Inhalt

LG München II, Endurteil v. 16.02.2021 – 8 O 1740/19
Titel:

Schadensersatz, Schmerzensgeld, Unfall, Kollision, Mitverschulden, Geschwindigkeit, Feststellung, Ermessen, Unfallgeschehen, Verschulden, Verletzung, Haftung, Verfahren, Zahlung, Kosten des Rechtsstreits, angemessenes Schmerzensgeld, erforderliche Sorgfalt

Schlagworte:
Schadensersatz, Schmerzensgeld, Unfall, Kollision, Mitverschulden, Geschwindigkeit, Feststellung, Ermessen, Unfallgeschehen, Verschulden, Verletzung, Haftung, Verfahren, Zahlung, Kosten des Rechtsstreits, angemessenes Schmerzensgeld, erforderliche Sorgfalt
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 23.02.2022 – 7 U 1195/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 47696

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,00 Euro nebst 5% Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit 04.07.2019 zu bezahlen.
II. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle vergangenen und zukünftigen materiellen und weiteren immateriellen Schäden (letztere, soweit sie derzeit nicht vorhersehbar sind), welche aus dem Unfall vom 05.12.2017 resultieren, zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
III. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger freizustellen von den außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren der Rechtsanwälte Q.B. & Partner, R1-B1-Straße 12/V, M. aus der Kostennote vom 14.09.2018 in Höhe von 2.791,74 Euro.
IV. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
V. Das Urteil ist für die Klagepartei gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt Schadensersatz und Feststellung gegenüber dem Beklagten aufgrund eines Unfalles vom 05.12.2017, bei dem der Kläger als Spaziergänger von dem vom Beklagten gefahrenen Rodel erfasst wurde.
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Am Abend des 05.12.2017 stieg der Kläger ab etwa 19.50 Uhr den F.weg auf die „...alm“ am Schliersee hinauf, der im Winter auch berodelt wird. Gegen ca. 20.05 Uhr kam dem Kläger der Beklagte auf dessen Rodel entgegen. Hinter dem Beklagten saß auf dem Rodel die Zeugin E.. Aus zwischen den Parteien streitigen Gründen kam es zu einer Kollision des Schlittens mit dem Kläger.
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Der Kläger macht im vorliegenden Verfahren Schadensersatz, Schmerzensgeld und Feststellung bezüglich der ihm aus diesem Unfall angeblich entstandenen Schäden geltend.
4
Der Kläger behauptet, der Beklagte sei mit überhöhter Geschwindigkeit dem Kläger entgegengekommen. Vor der Kollision habe er noch laut „Vorsicht“ gerufen und sei nach rechts auf den Rand der Rodelpiste ausgewichen, habe versucht, sich hinter eine aufgehäufte Schneeböschung am Wegesrand zu flüchten. Allerdings habe der Beklagte direkt in Richtung des Klägers gelenkt und sei letztlich auch mit seinem Rodel mit dem Kläger im kniehohen Tiefschnee kollidiert. Der Rodel des Beklagten habe das linke Knie des Klägers getroffen und brachte ihn zu Fall. Der Kläger sei hierbei schwer verletzt worden. Insbesondere habe sich der Kläger folgende Verletzungen zugezogen:
1. Kniegelenksluxations Grad II. links,
2.
Kompletter Riss des vorderen Kreuzbandes links,
3.
Innenbandriss links,
4.
Mehrere Knochenbrüche am Schienbein, Wadenbein und Oberschenkel,
5.
Weichteilschaden Grad I. bei geschlossener Fraktur.
