur Rückgabe ihres Geldes auf und trat den Zeugen … einige Male mit dem beschuhten Fuß-Genaueres erinnert der Angeklagte … nicht, lediglich dass die Angeklagte … Winterstiefel trug. Dieses Verhalten billigte der Angeklagte … zwar nicht, brachte situationsbedingt jedoch Verständnis dafür auf. Hindern konnte er die Angeklagte … an den dem Zeugen … beigebrachten Tritten indes nicht. Der Zeuge … entgegnete sinngemäß: „Moment, Moment! In der kleinen Tasche!“. Die Angeklagte … griff dem Zeugen … daraufhin in eine Hosentasche, wobei der Angeklagte … keine genaueren Wahrnehmungen darüber gemacht hat, in welche Hosentasche die Angeklagte … griff, da er sich darauf konzentrierte, den Zeugen … festzuhalten und den Blick daher auf den fixierten Arm, den Oberkörperbereich und den Kopf des Zeugen … gerichtet hatte. Welchen Geldbetrag die Angeklagte He dem Zeugen … aus der Hosentasche zog, vermag der Angeklagte … nicht anzugeben.
Nachdem sich die Angeklagte … sich wieder ihres Dirnenlohns bemächtigt hatte, zog der Angeklagte … den Zeugen … am Kragen dessen Jacke hoch und ließ ihn los. Der Zeuge … eilte sodann umgehend zur Wohnungstür. Der Angeklagte … händigte dem Zeugen … noch sein Mobiltelefon aus, dass er im Rahmen der körperlichen Konfrontation verloren hatte. Daraufhin verließ der Zeuge … die Wohnung.
Als der Zeuge … die Wohnung verlassen hatte, bemerkte der Angeklagte … dass dieser eine Schirmmütze vergessen oder verloren hatte, eilte zur Wohnungstür und öffnete sie, um sie dem Zeugen … auszuhändigen. Auf dem Hausflur konnte der Angeklagte … jedoch niemanden mehr ausmachen, sodass er sich dazu entschloss, die Schirmmütze im Bereich der Hauseingangstür zu platzieren.
Schließlich bot der Angeklagte … der Angeklagten … an, mitsamt ihrer Habe ins Anwesen … in München zu wechseln, da sie am nächsten Tag ohnehin abzureisen beabsichtigte. Diesen Vorschlag folgte die Angeklagte … sodass beide Angeklagte die Wohnung verließen und sich in die Prostitutionsstätte des Angeklagten … begaben, wo die Angeklagte … die Nacht verbrachte, freilich ohne weitere Freier zu empfangen.
Für den Angeklagten … war die Angelegenheit damit erledigt.
Wenn nun fraglich ist, weshalb der Angeklagte … unverzüglich Gebrauch von dem Tierabwehrspray machte, so beruht dies darauf, dass der - dem Zeugen … körperlich unterlegene - Angeklagte … fürchtete, diese könne seinerseits einen gewalttätigen Übergriff auf ihn oder die Angeklagte … planen, um seine Tatbeute zu sichern und zu entkommen. Anlass zu einer solchen Vermutung ist folgender:
Im März oder April 2020 kam es in einer Wohnung im Anwesen … München, die gelegentlich zum Zweck der Wohnungsprostitution genutzt wird, zu einem aggressiven Übergriff eines Freiers auf eine Prostituierte, und zwar die frühere Beschuldigte …. Auch in diesem Fall wurde der. Angeklagte … von der Zeugin … darüber informiert, dass sie wegen eines übergriffigen Freiers Hilfe benötige. Der Angeklagte … wurde nach seinem Eintreffen von diesem Freier, der wohl mit der Leistungserbringung der Zeugin … unzufrieden war, beschimpft und bedroht. Zu einer körperlichen Auseinandersetzung kam es zwar nicht, jedoch hätte ein Angriff des hochaggressiven Freiers, der begann, die Wohnung der Zeugin … zu verwüsten, ihn nicht sonderlich überrascht. Seinerseits konnte der Freier nur beschwichtigt werden, indem die Zeugin … ihm einen Teil des vereinbarten Dirnenlohns zurückerstattete. Dem seinerzeitigen Freier sieht der Zeuge … zum Verwechseln ähnlich; der Angeklagte … sah sich am 27.11.2020 mit derselben Person konfrontiert, mit der er auch schon im Frühjahr aneinandergeraten war. Er vermag aus heutiger Sicht nicht sicher zu sagen, ob zwischen dem Zeugen … einerseits und dem auffälligen Freier, dem er im Frühjahr begegnet war, Personenidentität besteht. Am 27.11.2020 ging er wegen des vergleichbaren Äußeren und des Vorgehens des Zeugen … wie es ihm die Angeklagte … beschrieben hatte, fest davon aus.
Der Klarstellung wegen weist der Angeklagte … die Behauptung des Zeugen … zurück, er habe eine Schusswaffe oder einen Gegenstand, der einer Schusswaffe zum Verwechseln ähnlich sieht, mit sich geführt. Dies war nicht der Fall.
Der Angeklagte … wählte den Weg der Selbsthilfe, weil er wusste, dass die Angeklagte … der verbotenen Prostitution nachging und er sie, zumal in Anbetracht der Kontaktbeschränkungen und Dienstleistungsverbote während der Covid-19-Pandemie, vor einem ungewollten Offenbaren ihrer illegalen Tätigkeit schützen wollte. Heute weiß der Angeklagte … dass das Herbeirufen der Polizei die bessere Handlungsalternative gewesen wäre.“
bb) Einlassung der Angeklagten …
51
Die Zeugin … gab an, dass die Angeklagte … im Rahmen ihrer Vernehmung keine Angaben machte. Außerhalb der Vernehmung sagte die Angeklagte … jedoch, dass sie mit der ganzen Sache nichts zu tun habe.
52
Im Rahmen der Hauptverhandlung gab die Angeklagte … an, dass der Geschädigte H2. zu ihr in die Wohnung gekommen sei. Sie habe ihm ihre Preise erklärt. Für die Inanspruchnahme der Angeklagten… für sexuelle Dienstleistungen für 30 Minuten verlange sie 100 €, für eine Stunde 150 €. Der Geschädigte … habe sodann 30 Minuten gewählt und ihr 100 € gegeben. Dieses Geld habe sie auf einem Tisch unter ihrem Nachthemd platziert. Sie habe sodann begonnen, den Geschädigten … für die Dauer von ca. 7-8 Minuten oral zu befriedigen. Anschließend habe sie zu ihm gesagt, er solle ihre Dienstleistungen lieber auf eine ganze Stunde ausweiten. Hiermit sei er einverstanden gewesen und habe ihr weitere 50 € gegeben. Auch diesen Geldschein habe sie auf den Tisch unter ihr Nachthemd gelegt. Daraufhin fuhr sie mit dem Oralverkehr an ihm weiter fort. Als sie ihm ein Kondom übergestreift habe, habe der Geschädigte … gesagt, er wolle keinen Geschlechtsverkehr mit Kondom, da er auf diese Weise nicht zum Samenerguss komme. Er habe ihr mit bittenden Händen zu verstehen gegeben, dass er wolle, dass er das Kondom abnehmen dürfe. Sie habe dem Geschädigten … daraufhin mit den Worten „no come inside“, „come inside service fertig“, „ohne eine Stunde Service“ und „ohne Gummi service no eine Stunde“ erklärt, dass er seinen Samenerguss nicht in ihr haben dürfe. Sollte er dennoch in ihr ejakulieren, wäre das Treffen sofort beendet und die vereinbarte Zeit spiele keine Rolle mehr.
53
Daraufhin hätten die Angeklagte … und der Geschädigte … Vaginalverkehr gehabt. Entgegen dieser Absprache hätte er dennoch in ihr ejakuliert. Sie habe sich daraufhin gewaschen. Ihren Ärger darüber, dass der Geschädigte … entgegen der Absprache in ihr ejakuliert habe, habe sie nicht zum Ausdruck gebracht.
54
Als sie aus dem Badezimmer zurückgekommen sei, sei er weiter nackt dagesessen und habe keine Anstalten gemacht, zu gehen. Die Angeklagte … habe nicht gewollt, dass alles eskaliere. Aus diesem Grund habe sie dem Geschädigten … angeboten, ihn weiter zu massieren. Er habe jedoch darauf bestanden, im Rahmen der restlichen Zeit der gebuchten Stunde weiter Geschlechtsverkehr ohne Kondom mit ihr auszuüben.
55
Die Angeklagte … erläuterte weiter, dass sie dem Geschädigten von Anfang an erklärt habe, dass sobald er seinen Samenerguss in ihr habe, das Treffen beendet sei und die gebuchte Zeit hierbei keine Rolle mehr spiele.
56
Die Angeklagte … führte weiter aus, sie habe dem Geschädigten … angeboten, ihm 50 € zurückzugeben, damit er die Wohnung verlasse. Sie hätte das Treffen so schnell wie möglich beenden wollen. Das Gespräch sei zu diesem Zeitpunkt noch friedlich und freundlich gewesen. Ein Streit habe nicht bestanden. Die Angeklagte … habe unter ihr Nachthemd gegriffen, um das Geld herauszunehmen und ihm teilweise zurückzugeben. Er habe jedoch das gesamte Geld unter dem Nachthemd weggenommen.
57
Obwohl sie keine Absicht gehabt habe, die Polizei zu rufen, da sie weder die Telefonnummer der Polizei wusste noch das Geschehen weiter aufbauschen wollte, drohte sie dem Geschädigten … sie werde die Polizei rufen. Stattdessen rief sie jedoch den Angeklagten … an. Hierbei habe sie erklärt: „take all my money“. Anschließend sei sie zur Tür gegangen und habe diese abgesperrt, wie es ihr der Angeklagte … gesagt habe.
58
Der Geschädigte … habe die Angeklagte … sodann an ihren Schultern gezogen und gedrückt, dass sie fast hinfiel und gegen die Wand prallte. Hierbei seien beinahe ihre Finger eingezwickt worden. Anschließend hätte sie sich in dem gleichen Zimmer wie der Geschädigte … neben dem Spülbecken in der Kochnische gesetzt, während der Geschädigte … auf einem Sofa gesessen sei. Hierbei hätten sie sich die meiste Zeit angeschwiegen. Sie habe damit gerechnet, dass der Geschädigte … weglaufen könnte. Aus diesem Grund habe sie die Tür zugesperrt.
59
Nach ca. 10 Minuten sei der Angeklagte … mittels eines eigenen Schlüssels in die Wohnung gekommen. Die Angeklagte … habe zu dem Angeklagten … gesagt „very bad person“, „take all my money“. Mehr habe sie zu dem Angeklagten … nicht gesagt, dass sie sich nicht so gut in Fremdsprachen artikulieren konnte. Sie habe ihre Aussage auf das Geld, das auf dem Tisch gelegen hatte, bezogen.
60
Die Angeklagte … habe nicht gewusst, dass der Angeklagte … Pfefferspray dabeihabe. Der Angeklagte … sei mit dem Pfefferspray direkt auf den Geschädigten … zugegangen und habe auf diesen gesprüht. Dies sei für sie plötzlich und unerwartet gewesen. Auf für sie nicht mehr nachvollziehbare Weise sei der Geschädigte … schließlich auf dem Boden gewesen. Eventuell habe der Geschädigte … versucht von dem Sofa aufzustehen und sei über die auf dem Boden befindliche Matratze gestolpert.
61
Der Angeklagte … sei mit dem Rücken zu ihr gestanden und habe ihr die Sicht auf den Geschädigten … der von kleinerer Statur als der Angeklagte … erwartet, verdeckt. Das Geschehen sei so schnell passiert, dass sie nicht verstanden habe, was passiert sei. Schläge seitens des Angeklagten … gegen den Geschädigten … habe sie nicht gesehen. Den Nasenbeinbruch des Geschädigten … konnte die Angeklagte … nicht erklären.
62
Schließlich habe der Geschädigte … geäußert: „Hör auf mit dem Spray, ich gebe dir das Geld.“ Erst in diesem Moment habe die Angeklagte … verstanden, dass es Pfefferspray gewesen ist, womit der Angeklagte … auf den Geschädigten … gesprüht habe.
63
Der Angeklagte … habe den Geschädigten … nach Geld gefragt. Der Geschädigte … habe hierauf geantwortet, es sei in seiner Hosentasche.
64
Sie selbst habe den Geschädigten nicht geschlagen. Sie habe lediglich das Geld aus seiner Hosentasche geholt. Er hätte 150 € Bargeld lose in seiner Hosentasche gehabt.
