Inhalt

VGH München, Beschluss v. 16.03.2021 – 20 NE 21.634
Titel:

Erfolgloser einstweiliger Rechtsschutz gegen Kontaktbeschränkungen, das Tragen von FFP2-Masken, Einschränkungen der Nutzung von Sportstätten und Schließung von Kulturstätten aufgrund Corona-Verordnung - Bayern

Normenketten:
12. BayIfSMV § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 3 S. 1, § 12 Abs. 1 S. 4 Nr. 3, § 23 Abs. 1
IfSG § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1, § 32 S. 1
VwGO § 47 Abs. 6
Leitsatz:
Die Regelungen in §§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 10 Abs. 3 S. 1, 12 Abs. 1 S. 4 Nr. 3, 23 Abs. 1 der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 5. März 2021 (12. BayIfSMV), wonach Kontaktbeschränkungen bei bestimmten Inzidenzwerten verhängt werden, das Tragen von FFP2-Masken in gewissen Verkaufsstellen angeordnet wird, der Betrieb und die Nutzung von Sportplätzen eingeschränkt und Kulturstätten (hier Kinos) geschlossen werden, ist bei der im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO gebotenen summarischen Prüfung von der Verordnungsermächtigung in § 32 S. 1 iVm §§ 28 Abs. 1, 28a Abs. 1 IfSG gedeckt und voraussichtlich rechtmäßig. (Rn. 11 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona Pandemie, Ausgangsbeschränkungen, Coronavirus SARS-CoV-2, COVID-19, Schutzmaßnahmen, Kontaktbeschränkungen, Betrieb und Nutzung von Sportstätten, Schließung von Kulturstätten, FFP2-Maskenpflicht
Fundstelle:
BeckRS 2021, 4747

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller, der in München lebt, beantragt zuletzt die vorläufige Außervollzugsetzung der §§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 10 Abs. 3 Satz 1, 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 und 23 Abs. 1 der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 5. März 2021 (12. BayIfSMV; BayMBl. 2021 Nr. 171), die am 28. März 2021 außer Kraft tritt (§ 30 12. BayIfSMV).
2
Er macht geltend, als Mitglied eines Sportvereins und eines Golfclubs durch die angegriffenen Normen der 12. BayIfSMV in seinen Grundrechten verletzt zu sein. Er wolle außerdem das Kino besuchen und wende sich gegen die Kontaktbeschränkungen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb Floristen und Baumärkte öffnen dürften und Einzelunterricht in Musikschulen zugelassen werde, während andere Aktivitäten, die bei - für den Verordnungsgeber maßgebender - objektiver Betrachtung höheren Schutzgütern dienten. Der Antragsgegner habe in einem Jahr seit Beginn der Pandemie ausreichend Zeit gehabt, die Kapazitäten für Krankenhausbetten zu erhöhen und ein effizientes Impfprogramm auszuarbeiten. Gleiches gelte für die Sicherstellung der Kontaktnachverfolgung durch die Gesundheitsämter. Der Verordnungsgeber habe bei den langandauernden Einschränkungen den Impffortschritt zu berücksichtigen. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, warum Kinos immer noch geschlossen seien, während der Besuch von Gottesdiensten im Rahmen des § 6 12. BayIfSMV ermöglicht werde. Der Glaubensfreiheit komme nicht pauschal eine höhere Bedeutung zu als anderen Grundrechten. Die Kontaktbeschränkungen in § 4 12. BayIfSMV seien nicht nachvollziehbar, was die Anzahl der zulässigen Kontakte betreffe. Außerdem gebe es mit Abstands- und Hygieneregeln mildere Mittel zur Zielerreichung. Es sei maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Inzidenzwerte sänken. Bezüglich der Sportstätten seien unterschiedliche Größen und Höhen der Hallen zu berücksichtigen. Es bestehe eine Ungleichbehandlung zwischen Sportstätten und Ladengeschäften, wie etwa Blumenläden. Er halte die Verpflichtung zum Tragen von FFP2-Masken für unverhältnismäßig. Diese seien unangenehm zu tragen und medizinisch nicht unbedenklich. Auch bestehe eine Ungleichbehandlung mit dem Personal in Supermärkten, für welches eine entsprechende Verpflichtung nicht bestehe. Außerdem werde durch FFP2-Masken sehr viel Abfall verursacht.
3
Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen.
4
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
5
Der nur zum Teil zulässige Antrag ist unbegründet.