5
Der Kläger behauptet weiterhin, vor der Kollision sei er in der auf Seite 4 und 5 der Klageschrift (vgl. Bl. 4 und 5 d. A.) bezeichneten Weise am äußersten rechten Pistenrand, also bergseits, gegangen. Zu diesem Zeitpunkt sei der Schlitten des Beklagten etwa 40 - 50 m entfernt gewesen. Der Beklagte sei hingegen talseits, also auf der anderen Seite, bergabwärts gefahren. Der Kläger habe „Vorsicht“ gerufen, um die Aufmerksamkeit des Rodlers zu erhöhen. Der Kläger behauptet weiterhin, dass es zu keiner Kollision gekommen wäre, wenn der Beklagte schlichtweg geradeaus weitergefahren sei. Dennoch habe der Beklagte völlig unvermittelt in einer Entfernung von noch ca. 20 - 30 m eine abrupte Richtungsänderung (vgl. hierzu Bl. 5 d. A.) eingeleitet und sei direkt auf den Kläger zugesteuert. Als noch ca. 5 m Abstand zwischen dem Kläger und dem Rodel war, habe sich dieser entschieden, über die Schneeböschung am rechten Rand der Piste zu springen, um eine Kollision zu vermeiden.
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Der Kläger behauptet weiterhin, durch den Unfall die auf Seite 25 ff. der Klageschrift (vgl. Bl. 25 ff. d. A.) beschriebenen dauerhaften bzw. lang andauernden Beschwerden erlitten zu haben. Hierbei sei der komplette Umfang des Dauerschadens noch nicht abzusehen. Sicher aber sei, dass die Beweglichkeit des Kniegelenks immer eingeschränkt bleiben werde.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass eine volle Haftung des Beklagten dem Grunde nach gegeben sei, da der Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in grobem Maße auch außer Acht gelassen habe: Der Beklagte sei insofern mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren, habe trotz des Warnrufes des Klägers nicht rechtzeitig und insbesondere nicht ordnungsgemäß reagiert. Insbesondere sei vom Beklagten ein nicht nachvollziehbares Lenkmanöver vorgenommen worden. Der Kläger ist ferner der Auffassung, dass er aufgrund seiner Position vor der Kollision, insbesondere des Umstandes, dass er völlig bergseitig ging, keinerlei Mitverschulden am Unfall trage. Der Umstand, dass der Kläger seine Stirntaschenlampe nicht eingeschaltet hatte, führe zu keinerlei Mitverschuldensquote des Klägers am Unfallgeschehen, da auch bei eingeschalteter Stirntaschenlampe aufgrund des Verhaltens des Beklagten der Unfall in vollem Umfang in gleicher Weise geschehen wäre.
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Der Kläger beantragt deshalb zuletzt zu erkennen:
I. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, zu zahlen.
II. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle vergangenen und zukünftigen materiellen und weiteren immateriellen Schäden (letztere, soweit sie derzeit nicht vorhersehbar sind), welche aus dem Unfall vom 05.12.2017 resultieren, zu ersetzen, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
III. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger freizustellen von den außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren der Rechtsanwälte Q. & Partner, R2. Straße 12/V, 5... M1. aus der Kostennote vom 14.09.2018 in Höhe von 2.791,74 €.
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Der Beklagte beantragt zu erkennen,
die Klage abzuweisen.
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Er behauptet, der Kläger sei vor der Kollision entgegen aller Üblichkeit nicht auf der rechten Seite, sondern aus Sicht des Klägers auf der linken Seite (also bergseits) und somit auf der Spur des Beklagten nach oben gelaufen. Aufgrund des Umstandes, dass die Strecke durch Bäume verdunkelt gewesen sei, habe der Kläger zwingend seine Stirntaschenlampe einschalten müssen, was nicht der Fall war. Der Beklagte selbst sei mit vollkommen adäquater Geschwindigkeit - ca. 20 km/h - bergabwärts gefahren. Aufgrund der nicht eingeschaltenen Stirntaschenlampe des Klägers bemerkte der Beklagte den Kläger geschätzt ca. erst 30 - 40 m vor dem Unfall. Ein sofort eingeleitetes Ausweichmanöver des Beklagten konnte jedoch die Kollision nicht mehr vermeiden. Dies insbesondere deshalb, weil der Kläger völlig unvermittelt dann von der Talseite auf die Bergseite gewechselt habe, also gerade in die Richtung, in die der Beklagte versuchte auszuweichen.