65
Der Geschädigte sei auf der Matratze auf dem Boden gelegen. Nachdem der Angeklagte … zu dem Geschädigten … geäußert habe „Geh so schnell wie möglich“ und versucht habe, den Geschädigten … aufzurichten, habe sie mit ihrem Fuß die Matratze angehoben, um dem Geschädigten … das Aufstehen zu erleichtern. Selbst geschlagen oder getreten habe sie den Geschädigten nicht.
66
Die Angeklagte … gab weiter an, dass sie sich selbst für die eigentliche Geschädigte halte. Sie habe dem Geschädigten … gegeben, was er haben wollte. Er jedoch habe sich das Geld zurückgenommen und eine Anzeige erstattet. Den Geschädigten … bezeichnete die Angeklagte als „schlecht“ und „bösen Menschen“. Sie habe ihm nicht erlaubt, Geld von ihrem Tisch wieder wegzunehmen.“
(1) Angaben gegenüber dem Erstzugriffsbeamten …
67
Der Zeuge … sagte aus, er sei als Erstzugriffbeamter am 27.11.2020 gegen 23:45 Uhr an den Tatort gerufen worden. Auf dem Gehweg gegenüber des Anwesens … in München habe der Zeuge … gelegen und ihm gegenüber angegeben, er habe ein Treffen mit der Prostituierten … gehabt. Hierbei sei es zu Unstimmigkeiten mit der Prostituierten hinsichtlich der Bezahlung und/oder der sexuellen Handlungen gekommen. Frau … habe eine männliche Person hinzugezogen. Anschließend habe der Mann Pfefferspray ins Gesicht des Zeugen … gesprüht. Es seien ihm mehrere Schläge ins Gesicht versetzt und sein Geldbeutel sei weggenommen worden. Zudem habe der Zeuge … eine Videoaufnahme gefertigt. Der Zeuge … habe ihm gegenüber angegeben, er habe ursprünglich 250 € bar mitgeführt.
(2) polizeiliche Vernehmung vom 28.11.2020 02:14 Uhr
68
Die Zeugin … als Vernehmungsbeamtin der ersten kriminalpolizeilichen Vernehmung am 28.11.2020 ab 02:14 Uhr sagte aus, der Zeuge … habe ihr gegenüber nach Belehrung angegeben, er im Internet eine Prostituierte gesehen und mit ihr ein Treffen vereinbart habe. Er sei sodann zu ihr gegangen. Der Zeuge … habe von sich aus angegeben, dass die Dame, die er in der Wohnung angetroffen habe, nicht dieselbe gewesen sei, deren Bild er im Internet gesehen habe. Er habe 150 € für eine Stunde sexueller Dienstleistungen bezahlt.
69
Der Zeuge … habe angegeben, dass er mit der Prostituierten ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt habe. Er sei auf dem Rücken gelegen und die Frau habe sich so schnell auf ihn draufgesetzt, dass er nicht habe machen können. Nachdem der Zeuge … zum Samenerguss gekommen sei, sei es mit der Prostituierten zu Streit um die Bezahlung gekommen. Er hätte der Prostituierten vorgeschlagen, dass sie den vereinbarten Dirnenlohn teilen und er 75 € wieder zurückbekomme. Dies habe die Prostituierte erst nicht gewollt und den Geschädigten weiter dazu aufgefordert, die Wohnung zu verlassen. Sodann habe die Prostituierte vorgeschlagen, dass er sich 100 € von dem Geld zurücknehmen könne und sie selbst 50 € behalte. Mit diesem Vorschlag sei der Geschädigte einverstanden gewesen und habe sich angezogen. Die Prostituierte jedoch habe die Tür abgesperrt.
70
Es sei ein Mann mittels eines eigenen Schlüssels in die Wohnung hinzugekommen. Dieser habe sich als Zuhälter der Prostituierten dem Zeugen … vorgestellt. Der Zeuge … habe angegeben, er sei ursprünglich auf einem Sofa gesessen. Als er bei dem hinzugerufenen Mann eine Waffe gesehen habe, habe er eine Videoaufnahme mit seinem Smartphone gestartet und sei aufgestanden. Der Mann sei auf ihn zugekommen und habe, ohne mit ihm zu sprechen, sofort mit irgendeinem Spray in seine Augen gesprüht. Danach habe die Geschädigte überhaupt nichts mehr sehen können und hatte große Schmerzen in den Augen. Es habe gebrannt wie Feuer. Er habe versucht mit seinem Armen seinen Kopf zu schützen und sei mit Fäusten geschlagen worden, u.a. habe er einen Faustschlag auf die Nase, vermutlich durch den Mann, versetzt bekommen. Wie viele Schläge er bekommen habe, habe er nicht sagen können. Es seien jedenfalls viele gewesen.
71
Der Zeuge … sei von dem Mann am Arm gepackt zu Boden gebracht worden. Auch am Boden sei er noch von beiden geschlagen worden. Er habe zwar nichts gesehen, aber er habe gespürt, dass er mit vier Händen geschlagen worden sei. Hieraus schlussfolgere er, dass es nur so gewesen sein könne, dass die Frau ebenfalls mitgeschlagen habe.
72
Sie hätten auch seinen Geldbeutel aus der rechten Gesäßtasche seiner Hose gezogen. In welcher Position genau der Zeuge … „am Boden“ gewesen sei, habe sie nicht erfragt, jedoch selbst hineininterpretiert, dass der Zeuge am Boden gelegen habe müsse. Sie habe jedoch nicht in Erinnerung, dass er explizit gesagt habe, dass er „auf dem Bauch gelegen sei“. Der Zeuge … habe weiter angegeben, er habe ursprünglich 260 € dabeigehabt und habe zum Zeitpunkt der polizeilichen Vernehmung, nur noch 60 €. Folglich fehlten ihm 200 €.
73
Die Täter hätten ihn dann auch auf dem Boden liegend „am Krawattl“, an der Rückseite von seiner Kleidung im Nacken gepackt und aus der Türe hinausgeworfen. Auf der Straße habe er die Polizei angerufen.
74
Als ihn die Täter bereits aus dem Zimmer hinausgeworfen hätten, hätte er nach seinem Mobiltelefon und seinem Geldbeutel getastet. Beides sei ihm gegeben worden.
(3) kriminalpolizeiliche Vernehmung am 09.12.2020 10:44 Uhr
75
Der Vernehmungsbeamte der kriminalpolizeilichen Vernehmung vom 09.12.2020 … gab an, der habe mit dem Geschädigten … eine Wahllichtbildvorlage, bei der er die Festgenommene … nicht erkannt habe, gemacht und anschließend eine kurze Vernehmung. Der Zeuge … habe angegeben, er sei ruhig in der Wohnung auf dem Sofa gesessen. Als der Geschädigte gesehen habe, dass der Mann zur Tür hereinkam, sei er aufgestanden und habe er mit seinem Handy gefilmt. Sodann habe der Mann auf ihn mit Pfefferspray in sein Gesicht gesprüht. Das Pfefferspray habe sofort in seinem Gesicht geschmerzt. Der Geschädigte habe versucht, sich zu schützen, indem er beide Unterarme an den Kopf gelegt habe. Sodann habe der Geschädigte gemerkt, dass er von überall Schläge bekomme. Es seien viele Schläge auf den Hinterkopf des Geschädigten und einer von vorne gewesen. Erst habe er gedacht, der Schlag sei auf die Stirn erfolgt, doch später sei seine Nase gebrochen gewesen. Der Geschädigte habe die Vermutung geäußert, dass der Schlag auf die Nase von dem Mann gekommen sei, da es nicht so schlimme Folgen gehabt hätte, wenn die Frau geschlagen hätte. Anschließend habe der Mann die Hand des Geschädigten genommen und auf den Rücken gedreht, so wie wenn man festgenommen werde. Er habe ihn mit der anderen Hand den Geschädigten im Nacken gepackt und in Richtung Boden befördert. Der Mann habe ihn mit zwei Händen, einer am Arm und einer im Nacken, festgehalten. Sodann seien die Hosentaschen des Zeugen … durchsucht worden. Jemand, der Geschädigte habe erneut den Mann vermutet, weil er kräftig angepackt worden sei, habe den Zeugen … am Rücken an der Bekleidung von hinten vom Boden hochgezogen und vor die Wohnungstür verbracht. Dort habe er gemerkt, dass sein Handy und sein Geldbeutel nicht in seiner Hosentasche war und bat darum, dass ihm beides ausgehändigt werde. Einer der beiden Täter, er habe aufgrund des Pfeffersprays in seinen Augen nicht gesehen wer, habe ihm sodann beides übergeben.
76
Auf nochmalige Nachfrage des Vernehmungsbeamten habe der Geschädigte angegeben, dass er an dem Tag 260 € dabeigehabt habe. Auch im Krankenwagen am Tattag am Tatort habe der Geschädigte bereits der Polizei gegenüber angegeben, dass er 260 € dabeigehabt habe. Die Polizei habe sodann nachgesehen und gesagt, dass er noch 60 € im Geldbeutel habe. Der Geschädigte habe die Vermutung geäußert, dass die Täter nur auf eine Seite des Geldbeutels gegriffen und die 200 € genommen hätten. Auf nochmalige Nachfrage habe der Geschädigte angegeben, dass er die 100 €, die er sich im Einverständnis mit der Angeklagten … wieder vom Tisch genommen habe, zurück in den Geldbeutel gesteckt habe.
(3) Aussage in der Hauptverhandlung
77
Im Rahmen der Hauptverhandlung gab der Geschädigte … an, er habe eine Dame im Internet auf einer Plattform, auf der sich Prostituierte ihren Freiern anbieten, kennengelernt. Sie habe ihm eine Uhrzeit und eine Adresse für ein Treffen genannt. Weiter habe die Prostituierte ihn dazu aufgefordert, dass er ihr ein Foto von sich schicke. Er wollte ihr jedoch nicht ein Foto von sich selbst schicken und schickte ihr deswegen ein Foto von irgendeinem anderen Mann.
78
Er sei sodann zur genannten Uhrzeit zu dem Treffpunkt hingegangen. Sie habe ihm ein Foto von ihrer Etage und ihrer Tür geschickt. Er habe daraufhin an der Haustür geklingelt und sei zur Wohnung hinaufgegangen. Die Prostituierte habe die Tür geöffnet. Sie habe weder richtig Deutsch noch Englisch sprechen können. Auch er selbst könne nur ein paar Wörter auf Englisch. Die beiden hätten in einer Mischung aus gebrochenem Deutsch und gebrochenem Englisch miteinander kommuniziert.
79
Er habe 150 € für eine Stunde sexuelle Dienstleistungen bezahlt. Die 150 €, die er ihr zu Beginn gegeben habe, habe sie auf einen Tisch gelegt. Nach ca. 10 Minuten sei er bereits fertig gewesen und sie habe ihn aus der Wohnung werfen wollen. Er habe auf einer ganzen Stunde bestanden und vorgeschlagen, sie könne ihn in der verbleibenden Zeit noch massieren. Als die Angeklagte dies abermals abgelehnt habe, sei er damit einverstanden gewesen, die Wohnung zu verlassen, habe jedoch den Vorschlag unterbreitet, die gezahlten 150 € zu halbieren. Schließlich habe die Angeklagte gesagt, der Geschädigte könne 100 € behalten und sie behalte 50 €. Hiermit sei der Geschädigte einverstanden gewesen und habe sich angezogen. Die Angeklagte habe sodann die Tür zugesperrt, damit er nicht rausgehen könne. In diesem Moment habe er verstanden, dass die Angeklagte … das Angebot, er könne sich 100 € nehmen, nicht ernst gemeint, sondern nur gemacht habe, um telefonieren zu können, während er sich ankleidete. Er habe daraufhin gesagt, dass er keinen Ärger wolle, sondern gehen wolle. Sie habe auf diese Bitte nicht reagiert und stattdessen telefoniert. Nach ca. 7-8 Minuten sei ein Mann, den die Angeklagte … mal als ihren Freund, mal als ihren Chef bezeichnet habe, hinzugekommen. Der Geschädigte habe Angst bekommen und habe aus diesem Grund sein Handy aus der Hosentasche gezogen als er gehört habe, dass die Wohnungstür geöffnet wurde. Der Angeklagte … soll sodann zu ihm ins Zimmer gekommen. Zunächst habe er gedacht, dass der Angeklagte … vielleicht Polizist sei, da der Geschädigte … bei dem Angeklagten … an der Seite hinten etwas gesehen habe, was einem Pistolengriff ähnlich sah. Der Geschädigte habe sein Mobiltelefon in der Hand gehalten und eine Videoaufzeichnung gestartet. Für die Dauer von ca. ein bis 2 Sekunden hätten der Angeklagte … und die Angeklagte … miteinander gesprochen. Ohne eine Diskussion oder einen Dialog sei sodann der Angeklagte … zu ihm gekommen und habe mit Pfefferspray gesprüht. Sofort habe der Geschädigte Schmerzen in den Augen gespürt und gesagt: „Bitte Stopp“. Der Geschädigte habe seine Hände vors Gesicht gehalten und Faustschläge auf das Gesicht gespürt. Der Geschädigte habe seinen Kopf zur Seite gedreht, sodass der Faustschlag ihn zwischen Nase und Auge getroffen habe. Er habe versucht seinen Kopf zu schützen und starke Schmerzen gespürt. Sodann habe der Angeklagte … eine Hand des Geschädigten auf den Rücken gezogen und mit der anderen Hand auf den Nacken des Geschädigten gedrückt. Zeitgleich habe er mehrere Faustschläge auf den Kopf gespürt. Der Geschädigte habe weiter versucht, seinen Kopf zu schützen. Er habe sodann noch weitere Faustschläge auf seinen Körper gespürt. Zeitgleich mit den Schlägen habe jemand versucht, ihm den Geldbeutel aus der Hosentasche zu ziehen. Hierbei sei sein Geldbeutel zerrissen.
