Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 09.07.2021 – B 3 K 20.609
Titel:

Rundfunkbeitrag, Befreiung, Bayerisches Landespflegegeld

Normenketten:
RBStV § 4 Abs. 1 Nr. 7
BayLPflGG Art. 2 Abs. 4 S. 4
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag, Befreiung, Bayerisches Landespflegegeld
Fundstelle:
BeckRS 2021, 48817

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.  Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über den Anspruch der Klägerin auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht bzw. auf Ermäßigung des Rundfunkbeitrages.
2
Die Klägerin ist unter der Beitragsnummer … für die Wohnung der Eheleute unter der Adresse …, … beim Beklagten gemeldet.
3
Mit gerichtlichem Vergleich vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth vom 20.11.2019 im Verfahren B 3 K 19.962 verpflichtete sich der Beklagte, das Beitragskonto des Ehemanns der Klägerin unter der Beitragsnummer … endgültig zu löschen. Der Ehemann der Klägerin und die Klägerin nahmen im Gegenzug ihre Anträge vom 14.02.2019 auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht zurück.
4
Mit Formblattantrag vom 19.12.2019 stellte der Ehemann der Klägerin unter Angabe der Beitragsnummer … einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht wegen des Bezugs von Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften (Befreiungsgrund 407). Zudem stellte der Ehemann der Klägerin mit Formblattantrag vom 19.12.2019 ohne Angabe einer Beitragsnummer einen Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht wegen der Befreiungsgründe 407 und 408 (Befreiungsgrund 408: Personen können sich befreien lassen, denen wegen Pflegebedürftigkeit ein Freibetrag zuerkannt wird (§ 267 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c LAG)).
5
Die Klägerseite legte mit den Anträgen
- eine Bescheinigung einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung des Ehemanns der Klägerin gemäß § 62 SGB V der Techniker Krankenkasse;
- einen Schwerbehindertenausweis des Ehemanns der Klägerin, der seit 11.07.2017 gültig ist (GdB 100, Merkzeichen G aG);
- einen Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales - Landesversorgungsamts vom 02.01.2018, wonach der Ehemann der Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G aG B. seit 11.07.2017 erfüllt;
- eine Bestätigung über den Erhalt von Pflegegeld des Pflegegrades 2 seit 01.01.2017 in Höhe von 316 EUR des Ehemannes der Klägerin der Techniker Krankenkasse Pflegeversicherung vom 20.12.2019;
- einen Bescheid des Bayerischen Landesamtes für Pflege vom 04.10.2019 über die Bewilligung von Landespflegegeld ab dem Pflegegeldjahr 2018/2019 für den Ehemann der Klägerin und
- einen Bescheid des Bayerischen Landesamtes für Pflege vom 14.09.2018 über die Bewilligung von Landespflegegeld für das Pflegegeldjahr 2018 für den Ehemann der Klägerin vor.
6
Mit Bescheid vom 05.02.2020 lehnte der Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht ab. Die eingereichten Unterlagen würden keinen der in § 4 Abs. 1 RBStV aufgeführten Befreiungstatbestände für die Klägerin oder ihren Ehegatten nachweisen.
7
Mit Bescheid vom 05.02.2020 lehnte der Beklagte den Antrag auf Ermäßigung des Rundfunkbeitrages mit der Begründung ab, dass eine Ermäßigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 RBStV nicht möglich sei, weil die eingereichten Unterlagen (Schwerbehindertenausweis) nicht nachweisen würden, dass der Klägerin oder ihrem Ehemann das Merkzeichen „RF“ zuerkannt worden sei.
8
Gegen diese Bescheide legte die Klägerin mit Schreiben vom 26.02.2020 Widerspruch ein. Zur Begründung bezog sich die Klägerseite u.a. auf ein Schreiben des Ehemanns der Klägerin vom 20.01.2020. Insbesondere auf die Regelung des Art. 2 Abs. 2 BayLPflGG sei im Widerspruchsschreiben vom 10.01.2020 durch den Ehemann der Klägerin eingegangen worden. Es dürfe keinen tiefgreifenden Unterschied in der Behandlung für schwerbehinderte und pflegebedürftige Menschen wegen Art. 3 GG geben. Nach dem Grundgesetz dürfe es in den Bundesländern keine Unterschiede für zu bezahlende Kosten für schwerbehinderte und pflegebedürftige Menschen geben.
