Titel:
Zugangsvoraussetzungen für eine Ausbildung als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin
Normenketten:
PsychThG1998 § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 lit. b
PsychThG § 27 Abs. 2
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1
Leitsatz:
Ein im Inland an einer Universität oder gleichstehenden Hochschule bestandener Masterabschluss im Studiengang Psychologie, der das Fach Klinische Psychologie einschließt, ist eine Abschlussprüfung iSv § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 lit. a PsychThG1998 (Anschluss an BVerwG BeckRS 2017, 128553). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, Feststellung des Erfüllens der Zugangsvoraussetzungen, Bezeichnung von Studiengängen im Gesetz, Anerkennung weiterer Studiengänge im Verwaltungsvollzug, Selbstbindung der Verwaltung, Masterstudiengang „Forschung und Entwicklung in der Erziehungswissenschaft“, Ausbildung, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, Psychologie, Voraussetzungen, Studiengang, Bezeichnung im Gesetz, weitere Studiengänge, Anerkennung, Masterstudiengang
Fundstellen:
LSK 2021, 47689
MedR 2022, 229
BeckRS 2021, 47689
Tenor
I. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 27. Januar 2021 verpflichtet, festzustellen, dass die Klägerin die Zugangsvoraussetzungen für eine Ausbildung als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b PsychThG in der bis zum 31. August 2020 geltenden Fassung erfüllt.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um eine Feststellung des Beklagten, dass die Klägerin die Voraussetzungen für den Zugang zu einer Ausbildung als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin erfüllt.
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Der Klägerin war am 30. September 2009 von der Dualen Hochschule … der akademische Grad „Bachelor of Arts (B. A.)“ verliehen worden, nachdem sie dort ein Bachelorstudium im Studiengang „Soziale Arbeit“ erfolgreich abgeschlossen hatte. Von der Universität … war ihr am 17. September 2012 der akademische Grad „Master of Arts (M.A.)“ verliehen worden, nachdem sie an dieser Universität den Masterstudiengang „Forschung und Entwicklung in der Erziehungswissenschaft“ abgeschlossen und mit der Note „sehr gut“ bestanden hatte.
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Bereits Anfang Dezember 2020 hatte eine Akademie für Psychotherapie bei der Regierung von Oberbayern - Landesprüfungsamt für Medizin, Pharmazie und Psychotherapie - (Regierung) mittels E-Mail angefragt, ob die Klägerin mit diesen akademischen Abschlüssen die Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin erfülle. Die Regierung hatte dies abschlägig beantwortet.
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Nachdem die Bevollmächtigte der Klägerin am … Januar 2021 bei der Regierung um Feststellung gebeten hatte, dass diese die Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin erfülle, teilte ihr die Regierung mit Schreiben vom 27. Januar 2021, dem keine Rechtsbehelfsbelehrungbeigefügt war, mit, dass die Klägerin diese Zugangsvoraussetzungen nicht erfülle. Nach einem wesentlichen Punkt in einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2017 zum Vollzug des Psychotherapeutengesetzes falle in diesem Zusammenhang eine inhaltliche Prüfung von Studieninhalten weg, es komme vielmehr auf die formal korrekte Bezeichnung der im Gesetz genannten Studiengänge an. Die einschlägige gesetzliche Regelung sehe für den Zugang zu der von der Klägerin begehrten Ausbildung lediglich die Abschlüsse Pädagogik oder Sozialpädagogik vor. Dieser Katalog sei aufgrund der veränderten Studienstruktur seit Einführung des Psychotherapeutengesetzes durch das Landesprüfungsamt um die Abschlüsse in den Studiengängen Soziale Arbeit, Erziehungswissenschaften und Bildungswissenschaften ergänzt worden. Eine darüber hinausgehende Ergänzung scheide aus. Der Studiengang „Forschung und Entwicklung in der Erziehungswissenschaft“ der Klägerin entspreche der formalen Vorgabe an die richtige Bezeichnung nicht.