80
Anschließend habe der Angeklagte … ihn an seiner Bekleidung gepackt und ihn aus der Wohnung geschmissen. Vor der Wohnungstür habe der Geschädigte … nach seinem Geldbeutel getastet und gespürt, dass dieser nicht da sei. Seine Augen habe er nicht öffnen können. Jemand habe ihm vor der Wohnungstür sein Handy und seinen Geldbeutel in die Hand gedrückt. Sodann habe er an den anderen Wohnungstüren geklopft, es habe ihm jedoch niemand geöffnet. Er habe sich sodann an der Wand entlang getastet und sei die Treppen hinunter gegangen. Auf der Straße habe er schließlich versucht, die Polizei anzurufen. Nachdem ihm so sehr die Augen tränten, konnte er jedoch nicht sehen, welche Nummern er in sein Mobiltelefon eintippte. Sodann habe er eine Passantin gebeten, für ihn die Polizei zu rufen.
81
Er habe große Schmerzen von dem Pfefferspray in den Augen verspürt. Weiter sei seine Nase gebrochen. Aus diesem Grund bekomme er auf einer Seite immer noch keine Luft. Seitlich neben der Nase habe er immer noch schwarz-bläuliche Verfärbungen. Insbesondere auf der rechten Gesichtshälfte seien die Streifen dicker und dunkler zu erkennen. Nach Auskunft seines Arztes werde dies ca. 4-5 Jahre bleiben. Eventuell habe er diese Verfärbungen jedoch auch für den Rest seines Lebens. Zudem sei seine Nase noch schief. Es sei ihm gleich im Krankenhaus eine operative Versorgung empfohlen worden und er habe einen Operationstermin für die Folgewoche bekommen. Zu dieser Operation sei er jedoch schlicht nicht hingegangen, da er noch erhebliche Schmerzen in den Augen infolge des Pfeffersprays und an der Nase gehabt habe. Er wolle die Operation erst machen lassen, wenn die Schmerzen in den Augen verheilt seien. Dies sei mittlerweile der Fall und der Geschädigte warte auf einen neuen Operationstermin.
82
Auf nochmalige Nachfrage des Gerichts, ob der Geschädigte zu der Angeklagten … gesagt habe, dass sie die Türe wieder aufsperren solle, bejahte er dies. Er habe sehr oft gesagt, dass sie die Türe wieder aufsperren solle und er gehen wolle.
83
Auf weitere Nachfrage, ob er die 100 €, die er sich von dem Tisch wieder genommen habe, wieder in seinen Geldbeutel gesteckt habe, bejahte der Geschädigte dies.
84
Der Geschädigte gab an, er habe 210 € ursprünglich dabeigehabt. 50 € habe er auf dem Tisch für die sexuellen Dienstleistungen liegen lassen. Weitere 100 €, die er zwischenzeitlich ebenfalls auf den Tisch gelegt hatte, hatte er wieder eingesteckt. Am Ende habe er nur noch 10 € oder 20 € im Geldbeutel gehabt. Folglich seien ihm 150 € weggenommen worden.
85
Auf Vorhalt seiner Angaben im Rahmen der ersten polizeilichen Vernehmung gab der Geschädigte an, dass es dann doch ursprünglich 260 € gewesen sein müssten. Bei seiner ersten Vernehmung habe er eine gute Erinnerung gehabt. Nach seiner heutigen Erinnerung habe er jedoch nur noch 10 € im Geldbeutel gehabt.
86
Auf detailliertere Nachfrage der Kammer, ob der Geschädigte auf dem Boden gelegen habe, verneinte dies der Angeklagte. Er gab an, er sei zunächst in eine Haltung gebracht worden, bei dem er mit einem oder zwei Knien auf dem Boden gewesen sei. Später sei er mit angewinkelten Beinen auf dem Hosenboden gesessen.
87
Weiter gab der Geschädigte … an, er habe vier oder fünf Faustschläge auf den Kopf verspürt. Der Angeklagte … habe währenddessen seine Hand losgelassen.
88
Auf Nachfrage der Kammer gab der Geschädigte … an, er habe 150 € für eine Stunde bezahlt. Darüber, ob der Geschlechtsverkehr mit oder ohne Kondom stattfinden solle, sei nicht geredet worden. Die Angeklagte … habe sich ohne ein Kondom zu verwenden auf ihn draufgesetzt, er habe auf dem Rücken auf dem Bett gelegen. Auch darüber, ob der Geschädigte … seinen Samenerguss in der Angeklagten … haben durfte oder nicht, sei nicht geredet worden. Auf Vorhalt der Einlassung der Angeklagten … sie habe „no come inside“ geäußert, gab der Geschädigte … an, dies sei ihm nicht erinnerlich.
89
Er sei nicht mit der Nase auf einen Gegenstand gefallen, sondern der Nasenbeinbruch resultiere sicher aus einem Faustschlag gegen die Nase.
90
Auf Nachfrage, ob es vor dem Vaginalverkehr zu Oralverkehr gekommen sei, bestätigte der Geschädigte dies.
91
Der Geschädigte … gab weiter an, er habe die Videoaufnahme ca. eine Sekunde, nachdem der Angeklagte … die Wohnung betreten habe, gestartet. Als der Geschädigte die ersten Schläge bekam, sei das Handy zu Boden gefallen. Bis zu dem Moment, als der Angeklagte … die Wohnung betrat, sei der Geschädigte … gesessen. Sodann sei er aufgestanden und stehen geblieben.
92
Auf Nachfrage der Verteidigung gab der Angeklagte an, dass die polizeiliche Vernehmung ohne Dolmetscher erfolgt sei. Er habe zwar die Vernehmungsniederschrift zur Unterschrift vorgelegt bekommen und die Niederschrift grob überflogen. Er habe sie jedoch nicht 100-prozentig sicher verstanden.
93
Sein Wohnungsschlüssel sei in der Wohnung der Angeklagten … zurückgeblieben. Er habe die Nacht schließlich bei einem seiner Brüder verbracht und fortan den Zweitschlüssel für seine Wohnung benutzt.
94
Auf den Vorhalt der Niederschrift der ersten polizeilichen Vernehmung, wonach der Geschädigte auf dem Bauch gelegen habe, gab der Geschädigte … an, dies müsse ein Missverständnis gewesen sein. Auf dem Boden oder dem Bauch habe er nie gelegen.
95
Auf nochmalige Nachfrage der Verteidigung gab der Geschädigte … an, er habe nicht in der Angeklagten … ejakuliert, sondern auf ein Papiertaschentuch.
96
Der Geschädigte … sei auch mit „Arschloch“ beschimpft worden.
97
Als der Geschädigte … eingesperrt worden sei, habe er nicht die Polizei gerufen, weil er dachte, dass nun der Chef der Prostituierten komme und er mit diesem reden könne. Der Geschädigte … wollte die Angelegenheit nicht weiter aufbauschen. Als der Angeklagte … schließlich die Wohnung betrat, hatte der Geschädigte … ein mulmiges Gefühl. Zur Sicherheit habe er ein Handyvideo als Beweis gemacht.
98
Der als Erstzugriffsbeamter eingesetzte Zeuge … gab an, er habe auf dem Gehweg gegenüber des Anwesens … den Geschädigten auf dem Boden liegend aufgefunden. Seine Augen seien extrem gerötet gewesen, der Geschädigte habe fast nichts gesehen und sei offensichtlich mit Pfefferspray attackiert worden. Weiter habe er aus der Nase geblutet. Als der Geschädigte auf dem Gehweg gesessen habe, habe er gezittert und geweint. Er habe mit zittriger Stimme gesprochen und es sei fast nichts aus ihm herauszubringen gewesen. Der Geschädigte habe offensichtlich unter Schock gestanden und nur schlecht deutsch gesprochen. Der Geschädigte habe angegeben, dass er 250 € bar dabeigehabt habe. Auf Frage, wie viel Geld er jetzt noch bei sich habe, habe der Zeuge … dem Zeuge … seinen Geldbeutel überreicht, damit dieser nachsehen könne, da der Zeuge … aufgrund des Pfeffersprays in den Augen nichts habe sehen können. 60 € seien seitens … im Geldbeutel aufgefunden worden. Eine Erinnerung daran, ob der Geldbeutel des Geschädigten beschädigt gewesen sei, habe der Zeuge … nicht mehr.
99
Der Geschädigte sei zunächst durch den Rettungsdienst erstversorgt und anschließend ins Krankenhaus Schwabing verbracht worden. Anschließend sei der Geschädigte an den Kriminaldauerdienst übergeben worden.
100
Die als Zeugin vernommene Vernehmungsbeamtin der ersten kriminalpolizeilichen Vernehmung, …, sagte aus, der Geschädigte sei der deutschen Sprache einigermaßen gut mächtig gewesen, habe strukturiert erzählt und einen eingeschüchterten, peinlich berührten Eindruck gemacht. Blickkontakt zu ihr habe der Zeuge … vermieden. Widersprüche in der Vernehmung habe die Zeugin nicht in Erinnerung. Die Geschichte habe sie als nachvollziehbar empfunden. Auch bei Nachfragen sei der Geschädigte bei seinen Angaben geblieben.
101
Der Geschädigte habe über Kopfschmerzen und Schmerzen Gesicht geklagt. Weiter habe er gerötete Augen gehabt. Nachdem der Geschädigte angegeben habe, drei Stunden vor dem Vorfall Alkohol getrunken zu habe, sei auf freiwilliger Basis ein Atemalkoholtest bei dem Geschädigten durchgeführt worden. Dieser habe ein Ergebnis von 0,0 mg/l erbracht. Der Geschädigte habe auch einen nüchternen Eindruck gemacht.
102
Die Tatsache, dass der Geschädigte angegeben habe ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, habe der Geschädigte nicht in seiner Vernehmungsniederschrift stehen haben wollen. Aus diesem Grund habe die Zeugin diesen Umstand lediglich in ihrem Ermittlungsbericht vermerkt.
103
Auf Nachfrage gab die Zeugin an, dass es ihre Interpretation der Geschichte gewesen sei, dass der Geschädigte am Boden gelegen habe. Sie habe jedoch nicht in Erinnerung, dass der Geschädigte explizit gesagt habe, dass er gelegen sei.
104
Der Zeuge … gab an, er habe mit dem Geschädigten … eine Wahllichtbildvorlage gemacht. Hierunter sei ein Lichtbild der bei der Durchsuchung am Tatort … festgestellten Prostituierten … gewesen. Der Geschädigte … habe keine der gezeigten weiblichen Personen als die weibliche Täterin identifizieren können.
105
Der als Scheinfreier eingesetzte Zeuge … sagte aus, sein Kollege …abe Chat-Kontakt zur Angeklagten … aufgenommen. Bereits in dem Chatverkehr habe die Angeklagte … zum Ausdruck gebracht, dass 30 Minuten sexuelle Dienstleistungen 100 € und 60 Minuten 150 € kosten.
106
Der Zeuge …, gab an, er habe ein Lichtbild, das aus dem Handyvideo, das der Zeuge … gemacht habe, im Kollegenkreis herumgezeigt. … habe daraufhin den amtsbekannten Angeklagten … auf dem Lichtbild erkannt. In der Folge sei ein Haftbefehl für den Angeklagten … erwirkt und dieser festgenommen worden.
107
Die Beamten hätten erst die bei der Durchsuchung in der Tatortwohnung in der … festgestellte Prostituierte … für die weibliche Mittäterin gehalten. Der Geschädigte habe in der Wahllichtbildvorlage die festgenommene … jedoch nicht als Täterin identifiziert können.