9
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2020, zugestellt am 26.06.2020, wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Bezug von Leistungen nach dem Bayerischen Landespflegegeldgesetz und der Bezug von Leistungen der Pflegekassen erfülle keine Befreiungstatbestände, denn sie würden unabhängig von der Vermögenssituation der Betroffenen gewährt. Ein Nachweis für eine Befreiung nach § 4 Abs. 1 Nr. 8 RBStV sei nicht vorgelegt worden. Die Voraussetzungen für eine Ermäßigung des Rundfunkbeitrages und für eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht seien nicht erfüllt.
10
Mit Schreiben vom 25.06.2020 erklärten die Klägerin und ihr Ehemann gegenüber dem Beklagten, dass nach ihrer Ansicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 Fall 3 RBStV Personen, die Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften erhielten, einen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht hätten. Der eindeutige Wortlaut der Vorschrift spreche für eine Rundfunkbeitragsbefreiung. Eine anderweitige Auslegung des Wortlauts scheide aus, weil sich das Erfordernis der Anrechnung von Einkommen oder Vermögen nicht aus dem Kontext des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages ergebe. Das in den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Bremen und Rheinland-Pfalz gewährte Landespflegegeld berechtige zur Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht, nicht aber das bayerische Landespflegegeld, obwohl auch beim Landespflegegeld der erstgenannten Länder weder Einkommen noch Vermögen des Berechtigten angerechnet würden. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das bayerische Landespflegegeld eine Ausnahme darstellen solle. Auch die landesgesetzliche Regelung des Art. 2 Abs. 4 BayLPflGG ändere nichts an dieser Tatsache, weil es sich bei § 4 Abs. 1 Nr. 7 Fall 3 RBStV um Bundesrecht handele. Das geltende Recht in der Bundesrepublik Deutschland halte alle Länder zwingend dazu an, im sozialen Bereich keine Unterschiede zu machen.
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Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 14.07.2020, eingegangen bei Gericht am selben Tag, ließ die Klägerin Klage erheben und beantragte zuletzt,
Der Beklagte wird verpflichtet, die Bescheide des Bayerischen Rundfunks über die Ablehnung der Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht und die Ablehnung der Ermäßigung des Rundfunkbeitrags vom 05.02.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Bayerischen Rundfunks vom 15.06.2020 aufzuheben und die beantragte Befreiung zu erteilen, hilfsweise über den Antrag des Antragstellers unter Berücksichtigung der Rechtsaufassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Mit Schriftsatz vom 25.11.2020 wird zur Begründung der Klage vorgetragen, dass die Klägerin die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 RBStV vor dem Hintergrund beantragt habe, dass ihr Ehemann Empfänger von Landespflegegeld sei. Die Rechtsauffassung, dass das bayerische Landespflegegeld nicht unter § 4 Abs. 1 Nr. 7 RBStV falle, finde keine Begründung im Wortlaut. Es widerspreche dem Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn in anderen Bundesländern beim Bezug von Pflegegeld eine Befreiung gewährt werde.
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Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 31.07.2020,
die Klage abzuweisen.
14
Die Klage sei unbegründet, da der Bezug von Landespflegegeld keinen Anspruch auf Befreiung gebe. Das Landespflegegeld stelle kein Pflegegeld im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 7 RBStV dar. Das bayerische Landespflegegeld sei zu anderen landesgesetzlichen Pflegegeldern derart wesensverschieden, dass es vom Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Nr. 7 RBStV nicht erfasst sein könne. In Bayern reiche als Voraussetzung die Pflegestufe 2 und der Wohnsitz in Bayern. In anderen Bundesländer sei stets Tatbestandsvoraussetzung, dass eine schwerwiegende körperliche Beeinträchtigung von solcher Art und solchem Gewicht vorliege, deren Vorhandensein der Gesetzgeber einst (die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 7 RBStV sei dem RGebStV, dort § 6 Abs. 1 Nr. 9, entnommen worden) als Anlass dafür gesehen hatte, die betroffene Person zu Lasten der Gemeinschaft der übrigen Beitragszahler von der Beitragspflicht zu befreien. Das Landespflegegeld weiche schon von seinem Wesen her erheblich von den anderen in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Leistungen ab, insbesondere weil die Vermögenssituation nicht geprüft werde. Der Gesetzgeber habe genau aus diesem Grund in Art. 2 Abs. 4 Satz 4 BayLPflGG geregelt, dass das Landespflegegeld kein Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 7 RBStV ist. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liege nicht vor.
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Mit Schriftsatz vom 07.12.2020 hat sich die Beklagtenseite mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. Die Klägerseite hat mit Schriftsatz vom 02.07.2021 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Gründe

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Über die Klage kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
18
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
19
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO keinen Anspruch darauf, dass das Gericht den Beklagten verpflichtet, sie von der Rundfunkbeitragspflicht zu befreien. Sie hat auch keinen Anspruch auf Ermäßigung des Rundfunkbeitrages.