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Die Klägerin ließ am … Februar 2021 Klage zu Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben und sinngemäß hauptsächlich beantragen,
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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 27. Januar 2021 zu verpflichten, festzustellen, dass sie die Zugangsvoraussetzungen für eine Ausbildung als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b PsychThG in der bis zum 31. August 2020 geltenden Fassung erfüllt.
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Zur Begründung der Klage lässt sie ausführen, dass sie mit ihrem Masterabschluss die gesetzlichen Voraussetzungen erfülle. Entgegen der Auffassung der Regierung komme es auf die richtige Bezeichnung des Studiengangs nicht an, auch nicht nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. August 2017. Auf die begehrte Feststellung habe sie auch unter Berücksichtigung ihrer grundgesetzlich geschützten Berufsfreiheit einen Anspruch. Die Begriffe „Erziehungswissenschaft“ und „Pädagogik“ würden synonym verwendet. Die Regierung sei durch ihre eigene Verwaltungspraxis, Abschlüsse aus dem Bereich „Erziehungswissenschaften“ anzuerkennen, in ihrer Entscheidung gebunden. Im Übrigen erfülle bereits der Bachelorabschluss der Klägerin als berufsqualifizierender Abschluss die vom Gesetz geforderten Voraussetzungen.
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Der Beklagte beantragt,
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Zur Begründung hierzu führt er aus, die begehrte verbindliche Feststellung sei nicht möglich, da die Klägerin die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zur Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin nicht erfülle. Aus diesem Grund könne sie später nicht zur Prüfung zugelassen werden. Aus der Prüfungs- und Studienordnung des Masterstudiengangs der Klägerin lasse sich unter anderem entnehmen, dass mit der Masterprüfung nachgewiesen würde, dass Studenten über das Ziel ihres Bachelorstudiengangs hinaus die Kompetenzen erworben hätten, Verfahren der Erhebung, Beschreibung und Analyse von Daten in angemessener Weise anzuwenden (Forschung) und auf dieser Basis Wandlungsverläufe in pädagogischen Operationen, Interaktionen und Wissensbeständen zu beschreiben und zu rekonstruieren sowie konzeptionell zu begründen und zu beeinflussen (Entwicklung). Durch die Masterprüfung solle festgestellt werden, ob die Studenten die Kompetenzen erworben hätten, Verfahren der Erhebung, Beschreibung und Analyse von Daten in angemessener Weise anzuwenden (Forschung) und auf dieser Basis Wandlungsverläufe in pädagogischen Organisationen, Interaktionen und Wissensbeständen zu beschreiben und zu rekonstruieren sowie konzeptionell zu begründen und zu beeinflussen (Entwicklung). In der Prüfungsordnung des Diplomstudiengangs Erziehungswissenschaft finde sich hingegen folgender Abschnitt: „die Diplomprüfung bildet einen berufsqualifizierenden Abschluss des Studiums der Erziehungswissenschaft, dass das nach der Diplom-Vorprüfung an einer der Studienrichtungen Schulpädagogik, Sozialpädagogik, Erwachsenenbildung/Weiterbildung oder Sonderpädagogik orientiert ist. Durch die Diplomprüfung soll festgestellt werden, ob der Kandidat die für den Übergang in die Berufspraxis notwendigen gründlichen Fachkenntnisse erworben hat, die Zusammenhänge des Faches überblickt und die Fähigkeit besitzt, wissenschaftliche Methoden und Erkenntnisse selbstständig anzuwenden“. Voraussetzung für die Zulassung zur von der Klägerin begehrten Ausbildung sei eine bestandene Abschlussprüfung in den Studiengängen Pädagogik oder Sozialpädagogik. Weder ihr Master- noch ihr Bachelorabschluss erfülle diese Voraussetzungen. Die Bezeichnung ihres Masterstudiengangs und auch seine Inhalte entsprächen nicht den gesetzlich geforderten Voraussetzungen. Das Fordern der mit dem Gesetzestext übereinstimmenden