108
… sagte weiter aus, dass seitens der Staatsanwaltschaft die Mitteilung eingegangen sei, dass der Angeklagte … in seiner Haftbefehlseröffnung Angaben zur weiblichen Mittäterin gemacht habe. Aufgrund dieser Angaben habe die Angeklagte … festgenommen werden können. … äußerte die Vermutung, dass ohne den Hinweis des Angeklagten … die Angeklagte … vermutlich nicht zu ermitteln gewesen wäre. Im Rahmen einer Wahllichtbildvorlage habe der Geschädigte … die Angeklagte … eindeutig wiedererkannt. Es sei nicht zu ermitteln gewesen, seit wann die Angeklagte … unter dem Namen … in Deutschland arbeite.
109
Die Zeugin … gab an, die Adresse … in München liege innerhalb des Sperrbezirks. Der Angeklagte … sei nach seiner Festnahme ruhig und kooperativ gewesen. Im Rahmen seiner Haftbefehlseröffnung habe der Angeklagte … Hinweise auf die Angeklagte … geäußert. Vermutlich hätte ohne die Angaben des Angeklagten … die Angeklagte … nicht ermittelt werden können. Im Rahmen der Durchsuchung im Zimmer der Angeklagten … habe der rot-schwarzkarierte Rock, den sie ausweislich der Videoaufzeichnung bei Tatbegehung trug, sichergestellt werden können.
110
Ausweislich der Lichtbilder Bl. 29 Rückseite bis Bl. 30 Rückseite d.A. stand an der Wohnungstür des Appartements … der Name ….
111
Der in Augenschein genommene rot-schwarzkarierte Rock, der bei der Durchsuchung bei der Angeklagten … sichergestellt wurde, ist augenscheinlich mit dem Rock den die Angeklagte … ausweislich der Videoaufzeichnung des Geschädigten … bei der Tat trug, identisch.
112
Auf den Lichtbilder Bl. 23 Rückseite bis Bl. 25 d.A. ist der Geschädigte … mit Verletzungen im Gesichtsbereich in einer verschmutzten Jacke mit Blutflecken zu sehen.
113
Die in Augenschein genommene Videoaufzeichnung dauerte 15 Sekunden. Der Angeklagte … ist darauf im Flur der Wohnung zu hören und zu sehen. Die Angeklagte … spricht in einer Mischung aus gebrochenem Englisch und Deutsch, wobei lediglich „my money“, „Da ist er“, „latex“, „ficken ohne Gummi“ sowie „pay pay, no problem“ verständlich sind. Der Angeklagte … dagegen sagt außer zur Angeklagten … „Da bist du ja“ nichts, sondern holt aus seiner Jackentasche einen kleinen länglich-runden Gegenstand, auf dessen obere Seite er seinen Zeigefinger legt und die Hand sodann in Richtung der Kamera des Mobiltelefons bewegt. Sodann stoppt die Videoaufzeichnung.
d) Prüfung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Geschädigten …
114
Für die Entscheidung der Schuldfrage war ausschlaggebend, ob die Aussage des Geschädigten … als einzigem unmittelbaren Tatzeugen glaubhaft ist. Nachdem es sich bei dem Nebenkläger um den einzigen unmittelbaren Belastungszeugen handelt, wurde seine Aussage einer umfassenden Glaubhaftigkeitsprüfung unterzogen. Die Kammer ginge hierbei von der Annahme aus, dass die die Angeklagten belastende Aussage des Nebenklägers unwahr sein könnte (sog. Nullhypothese - BGH, Urteil vom 30. Juli 1999, 1 StR 618/98, Rn. 12 ff.).
115
Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Aussagetüchtigkeit des Geschädigten … eingeschränkt sein könnte. Umstände, die Einfluss auf die Wahrnehmungsfähigkeit des Zeugen gehabt haben könnten, liegen nicht vor. Es bestehen keine Zweifel, dass er in der Lage ist, Erlebtes von anders generierten Vorstellungen zu unterscheiden. Anhaltspunkte für eine erhebliche alkohol- oder drogenbedingte Intoxikation lagen nicht vor.
116
Der Geschädigte … hat unmittelbar nach der Tat noch in unmittelbarer Tatortnähe,nämlich auf dem Gehweg gegenüber des Anwesens … mithilfe einer Passantin die Polizei gerufen. Noch vor Ort hat er erste Einzelheiten des Tatgeschehens genannt. Bei seiner Vernehmung nur wenige Stunden nach der Tat war ausweislich eines freiwillig durchgeführten Atemalkoholtests keinerlei Alkoholisierung bei dem Geschädigten festzustellen.
(1) Übereinstimmung mit den Angaben der Angeklagten …
117
Die Angaben des Zeugen … finden in den Angaben der Angeklagten … ihre Bestätigung, soweit folgende Themenbereich betroffen sind: Anbahnung des persönlichen Kontakts via Internet, Oralverkehr, ungeschützter Vaginalverkehr, Diskussion um den weiteren Verbleib des Zeugen … in der Wohnung der Angeklagten … für die restliche Dauer der gebuchten Stunde (mit Ausnahme des Geldbetrages, der als Erstattung angeboten war), Telefonanruf der Angeklagten … bei dem Angeklagten …, Einsperren des Zeugen …, Eintreffen des Angeklagten … Pfeffersprayeinsatz des Angeklagten … Verbringung des Zeugen … auf den Boden, Wegnahme von Geld durch die Angeklagte … und Verbringen des Zeugen … aus der Wohnung durch den Angeklagten ….
(2) Übereinstimmung mit den Angaben des Angeklagten …
118
Die Angaben des Zeugen …nden in den Angaben des Angeklagten … ihre Bestätigung, soweit folgende Themenbereich betroffen sind: Anruf der Angeklagten … bei dem Angeklagten …, Einsperren des Zeugen …, Eintreffen des Angeklagten … Einsatz von Pfefferspray durch den Angeklagten …, Verbringung des Zeugen … auf den Boden, Wegnahme von Geld durch die Angeklagte … und Verbringen des Zeugen … aus der Wohnung durch den Angeklagten … Aushändigung des Mobiltelefons des Zeugen … vor der Wohnungstür.
119
Die Aussage des Geschädigten … zum Tatvorwurf weist Konstanz auf.
120
Einzelne Merkmale des Kerngeschehens kamen bereits bei der ersten groben Schilderung des Zeugen … gegenüber dem Erstzugriffsbeamten … zur Sprache: Bei einem Treffen des Geschädigten mit einer Prostituierten sei es zu Unstimmigkeiten bezüglich der sexuellen Handlungen bzw. der Bezahlung gekommen. Die Prostituierte habe eine männliche Person hinzugezogen. Diese habe ihn mit Pfefferspray besprüht. Dem Geschädigten sei sein Geldbeutel weggenommen worden und er sei geschlagen worden. Dass die Angaben des Zeugen … gegenüber dem Erstzugriffsbeamten … wenig detailliert waren, ist nicht als Inkonstanz der Aussage des Geschädigten zu werten, sondern dem Umstand geschuldet, dass dem Geschädigten vor Ort stark die Augen brannten und er noch nicht ärztlich versorgt war. Zudem stand er zu diesem Moment auch psychisch stark unter dem Eindruck der Tat. Weiter war … lediglich für die Erstzugriffsmaßnahmen wie etwa der Umstellung des Appartements, nicht aber für eine ausführliche Vernehmung des Geschädigten, noch dazu auf der Straße, eingesetzt.
121
Bei der ersten ausführlichen kriminalpolizeilichen Vernehmung des Zeugen … nur wenige Stunden nach der Tat ergab sich eine Kennzeichnung des Kerngeschehens durch folgende Merkmale: Der Geschädigte bezahlte bei der Prostituierten 150 € für die Inanspruchnahme sexuelle Dienstleistungen für die Dauer einer Stunde. Nach ca. 5 oder 6 Minuten sei er zum Samenerguss gekommen, woraufhin ihn die Prostituierte aus der Wohnung habe werfen wollen. Er jedoch habe die restliche Zeit mit der Prostituierten verbringen wollen. Nach einer kurzen Diskussion habe der Zeuge schließlich eingewilligt, die Wohnung zu verlassen, habe jedoch darauf bestanden, einen Teil des bereits vorab bezahlten Dirnenlohns zurückzuerhalten. Er habe sich mit der Angeklagten … darauf geeinigt, dass er 100 € zurückerhält. Daraufhin habe sie ihn eingesperrt und den Angeklagten … herbeigerufen. Diese seien nach 7 oder 8 Minuten gekommen und habe nachdem er ein kurzes Gespräch mit der Angeklagten … geführt habe, unvermittelt zweifelsfrei auf den Geschädigten gesprüht. Sodann habe er Schläge in das Gesicht bekommen, sei von dem Mann am Arm gepackt und auf den Boden geworfen worden. Dort hätten in beide Angeklagte weiter geschlagen. Es sei ihm in die Hosentaschen gegriffen und Geld weggenommen worden.
122
Wesentliche Abweichungen von dieser Schilderung finden sich auch nicht in der zweiten kriminalpolizeilichen Vernehmung vom 09.12.2020. Hier schilderte der Geschädigte abermals, dass der Mann Pfefferspray in sein Gesicht gesprüht habe, wodurch ihm sofort sein Gesicht geschmerzt habe. Der Geschädigte habe versucht seinen Kopf zu schützen. Er habe viele Schläge auf den Hinterkopf und einen auf die Nase bekommen. Der Mann habe die Hand des Geschädigten genommen und auf den Rücken gedreht. Der Angeklagte … habe ihn mit der Hand in Richtung Boden befördert. Als der Geschädigte am Boden gewesen sei, habe er gemerkt, dass die Frau jetzt auch mitmache. Anschließend habe jemand in seine Hosentaschen gegriffen. Es sei ihm Geld weggenommen worden.
123
Soweit der Geschädigte hinsichtlich des weggenommen Geldbetrages unterschiedliche Angaben machte, stellt dies nicht die Glaubhaftigkeit seiner Aussage insgesamt infrage. Sowohl im Krankenwagen noch in unmittelbarer Nähe zum Tatort als auch in beiden kriminalpolizeilichen Vernehmungen hat der Zeuge … jeweils angegeben, er habe ursprünglich 260 € in seinem Geldbeutel gehabt und nach der Tat nur noch 60 €. Aufgrund dessen ist die Kammer überzeugt davon, dass diese Beträge der Wahrheit entsprechen. Soweit der Zeuge … auf dem Gehweg sitzend gegenüber … angab, er habe ursprünglich 250 € mitgeführt, sich selbst aber noch im Krankenwagen auf 260 € korrigierte, ging die Kammer davon aus, dass der Zeuge …, der zu diesem Zeitpunkt auch noch unter starken Schmerzen, insbesondere in den Augen, erlitt und noch stark unter dem Eindruck der Tat stand, noch einmal nachgerechnet hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, dass er ursprünglich 260 € mitgeführt habe. Soweit der Zeuge … in der Hauptverhandlung angab, er habe ursprünglich 210 € mitgeführt, ist war zu berücksichtigen, dass die Hauptverhandlung vom 28.06.2020 sieben Monate nach der Tat lag. Erinnerungsverluste im Laufe dieser Zeit sind, insbesondere hinsichtlich der Nebensächlichkeit, wie viel Geld ursprünglich in dem Geldbeutel war, angesichts des massiven Tatgeschehens und der erheblichen Tatfolgen menschlich nachvollziehbar.
124
Soweit der Geschädigte im Rahmen der kriminalpolizeilichen Vernehmungen angab, es seien ihm 200 € weggenommen worden, beruht dies auf einer sprachlichen Unschärfe. In den Geldbetrag mit eingerechnet waren die 50 €, die der Geschädigte freiwillig und vereinbarungsgemäß an die Angeklagte … für die sexuellen Dienstleistungen bezahlt hatte. Dies ergibt sich daraus, dass der Zeuge jeweils lediglich den Anfangsbetrag in Höhe von 260 € und den nach der Tat noch im Geldbeutel vorhandenen Betrag in Höhe von 60 € nannte. Mathematisch korrekt ist von dem Differenzbetrag in Höhe von 200 € zur Ermittlung des Beutewertes jedoch noch der Betrag in Höhe von 50 €, der für die sexuellen Dienstleistungen bezahlt wurde, abzuziehen. Diese sprachliche Unschärfe spricht jedoch keineswegs gegen die Aussagekonstanz des Zeugen.