6
Soweit sich der Antrag gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 12. BayIfSMV richtet, ist er bereits unzulässig, weil der Antragsteller von dieser Regelung nicht betroffen ist. Dem Antragsteller fehlt die Antragsbefugnis, weil § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 12. BayIfSMV in München derzeit keine Wirkung entfaltet. Die insofern maßgebliche 7-Tages-Inzidenz liegt in München bei 69,1 (https://www.muenchen.de/aktuell/2020-03/coronavirus-muenchen-infektion-aktueller-stand.html). Nachdem die Stadt München nicht in die auf § 3 Nr. 1 12. BayIfSMV gestützte Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 7. März 2021 aufgenommen ist (Az. GZ6a-G8000-2021/505-14; BayMBl. 2021 Nr. 173), ist der Antragsteller durch die streitgegenständliche Regelung nicht belastet. Er macht auch nach Antragsumstellung nicht geltend, durch § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 12. BayIfSMV in eigenen Rechten verletzt zu werden.
7
Die Voraussetzungen des § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen nicht vor. Ein noch zu erhebender Normenkontrollantrag in der Hauptsache hat unter Anwendung des Prüfungsmaßstabs im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO (1.) bei summarischer Prüfung keine durchgreifende Aussicht auf Erfolg (2.). Unabhängig davon ginge auch eine Folgenabwägung zulasten des Antragstellers aus (3.).
8
1. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen oder noch zu erhebenden Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 12; zustimmend OVG NW, B.v. 25.4.2019 - 4 B 480/19.NE - NVwZ-RR 2019, 993 - juris Rn. 9). Dabei erlangen die Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Eilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann.
9
Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ ZfBR 2015, 381 - juris Rn. 12).
10
Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte Außervollzugsetzung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe. Die für eine einstweilige Außervollzugsetzung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass sie - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 u.a. - juris Rn. 12; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 106).
11
2. Nach diesen Maßstäben ist der Eilantrag auf einstweilige Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelung abzulehnen, weil ein in der Hauptsache noch zu erhebender Normenkontrollantrag bei summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg hat.
12
a) Zu der Frage, ob die angegriffenen Bestimmungen auf einer ausreichenden gesetzlichen Verordnungsermächtigung beruht, die insbesondere den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Parlamentsvorbehalt und an das Bestimmtheitsgebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG genügt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich Bezug genommen auf den Beschluss des Senats vom 8. Dezember 2020 (20 NE 20.2461 - juris Rn. 22 ff.), wonach gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 28a IfSG jedenfalls im Rahmen des Eilrechtsschutzes keine durchgreifenden Bedenken bestehen.
13
b) Die von der Antragstellerin angegriffenen Regelungen stehen mit der Ermächtigungsgrundlage der § 32 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 Nr. 2 (Maskenpflicht), Nr. 7 (Untersagung oder Beschränkung von Kulturveranstaltungen oder des Betriebs von Kultureinrichtungen) und Nr. 8 (Untersagung oder Beschränkung von Sportveranstaltungen und der Sportausübung) IfSG, in Einklang, weil die Voraussetzungen vorliegen, und erweisen sich bei summarischer Prüfung weder als offensichtlich unverhältnismäßig noch als gleichheitswidrig.
14
aa) Das Infektionsgeschehen ist weiter auf hohem Niveau. Nach dem Situationsbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 15. März 2021 (vgl. abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Jan_2021/2021-03-15-de.pdf? blob=publicationFile) nimmt die Zahl der Übertragungen von COVID-19 in der Bevölkerung in Deutschland deutlich zu. Das RKI schätzt die Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Die Inzidenz der letzten sieben Tage liegt deutschlandweit bei 83 Fällen pro 100.000 Einwohner, in Bayern bei 88. Die Sieben-Tage-Inzidenz bei Personen zwischen 60 und 79 Jahren liegt bei aktuell 52 Fällen und bei Personen über 80 Jahren bei 54 pro 100.000 Einwohner. Die 7-Tage-Inzidenz in den Altersgruppen unter 60 Jahre nimmt zu. Die hohen bundesweiten Fallzahlen werden verursacht durch zumeist diffuse Geschehen mit zahlreichen Häufungen insbesondere in privaten Haushalten, im beruflichen Umfeld sowie zunehmend in Kitas und Schulen. Weltweit kommen verschiedene Virusvarianten vor, darunter drei besorgniserregenden Virusvarianten (variants of concern, VOC): Die Viren der Linie B.1.1.7 (erstmals nachgewiesen in Großbritannien), der Linie B.1.351 (erstmals nachgewiesen in Südafrika) und der Linie P.1 (zirkuliert hauptsächlich im brasilianischen Bundesstaat Amazonas). Mit verstärkter Probensequenzierung und Datenerfassung im Deutschen elektronischen Sequenzdaten-Hub (www.rki.de/covid-19-desh) wird das Infektionsgeschehen im Rahmen der Integrierten Molekularen Surveillance (IMS) intensiv beobachtet. Auch in Deutschland sind seit Dezember 2020 Infektionen mit VOC nachgewiesen worden, speziell der Variante B.1.1.7. Die bisher vorliegenden Daten und Analysen zeigen, dass sich der Anteil der VOC B.1.1.7 in den letzten Wochen deutlich erhöht hat. Die bisher vorliegenden Daten und Analysen zeigen, dass sich der Anteil der VOC B.1.1.7 in den letzten Wochen deutlich erhöht hat. Die Virusvariante B.1.1.7 wird aktuell bei >50% der untersuchten positiven Proben in Deutschland gefunden, also in ca. jeder zweiten Probe. Das ist besorgniserregend, weil B.1.1.7 nach bisherigen Erkenntnissen ansteckender ist und vermutlich etwas schwere Krankheitsverläufe verursacht als andere Varianten.