Bezeichnung des abgeschlossenen Studiengangs entspreche einem von der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Landesprüfungsämter im Mai 2018 beschlossenen Verwaltungsvollzug. Grund hierfür sei ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. August 2017 (3 C 12.16) gewesen, auch wenn die Gründe hierfür nicht „eins zu eins“ in diesem Urteil zu finden seien. Um dies nachzuvollziehen, bedürfe es einer Zusammenschau aller Änderungen des Psychotherapeutengesetzes und aller Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts hierzu. Danach komme man zu dem Ergebnis, dass eine über den Wortlaut des Gesetzestextes hinausreichende Betrachtung unzulässig sei, weil der Gesetzgeber in Kenntnis der hochschulrechtlichen Entwicklung keine Anpassung der Zugangsvoraussetzungen vorgenommen habe. Dies werde auch in der Begründung des Gesetzesentwurfs zur Neufassung des Psychotherapeutengesetzes deutlich, in der ausdrücklich den Absolventen der genannten Studiengänge eine besondere Befähigung zum Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit psychischen Problemen zugesprochen werde. Hinzuweisen sei auch auf die Übergangsregelung des § 27 Abs. 2 Satz 1 PsychThG neuer Fassung, worin uneingeschränkt auf § 5 Abs. 2 PsychThG alter Fassung verwiesen werde. Dabei sei dem Gesetzgeber bewusst gewesen, dass dort nur die Studiengänge Pädagogik und Sozialpädagogik genannt seien. Die Regelungen seien nicht geändert, sondern beibehalten worden. Eine Hochschule entscheide hochschulrechtlich darüber, ob sie einen Masterstudiengang mit der formal eindeutigen Bezeichnung anbiete oder nicht. Ferner sei der Zugang zur Ausbildung limitiert. Grund hierfür sei, dass die Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin eine Ausnahme des Arztvorbehaltes darstelle. Da es sich um eine gesetzliche Ausnahmeregelung handele, sei der Kreis der Berechtigten beschränkt. Limitiert seien unter anderem die Ausbildungsplätze an den geeigneten Ausbildungsstätten. Diese stünden denjenigen, die sich für ein solches Masterstudium entschieden hätten, zur Verfügung. Die Plätze in den Studiengängen, die die gesetzlichen Zugangsvoraussetzungen erfüllten, orientierten sich unter anderem an den Ausbildungsplätzen der Ausbildungsstätten. Durch die Absolvierung des Studiengangs „Forschung und Entwicklung in der Erziehungswissenschaft“ sei die Klägerin nicht als akademische Pädagogin oder Sozialpädagogin mit Mastergrad anzusehen. Hierfür bedürfe es eines Masterabschlusses in einem reinen Pädagogik- oder Sozialpädagogikstudiums. In ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit werde die Klägerin nicht verletzt. Die vom Gesetzgeber gewählten Zugangsvoraussetzungen eines erfolgreich abgeschlossenen Pädagogik- oder Sozialpädagogikstudiums stelle zwar eine subjektive Berufswahlregelung dar, doch liege eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für diesen Eingriff vor. Der Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter gehe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Freiheit des Einzelnen vor. Die Gesundheit der Bevölkerung sei als ein solch wichtiges Gemeinschaftsgut anerkannt. Speziell für das Psychotherapeutengesetz habe die Rechtsprechung auf den Schutz eines besonders wichtigen Gemeinwohlbelangs in Gestalt der Gesundheit der Bevölkerung abgestellt und die vom Gesetzgeber gewählten Zugangsvoraussetzungen eines erfolgreich abgeschlossenen Pädagogik- oder Sozialpädagogikstudiums als geeignetes und erforderliches, durch ein milderes nicht ersetzbares Mittel zur Erreichung dieses Zwecks angesehen. Die Differenzierung nach dem Studienabschluss sei demnach für sich genommen gerechtfertigt. Auf diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts baue das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2017 auf. Der einheitliche neue Verwaltungsvollzug aufgrund dieses Urteils sei durch die Landesprüfungsämter beschlossen worden. Eine über den Wortlaut der