20
1. Rechtsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrages ist der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV), an dessen Verfassungsmäßigkeit keine Zweifel bestehen.
21
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht.
22
2.1 Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 RBStV. Zwar erstreckt sich gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 RBStV eine dem Ehemann der Klägerin zu gewährende Befreiung auch auf die Klägerin. Allerdings haben weder die Klägerin noch ihr Ehemann wegen des Bezugs von Landespflegegeld einen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht.
23
Das Gericht hat mit zwei Urteilen vom 20.01.2020 (B 3 K 19.703 und B 3 K 19.1038) und Urteil vom 29.01.2021 (B 3 K 19.1057) zur Frage, ob das bayerische Landespflegegeld die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 7 Var. 3 RBStV erfüllt, Folgendes ausgeführt:
„§ 4 Abs. 1 RBStV verlangt generell für eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht den Bezug von Sozialleistungen und die Durchführung einer wirtschaftlichen Bedürftigkeitsprüfung. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 RBStV werden Empfänger von Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII) oder von Hilfe zur Pflege als Leistung der Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) oder von Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften von der Beitragspflicht nach § 2 Abs. 1 RBStV befreit.
Das vom Ehemann der Klägerin nach dem (BayLPflGG) bezogene Pflegegeld ist aber kein „Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften“ im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 7 RBStV. Das zeigt bereits Art. 2 Abs. 4 Satz 4 BayLPflGG, der dies deklaratorisch klarstellt.
Weiterhin wird dies insbesondere aus der Systematik des § 4 Abs. 1 Nr. 7 RBStV sowie Sinn und Zweck dieses Befreiungstatbestands deutlich. Der Wortlaut enthält über die Formulierung „Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften“ hinaus keine Einschränkung.
Bei allen sonstigen von § 4 Abs. 1 Nr. 1 - 10 RBStV erfassten Sozialbezügen ist von der jeweiligen Behörde eine wirtschaftliche Bedürftigkeitsprüfung durchzuführen (VG Ansbach, U.v. 16.04.2015, Az. AN 6 K 14.00228, juris Rn. 60 f.; VG Gera, U.v. 15.03.2019, Az. 3 K 2167/18, juris Rn. 21 ff.).
So ist für den Empfang von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches des SGB XII nach § 27 SGB XII eine wirtschaftliche Bedürftigkeitsprüfung durchzuführen, ebenso für den Empfang von Leistungen nach den §§ 27a oder 27d BVG nach § 27a BVG (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 RBStV).
Für den Empfang von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist nach § 41 Abs. 1 i.V.m. § 43 SGB XII eine wirtschaftliche Bedürftigkeitsprüfung durchzuführen (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 RBStV), für den Empfang von Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II einschließlich von Leistungen nach § 22 SGB II nach § 18 Abs. 3 SGB II (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 RBStV), für den Empfang von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nach § 7 des Asylbewerberleistungsgesetzes (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 RBStV).
Bei nicht bei den Eltern wohnenden Personen erfolgt für die Bewilligung von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) nach § 11 BAföG eine wirtschaftliche Bedürftigkeitsprüfung, für die Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe nach den §§ 114, 115 Nr. 2 SGB III nach § 114 SGB III i.V.m. § 67 SGB III, für die Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe nach dem Dritten Kapitel, Dritter Abschnitt, Dritter Unterabschnitt des SGB III nach § 67 SGB III und für die Bewilligung von Ausbildungsgeld nach den §§ 122 ff. SGB II nach § 126 SGB III (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 RBStV).
Ebenfalls ist für Sonderfürsorgeberechtigte im Sinne des § 27e BVG eine wirtschaftliche Bedürftigkeitsprüfung nach 25a Abs. 1 BVG durchzuführen (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 RBStV).
Auch bei den neben dem Landespflegegeld in § 4 Abs. 1 Nr. 7 RBStV aufgezählten Leistungen von Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII oder von Hilfe zur Pflege als Leistung der Kriegsopferfürsorge nach dem BVG ist eine wirtschaftliche Bedürftigkeitsprüfung nach § 66a SGB XII bzw. §§ 25 Abs. 4, 25a Abs. 1 BVG durchzuführen.