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Der Beklagte ist der Auffassung, dass dem Kläger aufgrund dieser völlig unverständlichen Reaktion des Ausweichens nach rechts und der genannten anderen Umstände das alleinige Verschulden am Unfall treffe. Die Kollision sei in Anbetracht des klägerischen Verhaltens für den Beklagten auch bei äußerster Sorgfalt unvermeidbar gewesen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Parteianhörung gemäß § 141 ZPO des Klägers und des Beklagten, sowie durch uneidliche Vernehmung der Zeugen A1. A2., M. K., K1 Sch. Das Gericht hat ferner Beweis erhoben durch Erholung eines Sachverständigengutachtens nebst Ergänzungsgutachten des Sachverständigen D. S2. sowie eines medizinischen Sachverständigengutachtens der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik M.vom 09.10.2020 (vgl. Bl. 187 - 204 d. A.). Wegen der Einzelheiten der erholten Gutachten wird insofern insbesondere auf Bl. 80 - 89 d. A., Bl. 187 - 204 d. A., sowie die Sitzungsniederschrift vom 04.02.2020 (vgl. Bl. 110 ff. d. A.) Bezug genommen.
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Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage erwies sich in vollem Umfang als begründet mit der Maßgabe, dass das Gericht hinsichtlich Ziffer I. der Klageanträge ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,00 Euro für angemessen erachtete.
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Die Klageanträge waren zulässig, insbesondere bestand für den Feststellungsantrag hinsichtlich Ziffer II. der Klageanträge gemäß § 256 Abs. 1 ZPO das erforderliche Feststellungsinteresse, da es der Klagepartei derzeit noch nicht möglich ist, sämtliche auf den streitgegenständlichen Unfall zurückzuführende Schäden abschließend zu beziffern.
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Der Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gegenüber den Beklagten ergibt sich aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB:
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Nach erfolgter Beweiserhebung, insbesondere der Erholung mehrere Gutachten des Sachverständigen D. S2., steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte unter Außerachtlassung der erforderlichen Sorgfalt den streitgegenständlichen Unfall allein verschuldet hat und deshalb dem Grunde nach in vollem Umfang dem Kläger aus § 823 Abs. 1 BGB wegen fahrlässiger Verletzung des Körpers des Klägers haftet:
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Zunächst ist festzustellen, dass weder die durchgeführte Parteianhörung von Kläger und Beklagtem gemäß § 141 ZPO, noch die Einvernahme der Zeugen E., K. und Sch. alleine und letztlich zur Überzeugung des Gerichts den genauen Hergang des Unfalls darstellen bzw. nachweisen konnte. So haben die Parteien im Rahmen ihrer jeweiligen Anhörung (vgl. hierzu Bl. 64 d. A.) jeweils im Wesentlichen den schriftsätzlichen Vortrag ihrer Parteivertreter wiederholt, ohne dass zunächst die eine oder andere Version des Hergangs für das Gericht glaubhafter erschien. Hinsichtlich der vernommenen Zeugen im Hauptverhandlungstermin vom 22.10.2019 (vgl. hierzu Bl. 67 ff. d. A.) ist festzustellen, dass diese entweder die genaue Kollision der Parteien nicht mitbekommen oder aber letztlich nicht so genaue Angaben - insbesondere zur Einhaltung der erforderlichen Sorgfaltsmaßstäbe - machen konnten, dass eine alleinige Überzeugungsbildung hinsichtlich des Unfallhergangs aufgrund der Aussagen möglich gewesen wäre.