125
Auch die Angaben des Zeugen zur Höhe des nach der Tat noch vorhandenen Restbetrages in der Hauptverhandlung erschüttern die Aussagekonstanz nicht maßgeblich. In den beiden kriminalpolizeilichen Vernehmungen gab der Geschädigte jeweils an, 60 € seien nach der Tat noch seinem Geldbeutel gewesen. Der Umstand, dass der Geschädigte in der Hauptverhandlung angab, es seien nur noch 10 € oder 20 € übrig gewesen, ist dem Erinnerungsverlust dem Zeitablauf geschuldet. Durch die Nachschau von … im Geldbeutel des Zeugen … Geldbeutel und der Aussage von … in der Hauptverhandlung ist gesichert, dass unmittelbar nach der Tat der Geschädigte noch im Besitz von 60 € war.
126
Soweit sich in der Vernehmungsniederschrift der ersten kriminalpolizeilichen Vernehmung findet, der Zeuge habe auf dem Boden auf dem Bauch gelegen habe, dementierte der Geschädigte dies in der Hauptverhandlung. In der zweiten kriminalpolizeilichen Vernehmungsniederschrift findet sich lediglich die Passage „Als ich am Boden habe ich gemerkt (…)“ In dem Satz fehlt offenbar das Verb. Die Vernehmungsniederschrift wurde nach der Aussage des Zeugen diktiert. Ein Dolmetscher war bei dieser Vernehmung nicht anwesend. Auch bei der ersten kriminalpolizeilichen Vernehmung war ein Dolmetscher nicht anwesend. Die Vernehmungsbeamten der ersten Vernehmung, … gab im Rahmen der Hauptverhandlung auch an, es sei ihre Interpretation gewesen, dass der Geschädigte am Boden auf dem Bauch gelegen habe. Sie habe jedoch nicht in Erinnerung, dass der Geschädigte explizit gesagt habe, dass er gelegen sei. Es kann somit nicht als ein entscheidendes Argument gegen die Aussagekonstanz des Zeugen … aufgeführt werden, dass im Protokoll der ersten kriminalpolizeilichen Vernehmung geschrieben steht, der Zeuge habe gesagt, er habe auf dem Bauch auf dem Boden gelegen, während er dies in der Hauptverhandlung dementierte.
127
Die Aussage des Zeugen … ist in sich schlüssig und überwiegend widerspruchsfrei. Es finden sich keine logischen Brüche.
128
Soweit der Zeuge … gegenüber … angab, er sei bei der Prostituierten … gewesen, resultiert dies daraus, dass der Zeuge … den wahren Namen der Angeklagten … nicht kannte, sondern nur den Arbeitsnamen „… wobei die Angeklagte … nicht personenidentisch war mit der Frau, dessen Lichtbild der Zeuge … im Internet gesehen hatte und an der Wohnungstür der Name … stand. Letzteres ist durch die in Augenschein genommenen Lichtbild verifiziert. Der Zeuge … hat somit gegenüber … lediglich den Kenntnisstand, den er hatte, mitgeteilt, nicht aber zunächst eine falsche Person als die weibliche Mittäterin beschuldigt.
129
Die Aussage zeichnet sich durch quantitatives Detailreichtum aus. Ausgehend von zunächst rudimentären Angaben gegenüber dem Erstzugriffsbeamten … war der Zeuge in den kriminalpolizeilichen Vernehmungen in der Lage, seinen Bericht spontan zu ergänzen und zu vertiefen. Auch im Rahmen der Hauptverhandlung konnte der Zeuge weitere Details ergänzen und z.B. seine Haltung, die er am Boden eingenommen hatte, nachspielen und angeben, dass sein Geldbeutel bei der Tat beschädigt worden sei. Der Ablauf des besonders schweren Raubes, die Gefühlslage des Zeugen und die Handlungen der Angeklagten lassen sich anhand seiner Schilderung zwanglos nachvollziehen. Zudem gab der Zeuge … als nebensächliches Detail an, er habe gemeint, bei dem Angeklagten … seitlich an der Hüfte etwas erkannt zu haben, was wie der Griff einer Pistole ausgesehen habe. Weiter gab der Zeuge … an, er habe seinen Wohnungsschlüssel in dem Appartement der Angeklagte … liegen lassen und habe in der Folge erst bei seinem Bruder genächtigt und fortan einen Zweitschlüssel verwendet.
130
Der Kammer ist bewusst, dass die Komplexität des Tatgeschehens als nicht allzu hoch zu bewerten ist. Es würde - wäre es ausgedacht und auswendig gelernt - an die Merkfähigkeit somit keine allzu hohen Anforderungen stellen. Gleichwohl spricht die Erzählweise des Zeugen in hohem Maße für eine erlebnisbasierte Aussage, da der Zeuge auch einzelne Nachfragen, die nicht in chronologischer Reihenfolge gestellt wurden, jeweils inhaltlich konstant erzählte und teilweise um Details ergänzen konnte. Dabei bereitete es ihm weder bei den kriminalpolizeilichen Vernehmungen noch bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung, Schwierigkeiten zwischen Teilaspekten des Raubes gedanklich hin und her zu springen. Trotz sprunghafter Fragen zum Tatgeschehen traten bei dem Zeugen zu keiner Zeit Unsicherheiten bezüglich der Handlungschronologie zutage.
131
Ein weiteres Detail für die Glaubhaftigkeit seiner Angaben ist die Schilderung von Aktionen und Reaktionen: Der Geschädigte äußerte gegenüber der Angeklagten …, er wolle die komplette gebuchte Stunde mit ihr Zeit verbringen - sie bestand jedoch darauf, dass er die Wohnung verlasse. Sodann trat der Geschädigte … in eine Verhandlung mit der Angeklagten … darüber ein, ob er einen Teil des gezahlten Geldes zurückbekomme - die Angeklagte … bot an, dass er sich wieder 100 € nehmen dürfe. Die Angeklagte … sprach nach Eintreffen des Angeklagten … in der Wohnung kurz mit diesem - sodann sprühte der Angeklagte … unvermittelt Pfefferspray in das Gesicht des Geschädigten …. Der Angeklagte … schlug dem Zeugen mit der Faust auf die Nase - der Geschädigte versuchte fortan mit seinen Unterarmen und Händen seinen Kopf zu schützen. Zum Abschluss des Tatgeschehens beförderte der Angeklagte … den Geschädigten mittels eines Griffs an der Rückseite seines Pullovers vor die Türe - dort fragte der Geschädigte … nach seinem Mobiltelefon und seinem Geldbeutel - beides wurde ihm daraufhin überreicht.
132
Weiter schilderte der Geschädigte … Empfindungen: Er bekundete vielfach, dass das Pfefferspray unverzüglich stark in seinen Augen brannte und er nichts mehr sehen konnte weiter schilderte er Schmerzen infolge der Faustschläge. Zudem habe er Angst bekommen, als er bei dem Angeklagten … seitlich etwas gesehen habe, was wie der Griff einer Waffe ausgesehen habe.
133
Eine längere Wiedergabe von Gesprächen findet sich nicht in der Aussage des Zeugen … Dem Fehlen dieses Aspektes misst die Kammer allerdings kein entscheidendes Gewicht zu, da es angesichts des Umstandes, dass die Angeklagte … weder sowohl Deutsch als auch Englisch nur gebrochen spricht und auch der Zeuge … nur schlecht Englisch spricht, wenig verwunderlich ist, dass zwischen den beiden keine längeren Gespräche stattgefunden haben. Nach der Aussage des Zeugen … wie auch nach dem in Augenschein genommenen Handyvideo sprach der Angeklagte … vor der Verübung der ersten Gewalttätigkeiten nicht mit dem Zeugen ….
134
Für die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen …spricht die geschilderte Komplikation im Handlungsverlauf: Der Zeuge gab an, dass er der Angeklagten … zunächst vorgeschlagen habe, dass er nur 75 € zurückbekommt. Die Angeklagte … habe daraufhin geäußert, dass sich der Geschädigte … sogar 100 € zurücknehmen dürfe. Diese Ausführung hätte es für die Schilderung einer (erfundenen) Einigung im Vorfeld des nachfolgenden Raubes nicht bedurft.
135
Der Zeuge … scheute sich auch nicht, seine Aussage zu überdenken und zu korrigieren, was bei einer ausgedachten und eingefügten Geschichte eher nicht zu erwarten wäre. So äußerte der Zeuge …m Rahmen der Hauptverhandlung, dass er nunmehr der Meinung wäre, dass nur noch 10 € oder 20 € am Ende in seinem Geldbeutel übriggeblieben wären. Im Rahmen sämtlicher Vernehmungen gab der Zeuge jeweils unumwunden zu, wenn er etwas nicht wusste, nicht erinnerte, nicht gesehen hat oder nur schlussfolgerte. Auch den gegenüber … zunächst angegebenen Anfangsbetrag in Höhe von 250 € überdachte der Zeuge und gab nur wenig später im Krankenwagen gegenüber der Polizei an, es seien ursprünglich 260 € gewesen.
136
Der 29jährige Belastungszeuge ist nach dem Eindruck der Kammer in der Hauptverhandlung in seiner Intelligenz nicht eingeschränkt. Das geschilderte Tatgeschehen ist nicht sonderlich komplex und erfordert keine besonderen Kenntnisse, die man dem Zeugen absprechen müsste. Die Fülle und Qualität der Realkennzeichen, insbesondere das Detailreichtum, die Erzählweise des Zeugen, die Komplikation im Handlungsverlauf und die Selbstkorrektur führen die Kammer zu der Annahme, dass der Zeuge nur schwer in der Lage gewesen wäre, den Tatvorwurf in der konkreten Ausgestaltung widerspruchsfrei zu erfinden und über mehrere Vernehmungen hinweg im Kerngeschehen konstant vorzutragen.
(6) Verzicht auf mögliche Mehrbelastungen
137
Der Zeuge … zeigte bei der Tatschilderung keinen Belastungseifer, obwohl sich Gelegenheiten zur Aggravation geboten hätten.
138
Die explizite Nachfrage der Vernehmungsbeamten … in der ersten kriminalpolizeilichen Vernehmung, ob der Geschädigte auch getreten worden sei, verneinte der Zeuge. Weiter wäre es dem Zeugen ohne Weiteres möglich gewesen anzugeben, dass er ursprünglich deutlich mehr Geld bei sich gehabt habe und somit auch der Beuteschaden höher ausfalle.
dd) keine Motive für etwaige Falschaussage ersichtlich
139
Etwaige Motive für eine Falschaussage des Geschädigten … sind nicht ersichtlich. Der Zeuge …saß verletzt auf dem Gehweg als die Polizei eintraf und es war ihm nach der Aussage von … sichtlich peinlich, zugeben zu müssen, dass er die Dienste einer Prostituierten in Anspruch genommen hat. Dies wäre er ein Motiv dafür gewesen, den Zeugen … von einer Anzeigenerstattung abzuhalten als ihn zu einer Falschaussage zu verleiten.
e) Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses
140
Nach einer Gesamtwürdigung der Aussage des Zeugen … ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die Aussage des Nebenklägers erlebnisbasiert ist.
141
Ausgangspunkt der Würdigung war die Hypothese, dass der Zeuge … die Angeklagten bewusst falsch bezichtigt hat.
142
Eine eingehende Prüfung der Konstanz der Angaben des Nebenklägers (s.o.), die dieser in insgesamt vier Vernehmungen (einschließlich der Hauptverhandlung und den Angaben im informatorischen Gespräch gegenüber dem Erstzugriffsbeamten … tätigte), ließ keinen Zweifel an dem Erlebnisbezug des geschilderten Vorfalls aufkommen. Für die Glaubhaftigkeit der Aussage des Nebenklägers spricht in besonderem Maße die Qualität der Aussage (s.o.), in der sich Realkennzeichen in ausreichender und teilweise hoher Qualität fanden.
143
Besonders hervorzuheben sind das Detailreichtum (s.o.), die Erzählweise (s.o.) und hierbei die Fähigkeit, zwischen Teilaspekten gedanklich hin und her zu springen (s.o.), die Komplikation im Handlungsverlauf (s.o.) und die Selbstkorrektur (s.o.). Die Aussage ist zudem logisch und konsistent. Sie enthält Interaktionsschilderungen und eine Beschreibung von Empfindungen wie z.B. die Angabe, er habe Angst beim Anblick des Angeklagten … bekommen oder, dass er Schmerzen, v.a. infolge des Pfeffersprays in seinen Augen verspürt habe. Diese Merkmale führen in ihrer Gesamtschau zu einer derartigen Qualität der Aussage, dass die Kammer unter weiterer Berücksichtigung der durchgängigen Aussagekonstanz die Überzeugung gewonnen hat, dass die Schilderung weder das Produkt einer geschickten Falschbelastung ist noch der Fantasie des Nebenklägers entsprungen ist, sondern auf eigenem Erleben beruht.