Für den Empfang einer Pflegezulage nach § 267 Absatz 1 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) ist ebenfalls im gleichen Absatz eine wirtschaftliche Bedürftigkeitsprüfung in Form einer Einkommenshöchstgrenze für den Bezug vorgesehen. Ebenso ist Grundvoraussetzung für die Zuerkennung eines Freibetrags nach § 267 Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c LAG für diese Einkommenshöchstgrenze, dass dem Empfänger der Pflegezulage kein Pflegegeld oder eine sonstige Pflegesachleistung nach dem SGB XI gewährt wird und er mit seinem Einkommen unter Einbeziehung des Freibetrags unter der wirtschaftlichen Bedürftigkeitsgrenze verbleibt (§ 4 Abs. 1 Nr. 8 RBStV).
Volljährige, die im Rahmen einer Leistungsgewährung nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuches in einer stationären Einrichtung nach § 45 SGB VIII leben, sind nach § 92 Abs. 1a SGB VIII „aus ihrem Vermögen“ und damit unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Fähigkeiten heranzuziehen (§ 4 Abs. 1 Nr. 9 RBStV).
Der Empfang von Blindenhilfe nach § 72 SGB XII oder nach § 27d BVG ist nach 90 SGB XII bzw. § 27d Abs. 5 BVG an eine wirtschaftliche Bedürftigkeitsprüfung gebunden (§ 4 Abs. 1 Nr. 10 RBStV).
Lediglich taubblinde Menschen, die bereits denklogisch nicht das Rundfunkangebot nutzen können, werden unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Bedürftigkeit vollständig von der Rundfunkbeitragspflicht befreit.
Das bayerische Landespflegegeld ist im Gegensatz zu den im § 4 Abs. 1 RBStV aufgezählten Befreiungstatbeständen gerade keine vergleichbare Sozialleistung und stellt damit kein „Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften“ im Sinne dieser Bestimmung dar. Es ist nicht einkommensabhängig und dient nicht der Existenzsicherung. Die mit ihm gedeckten Bedarfe gehen nach der Zweckbestimmung in Art. 1 BayLPflGG ausdrücklich und gezielt über die rein pflegerischen Bedarfe hinaus. Voraussetzung für die Gewährung des bayerischen Landespflegegeldes sind lediglich die Feststellung des Pflegegrads 2 und der alleinige Wohnsitz oder die Hauptwohnung im Freistaat Bayern (Art. 2 Abs. 1, Abs. 3 BayLPflGG). Eine Bedürftigkeitsprüfung ist dabei gerade nicht vorgesehen. Wie dargelegt fordert die Gesetzessystematik des § 4 Abs. 1 RBStV bei den Befreiungstatbeständen gerade eine Prüfung der Leistungsfähigkeit in wirtschaftlicher Hinsicht.
Diese gesetzliche Wertung zeigt sich auch am Wortlaut des § 4 Abs. 6 Satz 2 RBStV, nach dem ein Härtefall insbesondere dann vorliegt, wenn eine Sozialleistung i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 1 - 10 RBStV nicht gewährt wurde, da die Einkünfte des Antragsstellers die jeweilige Bedarfsgrenze um weniger als die Höhe des Rundfunkbeitrags überschreitet. Mit dieser Härtefallregelung wird deutlich, dass der Gesetzgeber von einer finanziellen Vorprüfung für die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht ausgegangen ist.
Schließlich hat es der Landesgesetzgeber nicht in der Hand, Befreiungsmöglichkeiten auszuweiten oder den Zweck der Befreiungsnorm auszuhöhlen und damit letztlich die solidarische Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt in Frage zu stellen. Zur Rechtsklarheit wurde deshalb mit Art. 2 Abs. 4 Satz 4 BayLPflGG auch eine entsprechende Bestimmung in das Gesetz eingefügt (Jaburek, NZS 2019, 411).
In den Landespflegegeldgesetzen der Bundesländer Berlin, Brandenburg, Bremen und Rheinland-Pfalz sind höhere Anforderungen an die Gewährung der Leistung sowie Anrechnungs- oder Ausschlusstatbestände enthalten (§ 3 des Landespflegegeldgesetzes Berlin, § 4 des Landespflegegeldgesetzes Bremen, §§ 4, 5 des Landespflegegeldgesetzes Brandenburg und §§ 5, 6 des Landespflegegeldgesetzes Rheinland-Pfalz), eine wirtschaftliche Bedürftigkeitsprüfung mit der Reduktionsmöglichkeit auf „Null“ sehen diese aber ebenfalls nicht vor.