einschlägigen gesetzlichen Bestimmung hinausgehende Auslegung sei unzulässig. Eine inhaltliche Prüfung der Studieninhalte sei in der Vorschrift nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber habe in Kenntnis der hochschulrechtlichen Entwicklung keine Anpassung der Zugangsvoraussetzungen vorgenommen. Weiterhin sei ein reiner Pädagogik- oder Sozialpädagogikabschluss notwendig. Deshalb sei der Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerin gerechtfertigt. Die korrekte Bezeichnung des Studienganges, die die inhaltliche Ausrichtung des Studiengangs wiedergebe, obliege den Universitäten. Der Studiengang der Klägerin sei auf den Erwerb von Kompetenzen zur Forschung und Entwicklung ausgerichtet, was sich aus der Prüfung- und Studienordnung ergebe. Im Studium würden die Forschung in unterschiedlichen Kontexten als auch deren Methoden gelehrt. Die Teile des Studiums, die sich mit der Erziehungswissenschaft an sich befassen würden, würden hingegen eine untergeordnete Rolle einnehmen. Der Diplomstudiengang ziele nach der Prüfungsordnung hingegen auf den Übergang in die berufliche Praxis ab. Die Regierung sei sich bewusst, dass die Begriffe „Erziehungswissenschaft“ und „Pädagogik“ weitgehend synonym verwendet würden. Gerade deswegen sei durch das Landesprüfungsamt der Katalog der anerkannten Studiengänge bereits auf Abschlüsse in Erziehungswissenschaften ergänzt worden. Doch auch hier sei eine eindeutige, korrekte Bezeichnung Voraussetzung. Eine Verletzung des Grundsatzes der Selbstbindung der Verwaltung liege nicht vor, da die Bezeichnung „Forschung und Entwicklung in der Erziehungswissenschaft“ nicht die formalen Anforderungen erfülle. Bei Abschlüssen von Studiengängen aus diesem Bereich, die bisher zugelassen worden seien, sei dies der Fall gewesen. Auch mit ihrem Bachelorabschluss erfülle die Klägerin die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen nicht. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2017 komme es nur noch auf den Masterabschluss in Psychologie an, der vorangegangene Studienverlauf sei unerheblich.
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In der mündlichen Verhandlung am 6. Mai 2021 führte die Bevollmächtigte der Klägerin unter anderem aus, dass es nach ihrer Auffassung hinsichtlich der Anerkennung eines Bachelorabschlusses zumindest in … einen gegenüber dem bayerischen Verwaltungsvollzug günstigeren Verwaltungsvollzug gebe.
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Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist auch begründet.
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1. Die als Versagungsgegenklage erhobene Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist zulässig. Das Schreiben der Regierung vom 27. Januar 2021 ist ein Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG. Er regelt im Einzelfall der Klägerin im Vollzug des Psychotherapeutengesetzes unmittelbar und nach außen gerichtet sowohl die Frage, ob die Klägerin die gesetzlichen Voraussetzungen für den Zugang zur Ausbildung zur Kinder- und Jugendpsychotherapeutin erfüllt, und damit auch, ob die Klägerin nach Abschluss einer solchen Ausbildung vom Beklagten zur staatlichen Prüfung zugelassen würde. Letzteres hat die Regierung in ihrer Klageerwiderung ausdrücklich als Grund dafür genannt, warum die von der Klägerin begehrte verbindliche Feststellung, dass sie diese gesetzlichen Voraussetzungen erfülle, nicht möglich sei (vgl. zum feststellenden Bescheid BVerwG, U.v. 17.8.2017 - 3 C 12.16 - BVerwGE 159, 288 - juris Rn. 1, zur Verpflichtungsklage VG Hannover, U.v. 17.11.2020 - 5 A 2762/19 - juris Rn. 17).
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Da die Klageerhebung innerhalb der für eine Verpflichtungsklage vorgeschriebenen Monatsfrist nach Bekanntgabe des oben genannten Bescheids (§ 74 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwGO) erfolgt war, wurde die Klage auch fristgemäß erhoben.