144
Die Schilderungen des Geschädigten … sind schließlich auch vereinbar mit seinem Verletzungsbild. Ausweislich des verlesenen Arztbriefs (Bl. 373-374 d.A.) erlitt der Geschädigte eine geschlossene Nasenbeinfraktur und eine Gesichtsprellung. Ausweislich der Teilüberschrift „Anamnese“ gab der Zeuge gegenüber den behandelnden Ärzten an, er sei von der Polizei auf der Straße gefunden worden und zuvor in einer Wohnung von einem unbekannten Mann und einer unbekannten Frau mit Pfefferspray attackiert und ins Gesicht geschlagen worden. Der Zeuge … gab auch an, dass der Geschädigte aus der Nase geblutet habe. Die Verletzung im Bereich der Nase muss demzufolge frisch gewesen sein. Weiter gaben auch die Zeugen … und … an, dass der Geschädigte gerötete Augen gehabt habe, was die Schilderung des Geschädigten, ihm sei mit Pfefferspray in die Augen gesprüht worden, bestätigt. Die Zeugin … gab weiter an, der Geschädigte habe über Kopfschmerzen und Schmerzen im Gesicht geklagt. Auch diese Verletzungen sind mit den Schilderungen des Geschädigten zu vereinbaren und stützen somit die Aussage des Nebenklägers.
145
Weiter decken sich die Angaben des Zeugen … mit dem von ihm aufgenommenen, 15 Sekunden dauernden Handyvideo. Hieraus ist ersichtlich, dass der Angeklagte … die Wohnung betritt, kurz mit der Angeklagten … spricht. Hierbei äußert die Angeklagte „my money“, „Da ist er“, „latex“, „ficken ohne Gummi“ sowie „pay pay no problem“. Außer diesen Gesprächsfetzen der Angeklagten … gibt die Angeklagte … dem Angeklagten … keine weitere, detaillierte Erklärung des Vorgeschehens.
146
Der Angeklagte … wartet die Erklärungen der Angeklagten … nicht bis zum Ende ab, sondern macht sogleich das Pfefferspray gebrauchsfertig und legt seinen Zeigefinger auf das obere Ende der Spraydose. Auf der Videoaufzeichnung spricht der Angeklagte … nicht mit dem Zeugen …. Seitens des Geschädigten … kann dem Video keine verbale Äußerung entnommen werden. Die Videoaufzeichnung ist ruhig. Nur zu Beginn ist ein leichtes Ruckeln und ein sich verändernder Winkel erkennbar. Dies deckt sich mit der Aussage des Geschädigten, wonach er aufgestanden sei, als der Angeklagte … die Wohnung betreten habe. Dieses Ruckeln ist bereits in den ersten Sekunden des Videos zu sehen, was darauf schließen lässt dass auch zu diesem Zeitpunkt - im Einklang mit der Aussage des Zeugen … - der Geschädigte bereits aufgestanden ist und nicht erst, wie sich der Angeklagte … einlässt, nachdem er ihm das Pfefferspray in das Gesicht gesprüht hat. Aggressive Handlungen des Zeugen … lassen sich dem Video nicht entnehmen.
147
Die Kammer gewann auch den Eindruck, dass der Zeuge … eher eine zurückhaltende Person ist. Die Kammer konnte bei dem Zeugen … weder ein aufbrausendes Element noch Übertreibungen im Rahmen seiner Schilderungen noch Aggressionen feststellen.
148
Dagegen waren die Einlassungen der Angeklagten … zum Tatablauf unglaubwürdig. Die Angeklagte … äußerte, sie habe ihren Fuß unter die am Boden liegende Matratze geschoben und sodann ihren Fuß angehoben, um dem Zeugen … das Aufstehen zu erleichtern. Dieser Geschehensablauf erscheint fernliegend und ist nicht vereinbar mit der Einlassung des Angeklagten … der schilderte, die Angeklagte … habe den Zeugen … getreten, nicht aber ihren Fuß unter die Matratze geschoben. Die Angeklagte … machte zudem auf die Kammer keinen übermäßig muskulösen Eindruck. Der Mitangeklagte … dagegen, der den Geschädigten … an der Rückseite seines Pullovers packte, vom Boden hochzog und vor die Wohnungstür beförderte, macht einen kräftigen Eindruck. Es ist schon nicht plausibel, dass der Angeklagte … Hilfe dazu benötigte, den körperlich kleineren, leichteren und eher schmächtigen Zeugen … zu packen. Dass diese Hilfe seitens der Angeklagten … dadurch geleistet worden sein soll, dass sie mit ihrem Fuß die Matratze, auf der sich der Zeuge … befand, angehoben haben will, erscheint der Kammer nicht realistisch. Die Einlassung des Angeklagten …, die Angeklagte … habe den Zeugen … getreten, erscheint der Kammer demgegenüber deutlich realistischer. Die Kammer vermochte es nicht auszuschließen, dass es sich - zumindest teilweise - bei den als Faustschlägen durch den Geschädigten … geschilderten Einwirkungen seitens der Angeklagten … tatsächlich um Tritte der Angeklagten … gehandelt hat. Nachdem der Zeuge … jedoch angab, er sei nicht getreten worden, war nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ davon auszugehen, dass es zu keinen Tritten der Angeklagten gegen den Zeugen … gekommen sei.
149
Auch die Einlassung des Angeklagten …, dass dieser dem Zeugen … körperlich unterlegen sei, war als reine Schutzbehauptung zu bewerten. Der Zeuge … ist von seiner körperlichen Konstitution her klein, zierlich und schmächtig, während der Angeklagte … groß und breitschultrig und deutlich mehr Körpermasse aufzuweisen hat.
150
Weiter war die Einlassung der Angeklagten … insoweit unglaubwürdig, als sie angab, sie habe nicht gesehen, wie der Angeklagte … auf den Zeugen … mit dem Pfefferspray gesprüht habe und auch keine Schläge seitens des Angeklagten … gegen den Geschädigten gesehen, da ihr der Angeklagte … die Sicht auf den Geschädigten … verdeckt habe. Ausweislich der Videoaufzeichnung stand die Angeklagte … nicht hinter, sondern direkt neben dem Angeklagten …. Aus dieser kurzen Distanz und dieser Perspektive sah die Angeklagte … beides.
151
Während die Angeklagte … mit dem Bestreiten eigener Schläge gegen den Zeugen … und dem Bestreiten, dass sie Schläge des Angeklagten … gegen den Zeugen … gesehen haben will, ein Motiv zu einer Falschaussage, um sich selbst zu entlasten, hat, ist bei dem Zeugen … kein Motiv für eine Falschbelastung der Angeklagten zu erkennen.
152
Die Nullhypothese, der gemäß bei „Aussage gegen Aussage“ so lange von der Unrichtigkeit der einzigen belastenden Aussage auszugehen ist, bis diese These wegen der besonderen Qualität der belastenden Aussage, der Konstanz im Aussageverhalten und der fehlenden Belastungsmotive bei der Aussageperson nicht mehr aufrechterhalten werden kann, ist widerlegt. Es gilt somit die Alternativhypothese, dass es sich um eine wahre Aussage handelt.
153
Nach umfassender Abwägung aller Umstände hat die Kammer keine vernünftigen Zweifel, dass sich der Sachverhalt des Raubes wie unter II. festgestellt, ereignet hat. Die Angaben der Angeklagten … und … erschüttern die Aussagen des Zeugen … vorliegend nicht.
e) Wahrunterstellung Geschehen im März/April 2020 in der Prostitutionsstätte …
154
Soweit der Verteidiger des Angeklagten … im Rahmen seines Schlussvortrages für den Fall, dass der Angeklagte nicht freigesprochen oder nicht zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden sollte, den Hilfsbeweisantrag stellte, die Zeugin … zum Beweis der Tatsache, dass es im März/April 2020 in einer zu Prostitutionszwecken genutzten Wohnung in dem Anwesen … München zu einem verbalen Streit zwischen der Zeugin … und einem dem Zeugen … ähnlich sehenden Freier kam, zu dem der Angeklagte … hinzugezogen wurde und der Freier begann die Wohnung zu verwüsten und dass der Freier nach Eintreffen des Angeklagten … dazu gebracht werden konnte, von weiteren aggressiven Handlungen Abstand zu nehmen, war dem nicht nachzukommen.
155
Die Kammer hat die unter Beweis gestellte Tatsache als wahr unterstellt und zugunsten des Angeklagten K. berücksichtigt, § 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 6 StPO.
f) kein weiterer Hilfsbeweisantrag in der Begründung enthalten
156
Soweit die Begründung des Hilfsbeweisantrages weiter die Behauptung enthält, der Angeklagte … habe geglaubt, ein tätlicher Angriff des Geschädigten … gegen den Angeklagten … und/oder der Angeklagten … habe unmittelbar bevorgestanden, liegt ebenfalls ein Beweisantrag vor. Die erforderlichen Konnexität zwischen der Beweistatsache, nämlich der Angeklagte … habe geglaubt, ein tätlicher Angriff des Geschädigten … gegen den Angeklagten … und/oder der Angeklagten … habe unmittelbar bevorgestanden und dem Beweismittel, nämlich der Zeugin … nicht erkennbar ist (vgl. Karlsruher Kommentar zur StPO - Krehl, § 244 Rn. 82). Ein verbindender Zusammenhang zwischen der Beweistatsache, nämlich subjektiven Vorstellungen des Angeklagten … als dieser in der Wohnung der Angeklagten He dem Zeugen … gegenüberstand, und der Zeugin … als Beweismittel sind nicht erkennbar. Es ist nicht ersichtlich, warum die Zeugin … Aussagen zum subjektiven Vorstellungsbild des Angeklagten … treffen können sollte.
157
Auch unter dem Aspekt der Aufklärungspflicht des Gerichts ergab sich keine Verpflichtung zur Vernehmung der Zeugin … hierzu. Eine Vernehmung der Zeugin … ist dazu geeignet, das subjektive Vorstellungsbild des Angeklagten … zu belegen.
158
Der Angeklagte … war wegen besonders schwerem Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, Nr. 4, 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2, 25 Abs. 2, 52 StGB zu verurteilen.
159
Die Staatsanwaltschaft hat die Beleidigung des Zeugen … durch den Angeklagten … nach § 154 a Abs. 1 StPO eingestellt. Nach § 154 a Abs. 2 StPO wurde weiter von der Verfolgung der Anstiftung zur Freiheitsberaubung abgesehen.
b) Besonders schwerer Raub
160
Der Angeklagte … hat sich nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB des besonders schweren Raubes unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs, nämlich des Pfeffersprays, strafbar gemacht.
(1) Objektiver Tatbestand
161
Der Angeklagte … hat unser Einsatz des Pfeffersprays und mittels Faustschlägen Gewalt auf den Geschädigten … ausgeübt. Hinsichtlich der Wegnahme des Geldes agierten der Angeklagte … und die Angeklagte … mittäterschaftlich, § 25 Abs. 2 StGB.
(2) Subjektiver Tatbestand
162
Der Angeklagte … hat mit Wissen und Wollen gehandelt. Er hatte auch Vorsatz hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung. Der Angeklagte … nahm zumindest billigend in Kauf, dass die weggenommenen Geldscheine dem Geschädigten … zustanden und die Angeklagter … keinen fälligen und einredefreien Anspruch gegen den Geschädigten … auf die weggenommenen Geldscheine im Wert von 150 € hatte. Die Angeklagte … hat mit dem Geschädigten … eine Vereinbarung getroffen, wonach dieser sich von dem einst bezahlten Dirnenlohn in Höhe von 150 € wieder 50 € zurücknehmen durfte. Die weiter weggenommenen 50 € standen ohnehin im Eigentum des Geschädigten H2. Der Angeklagte … hat weder die Höhe des vereinbarten Dirnenlohn noch in welcher Höhe der Geschädigte … der Angeklagten … Geld weggenommen hat, erfragt. Das Gespräch zwischen der Angeklagten … und dem Angeklagten … dauerte nur wenige Sekunden. Geldbeträge wurden in diesem Gespräch nicht genannt. Der Angeklagte … griff vielmehr schon nach dem Pfefferspray, während die Angeklagte … noch im Begriff war mit ihm zu sprechen. Der Angeklagte … wartete nicht darauf, dass die Angeklagte … ihre Ausführungen zum vorherigen Geschehen beendete. Der Angeklagte … suchte auch kein Gespräch mit dem Geschädigten …, sondern wendete unvermittelt Gewalt an. Er hat auch nicht darauf geachtet, in welcher Höhe die Angeklagte … dem Geschädigten Geld wegnahm. Es war ihm somit vollkommen egal, in welcher Höhe die Angeklagte … dem Geschädigten … Geld wegnahm und ob die Angeklagte … einen Anspruch auf die entsprechende Geldsumme gegen den Geschädigten … hatte.
163
Der Angeklagte … handelte auch rechtswidrig. Rechtfertigungsgründe greifen nicht durch.