Aus der Verwaltungspraxis der zuständigen Landesrundfunkanstalten für Berlin, Bremen, Brandenburg und Rheinland-Pfalz, eine Befreiung nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 RBStV wegen des Bezugs von Landespflegegeld anzunehmen, kann allerdings nicht geschlossen werden, dass für einen Befreiungstatbestand i.S.d. § 4 Abs. 1 RBStV keine Bedürftigkeitsprüfung notwendig wäre. Aus einer unzutreffenden Gesetzesanwendung kann kein Anspruch auf eine Gleichbehandlung (im Unrecht) abgeleitet werden.“
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Das Gericht folgt diesen Gründen und sieht daher von einer weiteren Erörterung ab. In den Urteilen war die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden. In den Verfahren B 3 K 19.1038 und B 3 K 19.1057 wurde jeweils Berufung eingelegt. Sie sind unter den Aktenzeichen 7 BV 20.604 und 7 BV 21.726 bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof anhängig.
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2.2 Die Voraussetzungen eines anderen Befreiungstatbestands des § 4 Abs. 1 RBStV wurden von der Klägerin im Klageverfahren weder vorgetragen noch mit Nachweisen belegt (§ 4 Abs. 7 RBStV).
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Insbesondere die nach § 4 Abs. 1 Nr. 8 RBStV beantragte Befreiung für Personen, denen wegen Pflegebedürftigkeit nach § 267 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) ein Freibetrag zuerkannt wird, war ebenfalls abzulehnen. Entsprechende Nachweise, dass der Klägerin oder ihrem Ehemann ein Freibetrag nach dem Lastenausgleichsgesetz zuerkannt wurde, wurden nicht vorgelegt. Im Übrigen war der Ehemann der Klägerin wegen des Bezuges von Pflegegeld vom Freibetrag nach dem Lastenausgleichsgesetz ausgeschlossen. Der Ehemann der Klägerin hat eine Bestätigung über den Erhalt von Pflegegeld des Pflegegrades 2 seit 01.01.2017 der Techniker Krankenkasse Pflegeversicherung vom 20.12.2019 vorgelegt. Der Anspruch auf Pflegegeld ergibt sich aus § 37 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI). Nach § 267 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c LAG steht Personen aber kein Freibetrag zu, die Pflegegeld oder eine Pflegesachleistung nach den Vorschriften des SGB XI erhalten.
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Nur ergänzend wird darauf verwiesen, dass eine Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 8 RBStV für Empfänger von Pflegezulagen nach § 267 Abs. 1 LAG ebenfalls wegen des Bezuges von Pflegegeld nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI nicht in Betracht kommt. Der Bezug von Pflegezulagen nach § 267 Abs. 1 LAG ist nicht nachgewiesen. Die Pflegezulage ist zudem nach § 267 Abs. 1 Satz 7 LAG nicht zu gewähren, wenn Pflegebedürftige Pflegegeld oder eine Pflegesachleistung nach den Vorschriften des SGB XI erhalten.
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3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ermäßigung des Rundfunkbeitrages nach § 4 Abs. 2 RBStV.
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Danach wird der Rundfunkbeitrag auf Antrag für blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von wenigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung, für hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist, und für behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können, auf ein Drittel ermäßigt.
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Die Feststellung, ob die Voraussetzungen für eine Ermäßigung gegeben sind, erfolgt anhand des Merkzeichens „RF“ im Schwerbehindertenausweis bzw. im entsprechenden Bescheid. Die Rundfunkanstalt ist an die verbindliche Feststellung, sowohl hinsichtlich des Vorliegens als auch des Nichtvorliegens, gebunden (Lent, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, 32. Edition, Stand: 01.05.2021, § 4 RBStV Rn. 4; Gall/Siekmann in: Binder/Vesting, Beck'scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 4. Auflage 2018, § 4 RBStV Rn. 49). Die Klägerin hat durch Vorlage des Schwerbehindertenausweises ihres Mannes lediglich die Merkzeichen G aG nachgewiesen, so dass eine Ermäßigung nicht in Betracht kommt.
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4. Das Vorliegen eines besonderen Härtefalls im Sinne des § 4 Abs. 6 RBStV ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Die Klage war nach alledem abzuweisen.
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5. Da die Klage im Hauptantrag keinen Erfolg hat, war über den hilfsweise gestellten Antrag zu entscheiden. Nachdem - wie oben ausgeführt - die Bescheide vom 05.02.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2020 mangels Vorliegen der Voraussetzungen für eine Befreiung bzw. Ermäßigung rechtmäßig sind, besteht kein Anspruch auf eine erneute Verbescheidung der Klägerin, so dass der Hilfsantrag ebenfalls abzuweisen war.
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6. Als unterlegener Beteiligter hat die Klägerin nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
36
7. Die Berufung war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, ob das bayerische Landespflegegeld ein Pflegegeld im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 7 RBStV ist (§§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).