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2. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Feststellung, dass sie die Zugangsvoraussetzungen für eine Ausbildung als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin erfüllt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der diesem entgegenstehende rechtswidrige Bescheid der Regierung vom 27. Januar 2021 verletzt die Klägerin in ihren Rechten und ist daher aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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2.1 Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Feststellung ist § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in der Fassung vom 16. Juni 1998 (BGBl I S. 1311 - PsychThG a.F.), welcher gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den Beruf der Psychotherapeutin und des Psychotherapeuten vom 15. November 2019 (BGBl I S. 1604, i.d.F. d. G.v. 19.5.2020, BGBl I S. 1018 - PsychThG n.F.) für Personen, die vor dem 1. September 2020 ein Studium, das in § 5 Abs. 2 PsychThG a.F. genannt ist, begonnen oder abgeschlossen haben, anwendbar ist. Diese Personen können die Ausbildung zum Beruf u.a. der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin nach dieser Übergangsregelung noch bis zum 1. September 2032 absolvieren.
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Gemäß § 5 Abs. 1 PsychThG a.F. dauert die Ausbildung einerseits zur Psychologischen Psychotherapeutin und andererseits zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in Vollzeitform jeweils mindestens drei Jahre, besteht aus einer praktischen Tätigkeit, die von theoretischer und praktischer Ausbildung begleitet wird, und schließt jeweils mit Bestehen der staatlichen Prüfung ab. Voraussetzung für den Zugang zu einer Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten ist u.a. gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychthG a.F. „eine im Inland an einer Universität oder gleichstehenden Hochschule bestandene Abschlussprüfung im Studiengang Psychologie, die das Fach Klinische Psychologie einschließt (…)“. Hingegen ist Voraussetzung für den Zugang zu einer Ausbildung zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten u.a. gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a PsychThG a.F. die eben unter Nr. 1 genannte Voraussetzung oder gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b PsychThG a.F. „die im Inland an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule bestandene Abschlussprüfung in den Studiengängen Pädagogik oder Sozialpädagogik“. Den akademischen Grad eines „Master auf Arts (M.A.)“ hat die Klägerin im Jahr 2012 von einer inländischen staatlichen Universität nach vorheriger erfolgreicher Ablegung der entsprechenden Abschlussprüfung verliehen bekommen.
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2.2 Ein im Inland an einer Universität oder gleichstehenden Hochschule bestandene Masterabschluss im Studiengang Psychologie, der das Fach Klinische Psychologie einschließt, ist eine Abschlussprüfung im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG a.F. (BVerwG, U.v. 17.8.2017 a.a.O. Rn. 7). Da der Gesetzgeber in der Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 1 PsychThG n.F. in Kenntnis dieser Entscheidung § 5 Abs. 2 PsychThG für einen Übergangszeitraum für weiterhin anwendbar erklärt, gilt diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für diesen Übergangszeitraum bei Anwendung der bislang geltenden Rechtsvorschriften gleichermaßen. Ferner ist diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach Auffassung der Kammer über die der dortigen Entscheidung zugrundeliegenden Fallgestaltung der Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten auch auf den Fall der Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin anzuwenden, denn § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a PsychThG a.F. lässt als Voraussetzung ausdrücklich auch die Voraussetzungen nach Nr. 1 dieser Regelung genügen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte in der genannten Entscheidung den Masterabschluss ebenso wie das Diplom als berufsqualifizierenden Hochschulabschluss bezeichnet, der aufgrund von Prüfungen erworben wird und der den Nachweis erbringt, dass ein (Master-)Studiengang erfolgreich absolviert worden ist. Es hat weiter ausgeführt, der Wortlaut der Norm biete keinen Anhaltspunkt dafür, dass mit dem Begriff der Abschlussprüfung eine abschließende Festlegung auf den Diplomabschluss bezweckt gewesen wäre. Die Verwendung der Formulierung „Abschlussprüfung“ anstelle von „Diplomprüfung“ spreche vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber mögliche Änderungen im Hochschulrecht mitbedacht und deshalb bewusst eine Bezeichnung gewählt habe, die die Art des Abschlusses nicht näher qualifiziert (BVerwG, U.v. 17.8.2017 a.a.O. Rn. 8 f.).