(1) Selbsthilfe, § 859 BGB
164
Der Angeklagte … kann sich nicht auf ein Selbsthilferecht nach § 859 BGB berufen. Es lag schon keine verbotene Eigenmacht des Geschädigten … vor, da die Angeklagte … damit einverstanden war, dass sich der Geschädigte 100 € das bezahlten Dirnenlohns wieder nimmt. Im Übrigen fehlt auch das erforderliche subjektive Rechtfertigungselement, da der Angeklagte … unabhängig davon, ob er davon überzeugt war, dass die Angeklagte … einen Anspruch auf das Geld habe, gehandelt hat.
(2) Selbsthilfe, § 229 BGB
165
Die Handlungen des Angeklagten … sind vorliegend nicht aufgrund eines Selbsthilferechts nach § 229 BGB gerechtfertigt. Dies kommt nur in den Fällen, in denen staatliche Hilfe nicht rechtzeitig in Anspruch genommen werden kann, in Betracht. Dies war vorliegend nicht der Fall. Dem Angeklagten … wäre es ohne weiteres möglich gewesen, die Polizei hinzuzuziehen. Im Übrigen fehlt auch hier das subjektive Rechtfertigungselement.
166
Der Angeklagte … kann sich auch nicht auf Notwehr nach § 32 StGB berufen. Ein Angriff des Geschädigten … lag nicht vor. Ein solcher stand auch nicht unmittelbar bevor. Der Geschädigte … saß bis zum Eintreffen des Angeklagten … auf dem Sofa. Als der Angeklagte … die Wohnung betrat, stand der Angeklagte … lediglich auf. Ansonsten verhielt er sich vollkommen ruhig. Er ging weder auf den Angeklagten … noch sagte er etwas zu ihm oder führte bedrohliche Gesten aus.
167
Der Angeklagte … handelte schuldhaft. Die Vorsatzschuld des Angeklagten … entfällt vorliegend nicht nach den Grundsätzen der Putativnotwehr als Unterfall des Erlaubnistatbestandsirrtums. Der Angeklagte … ging nicht irrig davon aus, dass eine Notwehrlage gegeben sei. Der Angeklagte … erkannte vielmehr, dass kein rechtswidriger Angriff des Geschädigten … unmittelbar bevorsteht. Er wollte vielmehr eine etwaige Diskussion und eine etwaige Gegenwehr des Geschädigten … velmehr von Anfang an unterbinden. Ein Handeln mit Verteidigungswillen lag nicht vor. Der Geschädigte … ging vielmehr präventiv gegen den Geschädigten … vor.
c) Gefährliche Körperverletzung
168
Der Angeklagte … beging zudem eine gefährliche Körperverletzung durch Einsatz des Pfeffersprays nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB als auch durch die gemeinschaftliche Tatbegehung mit der Angeklagten … nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB. Die Ausführungen zur Rechtswidrigkeit und zur Schuld bei dem besonders schweren Raub gelten hier entsprechend.
169
Die Angeklagte … war wegen besonders schwerem Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4, 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2, 25 Abs. 2, 52 StGB zu verurteilen.
a) Eingestellte Taten bzw. Tatteile
170
Die Staatsanwaltschaft hat den Tatvorwurf der Ausübung der verbotenen Prostitution nach § 184 e StGB nicht zur Anklage gebracht, sondern gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Weiter hat die Staatsanwaltschaft den Tatvorwurf des unerlaubten Aufenthalts im Zeitraum 27.11.2020 bis 18.01.2021 nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt.
171
Nach § 154 a Abs. 2 StPO wurde von der Verfolgung der Anstiftung zur Freiheitsberaubung abgesehen.
b) Besonders schwerer Raub
172
Die Angeklagte … entschloss sich erst, nachdem der Angeklagte … bereits mit dem Pfefferspray des Gesichtes Geschädigten … gesprüht hatte und ihm bereits die ersten Faustschläge in das Gesicht versetzt hatte, an der Tatausführung mitzuwirken.
aa) Sukzessive Mittäterschaft
173
Es liegt somit ein Fall der sog. sukzessiven Mittäterschaft vor. Deren Voraussetzungen sind erfüllt:
174
(1) Der Raub zum Nachteil des Geschädigten … war noch nicht abgeschlossen. Ein Raub ist erst mit der Wegnahme vollendet. Vorliegend hatte der Angeklagte … jedoch erst mit der Gewaltanwendung gegenüber den Geschädigten … begonnen. Mit einer Wegnahmehandlung hatte den Angeklagte … noch nicht einmal angefangen.
175
(2) Die Angeklagte … hat zum Zeitpunkt ihres Eintritts in das Tatgeschehen realisiert, dass der Angeklagte … den Geschädigten … mit Pfefferspray besprüht und geschlagen hat. Der Angeklagte … hat erkannt und zumindest konkludent gebilligt, dass sich die Angeklagte … an der Anwendung von Gewalt und der Wegnahme des Geldes beteiligt. Die Angeklagte … wirkte fortan aktiv an der weiteren Tatbegehung mit, indem sie selbst dem Geschädigten auf den Kopf und den Oberkörper schlug, ihn nach seinem Geld abtastete und ihm den Geldbeutel aus der Hosentasche zog und hieraus 200 € an sich nahm. Die Angeklagte … nahm somit als sukzessive Mittäterin zusätzliche, tatbestandsverwirklichende Handlungsschritte vor.
176
(3) Der Tatbeitrag der hinzutretenden … war weiter ursächlich und von so entscheidendem Gewicht, dass er als täterschaftlicher Beitrag zu bewerten ist. Nach der sog. Tatherrschaftslehre ist Mittäter, wer den Geschehensablauf planvoll lenkend in den Händen hält und aufgrund gemeinsamen Tatplans das Tatgeschehen gemeinsam ausführt. Kriterien für die Abgrenzung mit täterschaftlicher Tatbegehung von sonstiger Beteiligung sind der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung als objektive Tatherrschaft und der Wille zur Tatherrschaft.
177
Vorliegend war es die Angeklagte … die auch im Zeitpunkt der Hauptverhandlung immer noch darüber entzürnt war, dass der Geschädigte … die von ihm gewünschte sexuelle Dienstleistung von ihr bekommen hatte, jedoch nicht bereit dazu war, dass versprochene volle Entgelt hierfür zu entrichten, sondern einen Teil des Geldes zurückforderte. Es war im Interesse der Angeklagten … das Geld wiederzuerlangen. Die Angeklagte … hat nicht nur den Geschädigten … nach dem Geld abgetastet und dieses schließlich weggenommen, sondern hat sich zudem mit Schlägen an der Gewaltanwendung beteiligt.
bb) Verwendung eines gefährlichen Werkzeuges
178
Die Angeklagte … ist auch für die Verwendung des Pfeffersprays bei der Tat strafrechtlich nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB verantwortlich.
179
Die Verwendung des Pfefferspray durch den Angeklagten … ist der Angeklagten …ach § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen.
„Nach der Rechtsprechung des BGH zieht bei einem Geschehen, welches schon vollständig abgeschlossen ist, das Einverständnis des später Hinzutretenden trotz Kenntnis, Billigung oder Ausnutzung der durch den anderen Mittäter geschaffenen Lage eine strafbare Verantwortung für das bereits abgeschlossene Geschehen nicht nach sich (BGHSt 2, 344, 346; BGH NStZ 1994, 123). Das gilt nicht nur, wenn das Gesamtgeschehen aus mehreren selbständigen zeitlich aufeinanderfolgenden Straftaten besteht und der Mittäter erst nach vollständigem Abschluss der ersten dieser strafbaren Handlungen eintritt (BGHSt 2, 344, 346), sondern auch, wenn - wie hier - eine Tatbestandsvariante vorliegt, die vom Mittäter vor Hinzutritt des Tatgenossen vollständig erfüllt worden ist“ (vgl. BGH 2 StR 28/97).
180
Vorliegend war der Raub vor dem Eintritt der Angeklagten … noch nicht vollendet, da die Vollendung erst mit der Wegnahme erfolgt. Die Angeklagte … trat somit in den unvollendeten Raub ein und muss sich damit das gesamte Tatgeschehen des Raubes und daher auch den vorhergehenden Pfeffersprayeinsatz durch den Angeklagten … zurechnen lassen.
cc) Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung
181
Die Angeklagte … handelte vorsätzlich. Sie wusste auch, dass sie sich mit dem Geschädigten … gesagt hatte, er könne sich 100 € der bezahlten 150 € wieder von dem Tisch zurücknehmen und sie somit keinen fälligen, einredefreien Anspruch auf den weggenommenen Geldbetrag in Höhe von 150 € hat.
c) Gefährliche Körperverletzung
182
Die Angeklagte … beging zudem eine gefährliche Körperverletzung durch die gemeinschaftliche Tatbegehung mit dem Angeklagten K. nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB.
183
Richtigerweise wäre die Angeklagte … weiter wegen gefährlicher Körperverletzung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeuges nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB zu verurteilen gewesen, da sich die Angeklagte … an den Körperverletzungshandlungen beteiligte und somit in ein tatbestandliches Geschehen, das zu Beginn der ersten strafrechtlich relevanten Handlungen der Angeklagten … noch nicht vollständig abgeschlossen war, eingetreten ist. Insoweit ist der Angeklagten … der vor ihrem Eintritt erfolgte Pfeffersprayeinsatz sei das Angeklagten … im Wege der sukzessiven Mittäterschaft zuzurechnen, § 25 Abs. 2 StGB. Jedoch hat es die Kammer versäumt, insoweit einen rechtlichen Hinweis nach § 265 StPO zu erteilen. Aus diesem Grund wurde die Angeklagte … nicht auch wegen gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB schuldig gesprochen.
184
Der Strafrahmen war vorliegend dem besonders schweren Raub nach § 250 Abs. 2 StGB zu entnehmen und beträgt fünf bis 15 Jahre Freiheitsstrafe.
185
Ein minder schwerer Fall nach § 250 Abs. 3 StGB liegt vor. Minder schwere Fälle liegen vor, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände, die für die Wertung von Tat und Täter in Betracht kommen, gleich ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen, ein beträchtliches Überwiegen der mildernden Umstände vorliegt, mit der Folge, dass die Anwendung des Normalstrafrahmens nicht angemessen ist.
aa) allgemeine Strafzumessungserwägungen
186
Aufgrund der allgemeinen Strafzumessungserwägungen ist kein minder schwerer Fall anzunehmen. Das gesamte Tatbild weicht vorliegend nicht so erheblich vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle ab, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erschiene.
187
Für die Annahme eines minder schweren Falls spricht, dass der Angeklagte … mindest teilweise geständig ist und die Dauer der vorangegangenen Freiheitsberaubung, zu der der Angeklagte … die Angeklagte … angestiftet hat, kurz ist. Die Freiheitsberaubung an sich hat zu keinen bleibenden Schäden des Geschädigten … geführt. Es handelte sich um eine Spontantat. Weiter ist der Angeklagte … zumindest teilweise geständig. Weiter ist die Schadenshöhe mit 150 € vergleichsweise gering. Zudem spricht für den Angeklagten …, dass er den Geschädigten … mit einem anderen Freier verwechselte, der ca. ein halbes Jahr zuvor bereits einmal aggressiv aufgetreten war.
188
Gegen die Annahme eines minder schweren Falls ist anzuführen, dass der Angeklagte … bereits siebenmal, vor allem wegen Eigentums- und Vermögensdelikten, vorbestraft ist. Zudem wirkten die Angeklagten in personeller Überzahl auf den Geschädigten ein, sodass die Verteidigungsmöglichkeiten des Geschädigten … eingeschränkter waren, als wenn er nur einem Angreifer gegenüber gestanden hätte. Der Geschädigte erlitt durch den Pfeffersprayeinsatz sofort starke Schmerzen in den Augen und war in seiner Sehfähigkeit massiv beeinträchtigt. Der Angeklagte … hat dem Geschädigten … zudem massive Faustschläge in das Gesicht versetzt. Faustschläge in das Gesicht, das als besonders sensible Körperregion zu bewerten ist, sind besonders gefährlich. Der Geschädigte hat auch eine gravierende Verletzung, nämlich einen Nasenbeinbruch, der operativer Versorgung bedarf, zugefügt. Der Geschädigte, der die Operation bislang nicht hat durchführen lassen, erlitt eine Schiefstellung seiner Nase und bekommt auf einem Nasenloch kaum noch Luft. Der Geschädigte … hat zudem immer noch bläulich-schwarze Verfärbungen unter dem Auge. Es handelte sich um ein massives, brutales Einwirken auf den Geschädigten. Die Initiative zur Gewaltanwendung kam seitens des Angeklagten K. Der Angeklagte … verwirklichte tateinheitlich mit dem besonders schweren Raub zwei Varianten der gefährlichen Körperverletzung.