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Zur entscheidenden Überzeugungsbildung hat vielmehr die Begutachtung - des auch bei der Zeugeneinvernahme anwesenden - Sachverständigen S2. im Rahmen seines Gutachtens vom 04.11.2019 sowie seiner anschließenden mündlichen Befragungen geführt:
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Aufgrund der in sich schlüssigen und auch auf Befragung im Termin vom 04.02.2020 sich weiterhin stimmig darstellenden Ausführungen (vgl. hierzu Bl. 80 ff. d. A. sowie Bl. 110 ff. d. A.) steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte durch die Außerachtlassung mehrerer Sorgfaltspflichten eines Rodlers die streitgegenständliche Kollision im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB in fahrlässiger Weise allein verschuldet hat, ohne dass den Kläger ein Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB trifft:
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Im Kern der Sachverständigenbegutachtung ist dabei festzustellen und festzuhalten, dass in Anbetracht der konkreten räumlichen und örtlichen Gegebenheiten die vom Beklagten gewählte Geschwindigkeit und Fahrweise - auch im Hinblick auf die Doppelbesetzung des Schlittens - sorgfaltswidrig war:
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Hierbei ist festzustellen, dass der Sachverständige auf Seite 8 des Ausgangsgutachtens (vgl. Bl. 87 d. A.) angibt, dass es ihm unter Auswertung der Zeugenaussagen zwar nicht möglich sei, eine exakte Anprallgeschwindigkeit anzugeben, allerdings das Aufwirbeln von Schnee bei der Kollision, die Verletzung der Beteiligten und die Beschreibung des Effekts der Massenträgheit darauf hinweise, dass die Kollisionsgeschwindigkeit erheblich höher als Schrittgeschwindigkeit gewesen sei. Diese Feststellung hat der Sachverständige in völlig plausibler Art und Weise auch im Rahmen mehrfacher Nachfragen durch die Beklagtenpartei im Rahmen seiner Anhörung vom 04.02.2020 vollständig aufrechterhalten:
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Insbesondere wurde von der Beklagtenpartei dem Sachverständigen nochmals die Aussage des Zeugen K. vorgehalten, nach der dieser angab, dass der vorbeifahrende Schlitten unauffällig gewesen sei - wohl, was die Geschwindigkeit betrifft. Auf nochmalige Nachfrage hat der Sachverständige erklärt (vgl. letzter Absatz auf Bl. 117 d. A.), dass sich keine Änderung hieraus bezüglich der Feststellung der Kollisionsgeschwindigkeit im Ausgangsgutachten ergibt.
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Für das Gericht entscheidend und auch im Rahmen mehrfacher Befragung vom Sachverständige plausibel ausgeführt und aufrechterhalten, stellt sich die Passage des zweiten Absatzes auf Seite 9 des Hauptgutachtens (vgl. Bl. 88 d. A.) dar. Dort heißt es, dass sich gerade das Rodeln eines mit zwei Personen besetzten Schlittens hinsichtlich der Lenkbarkeit deutlich unterscheidet hinsichtlich eines Rodels, der mit nur einer Person besetzt sei. Dies betreffe die Lenkbarkeit, aber auch den Bremsvorgang des Rodels (vgl. Bl. 88 d. A.). Ein mit zwei Personen besetzter Rodel sei hierbei deutlich schwieriger zu lenken und der Bremsweg verlängere sich zudem, da ein sog. Notbremsen mittels Hochziehen der Kufen kaum oder gar nicht möglich sei. Diese Eigenschaften bzw. Besonderheiten müssten gemeinsam fahrende Rodler - wie hier im Fall der Beklagte und die Zeugin E. - mittels geringer Fahrgeschwindigkeit und defensiver Fahrweise ausgleichen bzw. Rechnung tragen. Außerdem führt der Sachverständige aus, dass es geboten sei (vgl. Bl. 88 d. A., 2. Absatz), dass Rodler gerade an der konkreten Unfallstelle, die sich auf einer schmalen Forst straße befand, auf welcher zugleich Fußgänger aufsteigen, ihre Geschwindigkeit und ihre Fahrweise den konkreten Gegebenheiten anpassen. Der Sachverständige führt hierbei aus, dass es zwingend erforderlich sei, auf Sicht zu fahren und im Rahmen der Sichtweite Personen bzw. Hindernissen zuverlässig ausweichen und/oder zuverlässig anhalten zu können. Beides sei im vorliegenden Fall nicht gegeben (vgl. Bl. 88 d. A., 2. Absatz, letzter Satz). Der Sachverständige führt weiter aus, dass es - obwohl der Beklagte den Kläger aus einer Entfernung von jedenfalls 30 - 40 m optisch und akustisch wahrnahm - diesem trotz vehementer Maßnahmen des Bremsens gemeinsam mit der Zeugin E. nicht gelungen sei, den Rodel auf einer schwach geneigten, gradlinigen Forst straße zum Halten zu bringen und dies gleichwohl trotz des Umstandes, dass die Schneeverhältnisse nach Aussage des Beklagten optimal, d. h. festgefahren aber griffig gewesen sind (vgl. Bl. 87 d. A., letzter Absatz). Vielmehr sei der Beklagte samt Rodel mit erheblicher Restgeschwindigkeit in den seitlichen Tiefschnee neben dem Fahrweg gefahren, wobei der Rodel im Schnee steckenblieb und der Beklagte und seine Begleiterin fielen bzw. nach vorne flogen. Aufgrund dieser Umstände sei eine Anpassung der Geschwindigkeit an die gegebenen Verhältnisse und auch eine Anpassung der Fahrweise nicht gegeben gewesen (vgl. Bl. 88 d. A., 2. Absatz). An den Ausführungen des Sachverständigen, die in sich stimmig und nachvollziehbar sind, bestehen keine Anhaltspunkte zu Zweifeln.