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Weiterhin lässt das Bundesverwaltungsgericht im dort entschiedenen Fall den Masterstudiengang der dortigen Klägerin mit der Bezeichnung „Klinische Psychologie/Psychoanalyse“ als Studiengang genügen, der die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a PsychThG a.F. erfüllt, obwohl in dieser Regelung als bezeichneter Studiengang (nur) „Psychologie“ enthalten ist.
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2.3 Unter Anwendung dieser höchstrichterlichen Feststellungen auf den vorliegenden Fall ist zum einen auch der Masterstudiengang der Klägerin grundsätzlich als Studiengang im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b PsychThG a.F. anzusehen. Zum anderen aber ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass es entgegen der Auffassung des Beklagten auf die „richtige“ Bezeichnung des Studiengangs in dieser Regelung gerade nicht ankommt, auch nicht „aus einer Zusammenschau aller Änderungen des PsychThG und aller Urteile des BVerfG und des BVerwG hierzu“. Im Gegenteil ist das Psychotherapeutengesetz in der früheren Fassung in Hinblick auf die hochschulrechtliche Entwicklung in Anknüpfung an den sogenannten Bologna-Prozess und insbesondere auf die Umstellung der Studienstrukturen auf Bachelor- und Masterstudiengänge in dieser Hinsicht auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 17.8.2017 a.a.O. Rn. 9 m.w.N.). Ein dem nicht entsprechender, jedoch gegebenenfalls sogar länderübergreifend beschlossener Verwaltungsvollzug ist demgegenüber anzupassen. Durch die Anerkennung weiterer Studiengänge über den konkreten Gesetzeswortlaut hinaus (soziale Arbeit, Erziehungswissenschaften, Bildungswissenschaften) hat nach Auffassung der Kammer eine solche Anpassung des Verwaltungsvollzugs jedenfalls zum Teil bereits stattgefunden. Durch diesen Verwaltungsvollzug hat sich der Beklagte insoweit selbst gebunden (Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung, vgl. etwa VGH BW, B.v. 10.07.2012 - 3 S 231/11 - juris Rn. 20, mit Hinweis auf den Gleichheitssatz des Grundgesetzes).
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Soweit ersichtlich, hat weder das Bundesverfassungsgericht noch das Bundesverwaltungsgericht das Festhalten an einer „formell korrekten Bezeichnung“ eines Studiengangs als Voraussetzung für die von der Klägerin begehrte Feststellung gefordert, auch nicht unter Berücksichtigung des Erfordernisses eines Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung als wichtiges Gemeinschaftsgut zu Einschränkung einer subjektiven Berufswahlregelung nach Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. zum Ganzen BVerfG, U.v. 11.6.1958 - 1 BvR 596/56 - BVerfGE 7, 377 - „Apotheken-Urteil“). Insbesondere die vom Beklagten genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. März 2000 (1 BvR 1453/99 - NJW 2000, 1779 - juris), die im Übrigen noch vor Umstellung der Studienstrukturen auf Bachelor- und Masterstudiengänge im Zuge des sogenannten Bologna-Prozesses ergangen war, enthält eine solche Forderung nicht, sondern betont allgemeingültig für den Fall von im Bereich der Psychotherapie tätigen Heilpraktikern ohne abgeschlossenes Psychologiestudium die Wichtigkeit und Zulässigkeit des Forderns von Ausbildungsnachweisen, Qualifikationsanforderungen und Regelungen zum Sachkundenachweis als subjektive Zulassungsbeschränkungen, wenn sie als Voraussetzung zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Berufs und zum Schutz hoher Gemeinschaftsgüter erforderlich sind und wenn sie nicht außer Verhältnis zum angestrebten Zweck stehen, d. h. nicht übermäßig und unzumutbar belasten (BVerfG, B.v. 16.3.2000 a.a.O. Rn. 28).