189
Nachdem der Angeklagte … jedoch den vertypten, fakultativen Milderungsgrund der Aufklärungshilfe nach § 46 b Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllte, ist im Ergebnis bei ihm ein minder schwerer Fall gegeben. Der Angeklagte hat im Rahmen seiner Haftbefehlseröffnung freiwillig angegeben, dass die weibliche Mittäterin unter dem Arbeitsnamen … auftritt und wo diese zu finden ist. Bei einem Raub handelt es sich um eine Katalogtat nach § 100 a Abs. 2k StPO. Die Kammer hat ihr Ermessen, ob dem Angeklagten … der Milderungsgrund zuzugestehen ist, dahingehend ausgeübt, dass dies der Fall ist. Nach den Angaben der Zeugen … und … waren die Angaben des Angeklagten … sehr werthaltig. Ohne seine Angaben wäre es vermutlich nicht zur Ermittlung und Ergreifung der Angeklagten … gekommen, da die Angeklagte … auf den einschlägigen Internetportalen, auf denen sie sich Freiern anpries, keine Kontaktdaten und nicht ihren richtigen, vollständigen Namen angab und sie in Deutschland nicht amtlich gemeldet ist.
190
Nach § 250 Abs. 3 StGB kommt es somit zu einer Strafrahmenverschiebung. Der neue Strafrahmen beträgt damit ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe.
191
Dieser Strafrahmen ist für den Angeklagten … günstiger als eine Strafrahmenverschiebung aus denselben Gründen über §§ 46 b Abs. 1 Nr. 1, 49 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 StGB. In diesem Fall läge der Strafrahmen zwischen zwei Jahren und … Jahren 3 Monaten. Sowohl die Mindest- als auch die Höchststrafe wären in diesem Fall höher. Für den Angeklagten … ist es daher günstiger, den fakultativen Strafmilderungsgrund der geleisteten Aufklärungshilfe nach § 46 b Abs. 1 Nr. 1 StGB im Rahmen eines minder schweren Falls nach § 250 Abs. 3 StGB zu berücksichtigen.
c) keine weitere Strafrahmenverschiebung nach § 49 StGB
192
Weitere vertypten Milderungsgründe liegen nicht vor. Eine weitere Strafrahmenverschiebung nach § 49 StGB kam somit nicht in Betracht. Nach § 50 StGB kann der Milderungsgrund der Aufklärungshilfe nach § 46 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht nochmals in Ansatz gebracht werden.
d) Strafzumessung im Einzelnen
193
Im Rahmen der Strafzumessung waren alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen. Hierbei wurden zugunsten des Angeklagten … alle positiven Umstände, die bereits oben unter V.1.b) aa) zugunsten des Angeklagten … genannt wurden ebenso berücksichtigt wie die Tatsache, dass der Angeklagte … werthaltige Aufklärungshilfe leistete. Der Angeklagter … zeigte sich zudem reuig und schuldeinsichtig.
194
Weder zugunsten noch zulasten des Angeklagten war die fast siebenmonatige Untersuchungshaft zu berücksichtigen. Der Vollzug der Untersuchungshaft in diesem Verfahren war lediglich die notwendige Folge der Straffälligkeit des Angeklagten. Im Übrigen wird sie nach § 51 Abs. 1 StGB auf die zu vollstreckende Haftstrafe angerechnet (vgl. BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg, § 46 StGB Rn. 86). Auch beim erstmaligen Vollzug der Untersuchungshaft kommt eine strafmildernde Berücksichtigung nur in Betracht, wenn besondere Umstände vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020, 4 StR 419/19 Rn. 25). Besondere Haftempfindlichkeit besteht bei dem Angeklagten … nicht. Er selbst hat angegeben, es sei zu keinen Problemen mit Mitgefangenen gekommen und er fühle sich wohl in der Justizvollzugsanstalt. Die Strafkammer hat allerdings die durch die Sars-CoV-2-Pandemie bedingten Erschwernisse während der Untersuchungshaft zugunsten des Angeklagten berücksichtigt.
195
Gegen den Angeklagten … wurden auch im Rahmen der Strafzumessung im Einzelnen die gegen die Annahme eines minder schwerer Falls aufgrund allgemeiner Strafzumessungskriterien unter V.1.b) aa) genannten Umstände berücksichtigt.
196
Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten …sprechenden Gesichtspunkte war gegen ihn eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren auszusprechen.
197
Der Strafrahmen war vorliegend dem besonders schweren Raub nach § 250 Abs. 2 StGB zu entnehmen und beträgt fünf bis 15 Jahre Freiheitsstrafe.
198
Ein minder schwerer Fall nach § 250 Abs. 3 StGB liegt vorliegend vor.
199
Gegen die Annahme eines minder schweren Falls ist anzuführen, dass sich die Angeklagte … illegal in der Bundesrepublik Deutschland aufhielt und auch keine Arbeitserlaubnis hatte. Weiter ist anzuführen, dass die Angeklagten in personeller Überzahl auf den Geschädigten einwirkten. Die Angeklagte … hat den am Boden liegenden wehrlosen Geschädigten … unter Ausnutzung der vorhergehenden Schläge und dem Einsatz des Pfeffersprays durch den Angeklagten … geschlagen. Schläge auf den Kopf sind als besonders gefährlich zu bewerten. Die eingetretenen Verletzungsfolgen sind gravierend. Der Geschädigte … erlit weiter einen Nasenbeinbruch, der operativer Versorgung bedarf, eine Schiefstellung der Nase, eine Verschlechterung der Luftzufuhr auf einem Nasenloch und bläulich-schwarze Verfärbungen unter den Augen. Dies alles muss sich die Angeklagte … zurechnen lassen. Weiter verwirklichte die Angeklagte … tateinheitlich auch eine gefährliche Körperverletzung.
200
Für die Annahme eines minder schweren Falls sprach jedoch, dass die Angeklagte … zumindest teilweise geständig war, nicht vorbestraft ist und das vorangegangene Einsperren lediglich von kurzer Dauer, nämlich ca. sieben Minuten, war. Die Tatbeute war mit 150 € relativ gering. Weiter befindet sich die Angeklagte in diesem Verfahren bereits seit fünfeinhalb Monaten in Untersuchungshaft und ist aufgrund der Sprachbarriere als besonders haftempfindlich anzusehen. Sie hat keine Kontakte in München, sodass sie auch keinen Besuch bekommen hat. Darüber hinaus erschwerten die Einschränkungen durch die Sars-CoV2-Pandemie die Haftbedingungen. Die Angeklagte ist zudem nicht vorbestraft. Sie befand sich in einer schwierigen persönlichen Situation. Sie hat sich lediglich prostituiert, um durch das verdiente Geld ihre herzkranke Schwester, die bereits zweimal am Herzen operiert wurde, finanziell zu unterstützen. Die Angeklagte schämt sich dafür, sich prostituiert zu haben. Die Angeklagte … sollte 50 % ihrer Einnahmen an den Angeklagten … abgeben und ihm zusätzlich noch Miete zahlen. Sie befand sich somit selbst ebenfalls in einer schwierigen finanziellen Lage. Im Übrigen handelte es sich um eine Spontantat.
201
Unter Abwägung aller genannten Gesichtspunkte ist vom Vorliegen eines minder schweren Falls auszugehen. Nach § 250 Abs. 3 StGB kommt es somit zu einer Strafrahmenverschiebung. Der neue Strafrahmen beträgt damit ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe.
c) keine weitere Strafrahmenverschiebung nach § 49 StGB
202
Vertypte Milderungsgründe liegen nicht vor. Eine weitere Strafrahmenverschiebung nach § 49 StGB kam somit nicht in Betracht.
d) Strafzumessung im Einzelnen
203
Im Rahmen der Strafzumessung nahm die Kammer nochmals alle bereits unter V.2.b) genannten für und gegen die Angeklagte … sprechenden Aspekte in den Blick.
204
Unter Abwägung aller für und gegen die Angeklagte … sprechenden Gesichtspunkte war gegen sie eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren auszusprechen.
VI. keine Strafaussetzung zur Bewährung
205
Bei dem Angeklagten …, gegen den eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren verhängt wurde, kam schon von Gesetzes wegen eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht mehr in Betracht.
206
Eine Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 1, Abs. 2 StGB kam vorliegend auch bei der Angeklagten … nicht in Betracht. Die Sozialprognose der Angeklagten … ist durchweg als ungünstig zu bewerten.
207
Für eine positive Sozialprognose spricht vorliegend lediglich, dass die Angeklagte bislang nicht vorbestraft ist und sich bereits fünfeinhalb Monate in Untersuchungshaft befand. Hierbei handelt es sich um den ersten Aufenthalt der Angeklagten … in Haft und die erste Verurteilung überhaupt.
208
Gegen eine positive Sozialprognose spricht vorliegend jedoch, dass die Angeklagte … sich zumindest nicht über die rechtlichen Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland informierte, soweit sie in der Bundesrepublik Deutschland nicht einwohnerrechtlich amtlich gemeldet, nicht als Prostituierte nach § 3 Abs. 1 ProstSchG angemeldet und mit der Erbringung ihrer sexuellen Dienstleistungen gegen die zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie verhängten Lockdown-Bestimmungen verstoßen hat. Zudem hat die Angeklagte … auch gegen die Kondompflicht nach § 32 Abs. 1 ProstSchG verstoßen. Auch steuerrechtlich war sie nicht in der Bundesrepublik Deutschland angemeldet.
209
Daneben hat sie sich jedoch auch über die deutsche Rechtsordnung teils bewusst hinweggesetzt: Sie hat sich für die Dauer von mindestens knapp zwei Monaten, nämlich zumindest wenige Tage vor der Tat am 27.11.2020 bis zu ihrer vorläufigen Festnahme am 18.01.2021, illegal in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten und ohne Arbeitserlaubnis gearbeitet, obwohl ihr Antrag auf Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland bereits in der Vergangenheit abgelehnt worden war. Auch einen neuerlichen Antrag auf Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland hat sie nicht gestellt. Sie hat sich somit über die ablehnende Verbescheidung ihres Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland hinweggesetzt. Darüber hinaus war die Angeklagte … in dem Glauben, Prostitution sei in der Bundesrepublik Deutschland ausnahmslos verboten und hat dennoch die Prostitution ausgeübt.
210
Weiter spricht gegen eine positive Sozialprognose, dass die Angeklagte … keinerlei sozialen Empfangsraum hat. Ihre Familie ist in … Ihr Kontakt zu Familienangehörigen in … ist spärlich. In Deutschland hat die Angeklagte keinerlei sozialen Kontakte. Sie hat, weder in Deutschland noch in … noch in … eine Wohnung und/oder einen (legalen) Arbeitsplatz. Weiter verfügt sie auch nicht über die finanziellen Mittel für eine Rückkehr nach …, wo sie Bekannte hat, oder eine Rückkehr nach … wo ihre Familienangehörigen leben. Im Übrigen erachtet es die Angeklagte für zu beschämend, ohne Geld nach … zurückzugehen. Weiter kann sie weder in ausreichendem Maße Deutsch noch ….
211
Darüber hinaus hat die Angeklagte selbst im Rahmen des hiesigen Strafverfahrens und insbesondere auch im Rahmen der Hauptverhandlung zu ihrem Personenstand falsche Angaben gemacht. Sie hat auf explizite Nachfrage angegeben, dass sie ledig ist. Im Rahmen der Erhebung der persönlichen Verhältnisse gab die Angeklagte schließlich an, dass sie verheiratet, aber von ihrem Ehemann seit Jahren getrennt lebend ist. Zu einer offiziellen Scheidung kam es jedoch nicht. Die Angeklagte bediente die Kammer in der Hauptverhandlung trotz entsprechender Wahrheitspflicht nach § 111 OWiG über die Personalien nicht mit der Wahrheit über diese.
212
Unter Abwägung all dieser Umstände kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Angeklagte im Falle einer Strafaussetzung zur Bewährung, an die geltende Rechtsordnung halten und die an sie gestellten Anforderungen erfüllen würde.
VII. Einziehung des Wertersatzes
213
Die Entscheidung zur gesamtschuldnerischen Einziehung des Wertersatzes in Höhe von 150,00 € beruht auf §§ 73, 73 c StGB. Der Angeklagte … sollte nach der Vereinbarung mit der Angeklagten … die Hälfte ihrer Einnahmen und zudem 200 € Miete wöchentlich erhalten. Er handelte bei der Tat somit auch im eigenen wirtschaftlichen Interesse und sollte, zumindest mittelbar, von der Tatbeute finanziell profitieren.
214
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 S. 1 StPO.