15
Notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 IfSG zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) können für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Absatz 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag insbesondere auch die mit dem vorliegenden Antrag angegriffenen Regelungen sein. Entscheidungen über Schutzmaßnahmen sind nach § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten. Dabei sind soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 vereinbar ist. Einzelne soziale, gesellschaftliche oder wirtschaftliche Bereiche, die für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, können von den Schutzmaßnahmen ausgenommen werden, soweit ihre Einbeziehung zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 nicht zwingend erforderlich ist (§ 28a Abs. 6 Satz 2 und 3 IfSG).
16
Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist nach dem Willen des Gesetzgebers, der in § 28a Abs. 3 IfSG zum Ausdruck kommt, ein gestuftes Vorgehen geboten, das sich an dem tatsächlichen regionalen Infektionsgeschehen orientieren soll (vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 31). Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen (§ 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG). Bei einer landesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben (§ 28a Abs. 3 Satz 10 IfSG). Mit einer landesweiten Inzidenz von 88 am 15. März 2021, die im Vergleich zu der 7-Tage-Inzidenz zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Verordnung am 5. März 2021 bereits erheblich angestiegen ist (69, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Maerz_2021/2021-03-05-de.pdf? blob=publicationFile), besteht Handlungsbedarf zur effektiven Eindämmung des Infektionsgeschehens.
17
bb) Soweit sich der Antragsteller gegen § 10 Abs. 3 Satz 1 und § 12 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 12. BayIfSMV wendet, kann zur Frage der Verhältnismäßigkeit der Regelungen vollumfänglich auf die zu diesen Regelungsgegenständen bereits ergangene Senatsrechtsprechung verwiesen werden (BayVGH, B.v. 12.3.2021 - 20 NE 21.539, diesem Beschluss beigefügt und B.v. 12.11.2020 - 20 NE 20.2463 - juris Rn. 33 ff. sowie BayVGH, B.v. 26.1.2021 - 20 NE 21.171 - juris), an der der Senat festhält. Aus dem Vorbringen des Antragstellers ergeben sich keine neuen Anhaltspunkte, die ein Abweichen von der bisherigen Rechtsprechung erfordern würden.
18
cc) Auch die Schließung von Kultureinrichtung durch § 23 Abs. 1 12. BayIfSMV erweist sich bei summarischer Prüfung aller Voraussicht nach derzeit nicht als offensichtlich unverhältnismäßig.
19
(1) Die Schließung der in § 23 Abs. 1 12. BayIfSMV genannten Kultureinrichtungen ist geeignet, menschliche Kontakte zu reduzieren und damit zu einer Verlangsamung des Infektionsgeschehens beizutragen. Der Besuch kultureller Einrichtungen dient in besonderer Weise dem Austausch und der Kommunikation zwischen den Besuchern. Hierbei kommt es in der Regel zu Menschenansammlungen. Immer dann, wenn Menschen aufeinandertreffen und sich austauschen, ist das Risiko einer Ansteckung besonders groß (BT-Drs. 19/23944, Seite 31 zu Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen).