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Entgegen der Auffassung des Beklagten kann ein Festhalten an einer „formell korrekten Bezeichnung“ eines Studiengangs als Voraussetzung für die von der Klägerin begehrte Feststellung auch nicht mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Universitäten begründet werden, hochschulrechtlich darüber zu entscheiden, wie sie einen Masterstudiengang benennen. Im Gegenteil bedingt eine verfassungskonforme Auslegung bisher geltender Regelungen des Psychotherapeutengesetzes im oben genannten Sinne unter Berücksichtigung der Umstellung der Studienstrukturen auf Bachelor- und Masterstudiengänge im Zuge des Bologna-Prozesses eine entsprechend flexible Herangehensweise der Verwaltung an die Beurteilung des Vorliegens dieser Voraussetzungen unter Beachtung aller Gesamtumstände. Dass eine Prüfungs- und Studienordnung zu einem (konsekutiven) Masterstudiengang eine andersartige, gegebenenfalls sogar spezialisiertere Beschreibung der für den Übergang in die Berufspraxis notwendigen gründlichen Fachkenntnisse enthält als ein einheitlicher Diplomstudiengang, ist jedenfalls kein Grund, diesen Masterstudiengang nicht als ausreichend zum Nachweis der vom Beklagten im vorliegenden Fall verlangten Voraussetzung anzusehen. Die Kammer geht davon aus, dass auch in dem vom Bundesverwaltungsgericht am 17. August 2017 (3 C 12.16) entschiedenen Fall sich die Prüfungs- und Studienordnung des von der dortigen Klägerin abgeschlossenen Masterstudiengangs inhaltlich von den Anforderungen einer Prüfungund Studienordnung in einem (Diplom-)Studiengang „Psychologie“ unterschieden hatte, ohne dass dieses nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die Anerkennung des von der Klägerin abgeschlossenen Studiengangs im dort genannten Sinne gehindert hätte.
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Der Einwand des Beklagten, der Zugang zur Ausbildung und insbesondere die Ausbildungsplätze an geeigneten Ausbildungsstätten seien limitiert, weil die Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin eine Ausnahme des Arztvorbehaltes darstelle, ist unbehelflich, da sich die Anzahl der Studienplätze nicht nach den Ausbildungsplätzen an den Ausbildungsstätten, sondern nach dem Kapazitätsrecht richtet.
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2.4. Vorliegend hat die Klägerin bereits durch den erfolgreichen Abschluss des Bachelorstudiengangs „Soziale Arbeit“, aufgrund dessen ihr am 30. September 2009 der akademische Grad „Bachelor of Arts (B.A.)“ verliehen worden war, nachgewiesen, im Bereich des vom Beklagten im eigenen Verwaltungsvollzug selbst anerkannten Studiengangs „Soziale Arbeit“ Kenntnisse erlangt zu haben. Entgegen der Auffassung des Beklagten können solche Kenntnisse nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung einer subjektiven Berufswahlregelung nach Art. 12 Abs. 1 GG Bedeutung für die Frage gewinnen, ob in Zusammenschau von Bachelor- und Masterabschluss Anspruch auf die von der Klägerin begehrte Feststellung besteht. In der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. August 2017 ist keine Aussage dergestalt enthalten, dass einem erfolgreichen Abschluss in einem Bachelorstudiengang in dieser Hinsicht keine Bedeutung zukommt. Vielmehr hatte das Bundesverwaltungsgericht nur über die Frage zu entscheiden, ob bei einem Masterstudiengang, der für sich gesehen bereits die Voraussetzungen für die von der dortigen Klägerin begehrte Feststellung erfüllt, das Erfordernis eines zusätzlichen Bachelorabschlusses in einem bestimmten Fach besteht. Nur diese Frage war in dieser Entscheidung verneint worden (BVerwG, U.v. 17.8.2017 a.a.O. Rn. 15 ff.). Ob die Klägerin bereits allein aufgrund des erfolgreichen Abschlusses ihres Bachelorstudiengangs einen Anspruch auf die von ihr begehrte Feststellung hat, ist zweifelhaft und läßt sich nach Auffassung der Kammer jedenfalls der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. August 2017 nicht entnehmen (vgl. allerdings hierzu HessVGH, U.v. 4.2.2016 - 7 A 983/15 MedR 2016, 986 - juris Rn. 60 ff; VG Hannover, U.v. 17.11.2020 a.a.O. Rn. 29).
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3. Der Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
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4. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.