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Hinsichtlich des Umstandes, dass der Kläger keine eingeschaltete Stirnlampe trug, ergibt sich für das Gericht kein zu berücksichtigender Verursachungsbeitrag am Unfallgeschehen und damit kein Mitverschulden:
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Der Sachverständige führt hier zur Überzeugung des Gerichts nachvollziehbar aus, dass der Umstand, dass der Kläger ohne Stirnlampe für den Rodler weniger sichtbar gewesen war, unstreitig dadurch begegnet wurde, dass er durch Rufen auf sich aufmerksam machte (vgl. Bl. 88 d. A., letzter Satz). Die Sachverständigenausführungen wurden auch auf intensive Befragung zur Überzeugung des Gerichts in sich stimmig und nachvollziehbar im Hauptverhandlungstermin vom 04.02.2020 aufrechterhalten und nochmals zur Überzeugung des Gerichts vertieft:
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Insbesondere konnte auch durch den Einwand der Beklagtenpartei, der Sachverständige habe möglicherweise nicht beide Varianten des Sachverhalts hinsichtlich des Aufsteigens des Klägers bei der Begutachtung berücksichtigt, die Überzeugungsbildung des Gerichts vom oben geschilderten Unfallhergang verändert werden:
28
Auch unter Berücksichtigung der von der Beklagtenpartei vorgetragenen Sachverhaltsvariante, nämlich eines Aufstiegs des Klägers talseits und dessen unvermittelten Ausweichmanövers nach rechts stellt der Sachverständige fest (vgl. Bl. 115 d. A., erster Absatz) dass bei Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt auch in diesem Fall dem Rodler ein Abbremsen oder Ausweichen dergestalt hätte möglich sein müssen, dass eine Kollision vermieden worden wäre. Eine Änderung der Feststellungen im Hauptgutachten ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts hieraus nicht.
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Aufgrund der genannten Umstände steht zur Überzeugung des Gerichts ein Alleinverschulden des Beklagten am Unfallgeschehen durch überhöhte Geschwindigkeit und nicht angepasste Fahrweise fest, sodass der Beklagte dem Grunde nach in vollem Umfang aus § 823 Abs. 1 BGB haftet.
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Gemäß § 253 BGB steht dem Kläger unter Berücksichtigung der medizinischen Begutachtung durch die Sachverständige Dr. B2. vom 09.10.2020 (vgl. Bl. 187 ff. d. A.) ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,00 Euro unter Berücksichtigung der unfallbedingten Verletzungen und Beeinträchtigungen zu:
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Die Sachverständige - an deren in sich stimmigen und nachvollziehbaren Ausführungen nicht zu zweifeln ist - stellt insbesondere auf Seite 12 ihres Gutachtens (vgl. Bl. 198 d. A.) fest, dass folgende Verletzungen und Beeinträchtigungen am Kniegelenk ausschließlich Folgen des Unfalles seien:
- Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks nach konservativer Behandlung einer vorderen Kreuzbandruptur, einer Innenbandruptur und einer Ruptur der hinteren Gelenkkapsel mit einer nicht verschobenen Wadenköpfchenmehrfragmentfraktur und einer nicht verschobenen Fraktur am Tibiaplateau.