20
(2) Dass dem Normgeber, der nach Art. 99 Satz 2 Halbsatz 2 BV verpflichtet ist, die personellen und sachlichen Kapazitäten des Gesundheitssystems zu schützen (BayVerfGH, E.v. 16.11.2020 - Vf. 90-VII-20 - juris Rn. 23; E.v. 8.5.2020 - Vf. 34-VII-20 - juris Rn. 121), mildere, aber gleichermaßen wirksame Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um in den geregelten Bereichen die Infektionsgefahr zu minimieren und damit der weiteren Ausbreitung der Pandemie entgegenzuwirken, ist nicht offensichtlich. Der Senat geht nach wie vor davon aus, dass die Betriebsschließungen mit der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag kraft Gesetzes auch grundsätzlich zur Bekämpfung der Coronavirus-Krankheit-2019 erforderliche Infektionsschutzmaßnahmen sind. Davon ist der Gesetzgeber durch den Erlass des mit Artikel 1 des Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. I S. 2397) eingefügten § 28a IfSG ausgegangen. Zwar sind die dadurch eingeräumten Befugnisse der Infektionsschutzbehörden und damit vor allem des Verordnungsgebers nach § 32 IfSG, Untersagungs- und Beschränkungsmaßnahmen für ganze Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sowie allgemeine Verhaltenspflichten für jedermann zur Bekämpfung von COVID-19 zu erlassen, zum Teil sehr weitgehend und in die Grundrechte der Betroffenen tief eingreifend. Auf der anderen Seite muss jedoch berücksichtigt werden, dass diese Befugnisse allein auf das Ereignis der Corona-Pandemie zugeschnitten sind und jedenfalls flächendeckend nur für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG durch den Deutschen Bundestag erlassen werden können. Dadurch hat der Bundestag eine Gefährdungseinschätzung durch die Corona-Pandemie, welche sowohl Gefahrenabwehrelemente als auch Gefahrenprognoseelemente (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 28.6.2004 - 6 C 21.03 - BeckRS 2004, 25030) enthält, zum Ausdruck gebracht, welche grundsätzlich solch einschneidende Maßnahmen voraussichtlich rechtfertigen kann. Dass der Bundestag hier seinen weiten Gestaltungsspielraum bei der Erfüllung seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflichten gegenüber Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 12.5.2020 - 1 BvR 1027/20 - NVwZ 2020, 1823 - juris Rn. 6) überschritten hätte, ist nicht ersichtlich. Dafür, dass sich an dieser Risikoeinschätzung durch den Bundesgesetzgeber maßgeblich etwas ändert, bestehen keine Anhaltspunkte. Vielmehr hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung vom 4. März 2021 den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD - Entwurf eines Gesetzes zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen (Drucksachen 19/26545 und 19/27291) in zweiter Lesung angenommen; von einer Zustimmung des Bundesrates ist derzeit auszugehen (vgl. BR-Drs. 197/21 und 197/1/21).
21
Zwar können auch Hygienekonzepte zu einer Reduzierung von Ansteckungen mit SARS-CoV-2 beitragen. In der derzeitigen Phase der Pandemie, die weiterhin von einem starken diffusen Ausbruchsgeschehen geprägt ist und in der in vielen Fällen das Infektionsumfeld nicht ermittelt werden kann (vgl. auch Begründung zur 12. BayIfSMV vom 5. März 2021, BayMBl. 2021 Nr. 172, S. 2), dürfte eine an § 28a Abs. 6 IfSG orientierte Abwägungsentscheidung des Verordnungsgebers, kulturelle Einrichtungen insgesamt geschlossen zu halten, unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Vorgaben zur Ergreifung umfassender Schutzmaßnahmen bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen (§ 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG) innerhalb des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums liegen. Angesichts des ansteigenden Infektionsgeschehens bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Verordnungsgeber hierbei von unsachlichen oder offensichtlich nicht zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist (BayVGH, B.v. 15.2.2021 - 20 NE 21.411 - BeckRS 2021, 2693; BayVGH, B.v. 8.12.2020 - 20 NE 20.2461 - COVuR 2021, 46), auch wenn sich der Begründung der 12. BayIfSMV zum Fortbestand der Schließung der in § 23 Abs. 1 12. BayIfSMV genannten Einrichtungen nichts hierzu entnehmen lässt (BayMBl. 2021 Nr. 172, Seite 6) und insoweit nur auf die Begründung der 9. BayIfSMV vom 30. November 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 684, Seite 3) zurückgegriffen werden könnte (vgl. auch Begründung zur 10. BayIfSMV, BayMBl. 2020 Nr. 712, Seite 6, Begründung zur 11. BayIfSMV, BayMBl. 2020 Nr. 738, Seite 2).
22
(3) Wegen des weiterhin angespannten Infektionsgeschehens sowie der gravierenden Auswirkungen im Fall einer (konkret drohenden) Überlastung des Gesundheitssystems stehen die mit den Maßnahmen verbundenen Einschränkungen für das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) des Antragstellers derzeit noch nicht offensichtlich außer Verhältnis zu Gewicht und Dringlichkeit der die Maßnahmen rechtfertigenden Gründe.
23
3. In dieser Situation ergibt außerdem eine Folgenabwägung, dass die zu erwartenden Folgen einer Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelung - im Hinblick auf die damit einhergehende mögliche Eröffnung weiterer Infektionsketten - schwerer ins Gewicht fallen als die Folgen ihres weiteren Vollzugs für die Rechte der Normadressaten. Gegenüber den bestehenden Gefahren für Leib und Leben, vor denen zu schützen der Staat nach dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) verpflichtet ist, müssen die Interessen des Antragstellers, die sich in der Wahrnehmung seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG erschöpfen, derzeit zurücktreten.
24
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von dem Antragsteller angegriffene Bestimmung bereits mit Ablauf des 28. März 2021 außer Kraft tritt (§ 30 12. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, sodass der Streitwert für das Eilverfahren nicht nach Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu verringern ist.
25
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).