- Belastungsabhängige Beschwerden beim längeren Gehen und Stehen.
- Radiologische Anzeichen einer strähnigen Kalksalzminderung im Bereich des distalen Femur und des proximalen Tibiaanteils li.
- Einfach positive vordere Schublade bei festem Anschlag im Sinne einer verbliebenen Teilinstabilität des linken Kniegelenks.
- Diskrete mediale Aufklappbarkeit bei 30 Grad Beugung.
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Sie bestätigt ferner auf Bl. 13 ihres Gutachtens (Bl. 199 d. A.), dass aus ihrer Sicht eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit vom 05.12.2017 bis 05.02.2018 mit einer resultierenden Minderung der Erwerbsfähigkeit zu 100% bestand. Für weitere sechs Monate sei von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20% auszugehen, welche dann in eine dauerhafte von 10% übergehe (vgl. Bl. 199 d. A.). Während sich die Verletzungen auf die berufliche Tätigkeit des Klägers nicht auswirken würden, müsse im Rahmen der privaten Lebensführung durch den Kläger insbesondere auf verschiedene sportliche Betätigungen wie Rudersport, Marathon, Jogging ausgedehnter Art, Tennis und Squash entweder ganz verzichtet oder erhebliche Einschränkungen in Kauf genommen werden. Hierbei sei festzustellen, dass bei einer dauerhaften Belastbarkeit des linken Kniegelenks Einschränkungen bestünden und eine Unfähigkeit zu knien festzustellen sei. Es liege ferner eine endgradige Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks bei Streckung und Beugung vor. Durch geänderte Druckverhältnisse im Kniegelenk sei von einer vorzeitig eintretenden Arthrose auszugehen. Die Sachverständige führt ferner aus, dass aus ihrer Sicht die Einwendungen der Beklagtenpartei, wonach die beschriebenen Beschwerden nicht auf den Unfall zurückzuführen seien „völlig unbegründet“ seien (vgl. Bl. 200 d. A., drittletzter Absatz). Abschließend führt die Sachverständige (vgl. Bl. 201 d. A.) aus, dass hinsichtlich des Kreuzbandrisses auch eine operative Versorgung keine Garantie auf eine 100%-ige Wiederherstellung des Vorzustandes und einer Erreichung einer 100%-igen Stabilität gewährleiste.
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Unter Berücksichtigung all dieser Umstände, insbesondere der Beeinträchtigung der privaten Lebensweise sowie der dauerhaften Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10% sowie des gegebenen erhöhten Arthroserisikos erschien dem Gericht insgesamt ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,00 Euro angemessen.
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Die zulässige Feststellungsklage gemäß Ziffer II. erwies sich in vollem Umfang als begründet, da zur Überzeugung des Gerichts eine 100%-ige Haftung des Beklagten am Unfallgeschehen feststeht (vgl. oben). Gemäß §§ 823 Abs. 1 BGB, 249 S. 1 BGB, 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB ist der Beklagte verpflichtet, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren seiner Prozessbevollmächtigten gemäß der Kostennote vom 14.09.2018 in Höhe von 2.791,74 Euro freizustellen:
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Die Höhe der insofern festgesetzten Rechtsanwaltsgebühren von 2.791,74 Euro war nicht zu beanstanden. Eine vollständige Haftung dem Grunde nach des Beklagten ist gegeben (vgl. oben). Auch dem Antrag gemäß Ziffer III. der Klage war daher in vollem Umfang stattzugeben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Obwohl das Schmerzensgeld nicht in der von der Klägerpartei angedachten Höhe gewährt wurde, kam eine teilweise Klageabweisung nicht in Betracht, da insofern von der Klägerpartei in Ziffer I. der Klageanträge ein noch unbezifferter Schmerzensgeldantrag gestellt wurde (vgl. Bl. 2 d. A.).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.